eJournals Forum Modernes Theater 30/1-2

Forum Modernes Theater
0930-5874
2196-3517
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FMTh-2015-0002
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Die Untersuchung mimetischer Prozesse aus identitätskritischer Perspektive besitzt Tradition. Insbesondere in differenz-, gendertheoretischen und postkolonialen Ansätzen wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass mimetische Vorgänge nicht nur die scheinbar natürliche Ordnung von Identitätskategorien hinterfragen und stattdessen deren Performativität offenlegen, sondern diese überhaupt erst als solche konstituieren. Verwiesen sei hierbei prominenterweise auf Homi BhabhasAufsatz Of Mimikry and Man. The Ambivalence of Colonial Discourse (1984) oder Butlers Theorien zu Performativität, Travestie und Iteration. Der Artikel fragt nach dem Verhältnis von Mimesis und Identitätskritik und setzt dabei die Schauspieler*in ins Zentrum der Betrachtung. Anhand der Gegenüberstellung der beiden Philosophen Platon und Diderot gilt es zu verdeutlichen, dass dem Verhältnis von Schauspieler*in und Rolle von der Antike an eine identitätsbezogene Durchlässigkeit zugeschrieben wird, die die Idee einer einheitlichen sowie stabilen Identität hinterfragt und an deren Stelle ein potenziell unbegrenztes Ich setzt. Aufgrund dieses proteischen Potenzials kann die Schauspieler*in, so soll abschließend mit Bezug auf Lacoue-Labarthe aufgezeigt werden, als Denkfigur einer primären Identitätslosigkeit fungieren, die poststrukturalistische Konzepte gleichsam „übersetzt“.
2019
301-2 Balme

Mimesis und Identitätskritik

2019
Rosemarie Brucher
Mimesis und Identitätskritik: Schauspiel und die „ Vielheit des Ich “ bei Platon, Diderot und Lacoue-Labarthe Rosemarie Brucher (Graz) Die Untersuchung mimetischer Prozesse aus identitätskritischer Perspektive besitzt Tradition. Insbesondere in differenz-, gendertheoretischen und postkolonialen Ansätzen wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass mimetische Vorgänge nicht nur die scheinbar natürliche Ordnung von Identitätskategorien hinterfragen und stattdessen deren Performativität offenlegen, sondern diese überhaupt erst als solche konstituieren. Verwiesen sei hierbei prominenterweise auf Homi Bhabhas Aufsatz Of Mimikry and Man. The Ambivalence of Colonial Discourse (1984) oder Butlers Theorien zu Performativität, Travestie und Iteration. Der Artikel fragt nach dem Verhältnis von Mimesis und Identitätskritik und setzt dabei die Schauspieler*in ins Zentrum der Betrachtung. Anhand der Gegenüberstellung der beiden Philosophen Platon und Diderot gilt es zu verdeutlichen, dass dem Verhältnis von Schauspieler*in und Rolle von der Antike an eine identitätsbezogene Durchlässigkeit zugeschrieben wird, die die Idee einer einheitlichen sowie stabilen Identität hinterfragt und an deren Stelle ein potenziell unbegrenztes Ich setzt. Aufgrund dieses proteischen Potenzials kann die Schauspieler*in, so soll abschließend mit Bezug auf Lacoue-Labarthe aufgezeigt werden, als Denkfigur einer primären Identitätslosigkeit fungieren, die poststrukturalistische Konzepte gleichsam „ übersetzt “ . Die Schauspieler sind ihm [dem Zuschauer, RB] wie Zauberer, fast fürchtet er sie und kann doch von ihnen nicht los, fast graut ihm vor Menschen, die sich umtauschen und auswechseln können, und doch locken sie ihn magisch an, weil er tief bei sich dasselbe Wunder walten ahnt. 1 Der vorliegende Text untersucht das Verhältnis von Mimesis und Identitätskritik aus theaterwissenschaftlicher Sicht. Das bedeutet zum einen, dass der mehrdeutige Begriff der Mimesis in seiner Bedeutung der schauspielerischen Nachahmung - des sich „ einem anderen nachbilden in Stimme oder Gebärde “ 2 - verwendet wird. 3 Zum anderen bestimmt dieser Fokus auch die Auswahl der untersuchten Texte. So wird anhand der Gegenüberstellung zweier zentraler schauspieltheoretischer Überlegungen - Platon und Diderot - aufgezeigt werden, dass dem Verhältnis von Schauspieler*in und Rolle von der Antike an eine identitäre Durchlässigkeit, ein mimetischer Überschuss zugeschrieben werden, welche die Idee einer einheitlichen sowie stabilen Identität hinterfragen und an deren Stelle das Potenzial unbegrenzter Mannigfaltigkeit setzen. Gerade aufgrund dieses „ Sich-umtauschen-und-auswechseln-könnens “ , kann die Schauspieler*in, so gilt es abschließend mit Bezug auf Lacoue-Labarthes Diderot- Lektüre aufzuzeigen, als Denkfigur einer primären Identitätslosigkeit fungieren. Es liegt auf der Hand, dass bei einer solchen komparatistischen Zusammenführung dreier Autoren nicht nur die Vorstellungen und Praxen von Theater, sondern auch Konzepte von Identität, Person und Charakter variieren müssen. Dies soll auch in keiner Weise in Abrede gestellt werden. Nichtsdestotrotz weisen die Fragen, welcher Forum Modernes Theater, 30/ 1-2 (2015 [2019]), 5 - 18. Gunter Narr Verlag Tübingen DOI 10.2357/ FMTh-2015-0002 Voraussetzungen bedarf bzw. welche Folgen bedingt das Nachahmen für die Nachahmenden, Parallelen in der Auseinandersetzung auf, die einen Vergleich der drei Theorien produktiv macht. Dies ist nicht zuletzt deshalb der Fall, da Platons Kritik an der Mimesis in beträchtlicher Weise auf nachfolgende Schauspieltheorien, so auch auf jene Diderots, Einfluss genommen hat. Darüber hinaus steht für den gewählten identitätstheoretischen Ansatz die Frage nach der Schauspieler*in als historisches Subjekt und damit nach gelebten Praxen des Theaters nicht im Vordergrund. Vielmehr wird die Schauspieler*in als Denkfigur den Fokus der Auseinandersetzung bilden, anhand derer im Laufe der Geschichte exemplarisch subjekttheoretische, psychologische bzw. anthropologische Fragestellungen verhandelt wurden. Doch zunächst zu Platon. I. Platons Mimesiskritik [. . .] der Mensch tritt aus sich heraus, er schüttelt sich ab, er wird um; und wie die Mänade, die in das Fell des Tigers schlüpft, allmählich auch tierisch zu fühlen beginnt, so kann er, in den Gedanken an einen anderen Menschen eingehüllt, mit Leib und Seele dieser werden. 4 Platons Kritik an der Mimesis in Der Staat ist vielschichtig und erstreckt sich insbesondere über das zweite, dritte und zehnte Buch. 5 Um den Fokus möglichst präzise zu halten, wird das Hauptaugenmerk im Folgenden vorwiegend auf jenen Abschnitt im dritten Buch gesetzt, in dem Sokrates über die Gefahren spricht, welche Nachahmung für den Charakter der Wächter - ja, für Identität generell - birgt. 6 Dabei kommt Sokrates bekanntlich zu dem Schluss, dass weder ein solches Handeln für die Wächter noch die Anwesenheit von Schauspielern überhaupt in dem idealen Staat erwünscht seien: Einem Mann also, wie es scheint, der sich künstlicherweise vielgestaltig zeigen kann und alle Dinge nachahmen, wenn der uns selbst in die Stadt käme und auch seine Dichtungen uns darstellen wollte, würden wir Verehrung bezeigen als einem heiligen und wunderbaren und anmutigen Mann, würden ihm aber sagen, daß ein solcher bei uns in der Stadt nicht sei und auch nicht hineinkommen dürfe, und würden ihn, das Haupt mit vieler Salbe begossen und mit Wolle bekränzt, in eine andere Stadt geleiten [. . .]. 7 Sokrates ’ Position basiert auf verschiedenen Argumenten, welche jedoch an dieser Stelle allesamt um das Ideal eines stabilen Charakters kreisen. So betrifft die zentrale Grundannahme des gesamten Argumentationsstrangs die Gefahr, die dem Charakter des Nachahmenden im Moment der Nachahmung droht. Dieser kann sich nämlich durch mimetisches Handeln verwandeln bzw. das, was man nachahmt, kann sich festsetzen, also quasi in Form einer mimetischen Angleichung „ zur Natur “ werden. So Sokrates: „ Oder hast du nicht bemerkt, daß die Nachahmungen, wenn man es von Jugend an stark damit treibt, in Gewöhnungen und in Natur übergehen, es betreffe nun den Leib oder die Töne oder das Gemüt? “ 8 Im mimetischen Prozess dringt folglich etwas in den Nachahmenden ein, sobald dieser sich dem Gegenstand seiner Nachahmung zuwendet, was langfristig eine, so auch Friedrich Balke, „ fundamentale Alterisierung “ 9 zur Folge habe. Es ließe sich aber ebenso gut argumentieren, dass die Mimesis alternative Charakteranteile mobilisiert und somit eine von vornherein angelegte Multiplizität zur Geltung bringt. Dahingehend stellt auch Stephen Halliwell fest: the identification involved in performing or reciting dramatic poetry represents a threat to the soul ’ s unity, because the operation of 6 Rosemarie Brucher ‘ self-likening, ’ the enactment of experiences fictionally other than one ’ s own, requires the mind to discover within itself, so Plato believes, the nature of what it is brought to imagine. 10 In beiden Fällen jedoch verschieben sich die Grenzen der eigenen Identität, sei es nun nach innen oder nach außen. Für Platon ist dies Grund genug, seinen Wächtern von Nachahmung gänzlich abzuraten. Dabei spielen sowohl ethische als auch identitätstheoretische Überlegungen eine Rolle. So legt die Gefahr der „ psychological assimilation “ 11 zunächst nahe, dass die Wahl des Nachgeahmten von entscheidender Bedeutung ist. Die Beeinflussung des Charakters gewinnt folglich an Brisanz, wenn die nachgeahmte Identität aus Sokrates ’ Sicht eine moralische Kontamination bedeutet. Daher, so Sokrates, ist es von existentieller Wichtigkeit, wenn überhaupt, dann lediglich erstrebenswerte Charaktere nachzuahmen, keinesfalls aber Weiber, Sklaven, feige Männer und Ähnliches: Wir werden also nicht erlauben, daß die, von denen wir sagen, daß wir uns ihrer annehmen und daß sie tüchtige Männer werden sollen, ein Weib darstellen, da sie doch Männer sind, mag es nun eine Junge sein oder Alte oder eine, die auf ihren Mann schimpft oder die mit den Göttern eifert und gegen sie großtut, weil sie sich einbildet, glückselig zu sein, oder die sich in Unglück und Trauer und Jammer befindet; eine Kranke aber gar oder Verliebte oder Gebärende noch viel weniger. 12 Diese Argumentation Platons ist insbesondere auch aus gendertheoretischer Sicht interessant, da sie auf die Performativität und zugleich Instabilität der Geschlechtsidentität verweist. 13 Zugleich wird deutlich, dass Platon von einer prinzipiellen und folglich anhaltenden Formbarkeit des Charakters ausgeht, welche die Relevanz der Frage nach der Mimesis begreiflich macht. Zwar verfüge ein Mensch über eine individuelle Veranlagungen, die es mittels Erziehung zu entwickeln und zu festigen gelte - denn ein gerechter Staat ist ein solcher, in dem jeder, so Platons Idiopragieformel, das „ Seine erfüllen kann “ 14 - , doch wirkt diese keineswegs determinierend. Vielmehr berge jeder Mensch prinzipiell die Vielheit des Seins. Wenn Sokrates im IV. Buch der Politeia folglich unterstreicht, Ziel der Erziehung sei es, dass der Heranwachsende „ einer wird aus vielen “ 15 , so tritt im Umkehrschluss das mögliche Scheitern dieses Projektes vor Augen: dass nämlich die Herausbildung einer einheitlichen Identität von vornherein scheitert. Diese potenzielle Offenheit und Pluralität des Charakters - „ [T]he many selves that Plato sees lurking in every mind “ 16 - werden von Platon als fundamentale Bedrohung empfunden, die es prinzipiell zu vermeiden gilt. 17 Dabei handelt es sich neben der Frage der gesellschaftlichen Funktionalität in erster Linie um ein identitätstheoretisches Interesse, bei dem Platons Ideal eines in sich harmonischen, stabilen und integren Menschen zum Ausdruck kommt, der allein tugendhaft wie gleichsam glücklich sein kann. 18 Denn die Einheit der Funktion basiert auf der Einheit der Person; ein Gedanke, der im IV. Buch der Politeia weiter ausgeführt wird. Dabei fordert Platon Einheit sowohl in jedem Moment, d. h. die Homogenität der Person, als auch diachron im Sinne von Beständigkeit und Charakterfestigkeit. Letztere ist insbesondere hinsichtlich der Wächter entscheidend, deren ganzes Wesen auf beharrlicher Tapferkeit zu basieren habe. Es ist folglich nicht nur die Transformation hin zum Schlechteren, die Sokrates besorgt, sondern Transformation überhaupt. Denn dadurch dringe sowohl Heterogenität als auch Unbeständigkeit in die Einheit der Seele ein, wodurch die zentrale Grundlage des idealen Staates, „ a harmonious ordering of the soul, in which there 7 Mimesis und Identitätskritik: Schauspiel und die „ Vielheit des Ich “ are no conflicts or tensions “ 19 , gefährdet würde. 20 Dementsprechend ist es vor allem, so Hans-Thies Lehmann, die „ Dekonstruktion des identischen Subjekts “ 21 , die es mit dem Mimesisverbot abzuwehren gilt, und nicht lediglich eine mögliche Integration verworfener Charakteranteile. Hinter der Warnung vor dem Einzug des Heterogenen in die Einheit des Ich steckt jedoch noch eine weiterführende Sorge, vielleicht die eigentliche Sorge des Philosophen. So verändert Nachahmung Identität nicht nur einmalig: Mimetische Prozesse können sich darüber hinaus auch verselbstständigen, können wuchern und schließlich kann die ihnen eigene Wandlungsfähigkeit - wie bei Woody Allens Zelig - zum alleinigen Charaktermerkmal werden bzw. dieser sich dadurch in infinitive Multiplizität auflösen. Mimesis formt, verformt und führt schließlich, wird ihr nicht Einhalt geboten, zur Formlosigkeit zurück, welche vor jeglicher (mimetischen) Charakterbildung bestanden hat. Hierbei geht es folglich nicht mehr um spezifische Transformationen oder Vermischungen von Identitäten, als vielmehr um jenes proteische Potenzial der uneingeschränkten Wandelbarkeit selbst, das Nietzsche mehr als zwei Jahrtausende später als „ Vielheit des Ich “ bezeichnen wird. Nicht eine bestimmte Nachahmung wird „ zur Gewohnheit und zur Natur “ , sondern Nachahmung überhaupt, was schließlich in dem, so Sokrates, „ zweigestaltigen oder gar vielgestaltigen Mann “ 22 mündet: Ein Mensch ohne singuläre Identität, der viele Personen anstatt eine ist, oder, um einen modernen Ausdruck zu wählen, eine multiple Persönlichkeit. Dahingehend stellt auch Halliwell fest: „ heterogeneity fosters the conditions in which each of us will continue to live not as one but as many people. “ 23 Dabei ist diese Vielheit, laut Sokrates, nicht im Sinne eines Überschusses zu verstehen, sondern vielmehr als Mangel, der die Drohung impliziert, letztlich Nichts bzw. Niemand zu sein. Denn, so Lear: „ a person who develops a taste for acting this way [imitating many characters, R. B.] will merely appear to be many things without in fact being any one thing at all. “ 24 Und so kommt er zu dem Schluss: „ Indeed it is the multifariousness of mimesis that makes full identification with any one character impossible. “ 25 Schlimmer noch als ein schlechter Charakterzug ist es daher, gänzlich charakterlos zu sein, ist der Verlust jeglicher Identität in der Potenzialität des Alles-sein-könnens. In der mimetischen Annäherung an die Mannigfaltigkeit der Welt löst sich Identität folglich in Beliebigkeit, im Zufälligen auf und büßt dabei ihr „ eigentümliches Sein “ 26 ein. Die Folgen dieser „ psychic volatility “ 27 seien, so Sokrates, Verwirrung, Unordnung und Zerwürfnis, sowohl für die Seele als auch für den Staat. Insbesondere der Schauspieler, der gemeinhin alles nachzuahmen vermag, droht dieser Gefahr zum Opfer zu fallen. Ist dieser hierfür auch besonders prädestiniert, so wird mit dessen Verbannung jedoch zugleich eine Gefahr exemplarisch abgewehrt, die, so gilt es zu betonen, prinzipiell jeglicher Form von Identität droht. So auch Halliwell: The many selves into which the soul can be diffracted exist potentially within each person; Plato ’ s philosophical psychology declares that the possibility of this disordered or constantly changing multiplicity is given by the very nature of the human mind. 28 Es lässt sich folglich sagen, dass es letztlich der Schutz von Identität per se ist, der Platon solch strenge Kritik an mimetischen Verfahren üben lässt. 29 Dahingehend stellt auch Lehmann fest: „ Der Mimesis möchte Platon die Daseinsberechtigung im Staat absprechen, weil sie mit der Gefahr der Selbstauflösung der Person verknüpft ist. “ 30 Zugleich verweisen die Vehemenz sowie die scheinbare Notwendigkeit dieser Kritik auf 8 Rosemarie Brucher die Prekarität des Identitätskonzepts als solches, dessen grundsätzliche Instabilität und Durchlässigkeit sie vielmehr offenlegen. Betrifft diese genuine Durchlässigkeit auch Identität im Allgemeinen, so scheint nichtsdestotrotz die Schauspieler*in dazu prädestiniert, diese Prekarität exemplarisch zu „ verkörpern “ . An ihr wird der illusorische Charakter jeglichen Festhaltens an stabilen Identitäten sichtbar, was mitunter das wiederkehrende Interesse philosophischer Auseinandersetzungen mit dieser sowie generell den Einzug des Theatralitätsdiskurses in soziologische sowie philosophische Theorien erklärt. 31 So prominterweise jene Diderots. II. Diderot und die charakterlose Schauspieler*in Ein Mensch ohne Character macht nie eine bestimmte Person, sondern bei jeder Gelegenheit ist er ein anderer Mensch [. . .]. 32 Tritt die Idee dauerhafter identitärer Verschiebungen diskursgeschichtlich auch insbesondere im Kontext der so genannten heißen Schauspieler*in auf, jener also, die sich der Theorie nach emotional mit der Rolle identifiziert, so beschränkt sie sich keineswegs auf diese. Auch die kalte, d. h. emotional unbeteiligte Schauspieler*in, so gilt es im Folgenden aufzuzeigen, kann sich der Macht des Proteischen, wenn auch aus anderen Gründen, nicht entziehen. Beide Alternativen finden sich bereits bei Platon angelegt: Sowohl die psychologische Assimilation durch emotionale (Über-)Identifikation als auch der Verlust von Identität auf Grund eines grundsätzlichen Mangels an Identifikationsfähigkeit dienen je nach Lesart als Grundlage des Proteischen. So wertet beispielsweise Halliwell das emotionale Hineinversetzen in den Anderen als primäre Ursache mimetischer Transformation, wenn er schreibt: „ understanding a character ‚ from the inside. ‘ The latter is precisely what Plato fears about the mimetic mode in Republic 3 [. . .]. “ 33 In eine ähnliche Richtung weist auch Murrays Kommentar: „ mimesis involve[s] a deep identification on the part of the imitator with the object of his imitation “ . 34 Auch Lehmann führt die potenziellen identitären Veränderungen der Schauspieler*in auf einen der Mimesis eigenen Mangel an Distanzfähigkeit zurück, aufgrund dessen diese gleichsam „ in das Spiel hineingezogen wird. “ 35 Andere Theoretikeri*nnen kritisieren jedoch diese Vereindeutigung der Mimesis als emotionale Identifikation, wenn sie nicht frei von Sarkasmus feststellen: „ The method of acting which he [Platon, R. B.] has in mind is not method acting. “ 36 Vielmehr sei es statt eines Mangels an Distanz ein zu viel an Distanz und zwar zu jeglicher Form von Identität, d. h. auch zu der eigenen, die letztlich der Schauspieler*in drohe. Unterscheidet man, wie im ersten Abschnitt aufgezeigt, zwischen den beiden Warnungen Platons - jener vor Identitätstransformation wie auch jener des gänzlichen Identitätsverlustes - , so sind beide Lesarten argumentierbar, wobei Letztere, d. h. der endgültige Identitätsverlust, als Folge anhaltender Diffusionsbzw. Transformationsprozesse erscheint. Diese „ transformative psychological power “ 37 der Mimesis blieb bis heute zentraler Bestandteil schauspieltheoretischer Überlegungen. Ob in Form von biografischen Anekdoten, ernsthaften medizinischen Bedenken, ethischen Warnungen oder auch Theorien zur Schauspielkunst, man stößt in der langen Tradition des Diskurses unausweichlich auf den „ Zauber “ der Schauspieleri*nnen, ihre Identität „ umtauschen und auswechseln “ zu können, wobei dieses „ ungeheure Rätsel der menschlichen Verwandlung “ 38 zunehmend auch positiv, ja, gerade als die bewundernswerte Essenz des Nachahmens bewertet wurde. 39 So beispiels- 9 Mimesis und Identitätskritik: Schauspiel und die „ Vielheit des Ich “ weise in Denis Diderots berühmtem als Dialog verfassten Paradox über den Schauspieler, das zwischen 1769 und 1773 entstanden, aber erst 1820 posthum publiziert wurde. Dieses greift die Charakterisierung der Schauspieler*in als „ the one who never seems to be himself [. . .] haunted by not having an identity “ 40 auf und radikalisiert sie zugleich, indem er die Charakterlosigkeit der Schauspieler*in zu deren einzigem Charaktermerkmal erhebt. Demgemäß betont er in Differenz zu Platon, dass es sich hierbei um die Ursache schauspielerischer Begabung, nicht jedoch um eine Folgeerscheinung mimetischer Praxen handelt. So stellt der Mann des Paradoxes pointiert fest: Man hat gesagt, die Schauspieler hätten keinen Charakter, denn da sie alle spielten, verlören sie den, den ihnen die Natur gegeben habe, und sie würden falsch wie der Arzt, der Chirurg und der Metzger hart. Ich glaube, man hat die Ursache für die Wirkung genommen. Sie sind nur deshalb fähig, alle zu spielen, weil sie überhaupt keinen haben. 41 Diese postulierte Charakterlosigkeit der Schauspieler*in ist dabei in zweifacher Hinsicht zu verstehen: einerseits soziologisch, andererseits identitätstheoretisch. Folgt man der im 18. Jahrhundert, so beispielsweise bei Immanuel Kant, vorherrschenden Definition von Charakter als „ Festigkeit in Grundsätzen “ 42 bzw. als „ Bestimmung der Willkühr des Menschen durch dauernde und veststehende Maximen “ 43 , so treten insbesondere - ganz im Sinne Platons - Eigenschaften wie Beständigkeit, Beharrlichkeit oder auch Selbstkontrolle in den Vordergrund. Charakter meint hierbei in erster Linie Charakterstärke, die Schauspieleri*nnen traditionell, so beispielsweise in der Kritik der Kirche am Theater oder in Rousseaus berühmtem Lettre a d ’ Alembert sur les Spectacles (1758), prinzipiell abgesprochen wurde, wobei dieser Mangel wiederum häufig mit direktem Bezug auf Platon als Folge anhaltender mimetischer Aktivität verstanden wurde. 44 Auf soziologischer Ebene wiederholt Diderot folglich gängige Klischees zur vermeintlichen Charakterlosigkeit der Schauspieler*in, wenn er feststellt, dass die Spassmacher von Beruf in der Regel leichtfertige Menschen sind, ohne feste Grundsätze, und dass, ähnlich wie gewisse Personen, die in unserer Gesellschaft verkehren, - alle die, welche keinen ausgeprägten Charakter haben, glänzend alles spielen können. 45 Neben dieser soziologischen Dimension setzt Diderot dem Konzept des Charaktermenschen die grundsätzliche identitäre Formlosigkeit der großen Schauspieler*in entgegen. Diese Form der Charakterlosigkeit muss von dem Vorwurf der fehlenden Authentizität, der Tücke und Lüge insofern unterschieden werden, als sie die der Kritik der Täuschung inhärente Annahme, es gäbe so etwas wie eine authentische Identität, konsequent überschreitet. Im Folgenden gilt es diese zweite, aus identitätstheoretischer Sicht ungleich radikalere Form in den Vordergrund zu stellen. Auf den ersten Blick scheint Diderots Ideal des Schauspielers Platons Gründen der Verwerfung desselben geradezu entgegengesetzt. Anstatt Zerwürfnis und Verwirrung entsprechen das von ihm geforderte klare Urteilsvermögen sowie dessen kalter und ruhiger Blick 46 und nicht zuletzt der Versuch, sich der Welt der Ideen anstatt der bloßen Natur anzunähern vielmehr Platons Ideal des Philosophen, der Ideen mit emotionaler Distanz erkennt, anstatt bloß deren Konkretisierungen mimetisch nachzuahmen. Indem er nicht „ mit Seele “ , sondern mit „ Überlegung spielt “ , ist sein Spiel keiner „ Unausgeglichenheit “ ausgesetzt, sondern „ immer gleichermassen vollendet: alles hat er abgewogen, aufeinander bezogen, sich gemerkt und geordnet in seinem Kopf. “ 47 Doch diese scheinbare Rehabilitierung der 10 Rosemarie Brucher Schauspieler*in als Philosoph*in trifft nur teilweise zu, zeigt doch die weitere Lektüre, dass Diderots „ grosser Schauspieler “ ( „ grand comédien “ ) in Fragen des Charakters gerade dem entspricht, was Platon vor allem abzuwenden trachtete: den so genannten „ vielgestaltigen Mann “ 48 . Denn die Kunst, für allzu vieles gleichermaßen befähigt zu sein, verlangt eine grenzenlos formbare Identität. Dem Ideal der Beständigkeit setzt Diderot folglich die radikale Formlosigkeit der Schauspieler*in entgegen. Hierbei kommen zwei Alternativen in Betracht: entweder dieser vollzieht eine „ unfassbare Loslösung seiner selbst von sich selbst “ 49 , er „ entledigt “ sich seines Charakters gewissermaßen in einer aktiven Abspaltung, um Raum für eine identitäre Doppelstruktur zu schaffen, oder er verfügt von vornherein über keinen Charakter, worauf es im folgenden Abschnitt das Augenmerk zu legen gilt. Die Definition der großen Schauspieler*in als im identitätstheoretischen Sinn charakterloses und damit identitätsloses Wesen macht, meiner Ansicht nach, das eigentliche Kernstück des Paradoxes aus, das sich vielmehr als „ Bündelung verschiedener paradoxer Konstellationen “ 50 erweist. Denn es ist der, so Diderot, „ ohne Charakter Geborene[n] “ 51 , der allein für die unbegrenzte Vielfalt möglicher Rollenidentitäten offen ist. So lautet eine der hierfür elementaren Dialogpassagen des Textes: Zweiter: Wenn man Sie hört, ist der grosse Schauspieler alles und nichts. Erster: Und vielleicht ist er gerade deshalb, weil er nichts ist, alles mit Auszeichnung, seine eigene Form steht niemals im Gegensatz zu den fremden Formen, die er annehmen muss. 52 Was hier zur Diskussion steht, sind folglich nicht mehr lediglich die vermeintliche Flexibilität sozialer Rollen bzw. die ethische Fragwürdigkeit einer bestimmten Berufsklasse, sondern vielmehr ein Gegenentwurf zu dem gemeinhin auf Identitätslogik basierenden Konzept von Individualität. Denn die „ gleichen Anlagen für alle Arten von Charakteren und Rollen “ 53 zu haben, bedeutet letztlich das Fehlen jeglicher Anlagen. Diese proteische Charakterlosigkeit wird auch in einer weiteren zentralen Passage thematisiert: Zweiter: Die Seele eines grossen Schauspielers ist geformt aus dem zarten Stoff, aus dem unser Philosoph den Weltraum erfüllen würde, der nicht kalt, nicht schwer, nicht leicht ist, der keine bestimmte Form annimmt und der, gleichermassen geeignet für alle, keine behält. Erster: Ein grosser Schauspieler ist weder ein Klavier, noch eine Harfe, noch ein Cembalo, noch ein Cello. Er hat keinen ihm eigenen Klang, aber er nimmt den Klang und den Ton auf, die zu seiner Rolle passen, und er weiss sich allen hinzugeben. 54 Die große Schauspieler*in vermag folglich nur deshalb alles zu sein, weil sie eigentlich nichts ist, weil keine eigene Identität „ im Gegensatz zu den fremden Formen “ 55 steht. Innerhalb der Logik des Paradoxes ließe sich jedoch zugleich sagen, die große Schauspieler*in ist letztlich nichts, weil sie alles ist, weil sie „ sich allen hinzugeben “ 56 weiß. In diesem Sinne würde gerade das Nichtvorhandensein von Alterität das Zustandekommen von dauerhaften Identitätseffekten verhindern. Denn folgt man klassischer Identitätslogik, so stellt sich der Effekt von Identität bekanntlich erst mittels Nicht-Identität, d. h. mittels Differenzeffekten, her. Identität ist folglich durch Differentialität gekennzeichnet, was häufig mit dem Begriff des othering benannt wird. Dahingehend stellt Derrida mit Blick auf Saussure fest: „ Die Elemente des Bedeutens funktionieren nicht durch die kompakte Kraft von Kernpunkten, sondern durch das Netz von Oppositionen, die sie voneinander unterscheiden und aufeinan- 11 Mimesis und Identitätskritik: Schauspiel und die „ Vielheit des Ich “ der beziehen. “ 57 Indem die Schauspieler*in nun ausnahmslos „ alle Naturen kennen zu lernen und zu kopieren “ 58 vermag, muss eine stabile Differenzierung zwischen sich und anderem, zwischen Identität und Alterität, notwendig scheitern. Vielmehr geht die sich in einer ständigen Bewegung befindliche Differenzbeziehung mit einer Infinität der eigenen Identität einher: diese ist in ihrer potenziellen Vielheit radikal uneindeutig und unabschließbar. Die Schauspieler*in kann folglich in ihrer konsequenten Unbestimmbarkeit als exemplarisch für eine Identität gelesen werden, die immer schon in ihrer Negativität als Nicht-Identität gedacht werden muss. Indem jedoch ihre proteische Wandelbarkeit auf der Potenzialität unbegrenzter Identitätsverschiebungen basiert, lässt sie zugleich an Derridas Konzept der différance denken, das „ die konstituierende, produzierende und originäre Kausalität bezeichnet, den Prozeß von Spaltung und Teilung, dessen konstituierende Produkte oder Wirkungen die différents oder die différences wären “ 59 . Schauspielerische Nachahmung ließe sich demnach als Bewegung des Verschwindens respektive des immer schon sich vollziehenden Entzugs von Identität fassen. Dahingehend stellt auch Lacoue-Labarthe mit Blick auf den Schauspieler fest: „ Sein Akzent liegt auf Abwesenheit, dem Fehlen jedweder Eigentlichkeit. “ 60 Was bei Platon jedoch noch als fundamentale Bedrohung des Menschen gegolten hatte, gerät bei Diderot nun zur Superiorität. Die Charakterlosigkeit zeichnet nicht nur die große Schauspieler*in aus, sondern dieser Mensch ohne Charakter, der formlose Mensch dient dem französischen Theoretiker nun insgesamt als Inbegriff eines überlegenen Menschentyps, worauf auch der Vergleich mit dem zarten Stoff des Äther als fünftes Element verweist. So Diderot: „ Ich habe eine hohe Meinung von der Begabung eines grossen Schauspielers. Ein solcher Mensch ist selten, sehr selten, und vielleicht grösser als der Dichter. “ 61 Auch Eyal Peretz führt in seiner luziden Diderot-Lektüre diese bei Diderot erfolgte Aufwertung der Schauspieler_in gerade auf deren vermeintliche Identitätslosigkeit zurück, welche, so auch meine Lesart, auf philosophischer Ebene die für das 20. Jahrhundert kennzeichnende Hinterfragung von Identitätskategorien überhaupt vorwegnimmt, wenn er feststellt: While traditionally the loss of identity associated with the actor, this identifying with [. . .] characterizing him/ her has been the source of a methaphysical rejection of the actor as the most inconstant figure, in Diderot ’ s hands this capacity to not be herself that the actor possesses, a capacity marking a privileged relation of the power of identification with [. . .] becomes the source for a reversal of the metaphysical interpretation of the self as ideally constant and self-same. 62 Es ist folglich nur konsequent, dass wiederholt poststrukturalistische Denker*innen in ihrer Identitätskritik sowohl an Fragen der Mimesis als auch gerade an Diderots Figur der charakterlosen Schauspieler*in angeknüpft haben, um ihre jeweiligen Ansätze darzulegen. Eine der spannendsten Positionen ist hierbei jene Philippe Lacoue-Labarthes, auf dessen (Schau-)Spiel der Differenzen abschließend in aller Kürze eingegangen wird. III. Lacoue-Labarthe: Mimesis & das Gesetz der Uneigentlichkeit Denn das Paradox ist zuletzt dies: der hyperbolische Wechsel von nichts und allem, Uneigentlichkeit und Aneignung, Abwesenheit und Vervielfachung - oder Streuung - des Subjekts: je mehr der Künstler (der Schauspieler) nichts ist, desto mehr kann er alles sein. 63 12 Rosemarie Brucher Auch der französische Theoretiker Lacoue- Labarthe macht in seiner 1986 publizierten Diderot-Lektüre die Charakterlosigkeit des Schauspielers, die Notwendigkeit nichts zu sein, um alles sein zu können, als den zentralen Gedanken des Paradoxes aus. So Lacoue-Labarthe: Darin also liegt das Paradox: um alles zu vermögen, alles nachzuahmen - alles zu (re) präsentieren oder alles zu (re)produzieren, im stärksten Sinn des Worts - , darf man nichts durch sich selbst sein, nichts Eigentliches haben, nur ‘ gleiches Geschick ’ für alle möglichen Dinge, Rollen, Charaktere, Funktionen, Figuren, usw. 64 Der Schauspieler, als derjenige, „ der sich zur Darstellung und Vor- und Herstellung bestimmt “ 65 , ist folglich selbst zur Eigenschaftslosigkeit determiniert. Die Interpretation, die Lacoue-Labarthe aus diesem Fokus heraus entwickelt, schließt an das bisher Dargelegte an, birgt aber zugleich eine neue Wendung. Im Zentrum seines Interesses steht dabei die Frage der Eigentlichkeit, deren Nichtvorhandensein sowohl die Schauspieler*in als auch die Mimesis selbst auszeichnet: Das Paradox trägt ein Gesetz der Uneigentlichkeit, das Gesetz der Mimesis vor: nur der ‘ Mann ohne Eigenschaften ’ , nur ein Wesen ohne Eigen- und Besonderheiten, das Subjekt ohne Subjekt (entfernt und abgezogen von sich, ohne Selbst), ist in der Lage, überhaupt zu zeigen oder herzustellen. 66 Wie ist dieses Gesetz der Uneigentlichkeit nun zu verstehen? Um dies zu erläutern, nimmt Lacoue-Labarthe auf einen weiteren Aspekt des Diderotschen Paradoxes Bezug, jenen der Differenz von Kunst und Natur sowie auf die jeweiligen (Auf)Gaben derselben. So sei es, folgt man Diderot, die Aufgabe der Kunst, die Gabe der Natur mittels Ideen bzw. inneren Bildern - eines model interieur - zu vervollkommnen. So der erste Sprecher: Aber diese Vorstellung, welche sie [die Clairon, R. B.] der Geschichte entliehen hat, oder welche ihre Phantasie wie eine grosse Geistererscheinung entwickelt hat, sie ist nicht sie selbst. Wenn diese Vorstellung nur von ihrer Grösse wäre, wie schwach und klein wäre ihr Handeln. Wenn sie durch angestrengte Arbeit sich ihrer Idee so nah, als es ihr möglich war, angenähert hat, ist alles vollendet. 67 In dieser Differenz zwischen der „ nackte(n) Wahrheit “ 68 und der Poesie liegt auch der Grund, weshalb die Schauspieler*in als empirisches, singuläres Wesen die Rolle gar nicht sein kann. Aufgabe der Natur sei es hingegen, durch ihre herstellende Kraft „ die persönlichen Gaben zu verleihen: Gestalt, Stimme, Verstand und Feinheit der Sinne. “ 69 Die Kunst ahmt die Natur folglich nicht nur in ihren Erscheinungen nach - quasi als reproduzierende Mimesis - , sondern vermag sich zugleich deren herstellende Kraft selbst in Form einer produktiven Mimesis anzueignen und diese sogar zu vervollständigen. 70 Als exemplarisches Subjekt dieser mimetischen Kreation dient sowohl Lacoue-Labarthe als auch Diderot die Schauspieler*in. Dabei teilt diese mit der Natur nicht nur deren poietische, d. h. herstellende Kraft, sondern auch das Wesen der Wesenlosigkeit. 71 Dahingehend führt Lacoue-Labarthe in der Analogsetzung von der Gabe der Schauspieler*in, alles zu sein, und der Gabe der Natur aus: diese Naturgabe ist die Gabe der Uneigentlichkeit, ist Gabe, nichts zu sein, ja - a limine - die Gabe von nichts. Ich würde sogar sagen, um deutlich zu machen, worum es geht in diesem ‘ nichts ’ : Gabe der Sache selbst. Will sagen: Das Sich-zur-Gabe-machen der Natur, nicht sofern sie selbst schon da und gegenwärtig, oder ‘ naturata ’ ist, wie man damals sagte, sondern wesentlicher (auf dem Rückzug, immerfort, in bezug auf ihre Gegenwart), sofern sie bloße unfaßbare poisesis ist: herstellende oder bildende Kraft, Energie im strengen Sinne, immerwährende Bewegung der Gegenwärtigung. 72 13 Mimesis und Identitätskritik: Schauspiel und die „ Vielheit des Ich “ Lacoue-Labarthe macht es nicht deutlich, doch liegt bei Formulierungen wie die „ immerwährende Bewegung der Gegenwärtigung “ die Ähnlichkeit zu der schon erwähnten Derridaschen différance, die dieser nur wenige Jahre zuvor zum Gegenstand eines Vortrages und eines daraus resultierenden Aufsatzes gemacht hat, auf der Hand. 73 So schreibt Derrida: Wenn aber die différance das ist, was die Gegenwärtigung des gegenwärtig Seienden ermöglicht, so gegenwärtigt sie sich nie als solche. Sie gibt sich nie dem Gegenwärtigen hin. Niemandem. [. . .] In jeder Exposition wäre sie dazu exponiert, als Verschwinden zu verschwinden. Sie liefe Gefahr zu erscheinen: zu verschwinden. 74 Und weiter: Es war bereits zu vermerken, daß die différance nichts ist, nicht existiert, kein gegenwärtig Seiendes (on) ist, was dies auch immer sei; und wir müssen ebenfalls alles vermerken, was sie nicht ist, das heißt alles; und daß sie folglich weder Existenz noch Wesen hat. 75 Derrida selbst wählt mehrere Vergleiche, um die différance zu fassen, also das Unverortbare verorten zu können: in Nietzsches Kräftespiel, Freuds Unbewussten sowie Levinas ’ Konzept der absoluten Andersheit vermag er Ähnlichkeiten zu finden. Es stellt sich nun vor diesem Hintergrund die Frage: Lassen sich diese Vergleiche um die Idee der charakterlosen Schauspieler*in, wie sie von Platon und anderen vorbereitet und von Diderot ausformuliert wurde, ergänzen, d. h. bietet sich letztere gewissermaßen als Denkfigur der différance an? Meinem Erachten nach ist das der Fall und Lacoue- Labarthes Interpretation weist in eine ähnliche Richtung. Wenn demnach die Schauspieler*in, die différance und, folgt man Lacoue-Labarthe, die Naturgabe derselben Ökonomie folgen, nämlich jener der Uneigentlichkeit bzw. des genuinen Verschwindens, was bedeutet dies dann für die Schauspieler*in und deren kritisches Potenzial? Es bedeutet zum einen, das Feld der Präsenz und damit der mimetischen Repräsentation gänzlich zu verlassen. Das heißt, Diderots Postulat „ der Schauspieler ist nichts “ ernst zu nehmen und dieses „ nichts “ zu einem „ nicht “ auszuweiten. Die Schauspieler*in gerät damit zu der paradoxen Denkfigur identitätsloser Identität, wie wir sie bei Platon bereits angelegt gefunden haben. Sie ist nicht nur nichts, sie ist nicht, ist keine Selbstidentität und damit, in dieser Nicht-Identität, eine konstante Subversion des Identitätskonzepts selbst sowie aller darauf aufbauender Ideologien. Dann gilt auch für die Schauspieler_in, was Derrida bezüglich der différance feststellt: Nicht nur gibt es kein Reich der différance, sondern diese stiftet zur Subversion eines jeden Reiches an. So wird sie offensichtlich bedrohlich, und all das muß sie unvermeidlich fürchten, was in uns das Reich, die vergangene oder künftige Gegenwart eines Reiches wünscht. 76 In ähnlicher Weise stellte schon 1908 der Berliner Dramatiker und Theaterkritiker Julius Bab fest, dass Gesellschaften, die von einem stabilen und seiner selbst mächtigen Ich ausgingen, die „ richtige Schauspielkunst, diese Kunst fragwürdigster Erschütterung des Ichs, wenn sie sich ihr überhaupt genähert hätten, nur höchst unbehaglich sein können. “ 77 Verkörpert also die Schauspieler*in als identitäre Leerstelle die différance, was natürlich per se bereits ein Paradox ist, so kann das mimetische Rollenspiel zum anderen als Brennglas dienen, um das Entstehen von Identitätseffekten zu veranschaulichen. Es ist folglich die Schauspieler*in, die den performativen Charakter von Identität, “ nicht als Seelensubstanz, aber als Tat ” 78 , kenntlich macht. So wusste auch bereits Bab: 14 Rosemarie Brucher Es ist ja wirklich eine Legende - und diese Legende endgiltig zu entschleiern scheint mir die eine Aufgabe der Schauspielkunst zu sein - , dass die Persönlichkeit des Menschen, sein Ich als eine feste Substanz mit ihm auf die Welt kommt [. . .]; aber die Persönlichkeit, das Ich ist nun nicht überhaupt eine Legende, sondern eine Wirklichkeit anderer Ordnung - und dies zu entschleiern scheint mir die eigentlichste Aufgabe der Schauspielkunst. Jede Persönlichkeit, jeder Charakter, der heraustritt in ’ s Leben, ist eine Tat, ist eine gewusste und gewollte Bildung aus den zahllosen Möglichkeiten, die zu jeder Stunde dem Individuum das Leben bietet. Der Mensch stellt sein Ich dar [. . .]. 79 Identität verbirgt sich in diesem Modell folglich nicht hinter der Rolle, sondern geht aus dem Rollenspiel, dem „ Spiel der Spur “ 80 selbst, hervor. Dementsprechend ist sie stets eine solche des Aufschubs - ein Gedanke, wie er sich nicht erst im 20. Jahrhundert etabliert, da aber in diversen Positionen, wie beispielsweise bei Butler, Mead, de Man oder Bourdieu, um nur einige Theoretiker*innen zu nennen, ausformuliert wurde. Fragt man also nach dem kritischen Potenzial der Schauspieler*in, so ist es diese wohlbekannte und doch stets immer wieder vergessene Mahnung, sich nicht der Sehnsucht nach essentialistischen Identitäten hinzugeben. Angesichts der Erstarkung identitärer Bewegungen in ganz Europa, die in politischen Slogans wie „ Identität - Werde, wer Du bist “ oder „ Multikulti Endstation “ ihren Niederschlag finden, wird deutlich, dass das identitätskritische Potenzial der Mimesis und ihres Non-Subjekts, der Schauspieler*in, längst nicht obsolet ist. Und so scheint auch die 1904 von Bahr in seinem Dialog vom Tragischen getätigte Feststellung gegenwärtig hochaktuell: gerade wir können gerade jetzt den Schauspieler nicht entbehren. Wir brauchen seine Kunst, um an ihr leben zu lernen, wie die Griechen an ihren Statuen das Leben gelernt haben. Seine Kunst der ewigen Verwandlung wird uns die Normen geben, nach welchen allein wir über den Menschen gelangen, ins Freie, zur Höhe, wo alles, was an uns geschieht, nur noch ein Spiel der Elemente mit uns ist. 81 Anmerkungen 1 Hermann Bahr, „ Dialog vom Tragischen “ , in: Hermann Bahr, Dialog vom Tragischen, Weimar 2010, S. 1 - 35, S. 30. 2 Platon, Der Staat. Werke in acht Bänden Griechisch und Deutsch. Bd. 4., hg. Gunther Eigler, dt. Übersetzung von Friedrich Schleiermacher, Darmstadt 2001, S. 203, 393 c. 3 Friedrich Schleiermacher übersetzt Mimesis grundsätzlich mit Nachahmung. Die zwei wichtigsten weiteren Bedeutungen sind (anschauliches) Ausdrücken und (bildhaftes) Darstellen. Zu den verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten der Mimesis vgl. Gunter Gebauer, Christoph Wulf, Mimesis: Kultur - Kunst - Gesellschaft, Reinbek bei Hamburg 1992. 4 Bahr, Dialog vom Tragischen, S. 32, siehe EN 1. 5 Neben der Politeia befasst sich Platon insbesondere in Ion und dem Symposion mit mimetischen Prozessen. 6 Im 10. Buch widmet sich Sokrates insbesondere der erkenntnistheoretischen Minderwertigkeit mimetischer Kunst, da sie bloßes Abbild von Abbildern ist und daher von den tatsächlichen Formen zwei Schritte entfernt. Sokrates kritisiert, dass die Schauspieler auf diese Weise, ähnlich den Sophisten, bloß die Oberfläche der Dinge nachahmen würden, d. h. nicht die Formen selbst, sondern lediglich deren Konkretisierung, dabei das Wesentliche aber nicht erkennen. 7 Platon, Der Staat, S. 217, 398 a, siehe EN 2. 8 Ebd., S. 209, 395 c-d. 9 Friedrich Balke, „ Possessive Mimesis. Eine Skizze und ein Beispiel “ , in: Gertrud Koch, Martin Vöhler und Christiane Voss (Hg.), Die Mimesis und ihre Künste. München 2010, S. 111 - 126, S. 115. 15 Mimesis und Identitätskritik: Schauspiel und die „ Vielheit des Ich “ 10 Stephen Halliwell, The Aesthetics of Mimesis. Ancient Texts and Modern Problems, Princeton, NJ 2002, S. 93. 11 Gabriel Richardson Lear, „ Mimesis and the psychological change in Republic III “ , in: Pierre Destrée (Hg.), Plato and the poets, Leiden 2011, S. 195 - 216, S. 196. 12 Platon, Der Staat, S. 209, 395 d-e, siehe EN 2. 13 Vgl. hierzu bspw. Anne Duncan, Performance and Identity in the Classical World, Cambridge 2006. 14 Arbogast Schmitt, „ Mimesis bei Platon “ , in: Die Mimesis und ihre Künste, siehe EN 9, S. 231 - 254, S. 245. 15 Platon, Der Staat, S. 357, 443 e, siehe EN 2. 16 Halliwell, The Aesthetics of Mimesis, S. 95, siehe EN 10. 17 Dass hierbei ebenfalls Mimesis eine zentrale Rolle spielt, zeigt einmal mehr deren Vielseitigkeit in Platons Werk. So wird Nachahmung insbesondere bei Fragen der Erziehung mitunter auch positiv, ja, geradezu als essentiell bewertet, wenn es gilt, den Charakter nach Vorbildern zu formen. Das mimetische Kinderspiel beispielsweise oder das mimetische Verhältnis von Vater und Sohn illustrieren diese pädagogische Funktion der Nachahmung. Es lässt sich folglich diesbezüglich argumentieren, dass Platon von einer primären Formlosigkeit des Charakters ausgeht, die es mittels pädagogischer Mimesis nach bestimmten Vorbildern zu formen, zu vereinheitlichen und dabei festzulegen gilt. Im Zuge dessen sind nicht nur schädliche Vorbilder abzuwehren, sondern zugleich auch die Gefahr der Heterogenität. Hat schließlich eine Ausformung des Charakters in gewünschter Weise stattgefunden, gilt es diese unverändert zu erhalten. Diese Vorstellung eines beständigen Charakters spiegelt Platons Konzept der beständigen, ewigen Formenwelt wider, die der mannigfaltigen und in ständigem Wandel begriffenen Welt der Erscheinungen entgegensteht. Bei der Bewertung der Mimesis kommt es demnach auf die richtige Dosierung bzw. auf den passenden Zeitpunkt in der Entwicklung des oder der Heranwachsenden an. In dieser Ambivalenz aus Schaden und Nutzen gemahnt Mimesis an das Konzept des Pharmakon, das gleichermaßen Gift wie Gegengift, d. h. Medizin, bedeuten kann. Vgl. hierzu Platons Phaedrus bzw. die darauf aufbauende Auseinandersetzung Derridas in Plato's Pharmacy. 18 So auch Halliwell: „ If the Republic ’ s model of the mind or soul is one that makes unity the supreme condition of virtue and happiness, it is one that equally regards all forms of variety and versatility as subversive of virtue. “ (S. 94, siehe EN 10). 19 Jessica Moss, „ What is imitative poetry and why is it bad? “ , in: G. R. F. Ferrari (Hg.), The Cambridge Companion to Plato ’ s Republic, Cambridge 2007, S. 415 - 444, S. 434. 20 Vgl. hierzu auch Arlene W. Saxonhouse, Fear of Diversity. The Birth of Political Science in Ancient Greek Thought, Chicago 1992. 21 Hans-Thies Lehmann, „ Einleitung “ , in: Hans-Thies Lehmann (Hg.), Beiträge zu einer materialistischen Theorie der Literatur, Frankfurt am Main 1977, S. 9 - 108, S. 57. 22 Platon, Der Staat, S. 215, 397 e, siehe EN 2. 23 Halliwell, The Aesthetics of Mimesis, S. 94, siehe EN 10. 24 Lear, Mimesis and the psychological change, S. 198, siehe EN 11. 25 Ebd. 26 Schmitt, Mimesis bei Platon, S. 245, siehe EN 14. 27 Halliwell, The Aesthetics of Mimesis, S. 94, siehe EN 10. 28 Ebd. 29 Dahingehend stellt auch Arne Melberg fest: „ Poetical mimesis is dismissed as ‘ juggling play ’ , but still refuted and disputed as seriously as a matter of life and death. The reason for this is obviously that Plato ’ s mimesis is a matter of life and death: behind the rejection of mimetic poetry we glimpse something I would like to call [. . .] a loss of self; or rather: the fear of/ longing for a loss of self. “ Arne Melberg, Theories of Mimesis, Cambridge 1995, S. 20. 30 Lehmann, Einleitung, S. 55 f., siehe EN 21. 31 Vgl. hierzu Doris Kolesch, „ Austauschverhältnisse. Die Geburt des modernen Subjekts auf dem Theater “ , in: Friedemann 16 Rosemarie Brucher Kreuder et al. (Hg.), Theater und Subjektkonstitution. Theatrale Praktiken zwischen Affirmation und Subversion, Bielefeld 2012, S. 21 - 39. 32 Immanuel Kant, „ Die Vorlesung des Wintersemesters 1781/ 82 [? ] “ , in: Immanuel Kant, Gesammelte Schriften. Bd. XXV: Vorlesungen über Anthropologie. Zweiter Band. Berlin 1997, S. 849 - 1203, S. 1170. 33 So beschreibt Halliwell die Position des Schauspielers als “ a point of view [. . .] from which the mind experiencing the poetic representation is so immersed in the mind of the character as to have no room for emotional or critical dissociation. ” S. 80, siehe EN 10. 34 Penelope Murray (Hg.), Plato on poetry: Ion; Republic 376 e - 398b9; Republic 595 - 608b10, Cambridge 1996, S. 6. 35 Lehmann, Einleitung, S. 55 f, siehe EN 21. 36 Lear, Mimesis and the psychological change, S. 210; vgl. hierzu auch ebd., S. 197, S. 206, siehe EN 11. 37 Halliwell, The Aesthetics of Mimesis, S. 73, siehe EN 10. 38 Bahr, Dialog vom Tragischen, S. 29, siehe EN 1. 39 Die Frage der Bewertung hängt dabei wesentlich von den je zu einer Zeit vorherrschenden Vorstellungen von Identität, vom Subjekt, von Charakter, der Person oder dem Selbst ab. Schauspieltheorien sind somit auch immer Identitätstheorien eingeschrieben. 40 Eyal Peretz, Dramatic Experiments. Life According to Diderot. Albany, NY 2013, S. 118. 41 Denis Diderot, Paradox über den Schauspieler, hg. Felix Rellstab, Wädenswil 1981, S. 38. 42 Kant, Die Vorlesung des Wintersemesters 1781/ 82 [? ], S. 1169, siehe EN 32. Von Interesse ist dabei auch, dass Kant betont, selbst ein schlechter Charakter sei besser, als keinen Charakter zu haben, da ein solcher Mensch keinen Willen besäße und somit bloß seinen Launen unterworfen sei. So Kant: „ Indessen wird ein Mensch doch gerühmt, wenn er einen bestimmten Character hat, wäre dieser auch ein böser, weil sich doch hier noch mehr Tüchtigkeit befindet, als bei einem Menschen, der gar keinen Character hat, ob er schon ein gutes Gemüth und Herz hat. “ Ebd. 43 Immanuel Kant, „ Die Vorlesung des Wintersemesters 1784/ 85 “ , in: Immanuel Kant, Gesammelte Schriften, siehe EN 32, S. 1205 - 1429, S. 1385. 44 Vgl. hierzu Marie Laurence, „ A “ perfectly honest comedian “ is “ a metaphysical abstraction ” : From the Moral Condemnation of Acting to its Aesthetic Promotion in the Eighteenth Century “ , in: Restoration & 18th Century Theatre Research 29/ 1 (2014), S. 75 - 95. 45 Diderot, Paradox über den Schauspieler, S. 37, siehe EN 41. So Diderot weiter: „ In Gesellschaft finde ich sie, falls sie nicht Komiker sind, höflich, spöttisch und kalt, hochtrabend, verschwenderisch, selbstsüchtig, stärker betroffen von unseren Lächerlichkeiten als von unserem Leid gerührt, ziemlich gelassenen Geistes beim Anblick eines empörenden Ereignisses oder bei der Erzählung eines leidenschaftlichen Abenteuers, einsam, herumschweifend, im Dienste des Grossen, wenig Sitten, keine Freunde, kaum eine jener heiligen und süssen Beziehungen, die uns verbinden mit den Nöten und Freuden eines andern, der die unsern teilt. “ S. 38. 46 Diderots Paradox ist bekanntermaßen ein Plädoyer für den so genannten kalten Schauspieler, den Diderot als Mann der Aufklärung beschreibt: „ Ich verlange von ihm viel Urteilsvermögen. Ich will, dass in ihm ein kalter und ruhiger Beobachter der menschlichen Natur sei. Ich fordere als Folge davon, durchdringenden Scharfblick, aber keine Empfindsamkeit; die Kunst, alles nachzuahmen oder, was auf dasselbe herauskommt, die gleichen Anlagen für alle Arten von Charakteren und Rollen. “ Ebd. S. 17. 47 Ebd., S. 17. 48 Platon, Der Staat, S. 215, 397 e, siehe EN 2. 49 Diderot, Paradox über den Schauspieler, S. 23, S. 63, siehe EN 41. 50 Kolesch, „ Austauschverhältnisse. Die Geburt des modernen Subjekts auf dem Theater “ , S. 31, siehe EN 31. 51 Diderot, Paradox über den Schauspieler, S. 42, (S. 104), siehe EN 41. 17 Mimesis und Identitätskritik: Schauspiel und die „ Vielheit des Ich “ 52 Ebd., S. 34. 53 Ebd., S. 17. 54 Ebd., S. 37. 55 Ebd., S. 34. 56 Ebd., S. 93. 57 Jacques Derrida, „ Die différance “ , in: Peter Engelmann (Hg.), Ders.: Die différance. Ausgewählte Texte, Stuttgart 2004, S. 110 - 149, S. 121. 58 Diderot, Paradox über den Schauspieler, S. 34, (S. 88), siehe EN 41. 59 Derrida, Die différance, S. 118, siehe EN 57. 60 Philippe Lacoue-Labarthe, „ Diderot. Paradox und Mimesis “ , in: Philippe Lacoue- Labarthe, Die Nachahmung der Moderne. Typographien II. Basel 2003, S. 11 - 33, S. 24. 61 Diderot, Paradox über den Schauspieler, S. 37, siehe EN 41. 62 Peretz, Dramatic Experiments, S. 118, siehe EN 40. 63 Lacoue-Labarthe, Diderot. Paradox und Mimesis, S. 26, siehe EN 60. 64 Ebd. S. 25. 65 Ebd. S. 24. 66 Ebd., S. 25. 67 Diderot, S. 18, siehe EN 41. 68 Ebd., 23, S. 62. 69 Ebd., 15. 70 Eine solche zweiteilige Konzeption von Mimesis vertrat auch Aristoteles, auf welchen Lacoue-Labarthe selbst verweist. 71 In diese Richtung weist auch John Martis ’ Lacoue-Labarthe-Lektüre: „ This subject best houses pure productive mimetic energy by itself becoming nothing. “ John Martis, Philippe Lacoue-Labarthe. Representation and the Loss of the Subject, New York 2005, S. 50. Zum Energiebegriff bei Lacoue-Labarthe und dessen Bezug zum Schauspieler respektive Theater siehe auch Wolf-Dieter Ernst, Der affektive Schauspieler. Die Energetik des postdramatischen Theaters, Berlin 2012. 72 Lacoue-Labarthe, S. 25, siehe EN 60. 73 Zu Derridas Auseinandersetzung mit Lacoue-Labarthe vgl. Jacques Derrida, „ Introduction: Desistance “ , in: Philippe Lacoue- Labarthe, Typography. Mimesis, Philosophy, Politics, hg. Christopher Fynsk, Cambridge, Mass. 1989, S. 1 - 42. Hier widmet sich Derrida u. a. explizit Fragen der Mimesis. 74 Derrida, Die Différance, S. 114, siehe EN 57. 75 Ebd. 11. 76 Ebd., 138 f. 77 Julius Bab, Der Schauspieler und sein Haus, Berlin 1909, S. 32. 78 Ebd., S. 42. 79 Ebd., S. 40 f. Bab nimmt hier Ideen zur Rollenhaftigkeit menschlicher Identität vorweg, wie sie Erving Goffman fünfzig Jahre später in The presentation of self in everyday life (1959) formulieren wird. 80 Derrida, Die différance, S. 139, (S. 23), siehe EN 57. 81 Bahr, Dialog vom Tragischen, S. 33, siehe EN 1. 18 Rosemarie Brucher