eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 47/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2018
472 Gnutzmann Küster Schramm

Bernt AHRENHOLZ, Britta HÖVELBRINKS, Claudia SCHMELLENTIN (Hrsg.): Fachunterricht und Sprache in schulischen Lehr-/Lernprozessen. Tübingen: Narr Francke Attempto 2017, 322 Seiten [49,00 €]

2018
Dominik Rumlich
Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 137 47 (2018) • Heft 2 R OTERS Beitrag befasst sich primär mit Professionalisierung und Profession von Englischlehrkräften in weiterführenden Schulen, liefert allerdings für den Primarbereich hinreichende Ansatzpunkte für weitere Forschung und Diskussionen. Die Autorin verdeutlicht, dass sprachliche Kompetenz der Englischlehrkräfte nie Zentrum der fachlichen Wissenskomponente ist, sondern es eher um Wissen über die Zielsprache geht (S. 170f.; vgl. auch D ETERS - P HILIPP ). Hier sieht R OTERS zu Recht Bedarf an der Entwicklung geeigneter Instrumente, die die tatsächliche Sprachkompetenz der Lehrkräfte testen können (S. 172). Obschon die Professionalisierung und Professionalität von (Englisch-)Lehrkräften ausgiebig untersucht und diskutiert wird, zeigen die (Meta-)Analysen und eigenen Ergebnisse der Beitragenden, dass zu Englischunterricht im Primarbereich weiterer Forschungsbedarf besteht. Insgesamt ist positiv zu bewerten, dass alle vier klar strukturierten Sektionen die Bandbreite empirischer Untersuchungsdesigns sichtbar machen. Empirische Forschung muss ein Teil von Schule und Unterricht sein, um Prozesse abseits eines vereinfachenden Pragmatismus zu verstehen und Zusammenhänge aufzudecken. Zu Recht findet eine durchaus kritische Auseinandersetzung mit Empirie im Schulkontext statt. Die Komplexität der in einer Klasse stattfindenden Interaktionen geht weit über statistische Korrelationen einzelner Faktoren, wie z.B. Fachwissen der Lehrkräfte und guter Unterricht, hinaus (R OTERS , S. 178). Des Weiteren ist zu würdigen, dass in allen Beiträgen das Potential der Forschung zum Englischunterricht im Primarbereich erkannt, für eigene Studien genutzt und Desiderata klar benannt werden. Dabei sind nicht nur die Lehrkraft als Person mit ihren Überzeugungen und Einstellungen in den Blick zu nehmen, sondern auch die zahlreichen Faktoren, die bereits während der ersten Phasen der Lehrer(innen)bildung auf die Lehrkräfte Einfluss nehmen, wie z.B. die eigene Sprachkompetenz sowie die Qualität der universitären Lehre. Eine der vielen noch offen bleibenden Fragen ist, inwiefern sich die Vielzahl empirischer Forschungsergebnisse tatsächlich auf die Lehrer(innen)bildung und Curriculaentwicklung auswirkt (und wann). Diese Frage bedarf einer fundierten Diskussion. Es ist eine Diskussion, die durch alle Beiträge des Bandes gefordert und auch neu initiiert wird. So sollten in die Etablierung und Implementierung neuer universitärer Programme auch prinzipielle Fragen miteinfließen, wie sie bspw. R OSSA am Ende seiner Ausführungen formuliert: „How can we empower beginning teachers to face the conflicting expectations, requirements and tasks apparent in their professional contexts and allow them to experience a greater congruence of their beliefs and practices? “ (S. 206). Hannover S TEFANIE F UCHS Bernt A HRENHOLZ , Britta H ÖVELBRINKS , Claudia S CHMELLENTIN (Hrsg.): Fachunterricht und Sprache in schulischen Lehr-/ Lernprozessen. Tübingen: Narr Francke Attempto 2017, 322 Seiten [49,00 €] Der Band widmet sich der (Bedeutung von) Sprache in schulischen Lehr- und Lernkontexten und befindet sich in guter Gesellschaft einer Reihe von Publikationen zu diesem Thema in den letzten zehn Jahren. Die Beiträge sind schwerpunktmäßig aus dem 2014er Symposion Deutschdidaktik hervorgegangen und spiegeln folglich v.a. ebendiese Perspektive wider, wobei ein Viertel der 32 Autorinnen und Autoren fachliche Verbindungen jenseits der Germanistik aufweist. Die betrachteten Fächer (Biologie, Deutsch, Geographie, Geschichte, Politik, Mathematik, Physik, Sachunterricht), Schulstufen (Primar-/ Sekundarstufe I/ II), Schulformen (Hauptschule, Realschule, Gesamtschule, Gymnasium) und Länder (Deutschland, 138 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 47 (2018) • Heft 2 Schweiz) decken insgesamt ein breites Spektrum ab. Das selbstgesteckte Ziel „sprachliche Anforderungen, Erscheinungsformen und Aneignungsprozesse zu beschreiben“ (S. 8) wird dabei aus der Perspektive der Unterrichtsmaterialien, der Lehrkräfte und der Lernenden zumeist empirisch verfolgt. Der erste Beitrag zum Themenkomplex Unterrichtsmaterialien von A HRENHOLZ / H ÖVEL - BRINKS / N EUMANN stellt eine linguistische Analyse von Verben und verbhaltigen Strukturen in den Mittelpunkt, die auf einer Pilotstudie mit 59 Schulbuchseiten aus Biologie- und Geographielehrwerken der 7. und 8. Klasse basiert. Ihre Ergebnisse zeigen ein häufiges (Einzel-) Vorkommen wenig frequenter Verben und einen hohen Anteil an Partikel- und Präfixverben, die bei Lernenden zu Verständnisschwierigkeiten führen könnten. Es wird zudem die Relevanz der Betrachtung von verbhaltigen (Mehrwort-)Strukturen hervorgehoben. Anhand eines gymnasialen Mittelstufenbeispiels beschreibt und analysiert D RUMM den multicodalen Aufbau eines Sachtextes, wie er typischerweise in Biologiebüchern zu finden ist; schwerpunktmäßig werden die Charakteristika von Text und Bild sowie ihrer Interaktion thematisiert. Dies wird flankiert von der Darstellung der Anforderungsbereiche und der Entwicklung mentaler Modelle als eines der zentralen Lernziele des Faches. Sie zeigt dabei einzelne lerntheoretische Anknüpfungspunkte auf und verbindet diese z.T. mit didaktischen Schlussfolgerungen. In ihrem überblicksartigen Artikel zum Lernen mit Physikschulbüchern stellen H ÄRTIG / K OHNEN verschiedene theoretische Aspekte, empirische Ergebnisse und didaktische Überlegungen zur Begriffs- und Konzeptbildung bei Schülerinnen und Schülern dar. Sie unterstreichen dabei die Wichtigkeit sowohl der Sprachförderung als explizitem Lernziel als auch der interdisziplinären Forschung zur simultanen Förderung des Fach- und Sprachlernens. Auf der Basis einer linguistischen Analyse von Biologietexten aus schweizerischen Schulbüchern der Sekundarstufe I entwickelten S CHMELLETI / D ITTMAR / G ILG / S CHNEIDER eine vierstufige Leseprozessbeobachtung von Lernenden zur Eruierung und Optimierung schwierigkeitsgenerierender Merkmale. Sie werden detailliert beschrieben und stellen sich als vielfältig, komplex und interagierend heraus, so dass zur Vereinfachung lexikalische und syntaktische Anpassungen nicht ausreichten, sondern inhaltliche und strukturelle Reorganisationen des Textes nötig wurden. Im Kontext von acht Doppelstunden in einer 8. Klasse analysiert M AAK die „sprachliche Beschaffenheit des fachlichen Inputs im Fach Biologie“ (S. 93). Unter Zuhilfenahme eines konzeptorientierten Ansatzes vollzieht sie dabei einen Vergleich der Verbalisierung von Bewegungsereignissen durch das Schulbuch (schriftlich) und durch die Lernenden im Unterricht (mündlich). Abgesehen von reduzierter Komplexität der mündlichen Äußerungen zeigen sich vermehrt grundlegende Ähnlichkeiten. Der Buch-Abschnitt zur Perspektive der Lehrkräfte wird eingeleitet von K LEINSCHMIDT mit einer Untersuchung zum intraindividuellen Sprachgebrauch von je einer weiblichen und einer männlichen Lehrkraft im Fach Deutsch an einem Gymnasium (und Sachkunde/ Biologie an einer Grundschule) über verschiedene Jahrgangsstufen hinweg. Für die exemplarisch analysierte Wortart Adjektiv zeigen sich die erwartbaren jahrgangsbezogenen Unterschiede im Bereich konzeptioneller Schriftlichkeit bzgl. der untersuchten Dimensionen Komplexität, Integration und Differenziertheit. Wie je sieben Lehrkräfte in vier Gruppendiskussionen videographierte unterrichtliche Erklärungen und Begründungen von Lernenden in Deutsch und Mathematik im 5. Schuljahr deuten, ist Gegenstand des Beitrags von H ELLER / Q UASTHOFF / V OGLER / P REDIGER . Es zeigt sich eine Präferenz für die Nutzung von Äußerungen „als diagnostisches Fenster in Verstehensprozesse“, die auf ein Selbstbild der Lehrkräfte als primäre „Agenten der fachlichen Wissens- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 139 47 (2018) • Heft 2 vermittlung“ (S. 157) zurückgeführt werden, bei gleichzeitiger Vernachlässigung bildungssprachlich-diskursiver Kompetenzen. J OST / T OPALOVIĆ / U HL nehmen im BiSS-Projekt sprachsensiblen Mathematikunterricht an Hauptschulen in den Blick. Sie berichten, dass Lehrkräfte die Unterschiede von Fach- und Alltagssprache v.a. auf lexikalischer Ebene sehen, während Sprachfördercoaches auch Syntax bedenken. Der Einfluss sprachlicher Phänomene in Aufgabenstellungen (bspw. Passiv vs. Aktiv) auf die Testergebnisse von Lernenden erwies sich als uneindeutig. Der Übergang zum dritten Abschnitt, in dem der Sprachgebrauch von Schülerinnen und Schülern im Vordergrund steht, wird von H ÖVELBRINKS Artikel „Bildungssprachliche Diskursfunktionen im frühen naturwissenschaftlichen Lernen: Lexikalische Mittel im sprachlichen Handeln einsprachig und mehrsprachig aufwachsender Kinder zu Schulbeginn“ (S. 185) markiert. Im Gruppenvergleich treten Unterschiede bzgl. Lexik und Diskursfunktionen zu Tage, die auf der Basis von Transkripten beispielhaft illustriert und zusammen mit Implikationen für lehrkraftseitige sprachliche Unterstützung dargestellt werden. H EES Analyse videografierten gymnasialen Geschichtsunterrichts der 5., 8. und 11. Jahrgangsstufe mit Fokus auf konzeptioneller Schriftlichkeit erlaubt einen Einblick in situationsspezifische Lernendensprache in Plenums- und Gruppenarbeitsgesprächen. Letzteren identifiziert sie dabei als „Anbahnungs- und Probeaushandlungskontext zur Ausbildung konzeptionell schriftlicher Struktur- und Ausdrucksformen“ (S. 220) und skizziert Entwicklungsverläufe der betrachteten sprachlichen Phänomene über die Jahrgangsstufen. Wie die visuelle Verfügbarkeit eines Rechenrahmens bei der Bearbeitung von Additionsaufgaben die Realisierung von Zahlenreferenzen eines Mathematik-Förderschülers in der Interaktion mit einer Tutorin verändert, zeigen K ERN / O HLHUS / R OTTMANN . „Begreift man fachliche Lernprozesse als Aneignung von Mustern kommunikativer Teilhabe, so wird […] deutlich, wie eine Verschränkung sprachlichen und fachlichen Lernens situativ hervorgebracht und im Rahmen etablierter Interaktionssequenzen verfestigt werden kann“ (S. 242). Die Analyse sprachlicher Handlungsmuster beim kooperativen Problemlösen im Sachunterricht einer zweiten Klasse steht im Zentrum des Beitrags von G ÄSER / K UNZE / N OACK / O STERHEIDER . Die vorliegenden Sprach- und Videodaten werden mit einem multiperspektivisch-interdisziplinären Ansatz nicht nur im Hinblick auf lerngegenstandsbezogene, sondern auch auf lern(organisations)-, emotions- und beziehungsbezogene Sprachhandlungen umfassend untersucht und geben facettenreiche Einblicke in ihre Funktionalität. L INNEMAN / S TEPHANY / K NIFFKA fokussieren auf das „Verallgemeinern als bildungssprachliche Diskursfunktion am Beispiel von Magischen Quadraten und Diagrammen“ (S. 271) im Mathematikunterricht. Sie stellen dafür zunächst den Zusammenhang zwischen kognitiven Operationen und sprachlichen Repräsentationen her, um auf dieser Basis anhand einer Interventionsstudie den Gewinn von sprachlich-sachfachlichem Micro-Scaffolding zu demonstrieren. Das Vorkommen bildungssprachlicher Mittel in 474 Lernendentexten aus dem Sachunterricht des 2.-4. Schuljahres illustriert F ORNOL mit Hilfe deskriptiver Statistik und unterscheidet dabei zwischen den drei Messzeitpunkten sowie Lernenden mit Deutsch als Erstbzw. Zweitsprache (DaE/ DaZ). Die beispielhafte qualitative Analyse der Texte je einer DaE- und einer DaZ-Schülerinnen zeigt die notwendige Beachtung des Kontextes sowie den Facettenreichtum der Bildungssprache, der sich nicht allein durch Merkmale konzeptioneller Schriftlichkeit auszeichnet. Textorganisation mit Schwerpunkt Themenentfaltung bei non-hierarchischer Wissensstrukturierung steht im Mittelpunkt von O LESCHKOS Betrachtung von Lernendenprodukten in gesellschaftswissenschaftlichen Fächern. Nach Darstellung der theoretischen und empirischen 140 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 47 (2018) • Heft 2 Ausgangslage illustriert er drei qualitativ unterscheidbare Niveaustufen anhand von Beispieltexten zum Beschreiben eines Schaubildes; die abschließende Kontextualisierung seiner Ergebnisse zeigt den großen Forschungsbedarf an der bearbeiteten Schnittstelle der Sachfach- und Sprachdidaktiken. Der Band bewegt sich mit seinem Fokus auf (Bedeutung von) Sprache in schulischen Lehr- und Lernkontexten auf einem Gebiet mit hoher Relevanz, das in den Sprachdisziplinen deutlich stärker im Aufmerksamkeitsfokus ist als in den Sachfachdidaktiken. Situativ und inhaltlich befindet sich die (inter-)nationale Forschung zum bilingualen Sachfachunterricht an einem ähnlichen Punkt mit dem Ziel, die Herausforderungen der (theoretischen) Konzeptualisierung und (empirischen) Beforschung der Integration von fachlichem und sprachlichem Lernen zu bewältigen. In dieser Hinsicht ist der Sammelband absolut zu begrüßen und trägt (s)einen Teil dazu bei, Erkenntnisgrenzen mittels interdisziplinärer Zusammenarbeit und Expertise zu überwinden und gemeinsam etwas Neues zu schaffen. Es wäre jedoch wünschenswert gewesen, wenn alle Artikel dem Vorbild einiger Beiträge gefolgt wären, über die beschreibende Ebene als Zieldimension hinauszugehen sowie die Anschlussfähigkeit der Erkenntnisse stärker zu verdeutlichen. Vorangestellte Abstracts würden darüber hinaus den Zugang zu den Artikeln erleichtern. Münster D OMINIK R UMLICH Theresa V ENUS : Einstellungen als individuelle Lernervariable. Schülereinstellungen zum Französischen als Schulfremdsprache - Deskription, Korrelationen und Unterschiede. Tübingen: Narr 2017 (Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung), 417 Seiten [88,00 €] Ihren Ausgang nimmt die als Dissertation an der Universität Duisburg-Essen angenommene Studie bei einer Defizitwahrnehmung. In „Gesprächen mit unterschiedlichen Personengruppen“ stieß die Verfasserin auf „ein eher negatives Bild, das z.B. schülerseitig auf eine gewisse Unbeliebtheit des Fachs [Französisch] schließen lässt“ (S. 8). Diese Einschätzung empirisch zu überprüfen bzw. die Profile von Lernereinstellungen zum Französischen und zum Französischunterricht in Deutschland detailliert zu erforschen, war das Ziel der vorliegenden Untersuchung. Als erstes geht die Autorin der Frage nach, was unter individuellen Lernervariablen zu fassen sei (Kap. 2). Gestützt auf allgemein- und fachdidaktische Forschungsarbeiten entwickelt sie zu diesem Konzept ein eigenes Strukturmodell (Abb. 2, S. 23), das neben biologischen, kognitiven und affektiven Faktoren die Bereiche „Familiensprachen und vorgelernte Sprachen“ sowie „Lernstil und Persönlichkeitsmerkmale“ aufführt. Einstellungen weist sie den affektiven Faktoren zu. Diesem für die Studie zentralen Konzept ist das dritte Kapitel gewidmet. Im Rückgriff auf sozialpsychologische und soziolinguistische Forschung unterscheidet V ENUS zunächst Komponenten (kognitive, affektive und konative), Objekte und Funktionen von Einstellungen. Zu letzteren zählt sie eine Wissensfunktion (Steuerung der Informationsverarbeitung), eine instrumentelle (Verhaltensregulierung), eine selbstwertdienliche und eine identitätsstiftende Funktion. Der Objektbereich erfährt im Rahmen ihrer Untersuchung besondere Aufmerksamkeit. In fremdsprachendidaktischer Perspektive entwickelt sie zu ihm ebenfalls ein Strukturmodell (Abb. 3, S. 99), welches der späteren empirischen Erhebung als Orientierungsrahmen dient. Es basiert auf einer Grobgliederung in fachspezifische und lernspezifische Einstellun-