eJournals Forum Modernes Theater 30/1-2

Forum Modernes Theater
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2196-3517
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FMTh-2015-0010
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2019
301-2 Balme

Savonarolas Tempelbau

2019
Judith Frömmer
Savonarolas Tempelbau. Überlegungen zum (re-)enactment religiöser Performanzen in der Begründung von Gemeinschaften* Judith Frömmer (Freiburg) This paper analyses the political theology of Savonarola ’ s sermons as both enactment and reenactment of religion in the thriving culture of early modern Florence. Not only is Savonarola ’ s project of a new Florentine republic as (pre-)figured in his vision of a ‘ new Jerusalem ’ built upon the powerful rhetoric of the controversial prophet and his ‘ artful ’ use of Scripture. Furthermore, the performative language of the preacher discloses significant characteristics of the foundational narratives of the Italian nation, if not of western modernity. I. Savonarola und die politische Theologie der Moderne Die Predigten des Dominikaners Girolamo Savonarola, die manchmal weit über 10.000 Besucher in die Kirchen von Florenz trieben, sind als Spektakel mehr oder weniger unfreiwillig zum Teil der „ Kultur der Renaissance “ geworden: einer Kultur, deren Prachtentfaltung Savonarola selbst leidenschaftlich bekämpfte, die aber in den historiographischen Rekonstruktionen des 19. Jahrhunderts nicht nur zum Inbegriff der Epoche der Renaissance, sondern auch des damit eingeleiteten Modernisierungsprozesses wurde. In einer Kultur, in der, Jacob Burckhardts epochemachender Studie zufolge, in allen Bereichen des öffentlichen Lebens Ästhetik an die Stelle der Religion tritt, musste Savonarola zur Gegenfigur der Moderne werden 1 - einer Moderne, in der die „ Illusion “ der Religion, von der Freud sprechen wird, 2 zunehmend durch kulturelle Artefakte und menschliche poiesis ersetzt wird. 3 Gleichwohl kommt kaum eine historische Darstellung der Renaissance ohne Savonarola als dem vielleicht berühmtesten Gegenspieler einer Kultur aus, die sich immer auch auf das Wiedererzählen und Wiederaufführen ‚ religiöser ‘ Performanzen gründet. Abb. 1: Dieser Holzschnitt befindet sich unter den Illustrationen von Savonarolas Compendio di revelatione, Florenz 1496. Quelle: Inc 6316.10 (A), Houghton Library, Harvard University. 4 Aus diesen religiösen Performanzen erwächst fernerhin die Sprache der Begründung von Gemeinschaften, wie sie in den Predigten Savonarolas, aber auch in verschiedenen Gründungserzählungen der Moderne, zutage tritt. 5 Speist sich das ‚ neue Jerusalem ‘ , das Savonarola in Florenz von der Kanzel aus erstehen lassen will, aus Versatzstücken der christlichen Heilsgeschichte, so wird die eschatologische Sprache des Predigers gleichzeitig für die Begründung irdischer Gemeinschaften und insbesondere für die Einrichtung des Consiglio Grande als des maßgeblichen parlamentarischen Entscheidungsorgans der Forum Modernes Theater, 30/ 1-2 (2015 [2019]), 122 - 140. Gunter Narr Verlag Tübingen DOI 10.2357/ FMTh-2015-0010 Republik vereinnahmt. Savonarolas Reform von Florenz ist also zugleich enactment und re-enactment von Religion. Diese Doppelstruktur kennzeichnet, wie ich im Folgenden anhand einer Konfrontation des ‚ vormodernen ‘ Phänomens Savonarola mit seiner ‚ modernen ‘ Rezeption zeigen möchte, nicht nur die Predigten Savonarolas, sondern auch die Gründungserzählungen Italiens, ja sie könnte vielleicht sogar charakteristisch für die politische Sprache von Gründungsakten sein. Der Macht, die Savonarola im Florenz des ausgehenden 15. Jahrhunderts, wenn auch nur über wenige Jahre hinweg, von der Kanzel aus entfalten konnte, ist eine bis heute anhaltende Faszination zu eigen. 6 Obwohl er seine Predigten als Gegenprogramm zur Kunst und Kultur seiner Zeit verstanden wissen will, werden Savonarolas Auftritte von den Zeitgenossen als Spektakel und damit als Teil einer kulturellen Praxis wahrgenommen. 7 Dabei greift das metaphorische Feuer seiner Worte nahezu buchstäblich auf die Stadt Florenz über. 8 Am eindrücklichsten konkretisiert sich dies vermutlich in den legendären falò delle vanità, in denen Savonarolas Anhänger neben Luxusgegenständen und Kunstwerken auch zahlreiche Manuskripte und Bücher der Renaissance verbrannten und damit die „ Kultur der Renaissance “ sowohl symbolisch als auch literal in Flammen aufgehen ließen. Wie Horst Bredekamp gezeigt hat, handelt es sich dabei jedoch weniger um Akte eines religiösen Fanatismus denn um die Refunktionalisierung eines volkstümlichen Rituals und damit um eine kulturelle Praxis: Savonarola und seine Anhänger knüpfen mit ihren spektakulären Verbrennungen an ein Ritual an, mit dem in Florenz regelmäßig die Karnevalszeit abgeschlossen wurde. 9 Die Piagnoni versuchen, diese karnevalesken Verbrennungsrituale gegen die Medici und ihre kulturelle Selbstinszenierung zu wenden, um die Feuer auf diese Weise politisch zu instrumentalisieren. Wie dieses Beispiel verdeutlicht, ist es bei Savonarolas Performanzen nahezu unmöglich, zwischen religiösen und kulturellen Praktiken - und damit zwischen der prätendierten göttlichen oder der unterstellten menschlichen Autorisierung seiner öffentlichkeitswirksamen Aktionen - zu unterscheiden. Nicht zuletzt deshalb können diese performativen Praktiken sowohl von Savonarolas Anhängern als auch von seinen Gegnern vereinnahmt werden. Nach Savonarolas Exkommunizierung durch den Borgia-Papst Alexander VI. richten sich die symbolträchtigen Feuer der Eitelkeiten gegen den Dominikanermönch selbst. Offensichtlich konnte der Flächenbrand, den er in Florenz durch seine Predigten gelegt hatte, nur durch einen weiteren Scheiterhaufen gelöscht werden. Dort wurden Savonarolas sterblichen Überreste am 23. Mai 1498 verbrannt, nachdem ihm auf Betreiben der römischen Kurie der Prozess gemacht und er auf der Piazza della Signoria zusammen mit zwei Mitbrüdern erhängt worden war. Abb. 2: Hinrichtung Savonarolas und seiner Gefährten, Tafelmalerei um 1498 - 1510, Florenz, Museo di San Marco. 10 Savonarolas Leichnam wurde nach der Hinrichtung, die von der Stadtrepublik Florenz nach langem Drängen der römischen Kurie 123 Savonarolas Tempelbau. Überlegungen zum (re-)enactment religiöser Performanzen vollstreckt worden war, zum einen deswegen umgehend verbrannt, um die legendären Feuer der Eitelkeiten zu sühnen, die am selben Ort stattgefunden hatten; zum anderen um durch die Beseitigung möglicher Reliquien einen späteren Märtyrerkult zu verhindern. Diese Maßnahmen waren jedoch vergeblich. Auch nach seinem Tod wirkte Savonarola als Gründerfigur fort. Sowohl als religiöse wie auch als politische Bewegung überlebte die von Savonarola initiierte Piagnoni-Bewegung bis ins 19. Jahrhundert hinein. 11 Savonarola wurde damit zu einem Rezeptionsphänomen, bei dem es nicht nur um die Kontrolle, sondern auch um die Arbitrarität von Sprache und Symbolen im Zuge einer umfassenden Desakralisierung der Zeichenordnung in einem politischen Kontext geht. Häufig wird die Rolle Savonarolas als retardierendes Moment innerhalb jenes Modernisierungsprozesses interpretiert, der - folgt man Michelet und den an seine berühmte Formel von der „ Entdeckung der Welt und des Menschen “ anknüpfenden Rekonstruktionen der Renaissance - durch diese Epoche eingeleitet worden sein soll. 12 In Italien erreichte dieser Prozess einen vorläufigen Höhepunkt im Risorgimento und der Gründung des Nationalstaates, der sich ab dem 19. Jahrhundert relativ dezidiert gegen die Religion und die katholische Amtskirche herausbildete. Dieses nationalstaatliche Italien gründet sich seinem Selbstverständnis nach wesentlich auf Kultur und gerade nicht auf Religion, deren Vorbzw. Anti-Modernität man häufig durch Savonarola verkörpert sah. In den Geschichtskonstruktionen des Risorgimento konnte der ‚ Fall ‘ Savonarolas daher zum Scharnier zwischen Mittelalter und einer anbrechenden Moderne werden. In der Regel wird der Dominikaner dabei als rückwärtsgewandte Figur gesehen, die, wie u. a. der Dichter und überzeugte Republikaner Giosuè Carducci behauptet, vergeblich gegen die Kultur des ‚ modernen ‘ Italien opponiert habe. 13 In Carduccis Abhandlungen Dello svolgimento della letteratura nazionale aus dem Jahr 1874 stellt er Savonarola als durchweg anachronistische Figur einer ganzen Phalanx an prominenten Philosophen, Künstlern und Politikern eines Italien auf dem Weg in die Moderne gegenüber. In Gestalt des berühmten Predigers habe sich die Religion ein letztes Mal vergeblich gegen die Renaissance und damit gegen die Modernität aufgelehnt: In Gestalt Girolamo Savonarolas erhob sich das religiöse Prinzip mit einem letzten asketischen Aufbegehren gegen den klassischen Sensualismus Pontanos, gegen den volkstümlichen Skeptizismus Pulcis, gegen das künstlerische Heidentum Polizianos, gegen den Idealismus von Boiardos Ritterroman, gegen die Korruption der Medici, Italiens und der Kirche, kurz: gegen die ganze Renaissance. [. . .] Savonarola gab die Losung aus: Erneuerung der Kirche. Dafür war es zu spät. [. . .] Es war eine ebenso hochmütige wie unzeitgemäße und vergebliche Vorstellung, das Mittelalter am Ende des 15. Jahrhunderts zurückzurufen; den Propheten zu geben in einer Zeit, in der Guicciardini heranwuchs; die ganze Stadt, in der Boccaccio Novellen über Bruder Cipolla und den Erzengel Gabriel geschrieben hatte, in ein Kloster zu verwandeln; die Stadt, in der wenig vorher Pulci gestorben war; die Vorstellungen von der Natur, die sich erneut offenbart hatte, mit Visionen abzuwehren; den Geist, der die Freiheit und seine eigenen Werkzeuge erneut erobert hatte, mit der Scholastik zurückzuweisen. 14 Die Reformen Savonarolas sind, Carducci zufolge, die letzten Überreste eines Mittelalters, das durch den Fortschritt und die freiheitlichen Ideale der Renaissance bereits in weiten Teilen überwunden worden sei. Hinkt Savonarola in Carduccis historiographischem Entwurf der italienischen Geschichte hinterher, die bei ihm (wie bei fast 124 Judith Frömmer allen Intellektuellen des 19. Jahrhunderts) schnurstracks auf die Gründung des italienischen Nationalstaates zuläuft, so war er hingegen nach Meinung Pasquale Villaris seiner Zeit weit voraus. In Villaris Savonarola-Biographie, die erstmals in den Jahren 1859 bis 1861 erschien, also genau im Zuge der Einigung Italiens, wird das überkommene Bild von Savonarola „ als einem, der ins Mittelalter zurückkehren will, der erneut die irdischen Dinge dem Himmel, die Zivilgesellschaft einer von der Kirche dominierten Gesellschaft opfern will “ , durch das eines Vorläufers des italienischen Risorgimento ersetzt. 15 Besonders deutlich wird das in der zweiten Auflage von Villaris Biographie, die im Jahr 1887 und damit in einer Zeit erschien, als sich Burckhardts Vision einer säkularen bzw. säkularisierenden Renaissance auch in Italien durchzusetzen begann. Im Vorwort zur Neuauflage von La storia di Girolamo Savonarola e de ’ suoi tempi erklärt Villari Savonarola zur Galionsfigur des rinascimento. In der ersten Auflage seiner Savonarola-Biographie war noch von rinascenza die Rede gewesen. Villari scheint diesen Begriff des rinascimento, der sich in Italien später durchgesetzt hat als der Begriff der Renaissance im deutschen, französischen und englischsprachigen Raum, 16 hier polemisch gegen Burckhardt und seinen säkularen, ja paganen Kulturbegriff zu wenden. 17 Der Kunsthistoriker hatte Kultur, wie viele andere Historiker nach ihm, gerade in Opposition zu den radikalen Reformen des Dominikaners definiert. Dahingegen sind der Fall Savonarola und die Legenden, die sich um diese bis heute kontroverse Figur ranken, in den Augen Villaris paradigmatisch für das ungeklärte Verhältnis des italienischen Nationalstaates zur Religion. Der Dominikaner sei, wie es in der Zusammenfassung der zweiten Auflage von Villaris Biographie heißt, der erste gewesen, „ welcher das Banner jener geistigen Bewegung erhob und vor den Augen der Welt entfaltete, welche man mit dem Namen der ‚ Renaissance ‘ bezeichnet hat. Er war der erste, welcher im 15. Jahrhundert fühlte, daß ein neues Leben die Menschheit durchdringe und erwecke, *und er fand ein nachhaltiges Echo in jenem Teil des italienischen Volkes, der noch unverdorben geblieben war. Weshalb er fürwahr der Prophet der neuen Zivilisation genannt werden kann* “ . 18 Bei Villari ist Savonarola also nicht Gegner, sondern Motor einer auch das Volk umfassenden Renaissance, an deren Vollendung der Reformer durch seine Hinrichtung gehindert worden sei. In dieser Lesart wird der Tod eines religiösen wie politischen Erneuerers zum Symptom einer nach wie vor ausstehenden Integration der Religion in den italienischen Staat - einer Religion, die sich gerade nicht dem Staat, sondern dem Aberglauben entgegenstellt. Sowohl bei Carducci als auch bei Villari ist Savonarola eine anachronistische Figur: seiner Zeit entweder hinterher oder voraus. Beiden Autoren dient Savonarola als Projektionsfläche der jeweiligen risorgimentalen Ideale. Während Carducci die atheistische oder zumindest antireligiöse Linie des Risorgimento vertritt und Savonarola als Repräsentanten der Religion und daher als antistaatsbildende Kraft betrachtet, profiliert Villari Savonarola als Häretiker. Villaris risorgimentalen Vorstellungen entsprechend tritt sein Savonarola in Opposition zur Amtskirche, nicht aber zur Religion schlechthin, die als vitaler Teil der italienischen Kultur begriffen wird. 19 Für ihn gewinnt Savonarola seine Modernität gerade daraus, dass bei ihm „ la virtù politica e la cristiana, la patria e la religione “ nicht in einem unvermeidlichen und unversöhnlichen Konflikt stünden. 20 Ähnliche Tendenzen lassen sich bei deutschen Historikern beobachten. Bei Leopold von Ranke wird Savonarola zum Inbegriff Italiens als einer ‚ verspäteten Nation ‘ , die sich seit jeher gegen den Universalismus der 125 Savonarolas Tempelbau. Überlegungen zum (re-)enactment religiöser Performanzen katholischen Kirche und das römische Papsttum behaupten habe müssen. 21 Auch der Übersetzer von Villaris Biographie, Moritz Berduschek, betrachtet Savonarola in seinem Vorwort zur deutschen Ausgabe als Symptom der problematischen Rolle der Kirche und der Religion im Prozess der italienischen Einigung. In seiner Darstellung wird das Scheitern Savonarolas zum Gründungsopfer eines italienischen Nationalstaates, dessen politische Ideale sich noch immer in einem Spannungsverhältnis mit jenen der Religion befänden: Gewinnt doch die Geschichte dieses italienischen Mönchs, der, ohne seinem Charakter als Mönch untreu zu werden, zuerst danach rang, in seinem Vaterlande die Religion mit der politischen und religiösen Freiheit zu versöhnen, gerade in unseren Tagen eine besondere Bedeutung, da in derselben Stadt, in der er wirkte, in demselben Saal, in welchem sich seine Anhänger zum Rath versammelten, und unter dessen Fenstern er den Märtyrertod erlitt, die heutigen Italiener mit größerem Glück dieselben Probleme zu lösen suchen. Der Hinblick auf Savonarola wird uns das Verständnis für ihre Bestrebungen erleichtern und unsere Sympathien für ihre Kämpfe vermehren. 22 Im 19. und später auch im 20. Jahrhundert wurde Savonarola für unterschiedliche Gründungserzählungen Italiens vereinnahmt, 23 das sich in Carduccis Version nur gegen und in Villaris bzw. Rankes und Berduscheks Version nur mit der Religion herausbilden kann. Diese unterschiedlichen Sichtweisen haben natürlich zum einen mit der Interpretation von Savonarolas Reformprojekt, aber zum anderen auch mit den jeweiligen Konzeptionen von Politik und Staatlichkeit zu tun. Der Fall Italiens scheint mir in diesem Zusammenhang in erster Linie deshalb exemplarisch zu sein, weil im italienischen Risorgimento die Problematik der Staatsgründung immer wieder explizit mit der Diskussion um eine staatsbildende und staatstragende Kultur verbunden ist. Diese Debatte dreht sich nicht zuletzt um eine Kultur, die Religion entweder ein- oder ausschließt. Sowohl in der vormodernen Kultur der Renaissance als auch in den politischen Bewegungen der Moderne sind Fragen der politischen Theologie unausweichlich mit unterschiedlichen Konzeptionen von Kultur verknüpft. 24 Die Frage, ob man Religion als Teil einer kulturellen Praxis oder aber als deren Gegenpol begreift, erfährt in den Erzählungen um den Aufstieg und Fall Savonarolas eine besondere Zuspitzung. Im Folgenden möchte ich anhand der Prediche sopra Aggeo und ihrer performativen Politik herausarbeiten, inwiefern diese Probleme und Aporien der politischen Theologie in Savonarolas Predigten und ihrer Überlieferung angelegt sind, um abschließend zu fragen, inwieweit diese paradigmatisch für Italien, ja vielleicht sogar für die politischen Erzählungen der Moderne sein könnten. Die Performanz des Religiösen ist hier, wie ich anhand der Rolle Jerusalems in überlieferten Texten Savonarolas darlegen möchte, auf das Wiederholen und Wiedererzählen angewiesen. Diese kulturellen Praktiken der Re-Inszenierung versehen sein Reformprojekt mit einer Art doppeltem Boden, auf dem das neue Jerusalem der Piagnoni gleichermaßen erstehen, zerfallen und wiedererstehen kann. II. Savonarolas neues Jerusalem Als Girolamo Savonarola 1490 erneut nach Florenz kommt, um dort schließlich Prior des Klosters von San Marco zu werden, befindet sich der Stadtstaat de facto unter der Alleinherrschaft der Familie Medici. Diese hatten die de jure bestehende republikanische Verfassung in den vorangegangenen Jahrzehnten sukzessive ausgehöhlt, um ihre Monopolstellung zu festigen: sei 126 Judith Frömmer es in der Politik, sei es auf den Finanzmärkten, aber vor allem auch kulturell. Aufgrund der Vielzahl an Institutionen und Gremien basierte die Herrschaft der Medici, die in den Augen Savonarolas und vieler anderer eine Tyrannis darstellte, jedoch zumindest formal auf einer relativ umfassenden Partizipation der Bürger am Staat und an dessen von Humanisten geführten Verwaltungsapparat. 25 Nicht zu Unrecht wurde das Florenz der frühen Neuzeit, in dem die Hegemonialmacht der Medici immer wieder durch republikanische Herrschaftsformen abgelöst wurde, als eine Art Labor des politischen Denkens und Handelns der modernen westlichen Demokratien betrachtet - auch wenn natürlich nur sehr privilegierte Gruppen der Florentiner Bevölkerung diese politische Teilhabe tatsächlich praktizieren konnten. Diese Vorstellung von einer republikanischen Vorreiterrolle der italienischen Stadtstaaten und insbesondere von Florenz wird von Hans Baron vorbereitet und im Anschluss an seinen Begriff eines „ Civic Humanism “ vor allem von den Vertretern der sogenannten Cambridge School der politischen Ideengeschichte vertreten. 26 Obwohl er mit dem Consiglio Grande eine der wichtigsten proto-demokratischen Institutionen in Florenz ins Leben rief, wird Savonarola aus dieser Fortschrittsgeschichte des republikanischen Denkens in der Regel ausgeklammert. In den Vorgeschichten der modernen republikanischen Verfassungen wird die Rolle Savonarolas allenfalls auf die eines vormodernen Widerparts zu Machiavelli festgeschrieben, der bis heute als der theoretische Begründer eines modernen Verständnisses von Politik gilt. Darin folgt die Geschichte des politischen Denkens in der Regel Machiavellis Kritik an Savonarola, die aber in erster Linie die transzendente Legitimation und nicht den Kern des Reformprojektes der Piagnoni-Bewegung betrifft. 27 Aus dem Folgenden könnte aber deutlich werden, dass die sozialen Reformen Savonarolas, deren Ideale sozialer Gerechtigkeit und universeller Partizipation an sich bereits in die Neuzeit weisen, sich dabei - und das scheint mir der interessantere, aber auch der heiklere Punkt zu sein - einer Form der politischen Botschaft verdanken, die auch unabhängig von politischen Institutionen operiert. Die potenzielle Gewaltsamkeit dieser Politik nimmt eine andere Seite der Moderne vorweg: eine Seite, mit der sich das, was Pocock im Untertitel seines Buches The Machiavellian Moment als „ the Atlantic Republican Tradition “ bezeichnet, 28 aus verständlichen Gründen weniger identifizieren kann, weil in ihr das problematische Verhältnis von Demokratie und Propaganda und die potenzielle Komplizenschaft von Kultur und Totalitarismus virulent wird. Savonarola war zwar gewiss kein totalitärer Herrscher im Sinne Hannah Arendts. Denn seine Bewegung konnte sicherlich nur deshalb noch Jahrhunderte nach seinem Tod überleben, weil sie (anders als Arendt zufolge die großen Totalitarismen des 20. Jahrhunderts) auch von Idealismus und Überzeugungen getragen wurde. 29 Die Art und Weise, wie Savonarola seine Macht entwickelt und ausgeübt hat, basierte aber in Teilen auf einer Mobilisierung von zuvor unpolitischen Massen, wie sie in Arendts Untersuchung Bewegungen charakterisiert, die zur Etablierung totalitärer Herrschaftssysteme geführt haben. 30 Savonarola hat, wie auch viele seiner Gegner, weniger über politische Institutionen als über soziale und kulturelle Netzwerke, 31 vor allem aber über das gesprochene, geschriebene und gedruckte Wort agiert und bis zu einem gewissen Grad wohl auch regiert. Seine Autorität resultierte also nicht aus institutionalisierten Formen des Amtes oder der Schrift. Savonarolas Einfluss in Florenz beginnt sich im Angesicht der französischen Trup- 127 Savonarolas Tempelbau. Überlegungen zum (re-)enactment religiöser Performanzen pen auszuweiten, die 1494 in Italien und bei dieser Gelegenheit auch in Florenz einmarschieren, das sich - zum Entsetzen seiner Bürger - relativ kampflos ergibt. Savonarola behauptet diese (wohl absehbare) Invasion in seinen Predigten über die Sintflut und die Arche Noah vorhergesagt zu haben. Er legitimiert sich damit als Prophet. Im Zuge der Verhandlungen mit den Franzosen fungiert er gleichzeitig als offizieller Botschafter von Florenz. Er geriert sich also gleichermaßen als Mittelsmann Gottes wie als Gesandter der Republik, jedoch ohne dass ein sachlich zwingender Zusammenhang zwischen religiöser Legitimation und politischer Funktion bestünde. Aus moderner Sicht handelt es sich dabei ebenso wie bei der Verknüpfung der historischen Ereignisse mit Savonarolas Predigten um einen kontingenten Zusammenhang. Nach der Flucht Piero de ’ Medicis wird die Stadtrepublik in Reaktion auf die nahezu bürgerkriegsartigen Unruhen neu geordnet und grundlegend reformiert. Wenngleich diese Reformen und insbesondere die Einrichtung des Consiglio Grande meist Savonarola zugeschrieben werden, ist die Natur seines politischen Einflusses bei Historikern bis heute umstritten und nach wie vor ungeklärt, zumal Savonarolas Anhänger im gesetzgebenden Parlament des Consiglio Grande keinesfalls immer die Mehrheit innehatten. 32 Savonarola selbst bekleidete in dieser Zeit des Umbruchs - von seinen diplomatischen Aktivitäten während der Invasion einmal abgesehen - kein politisches Amt. Seinen Einfluss übte er offensichtlich vor allem über seine Predigten aus. Man könnte hier, modern bzw. mit Max Weber formuliert, von einer charismatischen Form der Herrschaft sprechen. Diese charismatische Herrschaft Savonarolas resultiert jedoch weniger aus dem, was wir heute als Charisma betrachten, sondern vorrangig aus seinem prophetischen Selbstverständnis. Grundlage für meine Überlegungen sind in erster Linie die Prediche sopra Aggeo, die Savonarola Ende 1494 und Anfang 1495 in der Kirche Santa Maria Novella hielt. Der Titel dieses Zyklus und die uns überlieferten Predigten gehen auf eine Ausgabe zurück, die 1544 in Venedig erschien und die dem Titelblatt zufolge auf den Mitschriften von Savonarolas Schüler Stefano Codiponte beruht. 33 Dessen Herausgeberschaft ist ebenso wie seine Co-Autorschaft mit guten Gründen bestritten worden, da Codiponte zum Zeitpunkt der Drucklegung bereits verstorben war. Er kann die Predigten also bestenfalls mitgeschrieben, aber nicht mehr ediert haben. 34 In diesem Zyklus von 23 Predigten wird die historische Sprechsituation immer wieder deutlich markiert. Er umfasst einen Zeitraum, der von dem unmittelbar bevorstehenden Einmarsch der französischen Truppen bis zur Neuordnung der Republik von Florenz und zur Einrichtung des Consiglio Grande nach dem Abzug der Franzosen reicht. Auch wenn dieser geschichtliche Rahmen einen zentralen Zugang zum Verständnis der Predigten erschließt, darf man diese keineswegs als historische Quellen im traditionellen Sinne des Wortes betrachten. Die einzelnen Predigten evozieren hier vielmehr über die Nachstellung einer realen Sprechsituation - d. h. die Kanzel des Predigers, der hier vor unseren geistigen Augen und Ohren ersteht - einen historischen Kontext. Aus diesem wurden die Texte der Predigten, wie sich bereits in ihrer umstrittenen Überlieferungsgeschichte andeutet, vor allem durch die Drucklegung herausgelöst, mittels derer sie zu einer Art Gründungsdokument der Piagnoni-Bewegung und des Savonarolianismus werden konnten. Vermutlich haben deren Anhänger den Zyklus dem bereits verstorbenen Codiponte zugeschrieben, um der Verfolgung oder anderen Repressalien zu entgehen. Die Pragmatik der Predigten verändert sich also bereits mit dem 128 Judith Frömmer Übergang von einer mündlichen zu einer schriftlichen Performanz. Bei Predigten handelt es sich um eine besondere Gattung, die, gemäß ihrem Etymon ‚ praedicare ‘ , auf dem gesprochenen Wort beruht, das gerade keinen historischen Quellenwert für sich beansprucht, sondern diejenige Wirklichkeit, von der es kündet, zu erschaffen sucht. Um es sprachanalytisch zu formulieren: Predigten bestehen nicht ausschließlich aus konstativen Aussagen, auf denen historische Erzählungen im Wesentlichen beruhen sollten, sondern in weiten Teilen aus dem, was Austin „ performative utterances “ nennt: 35 performative Äußerungen, über die das, wovon die Rede ist, vollzogen bzw. zuallererst ins Leben gerufen wird. Prediger imitieren damit den göttlichen Logos. Im Buch Genesis erschafft Gott die Welt, indem er spricht. Auch Savonarolas Prediche sopra Aggeo sind daher nicht (wie größtenteils in der historischen Forschung zu lesen) in erster Linie als Beschreibung, sondern als Vollzug religiöser, sozialer und politischer Reformprozesse zu deuten. Sie zielen auf die Stiftung einer geistigen Gemeinschaft, die sich auf Wunsch Savonarolas (auch) in den politischen Institutionen des Stadtstaates von Florenz konkretisieren sollte, die aber - wie die Geschichte der Piagnoni-Bewegung gezeigt hat - auch unabhängig davon fortbestand. Die Macht von Savonarolas Predigten beruhte also nicht zuletzt darauf, dass diese ihren Kontext und ihre Adressaten wechseln und überdauern, damit aber auch ihre performative Kraft verändern konnten. In den Predigten über den alttestamentarischen Propheten Haggai, der im gleichnamigen Prophetenbuch des Alten Testaments das Volk Israel nach der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil zum Wiederaufbau des Tempels von Jerusalem ermahnt, proklamiert Savonarola seine Reform, die Florenz in ein neues Jerusalem verwandeln soll. Der von ihm und seinen Anhängern initiierte Consiglio Grande - das legt Savonarola in der Rolle eines neuen Haggai nahe - übernimmt hier die Funktion des Tempels. Indem die Predigten über Haggai den Tempel von Jerusalem zum Typos des neuen Stadtparlaments von Florenz stilisieren, wird dessen reale Instituierung antizipiert. Savonarola inszeniert die Schaffung eines neuen republikanischen Parlaments als Erfüllung der Heiligen Schrift. In dieser Verknüpfung von Heilsgeschichte und irdischer Geschichte wird diese einerseits legitimiert, andererseits aber auch in der typologischen Überschreibung ‚ realer ‘ Chronologien transzendiert. Wenn Savonarola in seinen Predigten zum Wiederaufbau des Tempels von Jerusalem aufruft, so tut er dies vermutlich auch im Bewusstsein, dass dieser Tempel den Zerstörungen der irdischen Geschichte ausgesetzt ist und daher immer wieder aufs Neue erbaut werden muss. Mit der Evokation Jerusalems greift Savonarola, mit Bachtin gesprochen, auf einen Chronotopos zurück, in dem „ räumliche und zeitliche Merkmale zu einem sinnvollen und konkreten Ganzen “ 36 verschmelzen. Während sich Bachtin in seinen Analysen vornehmlich auf künstlerische und insbesondere auf literarische Chronotopoi konzentriert, handelt es sich bei dem Jerusalem, das Savonarolas Predigten erstehen lassen, zwar nicht (oder nur teilweise) um eine reale Stadt, aber doch um eine Wirklichkeit des Glaubens. In dieser Glaubenswirklichkeit, die der Chronotopos Jerusalem inkarniert, werden die Welt und die Geschichte als sinnhafte Ordnung in Raum und Zeit lesbar, als solche aber, wie bereits angedeutet, im Grunde allererst konstruiert. Wir haben es hier mit einem überaus hybriden Chronotopos zu tun, an dessen Tradierung eine Vielzahl weltlicher Autoren beteiligt war. Im Florenz Savonarolas war der Chronotopos Jerusalem bereits zur Zeit der Medici etabliert: 37 zum einen als Chronotopos der auserwählten Stadt, die zur Vorherr- 129 Savonarolas Tempelbau. Überlegungen zum (re-)enactment religiöser Performanzen schaft in Italien vorherbestimmt war und daher zur imperialen Expansion drängte; zum anderen als Ort einer nahenden Apokalypse, in dem angesichts des anstehenden Jahrhundertendes, vor allem aber in Anbetracht schwelender politischer und militärischer Konflikte nahezu alles zum Zeichen werden konnte. Als neues Jerusalem befindet sich Florenz also in mehrfacher Hinsicht am Rand von Raum und Zeit. Im Folgenden will ich in der gebotenen Kürze versuchen, wenigstens ein paar der Diskurstraditionen anzuführen, die sich mit diesem mythischen Ortsnamen verbinden und in Savonarolas Predigten und den darin geforderten, ja vielleicht sogar herbeigeführten Reformen virulent werden. Im Chronotopos Jerusalem überlagern sich irdische und himmlische Stadt. Traditionell verweisen der geographische und historische Ort auf das Heilsgeschehen: das Ende der Welt und das Hereinbrechen des himmlischen Jerusalem, das jenseits von Raum und Zeit angesiedelt ist. Der Ort Jerusalem hat also eine apokalyptische Dimension, mit der auch Savonarolas Untergangsszenarien spielen. Gleichzeitig bereitet die irdische Stadt gerade durch ihre Zerstörung eine neue Ordnung vor. Die Transzendenz des himmlischen Jerusalem, das prinzipiell immer und überall hereinbzw. heranbrechen kann, garantiert gleichzeitig auch die Übertragbarkeit des Chronotopos Jerusalem auf verschiedene historische und geographische Städte, so u. a. auch auf das Florenz der frühen Neuzeit. Der Widerpart Jerusalems ist in der biblischen und theologischen Tradition Babylon und später Rom. Diese beiden Städte gelten als Inbegriff weltlicher Macht und dessen, was Augustinus als civitas terrena bezeichnet und radikal von der civitas Dei im Zeichen Jerusalems trennt. 38 Auch wenn man das neue Jerusalem, das Savonarola als erklärter Nachfahre der Kreuzritter in Florenz zurückerobern wollte, als eine Form der Theokratie betrachten kann, handelt es sich bei der von ihm angestrebten Ordnung der Stadt keinesfalls um einen Gottesstaat im Sinne Augustins, sondern eher um das, was Augustin als civitas permixta bezeichnet, eine politische Gemeinschaft also, in der sich staatliche und religiöse Ordnung - zumindest aus heutiger westlicher Sicht - in einer antimodernen und daher eher unguten Art und Weise vermengen. Augustins Überblendung des (spät-) antiken Rom als neuem Babylon mit der civitas terrena scheint in Savonarolas Kritik an der Amtskirche und dem Papsttum auf, zumal diese Kritik ebenfalls durch eine polemische Gegenüberstellung der Städte Rom alias Babylon und Florenz alias Jerusalem profiliert wird. 39 Über den Chronotopos Jerusalem wird traditionellerweise eine künftige Ordnung evoziert, in der aktuelle Missstände überkommen werden sollen. Gleichzeitig steht diese angekündigte Ordnung aber immer unter einem eschatologischen Vorbehalt. Wer im Zeichen Jerusalems predigt hat also einen gewissen Gestaltungsspielraum. Der Name Jerusalem verweist stets auf eine noch zu gründende Ordnung, die sich erst im Jenseits vollkommen realisieren kann. Diese Vermengung von weltlicher und himmlischer Ordnung, von Materie und Geist ist charakteristisch für Savonarola: und zwar nicht nur für seine Predigten, denen ich mich gleich wieder zuwenden werde, sondern auch für seinen Regierungstraktat, den Trattato Circa el Reggimento e Governo della Città di Firenze. Dort situiert Savonarola Florenz zunächst am Rande der Apokalypse, die der biblischen Tradition nach durch die Zerstörung des irdischen Jerusalem eingeleitet wird. Diese initiiert bei Savonarola aber gerade nicht das Ende der Welt, sondern den Anbruch einer himmlischen Ordnung in der irdischen Stadt: Und so wie es sich mit dem Einmarsch des Königs von Frankreich verhielt, besteht für 130 Judith Frömmer niemanden, der sich in dieser Stadt befand und von Verstand ist, ein Zweifel daran, dass dies ihre letzte Zerstörung gewesen ist; aber das Parlament [sc. der Consiglio Grande] und die Regierung der Bürger, die dort nicht von Menschen, sondern von Gott gegründet wurden, waren das Werkzeug göttlichen Wirkens, durch das kraft der Gebete der guten Männer und Frauen, die sich dort befanden, ihre freiheitliche Ordnung aufrechterhalten werden konnte. Und niemand, sofern er nicht durch seine Sünden sein natürliches Urteilsvermögen eingebüßt hat, wird leugnen, dass sie durch Gott regiert und bewahrt worden ist, wenn er bedenkt, in welchen Gefahren sich diese Stadt über drei Jahre hinweg befand. 40 Savonarolas neues Jerusalem soll in der Immanenz, sprich im Hier und Jetzt der florentinischen Geschichte um 1494 erstehen und zwar sofort, „ presto “ , wie es in den Predigten dieser Zeit immer wieder heißt. Im Florenz Savonarolas wird das Reich Gottes, so führt er es auch in seinem Regierungstraktat aus, bereits auf Erden anbrechen: Da also die gegenwärtige Regierungsform mehr göttlichen denn menschlichen Ursprungs ist, werden diejenigen Bürger, die sich mit großem Eifer um die Ehre Gottes und das Gemeinwohl bemühen, wenn sie die oben genannten Dinge [ „ le predette cose “ ] befolgen, irdische, geistige und ewige Glückseligkeit erlangen. [. . .] Und so wird die Stadt sich innerhalb kurzer Zeit so sehr der Religion überantworten, dass sie wie ein irdisches Paradies sein wird, und sie wird in Jubel und Gesängen und Psalmen aufleben; und die Knaben und Mädchen werden wie Engel sein, und sie werden sie im christlichen und bürgerlichen Leben gleichermaßen nähren: durch sie wird sich in der Stadt eine Regierung bilden, die eher himmlisch als irdisch ist. 41 Die Verwandlung von Florenz in ein neues Jerusalem ist also nicht zuletzt von der Befolgung der Worte Savonarolas abhängig, die sich an dieser Stelle gleichermaßen als Vorhersagen wie als Vorschriften zu verstehen scheinen. Diese Vermischung von Sprechakten verdichtet sich hier in der potentiellen Mehrdeutigkeit des Ausdrucks „ predette cose “ , der mit den „ oben genannten “ Vorschriften gleichzeitig auf die prophetische Legitimation anspielt. Diese Anspielung ergibt sich aus der Polysemie des Verbs ‚ predire ‘ , das neben „ vorhersagen “ und „ zuerst sagen, zuerst erwähnen “ vor allem auch „ vorschreiben, fixieren “ bedeuten kann. Diese Mehrdeutigkeit ist vermutlich nicht als solche intendiert. Sie ist aber gleichwohl paradigmatisch für die Sprache und die Sprechakte, aus denen Savonarolas neues Jerusalem ersteht. Denn die potentielle Ambiguität des Verbs ‚ predire ‘ indiziert verschiedene Konzeptionen von Zukunft, die sich in der frühen Neuzeit überlagern. Savonarolas Predigten scheinen dabei im Zeichen einer Zukunft zu stehen, in der Eschatologie zunehmend in die irdische Geschichte hineingeholt wird. Indem sie das Eschaton immer wieder in politischen Handlungen und Institutionen konkretisieren, wirken sich die Prophezeiungen Savonarolas, folgt man Kosellecks Überlegungen zur „ Vergangene[n] Zukunft der frühen Neuzeit “ , desintegrierend auf die Institution der Kirche aus. 42 Ihr politischer Erfolg, der mit der Hinrichtung Savonarolas als Häretiker keineswegs an sein Ende gelangt war, lässt sich aber gerade nicht aus der „ Umbesetzung prophezeiter Zukunft in prognostizierbare Zukunft “ erklären, die sich Koselleck zufolge im 16. Jahrhundert vollzog. 43 Es lohnt daher Savonarolas Rede von der Zukunft einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. III. Die Kunst des Goldschmieds Als prophetische Sprache beruft sich die politische Sprache Savonarolas auf einen transzendenten Referenzpunkt. Von den humanistischen Zeitgenossen, die den Er- 131 Savonarolas Tempelbau. Überlegungen zum (re-)enactment religiöser Performanzen folg des Predigers mit wachsender Unruhe beobachten und in ihren Texten kommentieren, wird diese göttliche Legitimation nicht nur bezweifelt, sondern als Effekt von Rhetorik beschrieben. In all ihrer Gewaltsamkeit wird diese Rhetorik beispielsweise in Marsilio Ficinos Apologia contra Savonarolam inszeniert. Indem Ficino die illokutionären und perlokutionären Kräfte von Savonarolas Sprechakten offenlegt, versucht er, diesen das Fundament der vom Propheten prätendierten göttlichen Wahrheit zu entziehen: Dafür aber, dass uns Girolamo, der oberste Heuchler, weniger unter der Führung des menschlichen, als vielmehr eines teuflischen Geistes verführt hat, dass er nicht nur Täuschungsmanöver anzettelte, sondern uns sogar Gewalt antat, dafür gibt es fürwahr viele Beweise: Dieser Antichrist besaß eine gewisse, nahezu unvergleichliche Gerissenheit, auf die starsinnigste Weise Tugenden vorzutäuschen, das Laster aber zu verbergen. Ihm war eine hässliche Seele, eine grausame Tollkühnheit, nichtige Prahlerei, teuflische Hoffart und die schamloseste Verlogenheit zu eigen, die allenthalben durch Verwünschungen und Eide gestützt wurde. Sein Gesicht, seine Stimme, seine Rede blitzten oft auf, wenn er deklamierte, und riefen auf diese Weise bei seinen Zuhörern weniger freiwillige Überzeugung als eine gewaltsame Wirkung hervor. Oft nämlich schrie er mitten im Laufe der Erörterung plötzlich auf, entflammte, donnerte los, er wurde entrückt wie die von Dämonen Besessenen und Rasenden, die gewöhnlich von den Dichtern beschrieben werden. Manchmal verfiel er sogar in Prophetie, die mit Lügen vermengt war, sodass er mit einigen Prophezeiungen, worin diese auch immer bestanden haben mögen, das Volk täuschte oder bedrängte, er später aber auch der Lügen und der schlechten Werke überführt wurde. 44 In Ficinos schriftlicher Wiedererzählung der religiösen Performanzen Savonarolas, die hier als rhetorische exponiert werden, wird die Gewaltsamkeit der Botschaft Savonarolas im Nachvollzug der einhämmernden Aufzählungen und asyndetischen Fügungen der Sprache des Predigers transparent. 45 Es scheint Ficino also nicht allein darum zu gehen, die prophetische Legitimation Savonarolas als Effekt von Rhetorik zu ‚ entlarven ‘ , sondern vor allem auch darum, die rhetorische Form der Predigten und der darin enthaltenen Prophezeiungen selbst einer moralischen Kritik zu unterziehen. In Ficinos schriftlicher Version der Auftritte Savonarolas zieht Savonarola durch Körpersprache, Deklamation und primitive Figuren der Wiederholung in den Bann, er überzeugt nicht durch aussagekräftige Argumente. Gerade in der Performanz werde die Sprache des Predigers gewalttätig, da sie nicht auf freiwillige persuasio ziele, sondern in der unentrinnbaren Materialität des sprachlichen Vollzugs die Reflexion des Zuschauers ausschalte. Auch Francesco Guicciardini scheint sich in den Storie Fiorentine zwar vordergründig eines Urteils über den notorischen Frate, den Ordensbruder Savonarola, zu enthalten, indem er die Frage, ob Savonarola „ per virtù divina o per sua arte “ , also ob Savonarola kraft göttlichen Auftrags oder durch sein eigenes ‚ handwerkliches ‘ Können gehandelt habe, auf den ersten Blick unbeantwortet lässt. Guicciardini widmet aber der Möglichkeit, dass es sich bei Savonarola um einen schlechten Menschen, wenn auch großartigen Mann gehandelt haben könnte, weitaus mehr Raum als der Annahme eines guten Frate, der im göttlichen Auftrag und als Prophet gewirkt habe: Und in der Tat waren seine Werke so gut, dass sehr viele, nicht zuletzt nachdem sich manch eine seiner Vorhersagen aufs trefflichste bewahrheitet hatte, daraufhin für lange Zeit geglaubt haben, dass er wirklich ein Gesandter Gottes und trotz der Exkommunizierung, der gerichtlichen Untersuchung und 132 Judith Frömmer seines Todes ein Prophet gewesen sei. Ich bin hierüber im Zweifel und kann mich zu keiner definitiven Parteinahme entschließen und behalte mir vor, dass, wenn ich so lange leben werde, die Zeit alles klären wird. Aber ich komme zu dem Schluss, dass, wenn er redlich gewesen ist, wir Zeitzeugen eines großen Propheten gewesen sind. Doch auch wenn er bösartig gewesen ist, haben wir einen großartigen Mann gesehen, weil man, über seine Bildung hinaus, wenn er vor der ganzen Öffentlichkeit und über so viele Jahre hinweg in einer so beträchtlichen Angelegenheit geheuchelt hat, ohne dass man ihn jemals der Lüge überführen konnte, gestehen muss, dass er Verstand, Talent und eine tiefschürfende Erfindungsgabe besaß. 46 Wenn Guicciardini im Zusammenhang mit der Hypothese eines Savonarola, der zwar „ cattivo “ , aber in dieser Schlechtigkeit ein „ uomo grandissimo “ gewesen sei, insbesondere Savonarolas rhetorischen Talenten, seinem Verstand und seinem ingenium ( „ ingegno “ ) wie auch seiner tiefschürfenden (rhetorischen) Erfindungsgabe ( „ invenzione profondissima “ ) Respekt zollt, dann würdigt er ironischerweise eben jene intellektuellen und kulturellen Fähigkeiten und Künste im Sinne der artes, von denen sich Savonarola selbst zeitlebens distanziert hat. Dieser unterscheidet am Ende des dritten Buches seiner Schrift De simplicitate christianae vitae die Werke der ars als solche, „ quae ab humana inventione procedunt “ , von den Werken Gottes, die eben nicht dem menschlichen Handwerk und den Künsten entspringen ( „ opera divina non autem artificialia “ ). 47 Prophetie kann also demzufolge grundsätzlich kein menschliches Vermögen im frühneuzeitlichen Sinne einer ars sein. Wie verhält es sich dann aber mit der Kunst des Predigens? Savonarola vergleicht diese in der 19. Predigt der Prediche sopra Aggeo mit der ars des Goldschmieds, der sowohl malen als auch Skulpturen anfertigen kann. Analog dazu sei auch die Kunst des Predigens eine doppelte, in der sich geistiger und politischer Auftrag verbinden könnten. In einem fingierten Dialog Savonarolas mit Gott heißt es in diesem Zusammenhang: Weißt Du nicht, dass einige Handwerke und Künste einfach sind und darin bestehen, nur eine einzige Sache zu machen, während andere zusammengesetzt sind und darin bestehen, mehrere Dinge zugleich zu tun? So verhält es sich auch mit dem Goldschmied, der malen und Skulpturen anfertigen kann. Und so musst auch Du es tun, so sagte mir der Herr: Das Predigen, dem Du Dich widmest, ist eine geistige Angelegenheit. Aber wenn man sich hauptsächlich dem Geist widmet, muss man all diejenigen Dinge festigen, die den Geist bewahren und erhalten ebenso wie diejenigen Dinge, mit denen der Geist gelenkt wird. Und so verhält es sich auch hier [sc. in Florenz]: Wenn man eine geistige Stadt errichten will, die in Rechtschaffenheit lebt, muss man ein Fundament errichten und einen geschützten Raum schaffen, damit sich der Geist und die Rechtschaffenheit dort bewahren und damit diese nicht von verdorbenen Menschen beseitigt und vertrieben werden. Du weißt, dass das ganze Universum geschaffen wurde, um Gottes Auserwählte dort leben zu lassen und zu bewahren, und dass diese ganze Welt für sie und zu ihrem Wohl geschaffen wurde. So muss man also mit Florenz verfahren, wenn man will, dass es rechtschaffen ist: dort einen Staat schaffen, der ihr [sc. der Stadt Florenz] die Rechtschaffenheit erhält, wenn sie rechtschaffen sein will. 48 Dem Primat des Geistes zum Trotz kann sich Florenz als geistige Stadt nur in der Materialität konkreter politischer Institutionen materialisieren, wie sie aus den Predigten Savonarolas als wiederum sprachlicher Materialisierung des göttlichen Logos erwachsen sollen. Seine Auftritte auf der Kanzel werden damit zum Bindeglied zwischen 133 Savonarolas Tempelbau. Überlegungen zum (re-)enactment religiöser Performanzen Geist und Materie ebenso wie zwischen irdischer und himmlischer Stadt. Das Sinnbild des Goldschmieds, das in diesem Gleichnis für die Kunst des Predigens steht, entspringt dem System der artes, denen im Denken und Handeln Savonarolas, wie oben angedeutet, ein problematischer Stellenwert zukommt. Wenn Savonarola hier seinem göttlichen Sprachrohr der Goldschmiedekunst gegenüber den anderen bildenden Künsten den Vorrang einräumen lässt, dann vermutlich nicht nur, weil es sich, wie es im obigen Zitat heißt, um eine ars handelt, die sich aus mehreren Fertigkeiten zusammensetzt; sondern vielleicht auch, weil Savonarolas „ aurefice “ im thematischen Kontext der Prediche sopra Aggeo an jenen „ artifex aerarium “ Hiram denken lässt, den Salomon im alttestamentarischen Buch der Könige für den Tempelbau nach Jerusalem kommen lässt (1 Kön 7,13-51). Savonarolas Gleichnis ist damit auf mehreren Ebenen lesbar: zum einen als Bild, das in der Lebenswirklichkeit des Handwerks und der Künste im Florenz der frühen Neuzeit verankert ist und daher seine Wirkung auch bei einem breiten, in Teilen weniger gebildeten und schriftunkundigen Publikum nicht verfehlen dürfte; 49 zum anderen als Figur, die der Heiligen Schrift entnommen wurde und mit dem Bau des Tempels gleichzeitig auf jenen mythischen Ort verweist, an dem Göttliches und Menschliches traditionell aufeinandertreffen. Der Wiederaufbau des Tempels von Jerusalem durch Salomons Goldschmied Hiram evoziert in der historischen Sprechsituation der Prediche sopra Aggeo (und später der Prediche sopra Amos e Zaccaria 50 ) sicherlich auch die Einrichtung des Consiglio Grande in Florenz durch Savonarola und die Piagnoni-Bewegung. Der biblische Tempel von Jerusalem wird also in den Predigten Savonarolas zu einer figura des republikanischen Stadtparlaments geschmiedet, in dem sich der Zusammenschluss von göttlicher und menschlicher Ordnung in der irdischen Geschichte erfüllen soll. Als Antitypus des Tempels von Jerusalem wird der Consiglio Grande ebenso wie die geistige Gemeinschaft der Anhänger Savonarolas jedoch in den und durch die Worte des Predigers erbaut, der sich dabei über die Heilige Schrift und das Buch Haggai letztlich auf die Autorschaft Gottes beruft. Von dieser göttlichen auctoritas scheint auch der Status seiner Sprechakte abzuhängen, auf die ich abschließend noch einmal zurückkommen möchte. In Savonarolas Beschwörung des Tempels von Jerusalem als Typus des Consiglio Grande deuten sich in meinen Augen Strukturprinzipien an, die über Savonarolas Predigten hinaus auch für die Sprache moderner Gründungsakte charakteristisch sind. Unabhängig von der Redlichkeit der Motive Savonarolas ist es in diesem Zusammenhang bezeichnend, dass seine Sprechakte als solche wahrgenommen, analysiert und in ihrer Kontingenz reflektiert werden - und zwar sogar vom Prediger selbst: Immer wieder verteidigt er sich gegen die Vorwürfe seiner Gegner und versucht, die Kontrolle über seine Äußerungen zu behalten. Denn obwohl Savonarola selbst die Legitimität seiner Sprechakte natürlich nicht in Zweifel zieht, ist ihm bewusst, dass sich diese in einem Kräftefeld bewegen, in dem sie zu misslingen drohen, sobald ihre prophetische Autorschaft bestritten wird. Anders als im göttlichen Schöpfungsakt des Buches Genesis kommen Wahrheit und Wirkung seiner Worte in einem kulturellen Kontext, in dem prinzipiell alles zum Zeichen und als solches wirksam werden kann, nicht mehr automatisch zur Deckung. Die Performanz des Religiösen bedeutet also letztlich immer, dessen Legitimation in der Arbitrarität und Vielzahl der Rezeptionsmöglichkeiten zur Disposition zu stellen. 134 Judith Frömmer IV. Sprachliche Gründungsakte In der Terminologie der modernen Sprechakttheorie formuliert, hängt sich die Debatte um die Prophetie Savonarolas u. a. an der Frage nach der (Un-)Unterscheidbarkeit zwischen konstativen und performativen Äußerungen auf. Diese Frage hatte bereits den Begründer der Sprechakttheorie, John L. Austin, zu immer neuen Unterscheidungskriterien gezwungen, ohne sie letztlich eindeutig beantworten zu können. Jacques Derrida wiederum hat diese Aporie, die sich bereits bei Austin auftut und die dessen Schüler John Searle aufzulösen versucht, zu der These zugespitzt, dass konstative und performative Äußerungen in einem weltimmanenten und daher notwendig offenen Kontext grundsätzlich nicht voneinander unterschieden werden können. 51 In gewisser Weise trifft das auch auf die prophetischen Sprechakte Savonarolas zu, die sich durch ihre göttliche Autorisierung als konstative Aussagen verstanden wissen wollen, die aber im Nachhinein auch ihre performative Kraft exponieren, wenn die Prophezeiungen Savonarola zur politischen Einflussnahme verhelfen. In den Reformplänen Savonarolas vermischt sich Prophetie nahezu unmerklich mit Aufforderungen, die auf eine Schaffung von Tatsachen zielen, die dabei jedoch gleichzeitig als eine Art selffulfilling prophecy fungieren. Indem sich die Aufforderung zum Tempelbau in der Schaffung des Consiglio Grande realisiert, wird dieser nachträglich zur Erfüllung nicht nur der Heiligen Schrift, sondern auch der Predigten Savonarolas. Diese sind dann, folgt man beispielsweise der Interpretation Guicciardinis, entweder die Äußerungen eines Propheten oder aber eines Demagogen. Manche politischen Sprechakte, insbesondere die Gründung staatlicher Institutionen und die Rechtsprechung moderner Staaten, können sogar, wie Derrida in seiner Lektüre der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung ausführt, nur aufgrund der Unmöglichkeit funktionieren, eine klare Unterscheidung zwischen konstativen und performativen Äußerungen zu treffen. Indem sie das erst ins Leben riefen, wovon sie sprächen, müssten sich politische Stiftungsakte wie die Gründung der Vereinigten Staaten entweder auf einen transzendenten oder aber auf einen fiktiven Ursprung berufen, um die Performanz des Gründungsaktes in den Wahrheitsanspruch konstativer Aussagen überführen zu können. 52 Wenn Savonarola in seinen Prediche sopra Aggeo die Bildung einer neuen Regierung vorwegnehmen und zugleich als Einlösung der Heiligen Schrift und/ oder der eigenen Prophetie legitimieren will, dann werden damit also nicht nur Fragen der politischen Theologie, sondern auch die der politischen Sprache und ihrer Verbindlichkeit verhandelt. Es wäre hier zu fragen, ob die Natur deklarativer Sprechakte über die Unterscheidung zwischen konstativen und performativen Äußerungen - sei sie nun möglich oder nicht - ausreichend erfasst ist, da es sich hier um Setzungen handelt, die Bekenntnischarakter haben. In der Setzung erkennt man stets das Gesetzte als existent an. Allerdings ließen die mündlichen Performanzen Savonarolas - wie die Reaktionen der Zeitgenossen erahnen lassen - Teilen ihres Publikums vermutlich nicht allzu viel Raum, diese Setzungen als solche zu durchschauen oder gar kritisch zu hinterfragen. In der schriftlichen Form verändert sich aber die Wirkung dieser Predigten, die man, wie es ja zum Teil auch geschehen ist, als historische Quellen, sprich als konstative Aussagen, allerdings auch als performative Äußerungen, d. h. u. a. als Gründungsdokumente, lesen kann. Als solche erlangen diese im Bekenntnis der Ordensbrüder, aber beispielsweise auch durch die Etablierung des Consiglio Grande, an dessen Erhaltung nicht nur den Piagnoni, sondern auch anderen Anhängern der republikanischen Verfassung wie zum Beispiel Machiavelli gele- 135 Savonarolas Tempelbau. Überlegungen zum (re-)enactment religiöser Performanzen gen war, wiederum den Wahrheitswert von konstativen Aussagen. In säkularen Kontexten scheint dieser Bekenntnischarakter politischer Sprechakte in die Latenz gerückt zu sein - man denke an Aussagen wie „ all men are created equal “ in der Präambel der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung - , während kulturelle Performanzen als Legitimationsstrategie häufig dem Verdacht der Demagogie oder Propaganda ausgesetzt sind. Doch gibt es vielleicht noch einen Spielraum zwischen Bekenntnis und bloßer, ja potenzieller leerer Performanz. Dieser könnte sich nicht zuletzt auf eine Kultur gründen, die ihr eigenes Wiedererzählen und Wiederaufführen ‚ religiöser ‘ Performanzen als solches reflektiert. Um diesen Spielraum wenigstens andeutungsweise abzustecken, möchte ich noch einmal kurz auf die Einigung Italiens zurückkommen. In der hier entworfenen Perspektive stehen auch die Texte aus der Zeit des Risorgimento, die ich eingangs zitiert habe, in gewisser Weise noch im Bann der politischen Prophetie Savonarolas. So wird in Carduccis Version der italienischen Geschichte der Tod Savonarolas gewissermaßen zur typologischen Vorankündigung der Einnahme des Kirchenstaates durch das Königreich Italien. Gleichzeitig wird die geistige Gemeinschaft der Kirche im Zuge der Einigung durch die kulturelle Gemeinschaft des frisch geeinten Italien ersetzt, das mehr oder weniger stillschweigend über das Bekenntnis zu einer Kulturgemeinschaft legitimiert wird. Dabei zielt das italienische Risorgimento just auf die Stiftung dieser Kulturgemeinschaft, aus der heraus es sich gleichzeitig legitimiert. Dahingegen rufen Villari und sein deutscher Übersetzer ein anderes Italien aus: ein Italien, in dem sich der Geist des Katholizismus mit der Materie politischer Institutionen verbinden kann. Einmal davon abgesehen, dass sich diese Form der Einigung Italiens vermutlich nie in der von Villari und anderen gewünschten Form realisiert, inzwischen aber vermutlich auch erübrigt hat, stellt sich hier ein anderes Problem: Wie verhält sich die Einheit der ‚ italienischen Kulturnation ‘ , zu der sich das italienische Risorgimento bekennt, zur politischen Realität konkreter staatlicher Institutionen? Hier scheint die politische Sprache Italiens teilweise bis heute im Banne des Chronotopos Jerusalems zu stehen. Im Zuge der politischen Erdbeben, die den italienischen Staat immer wieder, beispielsweise im Zuge der Aufdeckung von Tangentopoli zu Beginn der 1990er Jahre erschüttert, die indes parallel entscheidende Reformierungsprozesse - man denke an die Mani pulite - angestoßen haben, lassen sich noch immer Spuren der apokalyptischen Sprache Savonarolas ausmachen. Die Rede von Italien changiert hier zwischen der von einer zu überkommenden, korrumpierten irdischen Ordnung und der von einem idealen Staat, der wie Savonarolas neues Jerusalem immer noch, aber auch immer wieder zu gründen ist. Wie kaum ein anderer europäischer Staat ist Italien bis in unsere Tage hinein eine zu schaffende Ordnung geblieben, 53 wobei kulturelle Institutionen und Formen wie Oper oder Film an den Fiktionen dieser permanenten (Neu-)Schöpfung der italienischen Nation maßgeblich beteiligt waren. 54 In diesen re-enactments der italienischen Gründung tritt aber vielleicht ein Charakteristikum politischer Gründungsakte schlechthin hervor. Gerade weil irdische Gemeinschaften, wie bereits Augustin betont hat, radikal von der Sphäre des Göttlichen geschieden sind, erfordern sie das permanente Wiedererzählen und Wiederaufführen kultureller Gründungsakte. Dazu bedarf es einer politischen Sprache, die den eschatologischen Vorbehalt der Rede vom irdischen und himmlischen Jerusalem in ein Bewusstsein der eigenen Kontingenz zu übersetzen weiß, ohne den Mut zum gemeinsamen Bekenntnis zu verlieren. 136 Judith Frömmer Anmerkungen * Die Überlegungen zu diesem Aufsatz sind aus dem Savonarola-Kapitel meiner Habilitationsschrift Italien im Heiligen Land. Typologien frühneuzeitlicher Gründungsnarrative, Göttingen/ Konstanz 2018 hervorgegangen. Für wichtige Kommentare, Korrekturen und Anregungen möchte ich neben Julia Stenzel vor allem Andreas Gamerith, Thomas Gruber, Barbara Kuhn und Florian Mehltretter danken. 1 Vgl. Jacob Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch, 12. Auflage, Stuttgart 2009, zu Savonarola vgl. S. 384 - 390 et passim. 2 Vgl. hierzu Sigmund Freud, Die Zukunft einer Illusion (1927), hier zitiert nach: Sigmund Freud, Gesammelte Werke, chronologisch geordnet, Bd. 14: Werke aus den Jahren 1925 - 1931, hg. Anna Freud et al., Frankfurt a. M. 1999, S. 325 - 382. 3 Vgl. hierzu Victoria Kahn, The Future of Illusion. Political Theology and Early Modern Texts, Chicago/ London 2014. 4 Aus: Wikimedia Commons, https: / / commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Houghton_ Inc_6316.10_(A)_-_Girolamo_Savonarola, _1496_-_cropped.jpg [Zugriff am 12. 02. 2019]. 5 Einschlägig ist in diesem Zusammenhang Jacques Derridas Lektüre der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, auf die ich später noch einmal zurückkommen werde. Vgl. Jacques Derrida, „ Déclarations d ’ Indépendance “ , in: Jacques Derrida, Otobiographies. L ’ enseignement de Nietzsche et la politique du nom propre, Paris 1984, S. 11 - 32. 6 Im Folgenden stütze ich mich vor allem auf diese Arbeiten: Joseph Schnitzer, Savonarola. Ein Kulturbild aus der Zeit der Renaissance, 2 Bde., München 1924; Donald Weinstein, Savonarola and Florence. Prophecy and Patriotism in the Renaissance, Princeton (NJ) 1970; Lauro Martines, Fire in the City. Savonarola and the Struggle for the Soul of Renaissance Florence, Oxford 2006. 7 Vgl. hierzu neben den unten angeführten Belegen u. a. die Savonarola gewidmeten Kapitel in: Michael Plaisance, Florence in the Time of the Medici. Public Celebrations, Politics, and Literature in the Fifteenth and Sixteenth Centuries, übers. u. hg. Nicole Carew-Reid, Toronto 2008. 8 Interessanterweise ist die feurige Metaphorik der Predigten Savonarolas auch auf die Rezeption übergesprungen: Bereits Burckhardt spricht von einer „ völlig zu Feuer und Flamme gewordene[n] Persönlichkeit “ (Burckhardt, Die Kultur der Renaissance, S. 384). Vgl. neben Martines ’ Fire in the City ferner die Titel einschlägiger Savonarola-Biographien: Hans Bauer, Feuer in Florenz. Triumph und Tragödie des Dominikanermönchs Girolamo Savonarola, Leipzig 1926. 9 Zu Savonarolas ‚ Feuer der Eitelkeiten ‘ vgl. u. a. Horst Bredekamp, „ Renaissancekultur als ‚ Hölle ‘ . Savonarolas Verbrennungen der Eitelkeiten “ , in: Martin Warnke (Hg.), Bildersturm. Die Zerstörung des Kunstwerks, Frankfurt a. M. 1988, S. 41 - 64 u. 150 - 159. 10 Aus: Flickr, https: / / www.flickr.com/ photos/ nat507/ 11229462155 [Zugriff am 12. 02. 2019]. 11 Vgl. exemplarisch die Dokumentationen bei Lorenzo Polizzotto, The Elect Nation. The Savonarolan Movement in Florence 1494 - 1545, Oxford 1994; Stefano Dall ’ Aglio, Savonarola e il savonarolismo, Bari 2005. 12 Diese Formel entstammt dem siebten Band von Michelets Histoire de France und wird von Burckhardt als Titel des vierten Kapitels seiner Kultur der Renaissance wiederaufgenommen. Vgl. Jules Michelet, „ Renaissance “ , in: Jules Michelet, Œ uvres Complètes, Bd. VII, hg. Robert Casanova, Paris 1978, S. 47 - 259, hier S. 51. 13 Vgl. Giosuè Carducci, „ Dello svolgimento della letteratura nazionale “ (1874), in: Giosuè Carducci, Opere, Bd. I: Discorsi Letterari e Storici, Bologna 1889, S. 27 - 187, hier S. 150 - 153. 14 Ebd., S. 152, dt. Übers. J. F. 15 Das Zitat entstammt: Pasquale Villari, „ Prefazione alla nuova edizione “ , in: La storia di Girolamo Savonarola e de ’ suoi tempi, narrata da Pasquale Villari con l ’ aiuto di nuovi documenti, nuova edizione aumentata e cor- 137 Savonarolas Tempelbau. Überlegungen zum (re-)enactment religiöser Performanzen retta dall ’ autore, Bd. I, Florenz 1887, S. I- XVI, hier S. XV, dt. Übers. J. F. 16 Zur Begriffsgeschichte vgl. u. a. Karlheinz Stierle, „ Die Renaissance. Die Entstehung eines Epochenbegriffs aus dem Geist des 19. Jahrhunderts “ , in: Reinhart Herzog, Reinhart Koselleck (Hg.), Epochenschwelle und Epochenbewußtsein, München 1987, S. 453 - 492; zur Problematik dieses Epochenbegriffs vgl. Klaus W. Hempfer, „ Probleme traditioneller Bestimmungen des Renaissancebegriffs und die epistemologische ‚ Wende ‘“ , in: Klaus W. Hempfer (Hg.), Renaissance. Diskursstrukturen und epistemologische Voraussetzungen. Literatur - Philosophie - Bildende Kunst, Stuttgart 1993, S. 9 - 45 sowie die Einträge ‚ rinascènza ‘ und ‚ rinasciménto ‘ in: Salvatore Battaglia, Grande dizionario della lingua italiana, Bd. XVI, Turin 1992, S. 490 - 492. 17 Vgl. Villari, „ Prefazione alla nuova edizione “ , S. XVI. 18 La storia di Girolamo Savonarola e de ’ suoi tempi, narrata da Pasquale Villari con l ’ aiuto di nuovi documenti, nuova edizione aumentata e corretta dall ’ autore, Bd. II, Florenz 1887, S. 257; dt. Übers. hier nach: Geschichte Girolamo Savonarola ’ s und seiner Zeit. Nach neuen Quellen dargestellt von Pasquale Villari, unter Mitwirkung des Verfassers aus dem Italienischen übers. v. Moritz Berduschek, Bd. II, Leipzig 1868, S. 311 (leichte Modifikation der Übers. an den mit * gekennzeichneten Stellen, J. F.) 19 Vgl. hierzu auch den Text des Vortrags „ Girolamo Savonarola e l ’ ora presente “ , den Villari am 10. Juni 1897 anlässlich des 400. Jahrestages der Hinrichtung Savonarolas vor dem Sottocomitato universitario der Società Dante Alighieri in Florenz hielt und der in einer von seinem Sohn besorgten Neuausgabe der Savonarola-Biographie abgedruckt ist. Vgl. La Storia di Girolamo Savonarola e de ’ suoi tempi narrata di Pasquale Villari con l ’ aiuto di nuovi documenti, Neuausgabe, Bd. I, Florenz 1930, S. XLV- LXXVI. 20 Vgl. Villari, „ Prefazione alla nuova edizione “ , S. XIV. 21 Vgl. Leopold von Ranke, Savonarola und die florentinische Republik gegen Ende des 15. Jahrhunderts (1877), München 1919 (siehe hier u. a. die Vorrede). 22 Moritz Berduschek, „ Vorwort des Übersetzers “ , in: Geschichte Girolamo Savonarola ’ s und seiner Zeit. Nach neuen Quellen dargestellt von Pasquale Villari, unter Mitwirkung des Verfassers aus dem Italienischen übers. v. Moritz Berduschek, Bd. I, Leipzig 1868, S. V-VII, hier S. VI f. 23 Für das 20. Jahrhundert vgl. hier insbesondere auch das Vorwort zum ersten Band der von Francesco Cognasso und Roberto Palmazocchi herausgegebenen Ausgabe der Predigten Savonarolas, die im faschistischen Italien der 1930er Jahre entstanden ist und Savonarola zum Verteidiger eines wahren, geistigen Italien in einer politisch und moralisch korrumpierten Zeit stilisiert. Vgl. Girolamo Savonarola, Prediche Italiane ai Fiorentini, 4 Bde., hg. Francesco Cognasso u. Roberto Palmazocchi, Perugia/ Venedig 1930 - 1935, hier Bd. I, S. VII-XVI. 24 Vgl. hier abermals Kahn, The Future of Illusion. 25 Zum historischen Kontext vgl. u. a. John Najemy, The History of Florence, Oxford 2006. 26 Vgl. exemplarisch Hans Baron, The Crisis of the Early Italian Renaissance. Civic Humanism and Republican Liberty in the Age of Classicism and Tyranny, überarbeitete Ausgabe in einem Band mit einem Nachwort, Princeton 1966 (erste Auflage Princeton 1955); John G. G. Pocock, The Machiavellian Moment. Florentine Political Thought and the Atlantic Republican Tradition, Princeton (NJ) 1975; Quentin Skinner, The Foundations of Modern Political Thought, 2 Bde., Cambridge 1997 (erste Auflage Cambridge 1979), hier Bd. I, S. 69 - 112. 27 Dem in diesem Zusammenhang einschlägigen sechsten Kapitel von Machiavellis Principe zufolge ist Savonarola vor allem daran gescheitert, dass sich seine Reformen in erster Linie auf den Glauben, nicht aber auf Waffen gründeten. Vgl. Niccolò Machiavelli, Il Principe, Neuausgabe, hg. Giorgio Inglese, Turin 2013, S. 38 f. 138 Judith Frömmer 28 Vgl. Anm. 26. 29 Dahingegen zeichnen sich die Bewegungen, die zu totalitären Herrschaftssystemen führen, Arendt zufolge dadurch aus, dass der „ Fanatismus der totalitären Bewegungen [. . .] in deutlichem Gegensatz zu allen Formen des Idealismus in dem Augenblick zusammen[bricht], wo die Bewegung ihre fanatisierten Anhänger im Stich läßt; in ihnen lebt keine Überzeugung mehr, die den Untergang der Bewegung überleben könnte “ (Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft, München/ Berlin 1986 [deutsche Erstausgabe 1955], S. 662). 30 Vgl. in diesem Zusammenhang insbesondere den dritten Teil von Arendts Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. 31 Vgl. hierzu u. a. Richard C. Trexler, „ Ritual in Florence. Adolescence and Salvation in the Renaissance “ , in: Charles Trinkaus, Heiko A. Oberman (Hg.), The Pursuit of Holiness in Late Medieval and Renaissance Religion. Papers from the University of Michigan Conference, Leiden 1974, S. 200 - 264. 32 Vgl. hierzu u. a. Ranke, Savonarola und die florentinische Republik, S. 65 - 76; Joseph Schnitzer, „ Vorwort “ , in: Hieronymus Savonarola, Auswahl aus seinen Schriften und Predigten, übers. v. Joseph Schnitzer, Jena 1928 (= Das Zeitalter der Renaissance. Ausgewählte Schriften zur Geschichte der Italienischen Kultur, hg. Marie von Herzfeld, II. Serie, Bd. X), S. XVI f. 33 Vgl. Prediche del REV. P. F. HIERONYMO Savonarola dell ’ ordine de predicatori sopra alquanti salmi & sopra Aggeo Profeta fatte del mese di Nouembre, & Dicembre L ’ anno Mcccclxxxxiiii raccolte della sua uiua uoce Da Frate Stefano da Co di ponte suo discepolo. Nuovamente uenute in luce. Con Gratia & Priuilegio della Illustrissima Signoria, Venedig 1544. 34 Vgl. hierzu das Nachwort in der Edizione Nazionale delle Opere di Girolamo Savonarola, Bd. VII, hg. Roberto Ridolfi et al., Rom 1959, S. 491 - 527, hier S. 496. Nachfolgend sei stets aus ebenjener Werkausgabe zitiert: Edizione Nazionale delle Opere di Girolamo Savonarola, 30 Bde., hg. Roberto Ridolfi et al., Rom 1955 - 1999. 35 Vgl. neben der einschlägigen Studie von John L. Austin, How to do Things with Words. The William James Lectures delivered at Harvard University in 1955, Oxford 1971 auch John L. Austin, „ Performative Utterances “ (1956), in: John L. Austin, Philosophical Papers, hg. J. O. Urmson u. G. J. Warnock, Oxford 1970, S. 233 - 252. 36 Vgl. Michail M. Bachtin, Formen der Zeit im Roman. Untersuchungen zur historischen Poetik, hg. Edwald Kowalski u. Michael Wegner, Frankfurt a. M. 1989, hier zitiert nach: Michail M. Bachtin, Chronotopos, übers. v. Michael Dewey, mit einem Nachwort v. Michael C. Frank u. Kirsten Mahlke, Frankfurt a. M. 2008, S. 7. 37 Vgl. hierzu u. zum Folgenden Judith Frömmer, Italien im Heiligen Land. Typologien frühneuzeitlicher Gründungsnarrative, Göttingen/ Konstanz 2018, S. 168 - 247. 38 Zu Babylon als Inbegriff der civitas terrena und Gegenpol Jerusalems vgl. Aug. civ. XVI,4, XVI,10 u. XVII,16. Zu Rom als zweitem Babylon bzw. Babylon als erstem Rom vgl. Aug. civ. XVIII,2 u. XVIII,22. Alle Augustin-Zitate nach: Aurelii Augustini opera, in: Corpus Christianorum, Series Latina, Turnhout 1954 - 1956 (CCL), hier Bd. XLVII-XLVIII. Vgl. in diesem Zusammenhang vor allem Buch XV von De civitate Dei. Für weitere Textbelege siehe auch Johannes van Oort, „ Civitas dei - terrena civitas. The Concept of the Two Antithetical Cities and Its Sources (Books XI - XIV) “ , in: Augustinus, De civitate Dei, hg. Christoph Horn, Berlin 1997 (= Klassiker auslegen, Bd. XI), S. 157 - 169. 39 Vgl. hierzu insbesondere die visionäre Gegenüberstellung Roms und Jerusalems in der dritten Predigt des Zyklus Prediche sopra i Salmi (vgl. Savonarola, Edizione Nazionale delle Opere, Bd. IX.1, S. 52). Auch seine Gegner sehen Savonarolas Jerusalem als schismatischen und häretischen Gegenentwurf zur römischen Amtskirche, die durch dessen Reformbewegung, wie Francesco Altoviti in seiner Defensione contro all ’ arca di fra Girolamo schreibt, im Namen eines 139 Savonarolas Tempelbau. Überlegungen zum (re-)enactment religiöser Performanzen gänzlich irdischen Jerusalems ‚ judaisiert ‘ werde. Altovitis Defensione contro all ’ arca di fra Girolamo wird hier zitiert nach: Gian Carlo Garfagnini, „ Polemiche politico-religiose nella Firenze del Savonarola. L ’‚ Epistola responsiva ‘ e la ‚ Defensione dell ’ Altoviti ‘“ , in: Rinascimento 31 (1991), S. 93 - 130, hier vor allem S. 126. 40 Savonarola, Edizione Nazionale delle Opere, Bd. VII, S. 449 f.; Übers. u. Hervorh. J. F. 41 Ebd., S. 481 - 483; Übers. J. F. 42 Vgl. Reinhart Koselleck, „ Vergangene Zukunft der frühen Neuzeit “ , in: Reinhart Koselleck, Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a. M. 1989, S. 17 - 37, hier S. 22. 43 Ebd., S. 33. 44 Marsilio Ficino, Apologia contra Savonarolam, zitiert nach: Supplementum Ficinianum, Bd. II, hg. Paul Oskar Kristeller, Florenz 1987 (Nachdruck der Ausgabe von 1973), S. 76 - 79, hier S. 77. 45 Dies wird im lateinischen Original noch deutlicher. 46 Das von mir übersetzte Originalzitat findet sich in Francesco Guicciardini, Storie Fiorentine, hier zitiert nach: Francesco Guicciardini, Opere, Bd. I, hg. Elena Scarano, Turin 2012, S. 182 f. (Erstausgabe Turin 1970). 47 Vgl. Girolamo Savonarola, De simplicitate christianae vitae, hg. Pier Giorgio Ricci, Rom 1959 (= Edizione Nazionale delle Opere, Bd. V), hier S. 61. 48 Savonarola, Edizione Nazionale delle Opere, Bd. VII, S. 328, Übers. J. F. 49 In diesem Zusammenhang ließe sich mit Erich Auerbach überlegen, ob Savonarola hier nicht den sermo humilis einer nicht- oder gar antirhetorischen christlichen Sprache für Zwecke instrumentalisiert, die diese Sprache letztlich als hochgradig rhetorisch ausweisen. Vgl. Erich Auerbach, „ Sermo humilis “ , in: Romanische Forschungen 64 (1952), S. 304 - 364. 50 Vgl. Savonarola, Edizione Nazionale delle Opere, Bd. X.2, S. 412. 51 Vgl. Jacques Derrida, Limited Inc.: a b c . . ., Baltimore et. al. 1977; John Searle, „ Reiterating the Differences. A Reply to Derrida “ , in: Glyph 1 (1977), S. 198 - 208. 52 Vgl. Derrida, „ Déclarations d ’ Indépendance “ , S. 13 - 32. 53 Vgl. in diesem Zusammenhang beispielsweise David Gilmour, The Pursuit of Italy. A History of a Land, its Regions and their Peoples, London 2011. 54 Vgl. hierzu u. a Lorenz Engell, Sinn und Industrie. Einführung in die Filmgeschichte, Frankfurt/ Paris 1992, S. 64 - 68. 140 Judith Frömmer