eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 47/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
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Narr Verlag Tübingen
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2018
472 Gnutzmann Küster Schramm

Barbara HINGER: Sprache lehren – Sprache überprüfen – Sprache erwerben. Empirie- und theoriebasierte Einsichten in den schulischen Spanischunterricht: eine Fallstudie. Trier: WVT 2016 (Studien zur Fremdsprachendidaktik und Spracherwerbsforschung; Band 8), 324 Seiten [37,50 €]

2018
Marcus Bär
Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 143 47 (2018) • Heft 2 Barbara H INGER : Sprache lehren - Sprache überprüfen - Sprache erwerben. Empirie- und theoriebasierte Einsichten in den schulischen Spanischunterricht: eine Fallstudie. Trier: WVT 2016 (Studien zur Fremdsprachendidaktik und Spracherwerbsforschung; Band 8), 324 Seiten [37,50 €] Bei dem hier rezensierten Werk handelt es sich um eine überarbeitete und aktualisierte Fassung der im Jahr 2011 an der Universität Innsbruck eingereichten Habilitationsschrift der Verfasserin. Der Fließtext umfasst inkl. Literaturverzeichnis und Anhang 309 Seiten. Das Erkenntnisinteresse gilt der Frage, „inwieweit im schulischen Spanischunterricht vermittelte morphosyntaktische Sprachstrukturen jenen in schriftlichen Überprüfungen entsprechen und ob […] diese in mündlichen, spontansprachlichen Äußerungen von den Spanischlernenden erworben und verwendet werden“ (1). Bereits an dieser Stelle wird die enge Verbindung von sprachwissenschaftlichen und sprachdidaktischen Aspekten deutlich. Als Zugang für ihre Untersuchung wählt die Verfasserin drei verschiedene Datensätze bzw. Erhebungsinstrumente: a) teilnehmende Beobachtung bzw. Videoaufnahmen des Spanischunterrichts an berufsbildenden höheren Schulen in Österreich, b) Analyse der eingesetzten Überprüfungen bzw. Tests sowie c) Gespräche mit einzelnen Schülerinnen zur Ermittlung der mündlichen Spontansprachdaten. Die Studie fokussiert dabei - wie weiter unten näher beschrieben - insbesondere die Grammatik als sprachliche Kompetenz. Die drei erhobenen Datensätze werden sowohl unter quantitativen als auch unter qualitativen Aspekten analysiert und ausgewertet, d.h. es geht zum einen um die (zeitliche) Gewichtung der beobachteten Sprachfertigkeiten und sprachlichen Kompetenzen und zum anderen um die Art der Vermittlung und Überprüfung sowie die Erhebung der mündlichen Lernersprache. Die drei Datensätze werden schließlich trianguliert, so dass die Verfasserin ihre Fallstudie letzten Endes als „hybride Studie“ bezeichnet, „in der prozess- und produktorientierte Forschungsverfahren zur Anwendung gelangen […]“ (3). Insgesamt zeichnet sich die Studie zudem als forschungsdisziplinenübergreifend (Spracherwerbsforschung / Sprachtestforschung) aus. In Kapitel 1 werden einleitend neben dem Erkenntnisinteresse der Studie auch die Schule, an der die Untersuchungen durchgeführt wurden, und die 35 Probandinnen, die an den Untersuchungen teilgenommen haben, näher beschrieben. Hierfür wird ein Fragebogen zur Sprach- (lern)biographie quantitativ ausgewertet (13-18). Kapitel 2 gibt die Ergebnisse der (passiv-teilnehmenden) Unterrichtsbeobachtungen wieder. Bei der quantitativen Analyse der insgesamt 30 aufgezeichneten und transkribierten Unterrichtseinheiten werden zunächst zwei Bereiche differenziert, und zwar a) die sprachlichen Fertigkeiten Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben, Hör-/ Sehverstehen und b) die sprachlichen Kompetenzen Grammatik, Wortschatz, Aussprache. Allein aus dieser Aufstellung wird die in Teilen fehlende Trennschärfe der Kategorien bzw. Bereiche deutlich, so dass eine korrekte Zuordnung eines ‚Unterrichtsgegenstands‘ nicht immer gewährleistet ist. Die Verfasserin ist sich dieser Problematik bewusst und kommt zu folgendem Schluss: „Ausschlaggebend für die Zuordnung zu einem Analysebereich ist […] der von der Lehrperson genannte Fokus“ (25). Inwieweit sich die Schülerinnen mit einer entsprechenden Kategorisierung einverstanden erklären würden, bleibt unberücksichtigt bzw. fließt nicht in die Auswertung mit ein. Unabhängig hiervon stellt die Verfasserin in den beobachteten Unterrichtseinheiten des zweiten und dritten Lernjahres insgesamt eine hohe und durchgehende Grammatiklastigkeit fest: Der (zeitliche) Grammatikanteil schwankt pro Unterrichtseinheit zwischen 11,7% und 92,8% - im Mittel liegt er bei ca. 48%. Auch die qualitative Analyse, deren Kriterien auf S. 48 ff. ausführlich beschrieben werden, zeigt für beide Lernjahre einen ‚prototypischen Grammatikunterricht‘. Die Verfasserin zieht für ihre Einschätzung mehrere Unterrichtsbeispiele heran 144 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 47 (2018) • Heft 2 und zieht folgende - ernüchternde - Schlussfolgerung: „Damit erweist sich der beobachtete Grammatikunterricht insgesamt als klassisch-herkömmliche, überwiegend sprachsystembezogene, formfokussierende und auf explizites Regelwissen ausgerichtete, meist deduktive Instruktion, der insbesondere den ersten beiden Phasen des Präsentierens und Praktizierens des klassischen PPP-Modells Rechnung trägt“ (84). Die Ergebnisse bestätigen u.a. die These von Zimmermann (1984) und machen deutlich, dass sich trotz der Orientierung aktueller Schulcurricula und Rahmenpläne am GeR „keine deutlich beobachtbare Bewegung hin zu einer pragmalinguistischen Betrachtung von Grammatik“ zeigt (90). Kapitel 3 analysiert die schriftlichen Überprüfungen, die während der Beobachtungsphase von den Schülerinnen zu bearbeiten waren, zunächst qualitativ hinsichtlich der von der Sprachtestforschung vorgeschlagenen Aufgabenmerkmale und sodann quantitativ hinsichtlich der anberaumten Zeit und der Itemanzahl. Untersucht werden Aufgabenformate zur Überprüfung des Wortschatzes (3.2.2), der Grammatik (3.2.3), von Wortschatz und Grammatik (3.2.4), der rezeptiven Fertigkeiten (3.2.5) sowie des Schreibens (3.2.6). Nach der allgemeinen Beschreibung von Test(güte)kriterien sowie der Erläuterung von Testaufgabenmerkmalen geht die Verfasserin dezidiert auf die einzelnen im Unterricht eingesetzten Aufgabenformate ein und unterzieht sie einer Analyse auf der Grundlage der zuvor beschriebenen Merkmale. Sie stellt abschließend Folgendes fest: „Damit scheint sich die in der unterrichtlichen Vermittlung festgestellte Grammatiklastigkeit in den schriftlichen Überprüfungen sowohl gemäß deren Zeitanteil als auch in ihrer Itemrelation zu spiegeln“ (170). Die einzelnen Analyseschritte werden sehr präzise dargestellt und zudem durch diverse Tabellen und übersichtliche Grafiken ergänzt. Die ausgewählten Analysekriterien sind - wie bereits in Kapitel 2 - intersubjektiv nachvollziehbar und bestens geeignet, dem Erkenntnisinteresse der Studie gerecht zu werden. In Kapitel 4 findet eine Triangulierung der in den beiden vorherigen Kapiteln beschriebenen Ergebnisse statt. Es soll geklärt werden, „ob in den schriftlichen Überprüfungen von den Lernerinnen das ermittelt wird, was im Unterricht vermittelt und praktiziert wurde“ (176). Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass sowohl im zweiten als auch im dritten Lernjahr eine inhaltliche Teilvalidität vorliegt, da zum einen sprachliche Fertigkeiten und zum anderen sprachliche Kompetenzen unterrichtet und überprüft werden. Lediglich der Bereich der Landeskunde wird keiner schriftlichen Überprüfung zugeführt; aufgrund des Erkenntnisinteresses der Arbeit bleibt dieser Aspekt im weiteren Verlauf unberücksichtigt. Dies erscheint bedauerlich, wenngleich eine Diskussion über die Messbarkeit landeskundlichen Wissens als Grundlage interkultureller Kompetenz den Rahmen der Arbeit gesprengt hätte und an dieser Stelle nicht zu erwarten war. Die beschriebene Inhaltsvalidität wird durch eine detaillierte Analyse der jeweiligen Zeitanteile und der Itemanzahl relativiert: So steht bspw. im zweiten Lernjahr die Fertigkeit Schreiben zu 0,6% im Fokus des Unterrichts, sie wird allerdings zu 19,5% in Tests überprüft (vgl. 182). Für beide Lernjahre gilt, dass der Grammatikanteil im Unterricht und in den Überprüfungen zwar unterschiedlich hoch ist, aber in beiden Bereichen jeweils die höchsten Zeitbzw. Itemanteile erreicht. In Bezug auf den Grammatikbereich erweist sich vor allem der Verbalbereich als inhaltsvalide (vgl. 186, 189). Somit kann festgehalten werden, dass grosso modo in den Überprüfungen das ermittelt wird, was im Unterricht vermittelt wurde (vgl. 192). Kapitel 5 widmet sich der Analyse der Lernersprache und soll zeigen, „ob die im Spanischunterricht vermittelten und überprüften morphosyntaktischen Strukturen von den Probandinnen auch im spontanen Sprachgebrauch zur Anwendung gelangen“ (194). Die Datenerhebungen erfolgen zu drei Zeitpunkten: am Anfang, in der Mitte und am Ende des Beobachtungszeitraums. Die Probandinnen erhalten hierfür jeweils einen schriftlichen Impuls, Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 145 47 (2018) • Heft 2 der z.T. durch einen Bildimpuls ergänzt wird. Für die Aufbereitung der Daten kommt neben einer Transkriptionssoftware auch die Software KWIC Concordance for Windows zum Einsatz, die u.a. die Gesamtzahl der vorkommenden tokens, die Zahl der geäußerten types und deren Relation angibt und somit die Basis für die Auswertung darstellt. Die Ergebnisse sind auf den ersten Blick wenig überraschend: So steigt z.B. die Anzahl der tokens und der types auf Spanisch vom Messzeitpunkt 1 zum Messzeitpunkt 3 im zweiten Lernjahr an (vgl. 205), die Probandinnen des dritten Lernjahres verfügen sowohl über eine flüssigere Verwendung des Spanischen als auch über eine größere Wortschatzvielfalt als diejenigen des zweiten Lernjahres, so dass sich diese Lerngruppe „am monolingual ausgeprägten Ende des language mode continuums ansiedelt“ (212). Da die Unterrichtsbeobachtungen und die schriftlichen Überprüfungen die höchsten Zeitbzw. Itemanteile bei den grammatischen Strukturen (insbesondere im Verbalbereich) verzeichnen, wurde die Lernersprache auch auf diese Aspekte hin untersucht: Die Gruppenergebnisse zeigen, dass sowohl die Anzahl finiter Verbformen (in absoluten Zahlen) als auch die zielsprachenadäquate Verwendung (in Prozenten) in beiden Lernjahren mit der Zeit von 233 auf 960 bzw. von 80 auf 98 Prozent ansteigt (vgl. 217f.). Allerdings machen die Tabellen und die Kommentierungen hinsichtlich der individuellen Ergebnisse der Probandinnen in Kapitel 5.4.2 deutlich, dass lediglich das Indikativ Präsens und das indefinido weitgehend als erworben gelten können. Tabelle 114 zeigt darüber hinaus zusammenfassend, dass auch am Ende des dritten Lernjahres die meisten Vergangenheitszeiten bei den Probandinnen als nicht erworben eingestuft werden müssen (vgl. 246). In Kapitel 6 erfolgt schließlich eine resümierende Ergebnistriangulierung. Die Untersuchungen der Verfasserin zeigen, dass insgesamt eine geringe Übereinstimmung zwischen vermittelten, überprüften und erworbenen Verbalstrukturen im Spanischunterricht existiert: Das Konstrukt Grammatik definiert sich im Unterricht und in den Überprüfungen als explizites, deklaratives Regelwissen - die spontane Lernersprachenproduktion erfordert demgegenüber aber ein implizites, prozedurales Anwenden von Sprachstrukturen! Die Verfasserin sieht in der Entschleunigung sowohl des Unterrichts als auch von Überprüfungen eine denkbare Lösung (vgl. 278). Der Vorschlag wird allerdings leider nicht näher ausgeführt, so dass m.E. am Ende des Werkes konkrete unterrichtsmethodische Alternativvorschläge fehlen, mit deren Hilfe die gewünschte Konstruktvalidität hergestellt werden könnte. Diese wiederum würde dazu führen, dass die im Unterricht vermittelten und überprüften Strukturen von den Probanden auch tatsächlich erworben werden (könnten). Die Untersuchungsergebnisse sprechen eine klare Sprache, allerdings können sie allenfalls eine (häufig beklagte) Tendenz bekräftigen. Zur Untermauerung sind daher zukünftig das Einbeziehen mehrerer Schultypen und mehrerer Lehrpersonen erforderlich, um Aussagen auf einer breiteren empirischen Basis machen zu können. Wuppertal M ARCUS B ÄR Frank R ABE : Englischsprachiges Schreiben und Publizieren in verschiedenen Fachkulturen: Wie deutschsprachige Forscher mit der Anglisierung der Wissenschaftskommunikation umgehen. Tübingen: Narr Francke Attempto 2016, 375 Seiten [68,- €] Die zentrale Bedeutung des Englischen als Wissenschaftssprache wird zumeist als unabdingbare Konsequenz einer fortschreitenden Internationalisierung des Wissenschaftsbetriebes beschrieben, die sich sowohl in vermehrter Publikationstätigkeit auf Englisch als auch in steigenden Kursangeboten in englischer Sprache an Universitäten außerhalb des englischsprachi-