eJournals Forum Modernes Theater 27/1-2

Forum Modernes Theater
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2196-3517
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2012
271-2 Balme

Überschreitung der Formen und Zersetzung der Figur

2012
Nicole Haitzinger
Überschreitung der Formen und Zersetzung der Figur: Zur Funktion des Afrikanistischen in La Création du Monde (1923) und La Revue Nègre (1925) Nicole Haitzinger (Salzburg) Rolf de Maré, Begründer der Les Ballets Suédois (1920 - 1925) und nach Sergej Diaghilew mit seinen bekannteren Ballets Russes der zweite große Impresario des Balletts der Moderne, initiiert im Jahr 1923 in Paris eine Inszenierung mit dem Titel La Création du Monde (Die Erschaffung der Welt). Vier europäische Künstler verantworten die Verfertigung und Aufführung, die auf afrikanischen Schöpfungsmythen basiert: Der Schriftsteller und Librettist Blaise Cendrars, der Komponist Darius Milhaud, der Bildende Künstler Fernand Léger und der Choreograf/ Tänzer Jean Börlin. Zwei Jahre später, 1925, bringt de Maré die Revue Nègre ins Pariser Théâtre des Champs-Élysées, in der Josephine Baker für skandalöse Furore sorgt. La Création du Monde und die Revue Nègre entstehen im Kontext des großen Narrativs des europäischen Kolonialismus und profitieren von dessen Strukturen. Historiographisch perspektiviert, ist es die Zeit der sogenannten „Negrophilie“ in den Künsten, die mit der Faszination für erstens den transatlantischen Jazz und Charleston und zweitens für die Formensprachen der Kulturen des afrikanischen Kontinents verwoben ist. Zugleich präsentiert sich Frankreich (noch) als eine der wichtigsten Kolonialmächte, die nach der Berliner Konferenz (1884 - 1885) in Konkurrenz mit anderen europäischen Mächten eine kolonialistische Struktur über 20 Millionen Menschen der West- und äquatorial-afrikanischen Staaten etabliert hat. Diese ist von der neuen Disziplin der Anthropologie unterstützten Theorie der Inferiorität des sogenannten indigenen Subjekts (indigènes) durchdrungen. 1 In La Création du Monde und der Revue Nègre wird in den Pariser 1920er Jahren mit einer jeweils spezifischen und radikal voneinander unterscheidbaren Techné des Körpers etwas präsent gemacht und präsentiert, das ich nach Brenda Dixon Gottschild als afrikanistisch bezeichnen möchte. I use it here to signify African and African American resonances and presences, trends and phenomena. It indicates the African influence, past and present, and those forms and forces that arose as products of the African diaspora, including traditions and genres such as blues, jazz, rhythm and blues and hip hop. It denotes the considerable impact of African and African American culture on modern arts and letters [. . .]. In sum, the term denotes concepts and practices that exist in Africa and the African diaspora and have their sources and practices from Africa. 2 Wichtig erscheint mir, dass Brenda Dixon Gottschilds Definition des Afrikanistischen nicht auf einem engen territorialen oder implizit kolonialen Verständnis eines ‚schwarzen‘ Kontinents oder einer ‚schwarzen‘ Rasse basiert, sondern die vielschichtigen und komplexen Resonanzen und Präsenzen eines konkreten wie imaginären Afrikas berücksichtigt. In Hinblick auf die historiographische und ästhetische Kontextualisierung von La Création du Monde und La Revue Nègre bietet sich die Perspektivierung über das Afrikanistische mit folgendem Argument an: In der Pariser Kunstwelt der 1920er Jahre werden in Produktion und Rezeption weitgehend weder die Vielschich- Forum Modernes Theater, 27 (2012 [2016]), 37-51. Gunter Narr Verlag Tübingen tigkeit der Kulturen auf dem afrikanischen Kontinent ausdifferenziert, noch die transatlantische afro-amerikanische Kultur als spezifisch wahrgenommen: Kurz gesagt: Alles was als ‚schwarz‘ konnotiert ist und/ oder erscheint, wird mit dem Imaginarium Afrika gleichgesetzt. Das europäische Theater inkorporiert/ kannibalisiert 3 - wie wir wissen - in dieser Zeit mit Obsession das ‚Fremde‘. In einer gegenwärtigen Betrachtung, in der die Implikationen postkolonialer Theorie in der tanztheatralen Forschung berücksichtigt und um Aspekte von bewegter und performativer Körperlichkeit erweitert werden, war und ist Performing Africa in Europa im mehrfachen Sinn eine „Liaison dangereuse“. Die hierarchische Ungleichheit der Kulturen - Stuart Hall hat es als „Der Westen und der Rest“ sloganisiert - 4 grundiert die Moderne und bestimmt auch die Gegenwartskunst mit ihren teils unterschwelligen Paradigmen noch substanziell. Es gilt, im Sinne einer postkolonial analytischen Annotation von Tanzgeschichtsschreibung, 5 kulturelle Differenzen zu historisieren, Dichotomien nicht zu essentialisieren und die künstlerische Moderne als ambivalentes Projekt und als „befähigende Verletzung“ zu verstehen. 6 Hier entsteht ein methodischer Riss, den ich kurz benennen möchte: Will man die Ästhetik der tanztheatralen Künste der 1920er Jahre beschreiben und analysieren, läuft das von der Postkolonialen Theorie geforderte „radikale Differenzieren und Pluralisieren“ (Gayatri Chakravorty Spivak) 7 ab einem gewissen Punkt ins Leere. Für die Perspektivierung von - nachkolonialem - zeitgenössischem Tanz und performativer Gegenwartskunst hingegen, erlaubt die postkolonial-analytische Methode Ausdifferenzierungen auch in Hinblick auf die Untersuchung von ästhetischen Phänomenen, wenn sie die Spezifität von theatraler Ereignishaftigkeit akzeptiert. Ich werde nicht versuchen, die außerordentliche Präsenz des Afrikanistischen in den Künsten in Mitteleuropa vor allem in den 1920er Jahren nachzuweisen - dazu sind in den letzten Jahren einige hervorragende Studien publiziert worden 8 -, als vielmehr seine Funktion in den exemplarischen Inszenierungen La Création du Monde und La Revue Nègre thesenhaft zu skizzieren. Es handelt sich bei beiden um sogenannte ‚signature pieces‘ ihrer Zeit, die im Kanon der Tanzgeschichtsschreibung der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts marginalisiert worden sind - bis zur Wiederentdeckung durch erstens die zeitgenössische Tanzkunst, zweitens durch meist U. S. amerikanische ForscherInnen aus kulturwissenschaftlichen und historischen Disziplinen und drittens durch Ausstellungsprojekte in der Bildenden Kunst. Der zweite Teil des Artikels wird schließlich skizzenhaft präsentieren, wie sich die zeitgenössischen Inszenierungen La Création du Monde 1923 - 2012 von dem kongolesischen Choreografen Faustin Linyekula und A mysterious thing said e. e. cummings (1996) von der portugiesischen Choreografin Vera Mantero auf ihre jeweiligen historischen Referenzen beziehen. Die alte Funktion des Afrikanistischen, so viel sei vorweggenommen, spielt keine Rolle mehr in der performativen Gegenwartkunst beziehungsweise erfährt eine Substitution durch postkoloniale Narrative. Überschreitung der Form und Zersetzung der Figur 1: Das Ballet Nègre La Création du Monde La Création du Monde, laut Fernand Léger das „einzig mögliche Ballet Nègre der Welt“ 9 , basiert auf Blaise Cendrars Anthropologie Nègre, einer Sammlung von Mythen und Märchen aus Afrika, die dieser 1921 veröffentlichte. In der Adaptierung zum Libretto entstehen in Gegenwart von drei magischen Gottheiten aus einem formlosen 38 Nicole Haitzinger Gebilde Insekten, Säugetiere, Vögel und schließlich Mann und Frau. Neben Blaise Cendrars und Fernand Léger arbeiten mit Darius Milhaud und Jean Börlin zwei weitere europäische Künstler auf Einladung von Rolf de Maré im Kontext der programmatisch auf ein choreographiertes und rhythmisiertes Bildertheater ausgerichteten Ballets Suédois kollaborativ an der Inszenierung. Nicht zufällig schreibt Blaise Cendrars in seiner Hommage à Jean Börlin: „Du weißt nicht, zu tanzen.“ Und weiter, und jetzt folgt die Hommage an den modernen Tänzer, der vom Ballets Russes Choreografen Michel Fokine in Stockholm entdeckt wurde: „Du bist den Seemännern, den Soldaten, den Mulatten, den Negern, den Hawaiianern, den Wilden ähnlich.“ 10 Hier scheint das Diktum der Avantgarden zu Akten der De-Professionalisierung in den Künsten durch, die das Wissen über die Profession (noch) bedingt. 11 Während Cendrars bei Börlin eine zeitgemäße Modellierung des Tänzerkörpers erkennt, polemisiert der Tanzkritiker André Levinson mit seinem Referenzsystem des klassischen Balletts genau dagegen. Er spricht von „Dilettantismus in der Technik“ und vom „Snobismus“ der Appropriation des Afrikanischen, spezifischer vom Widersinn eine spezifische skulpturale Formensprache in Bewegung zu setzen und kritisiert die kolonialistische Praxis des Balletts: „Nach Spanien und dem Orient, nach dem Kongo und der Annexion Benins, bleibt nichts mehr, als das Grönland der Eskimos oder die Prärie der Sioux für das Ballett zu kolonisieren.“ 12 Cendrars hingegen sieht Börlin als Schlüsselfigur für den Gegenwartstanz in Paris, dessen Stätten nun Boulevards, Eisenbahnstationen, Flughäfen etc. sind: Poster und Lautsprecher lassen die Ausbildung an der Académie de Danse vergessen, das Statische und die Dauer, das Maß und den Geschmack, die Grazie und die Virtuosität. Wenn man all das vergessen hat, dann ist man dort, dann findet man den Rhythmus, den schönen Rhythmus der Gegenwart, der fünf neue Kontinente erschließt: Disziplin, Gleichgewicht, Gesundheit, Kraft und Tempo. 13 Im Moment des zunehmenden Verlustes der tatsächlichen alten europäischen Kolonien werden von der Kunst neue „Kontinente“ entdeckt. Ich möchte hier behaupten, das Cendrars nicht zufällig auf das Vokabular der kolonialistischen Entdeckungsreisen zurückgreift. Nach dem Schock des Ersten Weltkriegs, in dem der Literat einen Arm verlor und sich als Künstler in einem verwundeten Europa in Ruinen befand - bezeichnenderweise verfasst er 1919 eine von Hoffnungslosigkeit durchdrungene Erzählung mit dem Titel La Fin du Monde -, wird in den 1920er Jahren für ihn und seine Zeitgenossen der Mythos Afrika zur Projektionsfläche einer neuen Zeit. Es handelt sich dabei um eine europäische „kollektiv geronnene Erfahrung“ von Afrika (Heiner Müller zum Mythos), die wenig mit der tatsächlichen Situation der vielschichtigen und komplexen Kulturen auf dem Kontinent zu tun hat und das Narrativ des westlichen Imperialismus als Geschichte der Gewalt mit dem Besatzungswettlauf, der Kolonialisierung des Kontinents, der Genozid-Kriege und dem transatlantischen Sklavenhandel ausblendet. Im Sinne einer „evolutionistischen Ästhetik“ (Rae Beth Gordon) 14 und nicht einer Adaptierung von zeitgleich prominenten anthropologisch-rassistischen Differenzsetzungen, gingen die Künstler der Les Ballets de Suédois (wie viele andere) davon aus, dass die kontinentalen Welten im Sinne einer Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen konstruiert sind. 15 Das heißt, dass im gegenwärtigen Afrika das prä-historische Europa 39 Überschreitung der Formen und Zersetzung der Figur entdeckbar wird, das „fortan als Residuum für unverstellte Kreativität, als Sehnsuchtstopos oder als Anfang der Kunst figuriert [. . .]“. 16 Für den Komponisten Milhaud ergibt sich durch die Arbeit am Topos „Ballet Nègre“ - ich zitiere ihn - die langersehnte Möglichkeit, die Elemente des Jazz zu verwenden, denen ich so viele Studien gewidmet habe. Ich übernahm die gleiche Orchestrierung mit 17 Soloinstrumenten wie in Harlem und machte durchgängig Gebrauch vom Jazzstil, um ein rein klassisches Gefühl auszudrücken. 17 Die europäische Gleichsetzung von urbaner afro-amerikanischer Jazz- und Charleston- Kultur mit einer imaginierten ‚ursprünglichen‘ Musik- und Tanzkultur Afrikas ist symptomatisch für die Zeit. Jazzmusik hat in Milhauds Rezeption „ihre Wurzeln in den dunklen Ecken der schwarzen Seele, in den letzten Spuren Afrikas.“ 18 Es ist schließlich Fernand Léger, der das theatrale Erscheinungsbild verantwortet und mit seinen Entwürfen der sogenannten mobilen Hommes-Decors und der Radikalität seiner afrikanistischen Bildwelt in Bewegung „erschrecken“ wollte. Das Afrikanistische ist bei Léger ein singulärer Moment in seinem Oeuvre. 19 Seine Faszination für die Metropole, die Technologie der modernen Welt und populäre Kunstformen wie Music Hall, Revue und Zirkus bringt er in La Création du Monde ein: Das Imaginarium des afrikanistisch konnotierten Weltbeginns wird zum zukünftigen Möglichkeitsraum. Durch die Logik des strengen Konstruktivismus unter Einsatz von mechanischen Gesten und von Tänzern bewegten Hommes Decors treibt Léger nach Levinson die Auslöschung des individuellen Ausdruckskörpers voran. 20 Die Tänzer müssen ihre Rolle als „bewegtes Dekor“ akzeptieren. 21 Figuren und Bühnenbild werden in Légers und Cendrars gemeinsamen Regiekonzept als gleichwertige Elemente verstanden. 22 Der Afro- Futurismus basiert in La Création du Monde auf dem Paradigma des „Künstlers als Ethnograph“ und einer „primitivistischen Fantasie“, die auf der Annahme basiert - ich zitiere Hal Foster: „that the other, usually assumed to be of color, has special access to primary psychic and social processes from which the white subject is somehow blocked [. . .].“ 23 Durch die Entlehnung und Appropriation von Formen können diese Energien quasi inkorporiert werden. 24 Die Tanzwissenschaftlerin Millicent Hodson und der Kunsthistoriker Kenneth Archer re-konstruierten La Création du Monde für eine Ausstellung in Genf im Jahr 2000 als „angemessenes Facsimile“ („reasonable facsimile“), das Residuen des inszenatorischen, choreografischen und bewegungstechnischen Konzepts von La Création du Monde vermittelt. 25 Diese quasiarchäologische Re-Kreation wurde vom kongolesischen Choreografen Faustin Linyekula in La Création du Monde 1923 - 2012 als Zitat aufgenommen - ich komme später auf die gegenwärtige Inszenierung noch einmal genauer zurück. 26 Gerade die Analyse von bewegter Körperlichkeit gestaltet sich mittels dieser Re- Kreation als schwierig, da Hodson und Archer beispielsweise die Kostüme, die in den 1920er Jahren mit Holz und Karton gefertigt werden, durch neue Technologien und zugunsten des Bewegungsspielraums der Tänzer nach Selbsteinschätzung „verbesserten“. Dennoch lassen sich ein paar Beobachtungen machen: Die Choreographie basiert erstens auf der Ausführung eines einfachen Schritt- und Gestenrepertoires. Die motorischen Aktivitäten der Figuren beschränken sich auf rhythmisierte Fortbewegungen im Raum (gehen, springen, drehen) in Kombination mit raumgreifenden Gesten, die den jeweiligen Charakteren (Götter, Götterboten, magische Figuren, Vögel, Affen, Insekten) an- 40 Nicole Haitzinger gepasst und dementsprechend gestaltet werden; so sind die komödiantischen Affen akrobatisch und die Vögel bewegen sich en pointe. Auffallend ist zweitens die Symmetrie in der choreographischen Anordnung nach dem ersten Szenario der Formlosigkeit und des Chaos. Diese wird durch die Paarbildung der insgesamt 24 Figuren (mit Ausnahme der drei Götter) intensiviert. Das Finale - der sogenannte Frühling der Menschheit - ist schließlich als eine Collage von populären Tänzen der 1920er Jahre in Szene gesetzt. Vor allem der Charleston hat sich in dieser Zeit als der wichtigste Ballroom Dance etabliert. Von seinem Einsatz in Afro- Amerikanischen Revue-Nummern über Broadway-Shows wird er schließlich von der Pariser Avantgarde mit ihrer Faszination für das Populäre entdeckt; in dem solistisch oder paarweise ausgeführten Rhythmus- Tanz sind Jazz und Ragtime-Musik mit Kicks, Auf- und Abwippen wie Beinverdrehungen verkörpert. Die Instrumentalisierung des Körpers erfolgt in La Création du Monde erstens nach formalen, repräsentativen Wirkungsaspekten und zweitens über die Betonung der funktionalen, interaktiven Eigenschaften von Bewegung. Vor allem zeigt sich die hier mehr äußere als innere Notwendigkeit, sich auf etwas zu und von etwas weg zu bewegen, im wörtlichen und im metaphorischen Sinn. 27 Bewegungsanalytisch perspektiviert, existieren keine spezifisch aufgeladenen Bewegungsmotive (wie etwa rhythmisierte Hüftbewegungen), die in der europäischen Rezeption der Zeit afrikanistisch konnotiert sind. Es wird vielmehr über Narration, räumliche Figurationen und Rhythmusstrukturen ein Erscheinungsbild, oder vielleicht besser ein Phantasma erzeugt, das im Akt der ästhetischen Wahrnehmung etwas Prä-Rassistisches, Prä-Kolonialistisches, Afrikanistisches aufruft. Cendrars, Léger, Milhaud und Börlin lassen sich kollegial und kollaborativ auf eine Arbeit an der Form und ihrer Überschreitung in ihren jeweiligen Künsten (poetisch, bildlich, musikalisch und choreographisch-tänzerisch) ein, die sie schließlich in La Création du Monde in einer Synthese ausstellen. Der Ballett-affine Kritiker André Levinson empfindet die „Kapitulation“ des Tänzers vor der Bildenden Kunst, das Pastiche der Künste und das neue „hybride Genre“ gar als „Häresie“: „Alles erscheint mehr als Regie als als Choreographie.“ 28 Es ist die Krise der Kunst am Ende der Geschichte des alten Europas und die Heroisierung Afrikas mit seinem vermeintlich anderen Pulsschlag, der in der Verfertigung des form-obsessiven La Création du Monde eine radikal neue künstliche Welt denkbar werden lässt. 29 Man könnte behaupten, dass die vier Künstler sich anthropologisch-ethnologisch/ ethnographisch an das Konzept Ballett als kulturelles Artefakt und quasi europäisiertes, ethnisches Produkt annähern. Das „einzig mögliche Ballet Nègre“ ist als Überschreitung von tradierten Formen und der Zersetzung der Figur im Sinne einer Über-Formung und Über-Mechanisierung (siehe Hommes-Décors) zu verstehen. Überschreitung der Form und Zersetzung der Figur II: Josephine Baker in La Revue Nègre 1925 tritt die aus St. Louis kommende junge Josephine Baker nach ihren Aufsehen erregenden Auftritten als Chorus-Girl in New Yorker Broadway-Shows, in denen sie buchstäblich mit ihrem komödiantischen Talent aus der Reihe tanzte, erstmals im Pariser Théâtre des Champs-Elysées auf. Es ist Fernand Léger, der die Idee der Präsentation einer Revue Nègre hat. Der ehemalige Impresario der Ballets Suédois, Rolf de Maré, spricht schließlich die Einladung an Baker aus. Nicht zufällig wird nach dem skandalösen Ballet Nègre La Création du Monde mit 41 Überschreitung der Formen und Zersetzung der Figur seiner Überschreitung der Kunstformen und den futur-afrikanistischen Hommes-Décors als Protagonisten des modernen Balletts die La Revue Nègre schließlich die Pariser Kunstwelt und das Publikum in Furore versetzen, ja ihre Körper am Höhepunkt der Ära des Jazz und des Charleston gleich einer „Fieberepidemie“ im historischen Wortlaut „infizieren“. 30 La Revue Nègre (1925) ist als populäres Music-Hall-Format konzipiert, in dem 25 afroamerikanische Akteure und Akteurinnen auftreten. Die in New York zusammengestellte Show wird auf Bitte von Rolf de Maré von Jacques Charles, der mehrere Revuen im Moulin Rouge zur Aufführung brachte, stark nach der Pariser Ästhetik der Zeit überarbeitet. Zu frenetischen und synkopischen Klängen einer Jazz-Band wird eine rasche Folge von sieben Vaudeville Tableaux - unter anderem „New York Skyscraper“, „Mississippi Steamboat Race“, „Charleston Cabaret“ - mit kurzen komödiantischen Intermezzi von Josephine Baker inszeniert. Schließlich hat sie im Finale einen „Danse Sauvage“ Auftritt, der in die Geschichte eingehen wird. 31 Josephine Baker wird in der Revue zur Königin der Kolonien und des Charleston stilisiert. 32 Man muss sich die historische Rezeption vergegenwärtigen, um das Phänomen in seiner Komplexität zu verstehen. Der U. S.-amerikanische Poet E. E. Cummings sieht La Revue Nègre als ein neues Modell der ästhetischen Erfahrung, die maßgeblich von der Kunstfigur Josephine Baker bestimmt ist. 33 Die Künstler und Intellektuellen der Moderne finden außerhalb der etablierten Theater und in der Revue das zeitgemäße und zeitentsprechende „strikt ästhetische“ Ereignis, das den Schock als Wirkung privilegiert. Die Revue Nègre transferiert die relational energetischen Qualitäten der als afrikanistisch konnotierten (sozialen) Tänze in den nun formalästhetischen Raum der Revue. Diese wird von der Avantgarde mit ihrem programmatischen Diktum, die „aufdringlichen, vulgären und vitalen“ Seiten des Lebens zu zeigen, 34 als Substitut des elitär empfundenen Theaters etabliert. Josephine Bakers Performance ist ein Coup Théâtrale, in dem temporär jegliche Klassifizierung und Kategorisierung außer Kraft gesetzt ist - sie ist eine unbestimmbare Seins-Figur, ein - ich zitiere E. E. Cummings -„mysteriöses nicht zu tötendes Etwas, gleichzeitig nicht-primitiv und unzivilisiert, jenseits von Zeit, in einem Sinne, wie Emotion jenseits von Kalkulierbarkeit ist“. 35 André Levinson äußert sich in La Danse D’Aujourd’Hui kritisch zu den „Steps nègres“ 36 und erlaubt zugleich eine tiefenstrukturelle Annäherung an Josephine Baker, die ihren Körper nicht nur als Oberfläche für phantasmagorische Afrika- Projektionen ausstellt, sondern als verkörperte Vielheit virtuos in-Szene setzt. 37 Baker betont die dynamischen und energetischen Wirkungsaspekte von Bewegung über die spezifische Regulierung von Energie. 38 Man kann von einer Kontaminierung von Stil sprechen, denn sie hybridisiert in ihrem Tanz das präskriptive Bewegungsvokabular des Charleston mit African Jazz, mit Elementen aus karibischen und lateinamerikanischen Tänzen, Modern Dance, Step, Cakewalk und komischer Mimik (schielende Augen) als Parodie der modernen Zeit. 39 Ich kann mit den Schultern Karussell fahren, ich kann Murmeln spielen mit meinen Augen, ich kann Flunsch machen wie ein Krokodil, ich kann auf Hacken gehen und ich kann auf allen Vieren laufen, wenn ich will und dann schüttle ich alle Blicke ab . . . Mit meinen Händen, mit meinen Armen sage ich, wer ich bin. Ich rudere durch die Luft, ich schwimme durch die Luft. Ich schwitze und ich springe, alles das bin ich! 40 Die vibrierenden Hüftbewegungen und die demonstrative Ausstellung des Hinterteils - 42 Nicole Haitzinger nach Josephine Baker handelt es sich darum: „[. . .] mit den Hüften zu wackeln, rechts herum, dann links herum, von einem Fuß auf den anderen, den Popo spielen zu lassen und mit den Händen zu wedeln“ 41 - sind die einzigen bewegungsaufgeladenen Motive, die sich dem Afrikanistischen zuordnen lassen. Der Zeitzeuge Harry Graf Kessler spricht in seinem Tagebucheintrag vom 13. Februar 1926 von den Akteuren der Revue Nègre als „Mittelprodukt zwischen Urwald und Wolkenkratzer. [. . .] Ultramodern und Ultraprimitiv“. 42 Es sind das Jenseits von bekannten Modi der Repräsentation und die körperliche Überschreitung der Form bis zum temporär Formlosen der Bewegung bei hohem Tempo, die das Faszinosum und Tremendum der Tänzerin Josephine Baker ausmachen. Durch die Privilegierung des Regulierens von Energie wird es möglich, dass körperliche Formen als labile Relationen, als konkrete Offenheiten in Erscheinung treten können. Levinson und E. E. Cummings haben wohl als intellektuelle Zuschauer den ungemein revolutionären Gestus erkannt und begriffen, auch wenn sie die Performance von Baker schließlich wieder nach den dominanten (ästhetischen, kulturellen und politischen) Ordnungen debeziehungsweise re-kodieren. 43 Ihre ästhetische Signifikation und diskursive Kontextualisierung bezieht sich hauptsächlich auf den Kollaps von Formen und das als afrikanistisch aufgeladene Bewegungsmotiv, sprich den demonstrativ präsentierten Hintern der Tänzerin. 44 La Création du Monde und das Finale der Revue Nègre sind einander ähnlich, obgleich ihre Erscheinungsformen nicht unterschiedlicher sein könnten. Es handelt sich nicht um eine Ähnlichkeit in der Form, sondern ihre Überschreitung, die von der jeweils spezifischen Funktionalisierung des Afrikanistischen profitiert. Das Afrikanistische präsentiert sich in beiden Inszenierungen zugleich als Oberflächenphänomen und als Tiefenstruktur. Ersterem, dem Oberflächenphänomen, zuordenbar sind das entlehnte Narrativ eines afrikanischen Schöpfungsmythos, die theatralisierte, dunkle, feminine Haut der Josephine Baker und ihre Präsentation als Quintessenz der Figur des sogenannten europäischen ‚Primitivismus‘ und der ästhetischen Moderne. 45 Das Afrikanistische in der Tiefenstruktur zeigt sich über synkopische Rhythmisierung (Jazz, Charleston) und die Defiguration, die Zersetzung der menschlichen Figur im Tanz. Diese wird in La Création du Monde am augenscheinlichsten über das Ding-Werden (Hommes Decors) und im Finale der Revue Nègre über das Tier-Werden (Animalisierung) von Josephine Baker in Szene gesetzt. Obgleich anzumerken ist, dass in den Inszenierungen jeweils beides, nämlich das Ding-Werden und das Tier-Werden, mit unterschiedlicher Gewichtung eingesetzt wird. 46 Weder La Création du Monde noch die Revue Nègre kreieren eine ethnozentrische Aura oder stellen mittels kinetisch-korporaler oder choreographisch-inszenatorischer Mittel etwas essentialistisch Afrikanisches aus. Die Internalisierung von Afrikanismen und Kreolisierung (Paul Gilroy) 47 dient hauptsächlich zur Überschreitung der tradierten Formen und zur Zersetzung der (Denk-)Figur des Klassischen. Diese künstlerische Methode steht in gewisser Weise quer zur anthropologischen Differenzsetzung mit ihrer evolutionistischen Logik, die den Diskurs der westlichen Anthropologien grundiert. La Création du Monde 1923 - 1912: Figuration I: Polemik Im Jahr 2012 bezieht sich der kongolesische Choreograf Faustin Linyekula in seiner Produktion La Création du Monde 1923 - 2012 43 Überschreitung der Formen und Zersetzung der Figur auf die historische Inszenierung der Les Ballets Suédois, indem er sie quasi als Zitat oder als Tableau in der Re-Kreation von Millicent Hodson/ Kenneth Archer ausstellt. 48 Dramaturgisch setzt er seine eigene 40-minütige Choreografie, getanzt von 24 TänzerInnen einer Prager Ballettkompagnie, als Prolog voran und endet mit einem Epilog. Dieser richtet sich als polemisch formulierte rhetorische Anklage des einzigen Tänzers of colour auf der Bühne gegen das historische Les Ballets Suédois Kollektiv und das Publikum. Es handelt sich um eine von der Wut durchdrungene und auf die aktuelle Situation des Kongo bezogene Klage, in dessen kulturellem Gedächtnis das Trauma und die Wunden der Kolonialherrschaft gegenwärtig lediglich durch eine neokolonialistische Situation, nämlich die Ausbeutung seiner Bodenschätze, abgelöst scheinen. Linyekulas künstlerische Verfahrensweise erinnert in gewisser Weise an das historische Programm der politisch-literarischen frankophonen Negritude Bewegung, begründet in den 1930er Jahren von Aimé Césaire, Léopold Sédar Senghor und Léon Damas, und des Pan-Afrikanismus der 1950er Jahre, die sich beide auf einen operativen Essentialismus stützten, auf eine universale Ontologie des Schwarz-Seins, um ein politisches Programm formulieren zu können. 49 Der kongolesische Anthropologe und Literaturwissenschaftler V. Y. Mudimbe analysiert diese historischen Prozesse mit folgender Erkenntnis: „The alienation caused by colonialism constitutes the thesis, the African ideologies of otherness (black personality and Negritude) the antithesis, and the political liberation the synthesis.“ 50 Die Konstruktion der schwarzweiß Dichotomie und Rassenordnung ist eine unmittelbare Folge des Kolonialismus, die eine „koloniale Membran“ zwischen Kulturen (William Kentridge) etabliert hat, die bis heute nachwirkt. Im Kongo wird in den 1960er Jahren die schwarzweiß Dichotomie durch das sogenannte Authenticité Programm des korrupten Diktators Mobutu Sese-Sekos noch verstärkt, das demonstrativ auf die Autonomie vom imperialen Westen und die Renationalisierung der Staatsidentität ausgerichtet war. In der Inszenierung und den Reflexionen des als zeitgenössisch und kritisch bekannten Faustin Linyekula lassen sich Stereotypisierungen erkennen.Vier Aspekte scheinen für die vorgeschlagene Perspektivierung von Bedeutung: Erstens die Profilierung einer Außenseiterfigur, mit der sich Faustin Linyekula im Modus der Darstellung identifiziert: „Ich musste mich physisch auf der Szene wiedererkennen. Ich brauche einen schwarzen Körper.“ 51 Zweitens die (Uni-) Formierung des ‚weißen‘ Corps de Ballets, drittens das historische Zitat der Aufführung von La Création du Monde aus dem Jahr 1923 und viertens die rhetorische Polemik gegen das Ballet Nègre, gesprochen vom einzigen dunkelhäutigen Tänzer Djodjo Kazadi. Dieser hat bis zu seinem letzten Auftritt meist nur beobachtet oder vereinzelt ins Geschehen eingegriffen, wenn er beispielsweise am Beginn einer Tänzerin ihren Ganzkörperanzug reicht oder schließlich das nach Vorlage von Fernand Léger rekonstruierte Bühnenbild aufbaut. Faustin Linyekula lässt in einem Gespräch mit dem Philosophen Jean-Luc Nancy die Figur als „schwarzen Diener“ gelten, der tänzerisch durch eine gewisse Pulsation („ein Vibrieren in den Hüften“) charakterisiert ist. 52 In einer Art Umkehrung der Anordnung des historischen La Création du Monde (von der amorphen Masse zu Figuren) verwandeln sich im Prolog die am Beginn noch einzeln erkennbaren tanzenden Figuren durch ein gleichförmig (gleichbleibende Phrasierung, gleichmäßige Kraft) ausgeführtes Bewegungsvokabular aus dem Repertoire der zeitgenössischen Ballett- und Tanztechniken und durch die repetitive Choreographie in eine einheitliche Gruppe. 44 Nicole Haitzinger Die Kostümierung mit eng anliegenden schillernden Trikots intensiviert den Eindruck der Uniformität. Es ist nicht die Überschreitung von Formen und die zeitweise radikale Zersetzung der Figur, die die Künstler der Les Ballets Suédois und Josephine Baker mit beinahe gegensätzlichen Mitteln erprobten, sondern ein bewegungstechnisch koordinierter und regulierter Moment der scheinbaren Aussetzung von Formgebung in Linyekulas Choreographie. Die Überschreitung findet in La Création du Monde 1923 - 2012 auf einer anderen Ebene statt, nämlich über einen rhetorischen Gestus der Wut im Epilog, wo die Künstler der Moderne angeklagt werden, ein „Negerballett ohne Neger“ aufzuführen. 53 Am Ende rebelliert die Figur gegen die historische „Blindheit gegenüber der Wunde Afrikas“ und die Ausblendung der „Ähnlichkeit des erlebten Leids“ von Europa im ersten Weltkrieg und von Afrika durch Kolonisationsgewalt. 54 Faustin Linyekula polemisiert gegen den blinden Fleck der Les Ballets Suédois und ihre künstlerische Inkorporierung eines afrikanischen Phantasmas, gleichzeitig erkennt er seinen eigenen nicht, nämlich seine Enthistorisierung des Verhältnisses von Politik und Ästhetik, das spezifiziert und ausdifferenziert werden könnte/ müsste. A mysterious thing said e. e. cummings: Figuration II: Melancholie Im Jahr 1996 präsentiert die portugiesische Choreografin Vera Mantero eine richtungsweisende Inszenierung des zeitgenössischen Tanzes mit dem außergewöhnlichen Titel A mysterious thing said e. e. cummings. 72 Jahre nach Josephine Bakers „Danse sauvage“ Auftritt im Finale der Revue Nègre und 25 Jahre nach der Nelkenrevolution, nach dem Ende des portugiesischen Kolonialkriegs und der Kolonialherrschaft in Afrika erscheint eine Figur auf der Bühne, die eine formale Ähnlichkeit mit der Tänzerin der 1920er Jahre zu haben scheint. Ich zitiere den Performancetheoretiker André Lepecki: [. . .] her body is not a ‚vehicle‘ for Baker’s body, it does not intend to represent it. If something is voiced, if something is referenced, it is not the body of the other, or the voice of the other, but the lament of the shared violence and profound sadness produced on the racialized field. 55 Im total verdunkelten Theatersaal hört man teils verzögerte und unbestimmte, klopfende Geräusche auf dem Holzboden. Plötzlich tritt Stille ein, jemand/ etwas scheint sich in der Bühnenmitte zu befinden. Langsam erscheint in einem eng fokussierten Lichtkegel ein geschminktes und maskenähnliches weibliches Revue-Gesicht (artifiziell weiße Haut, blau-glitzernder Lidschatten, lange künstliche Wimpern und ein sehr roter Mund) mit ruhiger, wachsamer Mimik. Der Akt des poetischen Sprechens mit dem Körper beginnt: Repetitiv, lamentierend und mit der physiologisch ausgeprägten Lautlichkeit einer tragischen Klage; ähnlich werden dieselben Worte wiederholt und sprachlich wie gestisch unterschiedlich akzentuiert. 56 An intolerance A non-vision An inablility A desire An emptiness An emptiness An emptiness An emptiness A tenderness A fall An abyss A joy (Vera Mantero, 1996) 57 Langsam wird der Rest des Körpers sichtbar, der im Gegensatz zum Gesicht bis auf die Hände mit braunem Make-Up geschminkt 45 Überschreitung der Formen und Zersetzung der Figur ist. Auf der Stirn verweist die typische Locke auf die Tänzerin und Kunstfigur Josephine Baker. Durch die zeitgleiche Erscheinung des ‚weißen‘ und ‚schwarzen‘ Körpers wird das Phantasma der zutiefst metaphysischen und abstrakten Rassen-Konstruktion offengelegt. Der dritte Aspekt der ‚Kostümierung‘, der zunächst hörbar, dann durch die Instabilität der Figur erfahrbar und schließlich sichtbar wird, sind Ziegenhufen, auf denen Vera Mantero en demipointe steht: „The doubly racialized woman uncovers yet another trap of colonialistic, patriarchal, and choreographic subjectivities - her body is also bestial“. 58 Nicht nur der Tanz der Josephine Baker, sondern der Artikel Vive la Folie von E. E. Cummings über die Revue und über Josephine Baker ist Referenz für Vera Manteros inszenatorische und choreographische Anordnung. Nicht zufällig ist der Titel des Stückes ein entlehntes und gleichzeitig modifiziertes Cummings-Zitat: Aus „a mysterious unkillable something“ wird „a mysterious thing“. Man könnte noch zahlreiche weiter Bezüge zwischen dem Text und der Inszenierung herstellen. 59 Über die Dauer der Performance zeichnen sich durch den liquiden Schweiß Spuren in den bemalten farbigen Körper, die als weiße Narben sichtbar werden. Die Bewegungsmöglichkeiten sind durch das Stehen auf Ziegenhufen limitiert. Die motorischen Aktivitäten beschränken sich auf die andauernde Verlagerung von Körperschwere zur Beibehaltung einer prekären Balance und die spezifische Artikulation der Arme, Hände und Finger zu poetischen Gesten. Diese ist durch eine hohe Variabilität in der Aufwendung und Verteilung von Energie gekennzeichnet. In A mysterious thing said e. e. cummings treten gleichzeitig drei im „melancholischen Feld des europäischen Postkolonialen“ situierbare Imagines in Erscheinung: der kolonialisierte Sklavenkörper, der sexualisierte Revue-Körper und der instrumentalisierte Ballettkörper, deren Gemeinsamkeit die Erfahrung von Schmerz ist. 60 Manteros unmittelbar verkörperte poetische Klage wird zum Ausdruck der radikalen Isoliertheit einer singulär pluralen Figur, die einen transsubjektiven Blick auf die Grausamkeit der kolonialistischen Praxis (im Politischen wie im Ästhetischen) erlaubt. Ein zweiter wesentlicher Aspekt ist, dass über Vera Manteros tänzerischen Erfahrungskörper die komische und parodistische performative Qualität ihrer Referenzfigur Josephine Baker als Mittel zur temporären Subvertierung von Klischees und Stereotypen, wenn auch schattiert, durchscheint. Die zeitgenössischen Inszenierungen von Faustin Linyekula und Vera Mantero zeichnen sich im Unterschied zu ihren historischen Referenzen weder durch die Überschreitung von Formen noch durch die Zersetzung der Figur aus, sondern vielmehr durch Akte der Formalisierung und Profilierung von Figuren/ Figurationen im postkolonialen (und posthistorischen) Narrativ. Doch während in A mysterious thing said e. e. cummings eine eigene Diskursfähigkeit des Tanzes im theatralen Ereignis existiert, entschwindet in La Création du Monde 1923 - 2012 in seiner „Serie von Zitaten“ - sprich der Außenseiterfigur, der europäischen Tanztechniken und der historischen Re-Kreation - eine mögliche ereignis- und zugleich diskursgenerierende Qualität des Tanzes. 61 Anmerkungen 1 „Lamarck and Buffon explained phenotypic differences environmentally. Their evolutionary hypotheses, which proposed that non- Western people could potentially evolve to resemble Europeans, fell out of favor by late eighteenth century. Biology and race, many 46 Nicole Haitzinger Frenchman came to believe, determined man’s destiny, and biology was fixed, immutable. French science with its racialist thinking was the foundation for the study of exotic people in the new discipline of anthropology.“ Brett A. Berliner, Ambivalent Desire: The Exotic Black Other in Jazz-Age France, Amherst 2002, S. 5. 2 Brenda Dixon Gottschild, Digging the Africanistic Presence, in: American Performance. Dance and Other Contexts, Westport, Conn. 1996, XIV. 3 Siehe Nicole Haitzinger, Jack Hauser (2010), „Kannibalen wie tanzende Tierchen. Der Tanz, die Regimes, das Formlose und die Anthropophagie“, http: / / www.corpusweb. net/ kannibalen-wie-tanzende-tierchen.html [29. 08. 2016]. 4 Stuart Hall, Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2. Hamburg 1994, S. 142. 5 Ich verwende das postnicht als teleologische (prä-/ post), sondern als analytische Kategorie. 6 Vgl. Ina Kerner, Postkoloniale Theorien: Zur Einführung, Hamburg 2012, S. 110. 7 Vgl. ebd., S. 108. 8 Vgl. Berliner 2002; Rae Beth Gordon, Dances with Darwin 1875 - 1910, Vernacular Modernity in France. Farnham 2009. 9 Nancy Van Norman Baer, Paris Modern: The Swedish Ballet 1920 - 1925, San Francisco, Fine Arts Museum of San Francisco 1995, S. 27. 10 Christine Le Quellec Cottier (Hrsg.), Blaise Cendrars. Anthologie nègre. Petits contes nègres pour les enfants des blancs. Comment les blancs sont d'anciens noirs. La création du monde, Paris 2005, S. 467. 11 Die Techniken, auf die vor allem die Bildende Kunst zurückgreift, zielen einerseits auf die Reduktion von kulturellen Zeichen auf ein Minimum, Boris Groys spricht von den „schwachen Zeichen“ und vom „schwachen Universalismus“, und zum andern auf die Kannibalisierung von Jahrtausende alten Kulturtechniken (Max Henry). Diese Zeichen und Gesten zeichnen sich durch die Ausstellung/ Aufführung von eigentlich unsichtbaren Strukturen jenseits von kultureller Repräsentation aus. Beide werden als Konkurrenz für die starken Zeichen der Massenkultur und der Wiederkehr von klassischen Formeln etabliert. Vgl. Nicole Haitzinger, „Die ‚Anti-Künstlerin‘. Spuren einer alternativen Geschichte der Performance im Œuvre von Natalja Goncharova“, in: Nicole Haitzinger und Helmut Ploebst (Hrsg.), Versehen. Tanz in allen Medien, München 2011, S. 20 - 33. 12 „Après L’Espagne et l’Orient, le Congo et le Bénin une fois annexés, il ne restera plus que le Groenland de l’Esquimau Nanouk, ou bien les prairies des Sioux, à coloniser pour le ballet.“ André Levinson, La danse d’aujourd'hui: etudes - notes - portraits, Paris 1929, S. 399 - 400. 13 Le Quellec Cottier, Blaise Cendrars, S. 467. [Übersetzung: Nicole Haitzinger] 14 Gordon 2009. 15 Die Kunst referenziert dabei auf ein Modell, das nicht streng darwinistisch ist. 16 „Die moderne Zeitlichkeit ist paradox. Sie erfindet das Traditionelle, Ursprüngliche, Primitive als eine prä-historische Kategorie, die aber als moderne Kategorie durch und durch historisch ist. Die damit einhergehende Spaltung der Zeit in ‚vormodern‘ und ‚modern‘ machten es möglich, auf die Kunst der vermeintlich ‚Anderen‘, das heißt auf nichteuropäische Künste zurückzugreifen, die fortan als Residuum für unverstellte Kreativität, als Sehnsuchtstopos oder als Anfang der Kunst figurierten.“ Susanne Leeb, Die Kunst der Anderen, „Weltkunst“ und die anthropologische Konfiguration der Moderne, Frankfurt/ Main: Dissertation, 2013, S. 18. 17 Darius Milhaud, Notes Without Music, The Autobiography of Darius Milhaud, New York 1953, S. 148 - 149. 18 Ebd., S. 137. 19 André Levinson, der Fernand Léger als „Hohenpriester“ und „Gefängniswärter“ der göttlichen Mensch-Maschine in der Kunst bezeichnet, erkennt seine Referenzen und Kopien aus dem Repertoire der Ballets Russes: Larionows Insekten, die Vögel aus Coq d’Or, Picassos Manager aus Parade, den Stierkopf von Bakst aus Phedre, die in La 47 Überschreitung der Formen und Zersetzung der Figur Création du Monde in einem kohärenten Ensemble (konzise Lichtregie mit partieller Ausleuchtung und Kontrastierungen, monochrome Farbigkeit, und spezifische Rhythmisierung) zusammengefügt sind. Vgl. Levinson 1929, S. 393. 20 Ebd., S. 393. 21 Qu’ils se décident à être plus chorégraphes que vedettes, qu’il consent à devenir partie du spectacle „à égalité“, qu’ils acceptent le rôle de décor-mobile, qu’ils dirigent euxmêmes l’avènement de l’objet spectacle. Alors vous verrez apparaître sur la scène, nombre de moyens entièrement nouveaux qui jusque-là étaient restés dans l’ombre « dans la coulisse », alors vous aurez le mécanisme des inattendus plastique, qui pourront jouer et animer la scène.“ Fernand Léger, „Le Spectacle. Lumière. Couleur. Image mobile. Objet-Spectacle”, in: Bulletin de l'Effort moderne, n" 7-8 - 9, Paris 1924, S. 7. 22 „Mobilité continue de la scène par déplacements des décors mobiles et personnages fictifs ou réels. Animation de la scène par naissance d’un arbre et divers animaux.“ Le Quellec Cottier, Blaise Cendrars, S. 463. 23 Hal Foster, The Return of the Real: The Avant-garde at the End of the Century, Cambridge, Mass. 1996, S. 175. 24 Vgl. auch Felicia McCarren, Dancing Machines. Choreographies of the Age of Mechanical Reproduction, Stanford 2003, S. 127. „Although Cendrars’s program at time sounds like Marinetti’s, Cendrars here insists on the natural and democratic elements of such a programm, on technologies mobilized for popular entertainments, on the ‚savage‘, the indigenous or American, rather than elite or artificial, basis for such technologies.“ 25 Zur Problematik von Rekonstruktionen vgl. Nicole Haitzinger, „Re-Enacting Pavlova. Re-Enacting Wiesenthal. Zu Erinnerungskultur(en) und künstlerischen ‚Selbst‘-Inszenierungen“, in: Christina Thurner und Julia Wehren (Hrsg.), Original und Revival. Geschichts-Schreibung im Tanz, Zürich 2010, S. 181 - 192, vor allem S. 182 - 183. 26 Einen ersten Einblick in die Inszenierung liefert der Videozusammenschnitt http: / / www.youtube.com/ watch? v=49WYgv12REU [29. 08. 2016]. 27 Vgl. Claudia Jeschke, Tanz als Bewegungs- Text: Analysen zum Verhältnis von Tanztheater und Gesellschaftstanz (1910 - 1965), Tübingen 1999, S. 169. In La Création du Monde sind - darauf verweisen nicht nur die Rekonstruktion von Hodson/ Archer, sondern ebenso die Artefakte der Inszenierung (Fotografien, Kostümfigurinnen, Bühnenbild) und historische Rezensionen - die Bewegungskonzepte des Mobilisierens und des Koordinierens dominant. 28 Levinson 1929, S. 397. 29 Nach Jean Luc-Nancy ist dies nicht auf eine Aneignung reduzierbar, sondern führte zu einer Verschiebung der Tektonik, einer tiefgreifenden Veränderung Europas. Vgl. den Videomitschnitt vom Deutschen Tanzkongress (2013): La Création du Monde. Gespräch von Claire Rousier, Faustin Linyekula, Jean-Luc Nancy. http: / / www.tanzkongress.de/ de/ dokumentation/ video/ mitschnitte.html [29. 08. 2016] 30 Rae Beth Gordon weist nach, wie präsent im Pariser Unterhaltungstheater seit den letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts das Bewegungsvokabular war, das Josephine Baker aufgegriffen hat: „All of the mugging, jumping about and hyper-emotivity that Josephine cultivated in her persona was not new to Parisian stages: it too harkened back to epileptic singers. [. . .] we have to look backward to the 1880 s to see that the salient characteristics of Josephine Bakers performance style - angular, frenetic disarticulation, movement of every part of the body - were not new to Paris audiences. Finally, the unusual marriage of burlesque comedy and unashamed sexual appeal in both movement and undress that was Baker’s trademark had already constituted the novelty of epileptic singers fifty years earlier and as recently as seventeen years before the young black woman appeared in Paris. Granted, their bodies were not undressed to the same extend: they were neither naked nor black. [. . .] The vocabulary of epileptic movement, 48 Nicole Haitzinger contagion and epidemic remains the same, however, that vocabulary has to be reframed in the new historical context.“ Gordon 2009, S. 274. 31 Vgl. Bennetta Jules-Rosette, Josephine Baker in Art and Life: The Icon and the Image, Urbana 2007, S. 47. 32 Ein Film des Auftritts von 1925 ist nicht verfügbar. Einen Eindruck von Bakers Performance gibt folgender Filmausschnitt http: / / www.youtube.com/ watch? v=064oYkj 1LBw [02. 09. 2014]. 33 „By laws of its own structure, which are irrevocable laws of juxtaposition and contrast, the revue is a use of everything trivial or plural to intensify what is singular and fundamental.“ Cummings, S. 116. 34 Vgl. Nicole Haitzinger (2008), „‚Parade‘ von Friktionen. Choreographische Konzepte in der Zusammenarbeit von Jean Cocteau, Pablo Picasso und Léonide Massine“, http: / / www.corpusweb.net/ 10-ex-ante-qparadeq-von-friktionen-2.html [29. 08. 2016] 35 E. E. Cummings, „ Vive la Folie! Analysis of the ‚Revue‘ in General and the Parisian Revue in Particular”, in: Vanity Fair, September 1926, S. 116. „She enters the show twice: first - through a dense electric twilight, walking backwards, on hands and feet, legs and arms stiff, down a huge jungle tree - as a creature neither infrahuman no superhuman, but something both; a mysteriously unkillable Something, equally nonprimitive and uncivilized, or beyond time in the sense that emotion is beyond arithmetic.” 36 „Certaines pose de Miss Baker, les reins incurvés, la croupe saillante, les bras entrelacés et élevés en un simulacre phallique, la mimique de la face, évoquent tous les prestiges de la haute statuaire nègre. Le sens plastique d’une race de sculpteurs et les fureurs de L’Eros africain nous étreignent. Ce n’est plus le dancing girl cocasse que nous croyons voir: c’est la «Venus noire » qui hanta Baudelaire. Sa personnalité dépasse le genre.“ Levinson 1929, S. 277. Der Tanzkritiker präsentiert sich als genauer Analyst des kurzen „Pas des deux des sauvages“ von Josephine Baker und Joe Alex, dem er eine herausragende Bestialität („une superbe bestialité“) zuschreibt. Levinson erfasst die herausragende performative Präsenz von Baker und ihre spezifischen Bewegungsqualitäten mit seinem konservativen und - wie die postkoloniale Theorie argumentiert - „kolonialistisch“ gefärbten Blick. Vgl. Mae Gwendoly, „Henderson, Colonial, Postcolonial and Diasporic Readings of Josephine Baker as a Dancer and Performance Artist“, in: S&F Online, Vol. 6, Issue 1/ 2, Fall 2007/ Spring 2008. http: / / sfonline.barnard. edu/ baker/ henderson_01.htm [29. 08. 2016] 37 Die aktuelle Forschung zu Josephine Baker kommt zur Erkenntnis, dass sie verschiedene rassistische Stereotypisierungen intentional überzeichnete, überblendete und auf diese Weise subvertierte. Vgl. beispielsweise Matthew Pratt Guterl, „Josephine Baker’s Colonial Pastiche”, in: Black Camera, 1.2, 2010, S. 25 - 37. „Colonial pastice, in this context, refers to several features of Baker’s performance, including her well-known propensity to appropriate or mimic the prevailing representations of colonial people. It extends, as well, to an over-the-top assemblage of a diversity of representations, parts, styles, and genres, a technique of performance that is implicitly parodic, if not deeply subversive in unsettling ways.“ (S. 26) 38 Analysiert man die verfügbaren Filmausschnitte des Tanzes, so wird deutlich, dass bei Baker Konzept des Regulierens in ihren motorischen Aktivitäten vorherrschend ist - das heißt, dass dynamische und energetische Wirkungsaspekte von Bewegung betont sind.Die Arm- und Beinbewegungen verlaufen simultan und mit starkem Rumpfbezug. Die Koordinierung in der Artikulation der Gliedmaßen ist vielfältig, doch unspezifisch. Auffallend ist das Federn des unteren Körpersektors und das Schwingen der Gliedmaßen, das heißt, dass sich Kraft und Körperschwere entsprechen und ein Eindruck größtmöglicher Elastizität erzeugt wird. Die Verteilung von Energie in der Dauer der motorischen Aktivitäten bleibt gleich und das bei höchstmöglichem Tempo. 39 Vgl. McCarren 2003, S. 160. Vgl. auch: „Baker’s merging of the beautiful and the comic, 49 Überschreitung der Formen und Zersetzung der Figur the exotic and the everyday, can be understood in these terms not as a simple collage of images but as the inclusion in her dancing both of choreographed form and elusive formlessness.“ (S. 174) 40 Josephine Baker, Ich tue, was mir paßt: Vom Mississippi zu den Folies Bergère, Frankfurt/ Main 1980, S. 71. In den von Marcel Sauvage aufgeschriebenen Memoiren aus dem Jahr 1927 - die Tänzerin ist gerade 21 Jahre alt und auf dem Höhepunkt ihrer Karriere - wird deutlich, wie sehr ihr Tanzen von der Verkörperung von erstens rhythmischimprovisatorischen Strukturen und zweitens des Komischen bestimmt ist. 41 „Es handelt sich darum, mit den Hüften zu wackeln, rechts herum, dann links herum, von einem Fuß auf den anderen, den Popo spielen zu lassen und mit den Händen zu wedeln. Seit einiger Zeit wird der Popo zu sehr versteckt. Er ist doch aber da, der Popo! “ Baker 1980, S. 59. 42 Harry Graf Kessler, Tagebucheintrag vom 13. 02. 1926, in: Wolfgang Pfeiffer-Belli (Hrsg.), Tagebücher, 1918 - 1937, Berlin 1967, S. 485. 43 Diese These unterstützt u. a. Gottschild 1996, S. 37. „Stars like Florence Mills, Josephine Baker, and many others unwittingly carried on the primitive legacy, their real contributions misinterpreted and their greatest potential untapped.“ Vgl. dazu auch Henderson 2008, S. 10. 44 „Les possédés sont devenus des « professionnels », mais par son singulier et inquiétant génie, une Joséphine Baker rejoint, d’un bond, la sauvageonne et, d’un autre, notre commun ancêtre animal, quand, courant sur les pointes de pieds et les paumes des mains, elle s’enfuit à quatre pattes dans la coulisse, à l’instar d’un gorille.“ Levinson, 1929, S. 278. 45 Vgl. Anne Anlin Cheng, Second Skin: Josephine Baker and the Modern Surface, New York 2011. „The spectacularization of skin on stage at the turn of twentieth century, instead of simply fulfilling a trajectory of colonial representation, also reveals how the textures of those representations transform and are transformed by the making of ‘modern nakedness‘, be it on buildings or bodies.“ S. 38. 46 Zum Tier-Werden und Ding-Werden in den späten 1920er Jahren, vgl. Georges Didi- Huberman, Formlose Ähnlichkeit oder die Fröhliche Wissenschaft des Visuellen nach Georges Bataille, München 2010, S. 183. 47 Vgl. Paul Gilroy, The Black Atlantic: Modernity and Double Consciousness, Cambridge 1993. 48 Vgl. Anna Wieczorek, „Interkulturelle Verständigung? La Création du Monde 1923 - 2013 von Faustin Linyekula“, unveröffentlichter Vortrag. Ich danke der Autorin für das Manuskript. 49 Ich entlehne dieses Denkmodell von Judith Butler, „Performative Akte und Geschlechterkonstitution. Phänomenologie und feministische Theorie“, in: Uwe Wirth (Hrsg.), Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main 2002, S. 317. 50 Valentin Y. Mudimbe, The invention of Africa: gnosis, philosophy and the order of knowledge, Bloomington 1988, S. 93. 51 Vgl. den Videomitschnitt vom Deutschen Tanzkongress (2013): La Création du Monde. Gespräch von Claire Rousier, Faustin Linyekula, Jean-Luc Nancy. http: / / www. tanzkongress.de/ de/ dokumentation/ video/ mitschnitte.html [29. 08. 2016]. 52 Vgl. ebd. 53 Vgl. ebd. 54 Ebd. 55 André Lepecki, „The melancholic dance of the postcolonial spectre. Vera Mantero summoning Josephine Baker“, in: André Lepecki, Exhausting dance: performance and the politics of movement, New York 2006, S. 114. 56 Ein erster Eindruck vermittelt sich durch das Dokumentationsvideo http: / / www.frequency.com/ video/ one-mysterious-thingsaid-ee-cummings/ 76295580/ -/ 5 - 30039 [29. 08. 2016]. 57 Hierbei handelt es sich um eine eigene Transkription des in der Inszenierung A mysterious thing said e. e. cummings (1996) von Vera Mantero gesprochenen Texts. 58 Lepecki 2006, S. 115. 50 Nicole Haitzinger 59 Wie beispielsweise Worte, die aufgegriffen werden („atrocious“), oder Beschreibungen der Körperlichkeit „at once liquid and racial“, „a creature neither infrahuman or superhuman“ oder das gestische Singen, die zu wesentlichen Aspekten der zeitgenössischen Performance werden. 60 Lepecki 2006, S. 122. 61 Im Gespräch mit Claire Rousier und Jean- Luc Nancy beim Tanzkongress 2013 erläutert Faustin Linyekula seinen künstlerischen Zugang. „Die Idee des Zitats spricht mich an [. . .] Wie kann ich eine Sprache erfinden, die immer eine Fremdsprache sein wird, wenn man nie schreibt [. . .], wenn man im Bewusstsein die Ruinen hat.“ Die Situation im Kongo („alles ist kaputt“) fordert ihn heraus, eine Sprache zu erfinden, in eine Serie von Zitaten so aneinander gefügt ist, dass es den „Anschein eines Ganzen hat.“ Vgl. den Videomitschnitt vom Deutschen Tanzkongress (2013): La Création du Monde. Gespräch von Claire Rousier, Faustin Linyekula, Jean-Luc Nancy. http: / / www. tanzkongress.de/ de/ dokumentation/ video/ mitschnitte.html [29. 08. 2016] 51 Überschreitung der Formen und Zersetzung der Figur