eJournals Forum Modernes Theater 28/1

Forum Modernes Theater
0930-5874
2196-3517
Narr Verlag Tübingen
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Der Artikel hebt ab auf den Widerstreit zwischen Auftritt, der als Konstitution protagonistischer Sprecher aufgefasst wird, und Chor. Diese Spannung wird in verschiedenen systematischen und historischen Relationen vorgestellt: Der Chor fungiert als Grund der Auftretenden, von dem die Figur sich lösen muß, ohne sich abzulösen zu können (1., 2.); und der Chor manifestiert sich in unterbrechenden Einlassungen mit eigener Extension, lebt fort in ‚chorischen‘ Intermezzi als den parerga des ‚Dramatischen‘ (3.).
2013
281 Balme

‚Grund‘ und ‚parerga‘

2013
Bettine Menke
‚ Grund ‘ und ‚ parerga ‘ : Der Chor Bettine Menke (Erfurt) Der Artikel hebt ab auf den Widerstreit zwischen Auftritt, der als Konstitution protagonistischer Sprecher aufgefasst wird, und Chor. Diese Spannung wird in verschiedenen systematischen und historischen Relationen vorgestellt: Der Chor fungiert als Grund der Auftretenden, von dem die Figur sich lösen muß, ohne sich abzulösen zu können (1., 2.); und der Chor manifestiert sich in unterbrechenden Einlassungen mit eigener Extension, lebt fort in ‚ chorischen ‘ Intermezzi als den parerga des ‚ Dramatischen ‘ (3.). This article addresses the antagonism between the stage appearance (viewed as the act of constituting speaking protagonists) and the chorus. The tension between the two will be discussed by bringing forward different systematic and historical configurations: on the one hand with the chorus serving as the ‘ ground ’ for the singular protagonist - as the ‘ ground ’ from which its figure has to separate, yet never with complete success (1, 2); and secondly, the chorus manifests itself by means of intermitting deliverances with an extension of its own - through which it lives on in ‘ chorusses ’ as interludes, the parerga of the ‘ dramatic ’ (3). Im Auftritt exponiert sich ein protagonistischer Sprecher im Theater und muss sich als Person figurieren. Dieser Vorgang des Auftretens setzt sich je ins Verhältnis zum Schauplatz, der einen Auftritt ermöglicht, und damit zu dem, was den Schauplatz - ausgeschlossen negativ - konstituiert. 1 Im Theater der griechischen Antike setzt Auftreten als Hervortreten des protagonistischen Sprechers den Chor voraus, von dem er sich scheidet, indem er sich vor ihm exponiert. Daher richten sich meine Einwände im Folgenden gegen Konzepte vom ‚ Auftritt des Chors ‘ . 2 1. Auftreten - Figuration Auftreten ist ein Vorgang im Theater, der kaum gesehen wird und kaum thematisiert wurde, weil er am Rande der Szene, auf der Schwelle zu ihr statthat, weil er als Voraussetzung von szenischer Darstellung dieser nicht angehört und nicht vollständig in diese inkludiert werden kann. Doch trägt er sich ins theatrale Geschehen ein, das er erst ermöglicht, als - sei es noch so minimale - Unterbrechung, als - sei es noch so rasch eingeholte - Krise der dramatischen Darstellung. Im Auftritt, der im Theater ein physischer Vorgang des Vor- und Übertritts ist, muss sich auch ein symbolischer Vorgang vollziehen, damit es sich um den einer dramatischen Figur gehandelt haben wird - und nicht vielmehr irgendwas Unbestimmbares sich zeigt. Es handelt sich bei diesem Vorgang um den einer Figuration der Unterbrechung, die der Auftritt auf die Szene ist, der Krise oder potentiellen Störung der Darstellung, die er verursacht; denn er erweist die Szene und die Darstellung als an ein Anderswo gebunden, das dem Auftretenden gleichsam nachhängt. Der symbolische Prozess der Figuration vollzieht sich über die ganze temporale Erstreckung des theatralen Geschehens; die Figuration ist im Vollzug, ihr Abschluss stets noch suspendiert. Der Auftritt des hervortretenden Sprechers steht nicht nur in der Antike in einem Bezug zum Chor, der auf verschiedene Weise Forum Modernes Theater, 28 (2013 [2017]), 11 - 24. Gunter Narr Verlag Tübingen aufgefasst wurde. Einer oft berufenen, wohl fiktiven Aitiologie des Theaters zufolge war es der Vortritt, ein Hervorkommen als sowohl physisches als auch symbolisches Heraustreten eines Sprechers aus dem Chor, mit dem jener sich als einzelner Sprecher korporeal vor diesem exponierte und der Chor zum Zeugen des Sprechens und Hörens wurde, durch den, so Hans-Thies Lehmann, der theatrale Raum „ mit einer eigenen oder keiner ‚ Zeit ‘“ eröffnet worden sei. 3 Der Vortritt aus dem Chor ist ein Ereignis als Riss, Bruch und Abstand; aber damit wird kein endgültiger binärer Bruch vollzogen. Das Vor-Kommen ist Vorkommnis, das nicht leer bleibt, sondern etwas oder jemanden, den einzelnen Sprecher, hervorgebracht haben muss, eine Person, die auftritt, die sich als sprechende exponiert. Aber im Bruch bleibt die Bindung an den Chor unlösbar und bestimmt das Zum-Sprecher-Werden auf der Szene. In der theatralen Anordnung, im Vollzug: im Hervortreten, in der Exposition in einem ‚ anderen Zeitraum ‘ ‚ im Angesicht der Gruppe ‘ kann eben daher die Grundstruktur der Tragödie erkannt werden. 4 Auftreten ist hier Exposition in dem durch den Chor, dessen Ein- und Auszug und durch seine permanente Anwesenheit markierten anderen Zeit-Raum des Theaters. „ Es scheint, als könnten die Protagonisten nur auftreten, wenn sie den Grund, von dem sie sich als Einzelne abgrenzen, gleichzeitig mitbringen “ , so Ulrike Haß; 5 der Chor erwarte und ermögliche „ das Auftreten der Protagonisten “ , „ indem ihnen ein Ort [. . .] eingeräumt wird “ . 6 Was Haß unter „ Einräumung “ durch den Chor für des „ Protagonisten Gegenwart “ fasst, ist aber ein disruptiver Prozess in einem nicht aufgelösten Widerstreit, 7 den die Raumordnung des antiken Theaters zur Geltung bringt und den die Tragödie austrägt. Entgegen Schillers, noch von Nietzsche affirmativ zitiertem Diktum vom Chor als „ Mauer “ , die die Tragödie um sich ziehe, um sich „ von der wirklichen Welt rein abzuschliessen “ , 8 fungiert er keineswegs als sich selbst verschwinden machende Grenzlinie, sondern in sichtbarer permanenter Anwesenheit als Zeuge eines Geschehens, das durch ihn als gehörtes und gesehenes sichtbar ausgewiesen ist, in dem das Publikum sich ‚ spiegelt ‘ . Der Chor remarkiert den Zeit-Raum des Theaters als begrenzt konstituierten, in sich ‚ selbst ‘ entzweiten. Er stellt die Figur der Einrichtung, der Gabe des Grundes, derer die Protagonisten bedürfen, und vor dem die Figurenbildung von Personen statthat. In seinen lyrisch-musikalischen, tanzenden Darbietungen mit eigener Ausdehnung nimmt der Chor sich andere, nicht der ‚ Mimesis von Handlung ‘ gewidmete Zeit-Räume, mit denen er, einer traditionsreichen Kennzeichnung zufolge, der Darstellung Einhalte, Unterbrechungen und Ruhezonen gibt. Wenn der Chor „ Grund “ ist, der, so Haß, den Vor- und Auftritt von Protagonisten ermögliche, so ist er doch auch der Grund, von dem die Figur des Vortretenden als Auftretender sich lösen muss, um sich zu figurieren. Die Scheidung von Figur und Grund ist in der Figuration des Auftretenden, in deren andauerndem nicht-linearen Vollzug und in dessen temporaler Erstreckung 9 nicht endgültig durchgesetzt und bleibt derart suspendiert. Was der Auftritt einer dramatischen Person werden soll, ist ein Vollzug, der stets noch im Verzug ‚ ist ‘ , dessen Abschluss aussteht, solange das Theaterstück geht. 10 Fassen wir die Figuration, die im Auftritt geleistet werden muss, damit er ein dramatischer werde, als Prosopopoeie, als Figur des Verleihens eines ‚ Gesichts ‘ der Verständlichkeit, so wird der ihr als Figur zugleich eingeschriebene disfigurierende Zug, ihr ‚ Bezug ‘ aufs Gesichtslose und Ungestalte, im Theater spezifisch ausgeprägt: als die Gebundenheit jeder auftretenden Person ans - , d. h. deren Bestimmtheit durchs Anderswo, aus dem das 12 Bettine Menke Auftretende kommt. Was im Theater sich vor Ort zeigt, 11 ist an die Bewegung des Auftretens, die es ‚ vor Ort ‘ bringt, an eine Bewegung über eine Schwelle gebunden, die von der Schwellenzone sich nicht endgültig löst. Diese Bewegung, und damit diese Rückbindung, wird in der Figuration einer dramatischen Person, um der Figuration willen, zwar ‚ abgeschnitten ‘ , aber gerade mit der figurierenden Abschneidung bleibt die Figuration (von etwas Verständlichem) auf das distinguierend Ausgeschlossene, ein unbestimmtes Anderswo bezogen, in sich entzweit und nie ‚ als es selbst ‘ vollständig präsent. 12 So werden auch im ‚ dramatischen Auftritt ‘ die Gestalten, da sie jeweils gebildet, figuriert werden müssen, sich nicht endgültig abgelöst haben von ihrem Grund, den sie mit- und nachschleppen, den die Darstellung vergessen zu machen sucht. Vielmehr wird er als das vielfache, nicht-personale Gemurmel, 13 aus dem die Reden her- und zukommen, die wir personae zuschreiben und damit Gesichter für Instanzen der Rede konturierend, abscheidend und charakterisierend hervorbringen mögen, die exzitierte Rede und deren Figur schattenhaft ‚ begleiten ‘ , als die unbestimmt vielen nicht-figurierten diffusen virtuellen Anderen. Im Theater des 20. Jahrhunderts wurde das Verhältnis von Auftritten und ‚ Chor ‘ in den Bühnen-Zeit-Raum hineingefaltet. Dies ist eine Form der Wiederkehr des Chors, und zwar ohne dass dieser als kollektive Person formiert oder gar als ‚ Protagonist ‘ unter anderen dramatisch integriert würde. Das Verhältnis zwischen ‚ sozialem Chor ‘ und der fraglichen Sprecher-Figur wird insbesondere dann erfahrbar, wenn zeitgenössische Theaterarbeiten unentschieden lassen, wo die Schwelle des Auftritts aus der quasichorischen ‚ Präsenz ‘ aller Akteure liegt, 14 die der Formation zur Kollektiv-Figur widerstreitet, wo und ob - und sei es temporär und stets auf dem Rückzug - eine dramatische Person sich herausbilde. Erfahrbar gemacht wird derart, etwa in Marthalers Theaterarbeiten, die Zone zwischen Person-Bildung und -Auflösung oder -Rückstellung an den Chor-Grund, der sich oftmals auch musikalisch Zeit nimmt. 15 Gerade wenn ein Chor als dramatischer Protagonist zu fungieren scheint, wie etwa in René Polleschs Ein Chor irrt sich gewaltig, so keineswegs um ein Kollektiv verkörpernd zu formieren, sondern um die unkonturierte Vielheit, die instabile ‚ Kollektivität ‘ auch jedes vermeintlich figurierten Protagonisten heraus- und damit die Unabgeschlossenheit jedes Körpers gegen die darstellende Verkörperung von Personen zu stellen. 16 Im Theater können die Reden möglicher Personen, diese virtualisierend, an einen unkonturierten Nicht- ‚ Chor ‘ 17 zurückgestellt werden, von dem das Dramatische nichts wissen will. So wird mit- ‚ hörbar ‘ , was keine Präsenz gewinnt, was als Hintergrund jeder Rede als diffuse Vielheit nicht figurierter (Nicht-) Stimmen mitmurmelt. 2. Schneidung / ske ˉ ne ˉ Der Auftritt des vor dem Chor sich exponierenden Sprechers initiiert, so scheint es, dessen Verdrängung, die sich schon in Aristoteles ’ Poetik manifestiert. Denn Auftreten ist zwar zum einen an den durch den Chor, seinen Ein- und Auszug, eingerichteten und remarkierten Zeitraum der öffentlichen Darbietung gebunden, wird aber zum andern erst durch dessen Sch(n)eidung ermöglicht: durch die sk ē n ē , die den Darstellungsraum des Chors, die Orchestra schneidet und scheidend erst den Platz szenischer Darstellung schafft. 18 Die sk ē n ē war, so lautet eine theaterhistorische Erzählung, zuerst eine „ Bude “ 19 , ein Zelt oder ein, so Jean-Luc Nancy, bergender Unterstand, 20 das dem vor das Kollektiv tretenden Schauspieler die Rückzugsgelegenheit zum Umkleiden und -maskieren 13 ‚ Grund ‘ und ‚ parerga ‘ : Der Chor gab. 21 Es soll sich um eine Zelt-, dann Bretterwand gehandelt haben, die die Spielräume „ nach hinten begrenzt “ , nicht-einsehbare Räume für Zurüstungen einrichtet und verbirgt und „ gleichzeitig “ als „ Hintergrund des Spiels “ fungiert. 22 Die „ Skene “ setze, so Florens Christian Rang, eine „ räumliche Grenze “ . 23 Sie quert, schneidet den Ort der Darbietung vor der Polis, 24 den der Chor markiert, und sie gibt sch(n)eidend als ihre Randzone, als Pro-Skenion, was wir ‚ heute ‘ die Szene der Darstellung heißen: den Ort des sich-exponierenden Sprechers. 25 Im Verhältnis von scheidender ‚ räumlicher Grenze ‘ und der als deren Rand entfalteten ‚ Bühne ‘ ist das in szenischer Darstellung sich Zeigende aufs Abwesende bezogen. Rang akzentuiert mit der das Theater begründenden Sch(n)eidung des ‚ Runds ‘ den dadurch geöffneten „ Ausgang “ . 26 Dieser würde im Abgang der Protagonisten aus dem durch den Chor bezeichneten Raum öffentlicher Darbietung gewonnen. 27 Die Sch(n)eidung des ch ō ros durch die sk ē n ē richtet den Darstellungsort des Pro-Skenion ein, 28 indem sie vor allem andere, uneinsehbare Räume erzeugt, in die abgegangen werden kann. Die „ räumliche Grenze “ schafft sch(n)eidend keinen begrenzt homogenen Ort, sondern bezieht die theatrale Präsentation als szenische aufs Abwesende: 29 Was heute die Szene geheißen wird, ist als Pro-Skenion ein abhängiger Rand der schneidenden sk ē n ē , ein Saum und eine Spanne. 30 Der ‚ Ort ‘ ‚ szenischer Darstellung ‘ ‚ ist ‘ allein in Abhängigkeit von - und im Bezug auf andere uneinsehbare Räume und deren andere Zeiten; daher ‚ ist ‘ dieser Ort nicht in sich geschlossen, kein etablierter Ort der Etablierung. Was auf der Szene sich zeigt, tut dies im Verhältnis zum - , in der Bindung ans Abwesende, Unbestimmte, Ungestalte, 31 dem, mit einer Formulierung Nancys, „ dunkle[n] Grund des Theaters “ . 32 Das gilt für das heraustretende, im Auftritt sich als Person oder Maske konstituierende Subjekt wie für den im Auftritt (aus sich ‚ selbst ‘ ) ex-ponierten Körper; „ wo der Körper vor sich tritt “ , so Nancy, besteht „ all seine Präsenz in diesem Außer- Sich, das sich von einem Darinnen nicht ablöst “ . 33 Szenische Darstellung 34 ist demnach bestimmt durch die Sch(n)eidung, die als negativ konstitutive in deren Innern unter- und abscheidend zwischen Physis und Personen ein ‚ etwas ‘ oder ‚ jemandem ‘ Verständliches erst figurierend hervorbringt, als solche zwischen der Darstellung Zugehörigem und bloß Kontingentem aber unaufhörlich wieder gesichert werden muss, und jede Szene und jede szenische Darstellung durch die unablösbare Relation aufs Anderswo in sich selbst entzweit. Die Sch(n)eidung, die den Darstellungsraum von sich exponierenden Sprechenden als Saum und Spanne hervorbringt, bezieht die szenische Darstellung auf Zu- und Abgänge. Während der Chor zwischen Einzug und Auszug permanent, auch wenn er nicht singt, als Zeuge in der Orchestra anwesend ist, 35 ist die szenische Darstellung durchs Kommen und Gehen, Abgänge und Auftritte 36 der auf der Szene sich Zeigenden strukturiert. Sie teilen den ‚ Verlauf ‘ und organisieren diesen in der griechischen Antike als Fügung aus Episodien und Chorliedern, als heterogene Fügung verschiedener Zeiten, Modi der Rede oder des Gesangs und der Darstellungsorte, aus ab- und anwesenden, sichtbaren und nichtsichtbaren Räumen. Auf ‚ Auftritte und Abtritte ‘ angewiesen ist alles auf der ‚ Szene ‘ sich Zeigende im Auftreten als Selbst-Konstitution im Sprechend-Sich-Exponieren, als Vollzug im Vollzug je noch und / oder je schon aufs Verschwinden bezogen, 37 in sich geteilt: bestimmt durch die Relation aufs unbestimmt Abwesende. Auftritte ermöglichen Vorgänge des Sich-Zeigens und des Wahrnehmens allein in der Bindung ans Anderswo, das der Einsicht entzogen als Off gesetzt wird, als a-symbolische diffuse oder ungestal- 14 Bettine Menke te, aber zugleich auch als faktische Räume und Zeiten jenseits des begrenzten Raums szenischer Darstellung: irgendwo, anderswo. 3. Einlagen - Pausen 38 Des griechischen Chors theatrale Funktion permanenter Zeugenschaft erschließt sich allein von seiner Anwesenheit in der Orchestra her: auch dann, wenn er nicht mit Reden textuell präsent ist. Aber bereits im römischen Theater, mit der Einführung der Proszenium-Bühne, verlor der Chor den Platz seiner vorgängigen und permanenten Anwesenheit. Daher konnte er, der sich nun die Bühne mit den dramatischen Personen teilen musste, nur als Störung erfahren werden, wurde er von der Bühne verdrängt, wenn er nicht als darstellendes Personal fungiert, 39 und verliert er seine (vergessen gemachte) Funktion der Zeugenschaft. Von ihm bleiben nur chorische ‚ Zwischenlieder ‘ . 40 So wird der Chor in der Renaissance der antiken Tragödie als Oper auf die Bühne kommen. ‚ Operhafte Chöre ‘ verbuchte Schiller zwar als illegitime Nachkommen des antiken Chors, 41 aber die Oper ist jene Kunstform, mit der Zimmermann zufolge die „ Wiederentdeckung des antiken Chores in der Renaissance “ verbunden ist, und die die Tragödie als „ Kombination von rezitierten und gesungenen Partien wiederzubeleben “ suchte. 42 Von einem ‚ Missverständnis ‘ des Chors ist nun nicht nur bezüglich dieser Ausprägung zu sprechen, sondern gerade auch hinsichtlich des Versuchs, diesen als gleichsam kollektiven Protagonisten in die Handlung einzubeziehen. 43 Eine Analyse der nachantiken Chorausprägungen kann auf die Poetiken nicht setzen. 44 Von der der Tragödie nachgetragenen Poetik des Aristoteles, seit der Renaissance die maßgebliche und ‚ klassische ‘ , ist zum Chor vor allem das Verdikt zu beziehen, er solle dem Primat der Mimesis von Handlung unterstehen. 45 Sofern er sich dem nicht fügt, wird er (wie das Theater überhaupt) marginalisiert. Ignoriert wird derart auch die andere lyrischmusikalische Rede des Chors, die nicht durch die dramatische Szene begründet ist. Das Musikalische, das die Chorrede einträgt, verweist auf ein Theater, das nicht aufgeht in dramatischer Handlung, 46 die nicht nur aristotelisch das Primat über die Tragödie haben sollte, um deren Einheit willen der Chor auch aus der tragédie classique und dem bürgerlichen Drama ausgeschlossen wurde. Die nachantiken Chorausprägungen sind allerdings nicht (nur) als Wiederkehr des antiken Chors auf die europäischen Bühnen aufzufassen. Weder die loci classici, die Poetiken Aristoteles ’ und Horaz ’ noch die vorbildgebenden Tragödien Sophokles ’ oder Senecas ergeben irgendeine lineare Chortradition. In höchst heterogenen Nachfolgen der ‚ Unterbrechungen ‘ (der Handlung) durch die ‚ musikalisch-lyrische ‘ Chorrede finden sich nicht nur singende oder sprechende Kollektive, sondern auch andere Gesangseinlagen, Instrumentalmusik und andere Intermezzi. Im 16. Jahrhundert ist die Gepflogenheit unterbrechend Schauspiele in Akte zu unterteilen 47 bereits in der ganzen diversen „ Vielfalt “ des barocken Theaters 48 ausgebildet: in Wechselwirkung mit religiösen und liturgischen Gebräuchen von Chören im „ geistlichen Spiel “ , in ungeregelter Vielheit gesprochener und gesungener oder auch nur mit Titeln einzitierter Lieder geistlicher und höfischer Provenienz oder diese ersetzender Instrumentalmusik in den humanistischen Dramen und den sowohl deutschen wie lateinischen Schuldramen, 49 in Meistersinger- und Wanderbühnenstücken u. a. englischer Komödianten, die neben Musikeinlagen, beigefügten Singspielen auch unterbrechende Clowns- Einlagen beibrachten, im italienischen Singspiel, in höfischen Festspielen und vor allem im Jesuitentheater, das all dies aufnahm, um 15 ‚ Grund ‘ und ‚ parerga ‘ : Der Chor mit jenen „ konkurrieren zu können “ . 50 Es finden sich in heterogener Vielzahl ‚ Chor ‘ - Formen, von musikalischen Einlagen bis zu Interscenien wie Singspielen und Tanzszenen, die „ die Aktpausen aus[füllen] “ 51 und derart theatral-musikalische Mischformen erzeugen. 52 Als über das Niederländische vermittelte Übersetzung von „ Chor “ benennt „ Reyen “ im Barock sowohl Chorkollektive wie auch Chorpartien von Gesang wie (Reigen) Tanz. 53 Sigmund von Birken weist 1679 den „ Reyen “ als ein „ Hauptstuck “ der deutschen barocken Trauerspiele 54 aus: als „ Chöre oder ZwischenLieder / welche nach allen Handlungen zwischen eingeschaltet / und entweder von einem / oder mehrern Personen / in eine Musik pflegen abgesungen zu werden “ . 55 Es handelte sich zum einen um Reden, die wie die Chorlieder der Antike sich durchs Metrum von den im Alexandriner verfassten Sprechhandlungen unterscheiden. 56 Dabei haben die als „ Reyen “ von der Handlung geschiedenen Chor-Partien offenbar keine Funktion bezüglich der dramatischen Handlung; gerade dies, Chorlieder als bloße Einlage, hatte der maßgebliche Aristoteles als Störung der Mimesis von Handlung abgewehrt. 57 Die „ Reyen “ sind zum andern in den deutschen barocken Trauerspielen unterbrechende und untergliedernde Einlassungen von abgesetzten Chorpartien oder Liedern zwischen den der dramatischen ‚ Handlung ‘ gewidmeten Teilstücken: „ pars inter actum et actum “ , 58 „ das gesamte zwischen den Akten liegende Spiel “ , das unter dieser „ Überschrift “ „ geradezu im Gegensatz zu ‚ Abhandlungen ‘ steht “ . 59 Der textuell nicht manifeste Unterschied zur Zeugenschaft des alten Chors von nachantiken Chören, die „ jedes Mal auftreten und abgehen “ , 60 eröffnete die selbstverständliche, auch in der Sekundärliteratur gar nicht weiter kommentierte Möglichkeit der barocken Trauerspiele, verschiedene Chorkollektive auf die Bühne zu bringen. Mit den Chören oder Reyen der Jungfrauen, der Hofleute, Priester, ermordeter englischer Könige oder anderer Fürsten erscheinen im barocken Trauerspiel keine dramatis personae des vorausgehenden Aktes. 61 Wenn die Reden der Reyen von solchen Personen auch nicht angekündigt werden, 62 sind diese Reden nicht in der vorgestellten Handlung begründet. Vielmehr „ treten “ die Reyen, so Hans Steinberg zu Gryphius, ganz unvermittelt [. . .] auf, man kann aus der Handlung niemals den geringsten Schluß auf ihr Auftreten tun; und ebenso unvermittelt treten sie ab [. . .]. Der Dichter zieht die letzte Konsequenz aus diesem Charakter der Reyen: er wechselt die Personen nach Belieben von Akt zu Akt und gibt ihnen nicht selten eine eigene Szene, ja läßt sie selbst ein abgerundetes Spielchen aufführen. 63 Bei diesen Reyen als ‚ Partien ‘ zwischen den Abhandlungen kann es sich um vieles anderes als Chorlieder handeln; sie können sich zum veritablen Interludum verselbständigen. Gewöhnlich wird das Verhältnis der barocken Zwischenakt-Reyen zur Handlung, die sie unterbrechen und zu der sie sich hinzufügen, bloß hinsichtlich des inhaltlichen Bezugs der so genannten Chorlieder auf die Handlung diskutiert. 64 Die „ Absetzung des Reyen von der Abhandlung “ wird als semantische „ Verbindung beider Teile “ , etwa als so genannte „ emblematische “ Relation von Handlung und „ aufs Allgemeine und Grundsätzliche gerichtete Reflexion des Reyen “ eingeholt. 65 Aber zum einen macht auch solche die Handlung als Exempel auslegende Reyen, nach Horaz und Scaliger, nicht die verallgemeinernde Aussage aus, sondern spezifische Sprechakte: Tröstungen, Versprechen und Drohungen, Lob- und Mahnrede, fiktive Anrufungen, 66 die als solche ausgestellt sind und damit die spezifische theatrale Situation einer Rede bezeichnen, die nicht aus der Szene der 16 Bettine Menke Handlung kommt. 67 Zum andern wäre beider Verbindung in der Auftrennung als disjunktive, als nach Benjamin allegorische zu konzipieren, die die Diskrepanz von Vorgestelltem und Bedeutung austrägt. 68 Die Relation der Disjunktion muss - vor und nach allen semantischen Bezügen - als die theatrale Organisation der heterogenen Fügung in den Blick kommen: Für die „ Reyen “ wird die Bühne von den Protagonisten der Handlung geräumt; das macht sie zu „ reine[n] ‚ intermèdes ‘“ . 69 Die Disjunktion zwischen Abhandlung und Reyen wird markiert durch die „ Leerung der Bühne “ , 70 die den Ort für ein anderes Spiel einräumt. Gerade eine solche galt es in Hinsicht des dramatischen Handlungszusammenhangs (nach Aristoteles, klassischer Doktrin zufolge) zu vermeiden, weil die leere Bühne als Loch in der Darstellung die Zuschauenden mit der theatralen Situation konfrontiert. Die „ reine Ausfüllung der Zwischenaktspausen “ sei bei „ unserem Drama und unserer Bühne [als] der einzige Raum für einen Chor geblieben “ , bemerkt Steinberg 1914 fürs Barock. 71 Gerade als eine solche handlungsfremde Einlage oder Zutat aber wird der ‚ Chor ‘ in der Perspektive des Dramatischen nicht geduldet. Die „ Pausen “ , über die die Zwischenakt-Reyen „ hinwegzuhelfen “ , 72 die diese auszufüllen oder zu überbrücken haben, wurden zum einen als solche bestimmt, die der „ notturft “ der Schauspieler sich umzukleiden (so Birken) oder dem Szenenumbau, also den theatralen Randbedingungen geschuldet sind. 73 Zum andern werden sie aber durch die so genannten Zwischenakt-Chöre selbst erst gliedernd eingelassen. Reyen haben gerade als Unterbrechungen der Handlung, die als Partien ausgedehnt sind, als ‚ Pausen ‘ , einen anderen, mit keiner Handlung und keinem Handlungszusammenhang begründeten ‚ Sinn ‘ : zu pausieren, Zeit zu gewinnen und einzulassen, und zwar nicht nur für die Mitteilung von Lehren, sondern vielmehr fürs ‚ Lernen ‘ , 74 für ‚ Stimmung ‘ , „ Affektausgleich ” 75 oder gar zur Ablenkung; 76 das geht bis zu musikalischen Intermezzi oder eingelassenen Singspielen, 77 als „ schickliche Zwischenspiele ” gelten auch „ Comödien “ , 78 deren Vorläufer wohl die englischen Wanderbühnen mit ihren Clown-Einlagen waren: 79 Birken ließ unterbrechend eine Komödie - zur ‚ Belustigung ‘ - zwischenspielen, 80 und Wiener Haupt- und Staatsaktionen wie Die Glorreiche Marter des Heyligen Joannes Von Nepomuckh [. . .] und die Politischen Staats-Streiche, und verstelten einfalth des Doctor Babra eines grossen Fovirten des Königs gibt denen Staats Scenen eine Modeste Unterhaltung waren unterbrechend mit den komischen Szenen, hier des im Titel genannten Intriganten, durchsetzt. 81 Mag die Pausenfunktion des ‚ Chors ‘ als Abwertung, als Marginalisierung des Chors und Minimierung der Chorfunktion erscheinen, 82 so markiert er doch gerade in dieser Pausenfunktion zum einen die theatrale Dimension der Darbietung und induziert zum andern eine andere handlungsfremde Zeitlichkeit. Dass die Reyen unter dem Primat der dramatischen Handlung nicht zureichend aufgefasst werden können, wird gewöhnlich als ‚ Problem ‘ des Chors und dieser ‚ Chöre ‘ vermerkt. Demgegenüber ist eine andere Perspektive aufs Theater zu gewinnen, die der diskontinuierlichen Fügung dieser Schauspiele zu entsprechen vermöchte. Die Relation von Abhandlung und Reyen kennzeichnet das barocke Trauerspiel als disjunktive Kopplung. 83 Denn Reyen sind nicht nur Partien, die von Chören bestritten werden, sondern „ Reyen “ heißen auch jene Intermezzi oder Zwischenspiele zwischen den Akten, die gar keine Chorpartien sind, sondern Zwischenspiele, die allegorische Personen aufführen können, wie „ Ableger [ ] jener großen Intermedien, die sich an den italienischen Höfen seit dem Ende des 15. Jahrhunderts als musikalisch begleitete, 17 ‚ Grund ‘ und ‚ parerga ‘ : Der Chor pantomimische Darstellung während der Aktpausen durchgesetzt und zu prunkvollem allegorisch-mythologischem Schaugepränge mit Tänzen und Gesängen entwickelt “ und „ zur prunkvollen, intermedienhaften und opernverwandten Singspieleinlage der späten großen Ausstattungsstücke “ des Jesuitentheaters ausgebildet haben. 84 Was mit den Zwischenspielen als ‚ Beigaben ‘ ‚ nach Belieben ‘ , die sich verselbständigen können, auf dem Spiel steht, ist die Geschlossenheit der dramatischen Form. Die Reyen, die, so Benjamin, als „ ornamentale “ Rahmungen oder „ Einfassungen “ der Akte „ reicher entwickelt und loser mit der Handlung verbunden zu sein “ pflegten „ als der Chor der Tragödie “ , 85 lösen auch die Akte aus dem Zusammenhang der Handlung. Als Rahmen mit eigener Extension, als „ Einfassungen des Akts, die zu ihm sich verhalten wie die ornamentalen Randleisten der Renaissancedrucke zum Satzspiegel “ , weisen sie (umgekehrt) den Akt ‚ selbst ‘ als anderes denn vornehmlich als Entfaltung von Handlung aus, nämlich vielmehr als „ Bestandstück einer bloßen Schaustellung “ , 86 die die theatrale Darbietung ist. Sie haben, als parerga sich hinzufügend, eine eigene Ausdehnung, mit der sie sich Zeit nehmen. Diese Chöre sperren sich - nicht als ‚ auftretende Kollektive ‘ , sondern als Bestandstücke, die anderen Zeitlichkeiten und Darstellungslogiken unterbrechend Raum geben - der dramatischen Auffassung des Theaters. War die permanente Anwesenheit des Chors der dramatischen Auffassung nicht kompatibel und stellt sie die Irritation durch den Chor vor, deren sich das Drama entledigte, werden die auf dem ‚ Missverstehen ‘ des antiken Chors beruhenden Formen als Interludien oder Einlagen in Perspektive der Einheit der Form und Handlung zu nicht verstandenen Störungen. Die ‚ Chöre ‘ bleiben, an der in Termini von Handlungen und handelnden Personen zu erläuternden Geschlossenheit des dramatischen Werks gemessen, ‚ bloße ‘ marginale Zugaben. Als solche, als die die musikalischtänzerischen und theatralen Partien der Zwischenspiel-Reyen aufgefasst werden, drohen sie das vermeintlich zentrale Darstellungsgeschehen und die Bühne zu überborden. 87 Das wird vor allem mit den, durch diese Einlassungen (allegorische Zwischenspiele, Singspiele, Ballette, musikalisch begleitete Pantomimen oder scenae mutae) erzeugten, heterogenen Mischformen als Verfall verursachende Übergriffe abgewehrt, 88 deren Beachtung aber Theatergeschichte anders, nicht-linear erzählen ließe. Mischformen, wie das pièce à machines im 17. Jahrhundert oder das Melodram des 18. und 19. Jahrhunderts, die als disjunktive Kopplungen von Medien zu kennzeichnen sind, 89 schaffen und erlauben eine - den Handlungslauf aussetzende - Dehnung der Zeit in jenen Partien, die der Dauer des Affekts, der Gegenwärtigkeit von opsis und melos gewidmet sind. 90 Anmerkungen 1 Vgl. Juliane Vogel, Christopher Wild (Hg.), Auftreten. Wege auf die Bühne, Berlin, 2014; und darin meine Beiträge: „ Suspendierung des Auftritts “ , S. 247 - 273 sowie „ On/ Off “ , S. 180 - 188. 2 Vgl. aber das Konzept zum vorliegenden Themenheft kollektiv auftreten sowie Monika Meister, Genia Enzelberger, Stefanie Schmitt, „ Vorwort “ , in: Monika Meister, Genia Enzelberger, Stefanie Schmitt (Hg.), Auftritt Chor. Formationen des Chorischen im gegenwärtigen Theater, Wien / Köln / Weimar 2012, (= Maske und Kothurn, Heft 1, 58. Jg.), S. 7 - 10, hier S. 7. Meinem Einwand entspricht die Skepsis gegenüber der begrifflichen Fügung Auftritt Chor von Sebastian Kirsch: „ Gibt es einen richtigen Chor im falschen? “ , in Volksfiguren, hg. von Evelyn Annuß (= Maske und Kothurn 2 (2014), S. 43 - 54, vor allem mit der Akzen- 18 Bettine Menke tierung der „ Differenz von Protagonisten- und [. . .] Chorform “ (S. 45, S. 44 - 50). 3 Hans-Thies Lehmann, Postdramatisches Theater, Frankfurt a. M. 1999, S. 361; vgl. Hans-Thies Lehmann, Theater und Mythos. Die Konstitution des Subjekts im Diskurs der antiken Tragödie, Stuttgart, 1991, S. 40 - 50, S. 54, S. 58 f., S. 62. 4 So mit unterschiedlicher Akzentuierung sowohl Lehmann, Theater und Mythos, S. 102 u. a., als auch Ulrike Haß, „ Woher kommt der Chor “ , in: Enzelberger, Meister, Schmitt, Auftritt Chor, S. 13 - 30, hier S. 14 f. 5 Ebd., S. 14, vgl. S. 20. 6 Ebd., S. 26 f., S. 13 ff. 7 Ebd., S. 26 f.. Umgekehrt vergisst dgg. Arendt hinsichtlich der Exposition als Akt der Selbstkonstitution des singulären politisches Subjekts die ‚ Bedingtheit ‘ und notwendige ‚ Rahmen ‘ -Setzung des „ space of appearance “ . Hannah Arendt, The Human Condition, Chicago 1958, S. 199; vgl. Juliane Vogel, „‚ Who ’ s there? ‘ Zur Krisenstruktur des Auftritts in Drama und Theater “ , in: Vogel, Wild, Auftreten. Wege auf die Bühne, S. 22 - 37, hier S. 22. 8 Friedrich Nietzsche, „ Die Geburt der Tragödie “ , in: Friedrich Nietzsche, Kritische Studienausgabe, Bd. 1, hg. von Giorgio Colli, Mazzino Montinari, München 1988, S 9 - 156, S. 54; d. i. Friedrich Schiller, „ Ueber den Gebrauch des Chors in der Tragödie “ , in: Die Braut von Messina. Oder Die feindlichen Brüder. Ein Trauerspiel mit Chören, bearb. u. eingel. von Karl Mickel, Marbacher Bibliothek 1, Marbach 1997 (zur Inszenierung von Ruth Berghaus 1990, Musik komponiert von Paul-Heinz Dittrich), S. 161 - 175, hier S. 168; vgl. Bettine Menke, „ Wozu Schiller den Chor gebraucht . . .. “ , in: Bettine Menke, Christoph Menke (Hg.), Tragödie. Trauerspiel. Spektakel, Berlin 2007, S. 72 - 100, hier S. 85 - 93). 9 Vgl. Lehmann, Postdramatisches Theater, S. 365 f.; vgl. S. 443. 10 Vgl. Menke, „ Suspendierung des Auftritts “ , S. 251; Samuel Weber, „ Vor Ort: Theater im Zeitalter der Medien “ , in: Gabriele Brandstetter, Helga Finter, Markus Weßendorf (Hg.), Grenzgänge. Das Theater und die anderen Künste, Tübingen 1998, S. 31 - 51, hier S. 45 f. 11 Vgl. Weber, „ Vor Ort “ . 12 Vgl. ebd., S. 34; Samuel Weber, „ Introduction: Theatricality as Medium “ , in: Samuel Weber, Theatricality as Medium, New York, 2004, S. 1 - 30, hier S. 7, S. 12; Samuel Weber, „‚ Ibi et ubique ‘ : The Incontinent Plot (Hamlet) “ , in: Weber, Theatricality as Medium, S. 181 - 199; vgl. Bettine Menke, „ im auftreten/ verschwinden - auf dem Schauplatz und anderswo “ , in: Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung (ZMK): Schwerpunkt „ Verschwinden “ 7/ 1 (2016), S. 185 - 200, hier S. 186 - 189, S. 200. 13 Es genüge nicht, den Chor „ nur als plurales Gemurmel “ aufzufassen, so Haß ( „ Woher kommt der Chor “ , S. 26); aber als ein solches sucht die vergessen gemachte Rede der Vielen doch jede einer Person zugerechnete und derart figurierte Rede heim. 14 Vgl. Lehmann, Postdramatisches Theater, S. 233 - 238. 15 Vgl. Menke, „ Suspendierung des Auftritts “ , S. 251 - 256; Bart Philipsen, „ Staying Alive. Christoph Marthalers Riesenbutzbach. Eine Dauerkolonie als post-melodramatisches ‚ Spiel vor Traurigen ‘“ , in: Bettine Menke, Armin Schäfer, Daniel Eschkötter (Hg.), Das Melodram. Ein Medienbastard, Berlin 2013, S. 245 - 266, hier S. 246 f. 16 René Pollesch, Ein Chor irrt sich gewaltig, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin, UA 2009; vgl. René Pollesch, Schmeiß dein Ego weg! , Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin, UA 2011. 17 Zur Differenz von chorischer Rede und allem möglichen Durcheinandersprechen Mehrerer vgl. René Pollesch, Diskurs über die Serie und Reflexionsbude [Es beginnt erst bei drei], die das Qualifiziert Verarscht Werden Great Again gemacht hat etc. Kurz: Volksbühnen-Diskurs, Teil 1: Ich spreche zu den Wänden; Teil 2: Es beginnt erst bei drei, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin, Spielzeit 2016/ 17, (gesehen am 28. 11. 2016). 18 Vgl. meinen Beitrag in Bettine Menke, Juliane Vogel (Hg.), Flucht und Szene, Berlin 2017 (Druck in Vorbereitung). 19 ‚ Grund ‘ und ‚ parerga ‘ : Der Chor 19 Franz Stoessl, Die Hiketiden des Aischylos als Geistesgeschichtliches und Theatergeschichtliches Phänomen, Wien 1979, S. 49; oder „ a booth “ (Arthur Elam Haigh, The Attic Theatre. A Description of the Stage and Theatre of the Athenians, and of the Dramatic Performances at Athens, Oxford 1907, (Kraus Reprint, New York, 1969), S. 80 f., S. 112). 20 Vgl. Jean-Luc Nancy, „ Ein anderes Subjekt des Politischen “ , in: Nikolaus Müller-Schöll, André Schallenberg, Mayte Zimmermann (Hg.), Performing Politics. Politisch Kunst machen nach dem 20. Jahrhundert, Berlin 2012, S. 158 - 171, hier S. 166. 21 Vgl. Haigh, The Attic Theatre, S. 80 f. 22 Günther Heeg, „ Szenen “ , in: Heinrich Bosse, Ursula Renner (Hg.), Literaturwissenschaft - Einführung in ein Sprachspiel, Freiburg i. Br. 2010, S. 227 - 244, hier S. 228; vgl. Ruth Padel, „ Making Space Speak “ , in: John J. Winkler, Froma Zeitlin (Hg.), Nothing to do with Dionysos? Athenian Drama in Its Social Context, Princeton / NJ 1990, S. 336 - 365, hier S. 341 ff., S. 337, u. v. a. Die sk ē n ē wurde zum zuerst hölzernen, dann steinernen Bühnenhaus ausgebildet; damit erweitert und verschiebt sich die Bedeutung des Wortes sk ē n ē (vgl. Haigh, The Attic Theatre, S. 113 - 117, anders Siegfried Melchinger, Theater der Tragödie, Aischylos, Sophokles, Euripides auf der Bühne ihrer Zeit, München 1974, S. 24 - 27, 139 ff., 112 - 118). 23 So Rangs aitiologische Fiktion des Theaters: „ Der agonale Lauf [. . .] im Theater “ , so heißt es in der ersten Niederschrift seines Austauschs mit Benjamin, „ schneidet das Amphitheater des beliebig zeitlangen Wettlaufs entzwei und setzt die räumliche Grenze der Skene. “ (Florens Christian Rang, „ Agon und Theater “ , in: Walter Benjamin, Gesammelte Schriften (GS), Bd. I.3, hg. von Rolf Tiedemann, Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a. M. 1974, S. 891). 24 Vgl. Frank Kolb, Agora und Theater, Volks- und Festversammlung, Berlin 1981, S. 3 f., S. 26 ff., S. 55; Frank Kolb, „ Polis und Theater “ , in: Gustav Adolf Seeck (Hg.), Das griechische Drama, Darmstadt 1979, S. 504 - 545, hier S. 514 ff.; Haigh, The Attic Theatre, S. 80 - 83, S. 93, S. 101 - 108. 25 Zum unlösbaren Bezug des prosk ē nion oder logeion zum Chor-Tanzplatz vgl. u. a. Ulrike Hass, „ Die zwei Körper des Theaters “ . in: Marita Tatari (Hg.), Orte des Unermesslichen: Theater nach der Geschichtsteleologie, Zürich / Berlin 2014, S. 139 - 159, hier S. 141 ff.; Lehmann, Tragödie und dramatisches Theater, S. 241. 26 Das macht die „ Bauform des antiken Theaters - des Halbcircus “ aus, dass er „ aus diesem Kreise einen Ausgang gewährt “ (Rang, „ Agon und Theater “ , S. 894). 27 „ [D]ie Möglichkeit des Entlaufens “ wäre „ konkret darin gegeben “ , dass die sich Exponierenden „ wieder hinter die Skene zurücktreten können “ , so Patrick Primavesi, Kommentar, Übersetzung, Theater in Walter Benjamins frühen Schriften, Frankfurt a. M./ Basel 1998, S. 260. 28 Das lässt sich in Bezug auf die orch ē stra als eine Dezentrierung erzählen: „ [T]he coryphaeus [der in einer ersten Neuerung in einen Dialog mit den Choreuten zwischen den Chorliedern trat, B. M.] used to mount upon the sacrificial table which stood beside the altar in the centre of the orchestra “ . „ The actor instead of remaining in the centre of the orchestra throughout the performance, used to come and go, and appear in many roles in succession [. . .]. A booth was erected just outside the orchestra, for him to change his dress and mask in. “ „ The platform on which he stood during the delivery of the dialogue was removed from the centre of the orchestra, and placed immediately in front of the booth [. . .]. The spectators, instead of being ranged all round the orchestra, were confined to two-thirds of it. The remaining portion was taken up by the stage “ ; „ in the latter part of the sixth century “ „ [t]here was a booth with a small platform for the actor. “ (Haigh, The Attic Theatre, S. 80 f.; vgl. den „ Buden “- Disput von Melchinger, Theater der Tragödie, S. 16 - 19, 113 - 124; sowie Margarete Bieber, The History of Greek and Roman Theatre, Princeton 1961, S. 54 - 69, insb. Abb. Fig. 232 sowie Fig.s 230, 233 - 36, 255/ 6, 287/ 88. 29 Vgl. Heeg, „ Szenen “ , S. 228, S. 231. 20 Bettine Menke 30 „ Tragedy ’ s site is the margin “ , so Padel, „ Making Space speak “ , S. 359. 31 Das wird ausgetragen als „ tragedy ’ s most potent contrast between the seen and ‚ the unapparent ‘ , between visible and imagined space[s] “ , Padel, „ Making Space speak “ , S. 343, S. 344. Die sk ē n ē fügt, als Außenwand des Palastes oder Hauses ausgebildet, dem Platz der sichtbaren theatralen Präsentation und öffentlichen Darbietung (Polis) sichtbar einen anderen Raum des Nichtsichtbaren ein, der als das verborgene als das uneinsehbare Dunkel des Hauses (oikos) signifikant ist (vgl. ebd., S. 341 - 343, S. 345 - 337; Heeg, „ Szenen “ , S. 228; Lehmann, Theater und Mythos, S. 32). 32 Nancy, „ Ein anderes Subjekt des Politischen “ , S. 166. 33 Ebd.; vgl. Marita Tartari, „ Von der ontologischen Differenz zum Theater. Ein Kommentar zum Beitrag von Jean-Luc Nancy “ , in: Nikolaus Müller-Schöll, André Schallenberg, Mayte Zimmermann (Hg.), Performing Politics. Politisch Kunst machen nach dem 20. Jahrhundert, Berlin 2012, S. 172 - 175, hier S. 174. 34 Zur Kategorie der Szene statt der des Dramas vgl. Hans-Thies Lehmann, Tragödie und dramatisches Theater, Berlin 2013, S. 245 ff.; Lehmann, Theater und Mythos, S. 50 - 55. 35 Mit Bezug auf Nietzsche vgl. Lehmann, Theater und Mythos, S. 48, S. 44 - 50. 36 Vgl. Haigh, The Attic Theatre, S. 80 f.; Padel, „ Making Space Speak “ , S. 354 f. 37 Vgl. Menke, „ im auftreten/ verschwinden - auf dem Schauplatz und anderswo “ , S. 185 ff.; Nancy, „ Ein anderes Subjekt des Politischen “ , S. 168. 38 Vgl. Bettine Menke, „ Reyen “ , in: Nikola Kaminski, Robert Schütze (Hg.), Gryphius- Handbuch, Berlin / Boston 2016, S. 692 - 709. 39 Vgl. Martin Hose, „ Anmerkungen zur Verwendung des Chores in der römischen Tragödie der Republik “ , in: Peter Riemer, Bernd Zimmermann (Hg.), Der Chor im antiken und modernen Drama, Stuttgart 1999, S. 113 - 138, hier S. 114 f. und S. 133 f. In der neuen Lokalisierung macht seine Anwesenheit Probleme; das führt zur Verkleinerung der Chöre, Kürzungen ihrer Lieder (vgl. ebd., S. 119 f., S. 124 f., S. 135). 40 „ [D]ie Präsenz des Chors auf der Bühne ist [bei Seneca] keinesfalls immer gegeben “ (Volker Janning, Der Chor im neulateinischen Drama, Münster, 2005, S. 30, vgl. S. 22); dagegen Albrecht Schöne, Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock, München (3. Aufl.) 1993, S. 164 f. 41 Vgl. Schiller, „ Ueber den Gebrauch des Chors in der Tragödie “ , S. 174. Und er bezog sich doch selbst viel genauer auf die Oper und deren Chöre als diese Abweisung vermuten ließe; vgl. Menke: „ Wozu Schiller den Chor gebraucht . . .. “ , S. 75, S. 79 f. (Anm. S. 94 f.). 42 Bernhard Zimmermann, Europa und die griechische Tragödie. Vom kultischen Spiel zum Theater der Gegenwart, Frankfurt a. M. 2000, S. 150, S. 62 f.; vgl. Schöne, Emblematik und Drama, S. 162 f. Insbesondere ist auf Florenz und Venedig, auf Monteverdis Orfeo (1607) hinzuweisen. 43 In Schillers Braut von Messina müssen die Chöre aufziehen und abgehen, da sie z. B. in Szenen ‚ intimer ‘ Handlung nicht als Zeugen auf der Bühne taugen. 44 Es gibt keine Poetik der Chöre oder der Reyen; von „ Normierungslücke “ spricht Jörg Wesche, Literarische Diversität. Abweichungen, Lizenzen und Spielräume in der deutschen Poesie und Poetik der Barockzeit, Tübingen 2004, S. 175, S. 175 - 214; vgl. Janning, Der Chor im neulateinischen Drama, S. 36 - 39, S. 86 f. 45 Vgl. Aristoteles, Poetik. Griechisch / Deutsch, übers. u. hg. von Manfred Fuhrmann, Stuttgart, 1982, S. 59/ 61 (1456a25 - 29). 46 Vgl. Hans Steinberg, Die Reyen in den Trauerspielen des Andreas Gryphius, Göttingen, 1914, S. 2; Wesche, Literarische Diversität, S. 195 f.; vgl. Janning, Der Chor im neulateinischen Drama, S. 34, S. 75 - 81. 47 Vgl. ebd., S. 13 ff., S. 21 - 48; vgl. Steinberg, Reyen in den Trauerspielen, S. 91 - 106. 48 Dirk Niefanger, „ Barocke Vielfalt. Trauerspiele auf deutschen und niederländischen Bühnen des 17. Jahrhunderts “ , in: Werner Frick (Hg.), Die Tragödie. Eine Leitgattung 21 ‚ Grund ‘ und ‚ parerga ‘ : Der Chor der europäischen Literatur, Göttingen 2003, S. 158 - 178. 49 Vgl. Janning, Der Chor im neulateinischen Drama, S. 37 - 48. Für den Zeitraum von 1497 bis 1620 vgl. Rochus von Liliencron, „ Die Chorgesänge des lateinisch-deutschen Schuldramas im XVI. Jahrhundert “ , in: Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft 6 (1890), S. 309 - 387, hier S. 314 - 342. 50 Steinberg, Reyen in den Trauerspielen, S. 106 f. Es bildet „ die Zwischenaktchöre sogar als allegorisch-mythologisches Zwischenspiel “ , zu „ Interludien, in denen auch Musik, Gesang und Tanz dargeboten werden “ , mit „ allegorische[n], biblische[n], historische[n] oder mythologische[n] Figuren “ aus (Janning, Der Chor im neulateinischen Drama, S. 14, vgl. S. 34 f., S. 54, S. 77). 51 Steinberg, Reyen in den Trauerspielen, S. 105 f. 52 Vgl. Janning, Der Chor im neulateinischen Drama, S. 37 ff., S. 57, S. 76 - 79; zum Zusammenhang von Intermedien und musikalischen Mischgattungen vgl. Bettine Menke, „ Was das Spektakel möglich macht: Theater- Maschinen “ , in: Nikola Gess et al. (Hg.), Archäologie der Spezialeffekte, München 2017 (Druck in Vorbereitung), mit der entsprechenden Literatur. 53 Vgl. Steinberg, Reyen in den Trauerspielen, S. 8 f., S. 11, S. 110 f.; Schöne, Emblematik und Drama, S. 156 f. 54 Nur die Trauer-, nicht die Lustspiele hatten Reyen. Komödien wurden wie bereits die römischen nur durch Musik ohne Gesang gegliedert; anders die Komödien der griechischen Antike; vgl. Bernhard Zimmermann, „ Chor und Handlung in der griechischen Komödie “ , in: Riemer, Zimmermann, Der Chor im antiken und modernen Drama, S. 49 - 59. 55 Sigmund von Birken, Teutsche Rede-bind- und Dicht-Kunst / oder Kurze Anweisung zur Teutschen Poesy / mit Geistlichen Exempeln: verfasset durch Ein Mitglied der höchstlöblichen Fruchtbringenden Gesellschaft Den Erwachsenen. Samt dem Schauspiel Psyche und Einem Hirten-Gedichte, Nürnberg 1679, S. 326 f. Ob sie ‚ in Musik gesetzt ‘ waren, wie es heißt, ist mangels Quellen kaum mehr zu entscheiden, vgl. Wesche, Literarische Diversität, S. 212. Hinweise auf Musik gibt auch Georg Philipp Harsdörffer, Poetischen Trichters zweyter Theil [. . .], Nürnberg 1648, S. 73 f.; einen „ gesungene[n], wohl auch von hinter der Bühne gespielten Instrumenten begleitete[n] Chorpart “ nimmt Schöne an, Emblematik und Drama, S. 163; vgl. Willi Flemming, Andreas Gryphius und die Bühne, Halle 1921, S. 396 f.; ders., „ Die Form der Reyen in Gryphs Trauerspielen “ , in: Euphorion 25 (1924), S. 662 - 665, hier S. 664; Gerhard Kaiser, „ Leo Armenius, Oder Fürsten-Mord “ , in: Gerhard Kaiser (Hg.), Die Dramen des Andreas Gryphius. Eine Sammlung von Einzelinterpretationen, Stuttgart 1968, S. 3 - 34, hier S. 17. Für das Schuldrama bis 1620 sind Partituren dokumentiert von Liliencron, „ Die Chorgesänge des lateinischdeutschen Schuldramas “ , S. 353 - 387. 56 Zur Form der barocken Chorlieder vgl. Wesche, Literarische Diversität, S. 185 - 198, sowie Schöne, Emblematik und Drama, S. 163, S. 167; Steinberg, Reyen in den Trauerspielen, S. 85 - 87, S. 106; Flemming, „ Form der Reyen in Gryphs Trauerspielen “ , S. 663); vgl. Birken, Teutsche Rede-bind- und Dicht- Kunst, S. 332; Harsdörffer, Poetischen Trichters zweyter Theil, S. 73 f. 57 Die „ gesungenen Partien, die um nichts mehr zur jeweiligen Handlung als zu irgendeiner anderen Tragödie gehören “ , verurteilt Aristoteles als embólima, „ Einlagen “ , die sogar auf andere Stücke übertragen werden konnten (Aristoteles, Poetik 1456 a (18), S. 60/ 61). 58 So Scaliger, vgl. Wesche, Literarische Diversität, S. 199 f.; Steinberg, Reyen in den Trauerspielen, S. 119; „ zwischen jeder Handlung [solle] ein Lied gesungen werden “ (Harsdörffer, Poetischen Trichters zweyter Theil, S. 74), „ ZwischenLieder [. . .] nach allen Handlungen zwischen eingeschaltet “ (Birken, Teutsche Rede-bind- und Dicht-Kunst, S. 327). 59 Steinberg, Reyen in den Trauerspielen, S. 6. 60 Flemming, „ Form der Reyen in Gryphs Trauerspielen “ , S. 663. 61 Vgl. Gryphius ’ Carolus Stuardus I, Catharina von Georgien II; anders beim Vorbild 22 Bettine Menke Joost van den Vondel, Steinberg, Reyen in den Trauerspielen, S. 113. Die gegeneinander sprechenden Chorteile des zweiten „ Rey “ der Priester in Vondels Gebroeders Geboniter wies Gryphius in seiner Übersetzung Nymphen und dem Jordan zu und setzte damit allegorische Figuren ein. 62 Dgg. habe Vondel „ [d]as Auftreten zum Chorlied “ „ irgendwie motiviert “ (Steinberg, Reyen in den Trauerspielen, S. 113). 63 Steinberg, Reyen in den Trauerspielen, S. 122. 64 Vgl. Wesche, Literarische Diversität, S. 200 f.; Janning, Der Chor im neulateinischen Drama, S. 34 f.; Steinberg, Reyen in den Trauerspielen, S. 118 f., u. v. a. 65 Schöne, Emblematik und Drama, S. 159, S. 166, S. 163; damit ist die Spezifik des Emblems als simultane Koppelung zweier verschiedener Medien unterboten. 66 Vgl. Janning, Der Chor im neulateinischen Drama, S. 33, S. 81 - 87; Wesche, Literarische Diversität, S. 200. 67 Die Rede kommt durchs andere Personal aus anderen, nicht der dramatischen Handlung zugehörigen Orten, wenn es sich um Syrenen und Geister (vgl. Gryphius, Carolus Stuardus I, II, Catharina von Georgien II, Papinian IV) oder anderes allegorisches Personal handelt; und sie richtet sich woandershin, (auch) an die „ Spielschauer “ (Birken), weil sie nicht dramatisch, sondern durch die theatrale Situation motiviert ist. 68 Vgl. Walter Benjamin, Ursprung des deutschen Trauerspiels, Berlin 1928, S. 189 ff., sowie GS, Bd. I.1, hg. von Rolf Tiedemann, Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a. M., 1974, S. 203 - 430, hier S. 366 - 368; vgl. auch S. 371 - 373. 69 Steinberg, Reyen in den Trauerspielen, S. 9; Flemming, Andreas Gryphius und die Bühne, S. 232, S. 234, S. 405. 70 Ebd. S. 102; vgl. Flemming, Andreas Gryphius und die Bühne, S. 178, S. 284 u. a. 71 Ebd., S. 123. 72 Ebd., S. 18. 73 Vgl. Birken, Teutsche Rede-bind- und Dichtkunst, S. 327. Zur Nachgeschichte vgl. Wesche, Literarische Diversität, S. 214. 74 Vgl. Birken, Teutsche Rede-bind- und Dichtkunst, S. 326 f. 75 Nach Scaliger, vgl. Wesche, Literarische Diversität, S. 207; vgl. Steinberg, Reyen in den Trauerspielen, S. 105 f. 76 Als „ Erholung “ oder „ Entspannungsphasen “ der Zuschauer so Janning, Der Chor im neulateinischen Drama, S. 57, S. 77. 77 Ein Doppelstück ist mit gegenseitigen Unterbrechungen von „ Gesang-Spil “ und „ Schertz-Spill “ auch Gryphius ’ Mischspiel Verlibtes Gespenste / Gesang-Spil. Die gelibte Dornrose Schertz-Spill. 78 Birken, Teutsche Rede-bind- und Dichtkunst, S. 327. 79 Vgl. Steinberg, Reyen in den Trauerspielen, S. 103 f. Dem Argument zum ‚ Spaßmacher als Chor ‘ wäre damit eine längere Geschichte zu geben (vgl. Nikolaus Müller-Schöll, „ Der ‚ Chor der Komödie ‘ . Die Wiederkehr des Spaßmachers im Theater der Gegenwart “ , in: Nikolaus Müller-Schöll, André Schallenberg, Mayte Zimmermann (Hg.), Performing Politics, Berlin 2012, S. 189 - 201). 80 Als eine der „ kleine[n] Comödien “ , die sich als Zwischenspiele schicken, „ um / zumal / wann daß Hauptspiel etwas traurig laufet / den Spielschauer damit in etwas wieder zu belustigen “ , nennt Birken „ bei Abhandlungen der Psyche, das Bivium Herculis “ , das (ins Deutsche übersetzt) seiner Teutsche Rede-bind- und Dichtkunst am Ende angefügt ist; vgl. Wesche, Literarische Diversität, S. 196 ff., S. 207. 81 Die Glorreiche Marter des Heyligen Joannes Von Nepomuckh unter Wenzeslao dem faulen König der Böhmen und die Politischen Staats-Streiche, und verstelten einfalth des Doctor Babra [. . .] wird Joseph Anton Stranitzky, 1676 - 1726, zugerechnet (Fritz Homeyer, Stranitzkys Drama vom ‚ Heiligen Nepomuck ‘ . Mit einem Neudruck des Textes, Berlin 1907, repr. New York et al. 1970), der aber wohl nicht der Verfasser, sondern ‚ Eigentümer ‘ war, der italienische Vorlagen (Opernlibretti) mit Hanswurstiaden, die er selbst spielte, ergänzte, die er zu ‚ Nebenhandlungen ‘ ausbaute. 82 Insofern vertrete „ das Orchester [zur Pausenfüllung bei Umbauten] bey unsern 23 ‚ Grund ‘ und ‚ parerga ‘ : Der Chor Schauspielen gewissermaßen die Stelle der alten Chöre “ (vgl. Gotthold Ephraim Lessing, Hamburgische Dramaturgie: Sechs und zwanzigstes Stück, in: Gotthold Ephraim Lessing, Werke, Bd. 4: Dramaturgische Schriften, hg. von Herbert G. Göpfert, Karl Eibl, München 1973, S. 229 - 720, hier S. 349). 83 Vgl. Armin Schäfer, „ Nachrichten aus dem Off. Zum Auftritt im barocken Trauerspiel “ , in: Vogel, Wild, Auftreten. Wege auf die Bühne, S. 216 - 232, hier S. 228 ff.; zur Kombination von Bestandteilen vgl. auch schon Peter Wolters, Die szenische Form der Trauerspiele des Andreas Gryphius, Frankfurt a. M. 1958, S. 90 - 95. 84 Schöne, Emblematik und Drama, S. 167 f.; vgl. Janning, Der Chor im neulateinischen Drama, S. 14, S. 66 ff.; Flemming, „ Form der Reyen “ , S. 663. Analog wären bezüglich der englischen Bühnen die allegorischen „ Masques “ zu verhandeln, deren Integration angeblich in der großen Oper geleistet werden wird, wie auch die Französischen Festspiele (am Hofe Louis XIV.), deren Balletteinlagen Molière im Mischspiel Les Facheurs zum Gegenstand macht, usw. 85 Benjamin, Ursprung des deutschen Trauerspiels, S. 116. Die zwischen die Akte eingelassenen Reyen kennzeichnet Benjamin als barocke Umformung der „ Intermezzi “ des antiken Chors (ebd.), was Aristoteles allerdings gerade verworfen hatte. 86 Ebd., S. 116, S. 112, S. 178, S. 191, S. 195. Diesen Charakter belegen neben dem Zwischenspiel auch „ stille[] Vorstellung “ (ebd., S. 192) und „ lebendes Bild “ (ebd., S. 182; vgl. Schöne, Emblematik und Drama, S. 177, S. 179 - 187, S. 205 - 208; Wolters, Die szenische Form der Trauerspiele, S. 96 f.). 87 Vgl. Schöne, Emblematik und Drama, S. 167 f. 88 Neben Schöne, wie zit. vgl. Janning, Der Chor im neulateinischen Drama, S. 75 - 79; Wolters, Die szenische Form der Trauerspiele, S. 74 - 79. Zu den Mischformen von Gattungen und Medien vgl. John S. Powell, Music and Theatre in France 1600 - 1680, Oxford 2000, S. IIIf., S. 73 - 330; für weitere Literatur vgl. Bettine Menke, „‚ Katastrophen ‘ der Spektakel - aus den Theater-Maschinen “ (https: / / www.uni-erfurt.de/ fileadmin/ publicdocs/ Literaturwissenschaft/ avl/ Bettine_Menke_Spektakulaere_Katastrophen_final_1Nov -1.pdf), hier S. 3. 89 Vgl. Armin Schäfer, Bettine Menke und Daniel Eschkötter, „ Das Melodram. Ein Medienbastard (Einleitung) “ , in: Schäfer, Menke, Eschkötter, Das Melodram. Ein Medienbastard, Berlin 2013, S. 7 - 17. 90 Die tableaux général des Melodrams gelten in ostentativer Stillstellung als zugleich musikalische Einlagen, deren Zeitdauer, vgl. Schäfer, Menke, Eschkötter, „ Das Melodram (Einleitung) “ , S. 12 ff., so auch die „ operatic tableaux featuring chorusses and dancing “ des „ pièce à grand spectacle “ oder pièce à machine (Powell, Music and Theatre in France 1600 - 1680, S. 251); vgl. Menke, „‚ Katastrophen ‘ der Spektakel - aus den Theater-Maschinen “ , S. 10, S. 12 f. 24 Bettine Menke