eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 47/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2018
471 Gnutzmann Küster Schramm

Tamara ZEYER, Sebastian STUHLMANN, Roger Dale JONES (Hrsg.): Interaktivität beim Fremdsprachenlehren und -lernen mit digitalen Medien. Hit oder Hype? Tübingen: Narr 2016 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 288 Seiten [58,00 €]

2018
Diana Feick
124 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 47 (2018) • Heft 1 gewonnen werden können. Lena H EINE plädiert für eine sprachtheoretische und linguistische Fundierung der Fremdsprachendidaktik, die sich in einer neuen Generation von Einführungswerken in der Disziplin niederschlagen müsse. Bernd T ESCH diskutiert die Produktivität der fachdidaktischen „Inter“-Konzepte (Interlanguage und Interaktion) für interdisziplinäre Forschungsvorhaben. Den Abschluss dieses Blocks und damit des gesamten Werks bildet der Beitrag von Christiane F ÄCKE , in dem sie den Verlauf zweier fachdidaktischer Diskurse nachzeichnet (interkulturelles Lernen und Kompetenzorientierung) und verdeutlicht, wie diese in gesellschaftspolitische Kontexte eingebettet und in „Verquickung mit anderen Wissenschaftsdisziplinen geführt“ werden (S. 211). Sie schließt in Thesenform mit Wünschen für die Zukunft der Fremdsprachendidaktik, die auch in anderen Beiträgen angesprochen werden: flächendeckend personelle Ausstattung durch Professuren mit angemessenem Mittelbau, institutionelle Förderung des Nachwuchses, Vernetzung und interdisziplinäre Fundierung der Forschung. Was die Publikation auszeichnet und damit wohltuend von üblichen Sammelbänden abgrenzt, ist das durchgängig erfolgreiche Bestreben der Autor(inn)en, ihre individuellen Beiträge auf die Beiträge anderer zu beziehen. Dies hilft dem/ der Leser/ in, Einzelaspekte in größere Zusammenhänge einzuordnen und auf zentrale Fragen möglichen Wechsels zu beziehen bzw. als Argumente der Selbstverständigung zu verstehen. Dennoch hätten die gut strukturierten Wechseljahre mit anregenden Einzelbeiträgen an Qualität gewonnen, hätte sich das Herausgeberteam zu einer Bilanzierung der Tagung entschlossen und es nicht bei einer knappen Einleitung im Vorwort belassen. Entwicklungsdimensionen und vor allem offene Fragen, die die weitere Diskussion in der Fremdsprachendidaktik als einer forschungsstarken Disziplin leiten sollten, hätten über den Einzelbeitrag hinaus gebündelt und perspektiviert werden können. So ist beispielsweise bemerkenswert, dass die Frage nach internationaler Repräsentation und Rezeption der Disziplin, die von Barbara S CHMENK pointiert angesprochen und von Helmut Johannes V OLLMER mit dem Verweis auf splendid isolation (S. 121) aufgenommen wurde, in den Beiträgen keine Rolle spielt und offenbar auch nicht als Zukunftsaufgabe wahrgenommen wird. Internationale Forschungskooperation findet keine Erwähnung, obwohl sie durchaus in der Fremdsprachendidaktik vertreten ist (z.B. in EU-Projekten im Rahmen von Erasmus). Trotz des Mangels an Bilanz lohnt es sich, in die Beiträge einzutauchen, denn sie vermitteln als Einzelbausteine und in ihrem Bezug aufeinander das Bild einer vielfältigen und höchst lebendigen Disziplin. Gießen M ICHAEL L EGUTKE Tamara Z EYER , Sebastian S TUHLMANN , Roger Dale J ONES (Hrsg.): Interaktivität beim Fremdsprachenlehren und -lernen mit digitalen Medien. Hit oder Hype? Tübingen: Narr 2016 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 288 Seiten [58,00 €] Das Fremdsprachenlernen und -lehren mit digitalen Medien widerspiegelt in zunehmendem Maße unsere im stetigen Wandel begriffene Mediengesellschaft, aus der Interaktivität als vielbemühtes Schlagwort nicht mehr wegzudenken ist. Der vorliegende Sammelband widmet sich der im Untertitel formulierten Frage, ob es sich im Kontext des Fremdsprachenlehrens und -lernens bezüglich des eher diffus verwendeten Interaktivitätskonzeptes und dessen praktischer Umsetzung um einen „Hit oder Hype“ handelt. Elf Beiträge aus der Fremdsprachenforschung Deutsch und Englisch erörtern und hinterfragen linguistische, sprachlehr- / lerntheoretische, methodisch-didaktische sowie empirische Perspektiven auf das Phänomen Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 125 47 (2018) • Heft 1 der Interaktivität. Dieses wird von den Herausgeber/ -innen zu Recht innerhalb eines Panoramas zwischen verheißungsvollem Werbeversprechen und erwiesenem Qualitätsmerkmal des Fremdsprachenlehren und -lernens verortet (vgl. S. 11). So bemühen sich Roger D. J ONES , Sebastian S TUHLMANN und Tamara Z EYER im ersten Beitrag des Bandes um eine terminologische Aufarbeitung und Präzisierung des Interaktivitätsbegriffs. Dessen Schärfung vollziehen sie unter Einbezug der medien- und lerntheoretischen Auseinandersetzung mit den Begriffen der Interaktion und der Kommunikation im Zusammenspiel mit den Aspekten Zielpublikum, interpersonelle Beziehungen und Multimodalität. Weiterhin diskutiert das Autor(inn)enteam Teilmengen der Interaktivität, wobei insbesondere auch die Funktionen von lernförderlicher Interaktivität herausgearbeitet werden. Insgesamt lässt die Begriffsanalyse leider eine klare Abgrenzung zum oft parallel verwendeten Konzept der Digitalität vermissen. Die Autor(inn)en des Bandes bauen auf dem von Z EYER , S TUHLMANN und J ONES herausgearbeiteten Verständnis von Interaktivität auf oder präzisieren sprachlernbezogen weiterführende Versionen, wie im Falle des Beitrags von Sebastian K ILSBACH . Anhand vergleichender etymologischer und lexikographischer Betrachtungen sowie Frequenzanalysen in alltags- und fachsprachlichen Korpora zeigt er auf, dass die steigende Nutzungsfrequenz des Wortfeldes „interaktiv“ immer mit einer definitorischen Reflexion der Termini (so z.B. zum „Scheinpendant“ Interaktion) einhergeht. Dementsprechend kann er vorerst keine „Sloganisierung“ des Interaktivitätsbegriffs konstatieren. Dietmar R ÖSLER greift in seinem Beitrag die in der Fremdsprachendidaktik maßgeblichen Konzepte „Computer Assisted Language Learning“ (CALL) und „Computer Mediated Communication“ (CMC) auf. Erstgenanntes bezieht die sich auf die sprachlernbezogene Interaktivität zwischen Mensch und Computer, während CMC die sprachlernförderliche computervermittelte Interaktion zwischen Menschen umfasst. Nach einem Überblick über prototypische Aufgaben- und Übungsformen für CALL und CMC stellt R ÖSLER die zunehmende Durchmischung beider Ansätze am Beispiel komplexer digital-interaktiver Lern- und Interaktionsformen wie Serious Games oder virtueller Sprachlerncommunities dar. Überzeugend legen die Ausführungen unter Verweis auf die zunehmende Selbststeuerung des Fremdsprachenlernens und -lehrens nahe, dass sich das Zusammenspiel von medienvermittelter Interaktivität und Interaktion in digitalen Lernumgebungen zukünftig weiterhin der Frage nach der Spezifik und Qualität der (virtuellen) Lehrendenrolle stellen muss. Im Bereich der CMC ist die Online-Interaktionsstudie von Christine B ECKER zu asynchronen Diskussionsforen im universitären Landeskundeunterricht angesiedelt. Die Verfasserin belegt durch die Analyse von Foreneinträgen unter Hinzuzug von retrospektiven Lernendeninterviews vielfältige Interaktionsmuster sowie von der intendierten Aufgabenstellung abweichende individuelle Ziele der Forennutzung. Die initiale These, dass bei genuiner Interaktion (3-schrittig: A-B-A) der Lernmehrwert am höchsten sei, ließ sich nicht bestätigen, da in den Online-Daten darüber hinaus gehende Lernformen bzw. -anlässe bei der Forennutzung ersichtlich wurden. Hierbei scheint die präzise Forumsaufgabenkonstruktion essentiell für die Verwendung von Beiträgen zum Zwecke der Lösung bzw. Bedeutungsaushandlung von sprachlernbezogenen Problemen oder zu einer wissenskonstruierenden Replik auf eine initiale (landeskundedidaktisch motivierte) Textbearbeitung zu sein. Katrin B IEBIGHÄUSER nähert sich theoriereflexiv den Konzepten der Interaktivität und Interaktion am Beispiel der virtuellen Figuren der (nutzergesteuerten) Avatare und Agenten (z.B. in Form von vorprogrammierten Lernbegleitern). Dabei zeigt sie konzeptuell fundiert unter Rückgriff auf den Immersionsbegriff auf, welche unterschiedlichen Potenziale Avatare und Agenten zum Fremdsprachenlernen bereithalten. Einen besonderen Mehrwert schreibt 126 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 47 (2018) • Heft 1 B IEBIGHÄUSER dabei Agenten mit hoher Adaptivität sowie Avataren mit hoher didaktischer Interaktivität zu. Einen auf der digitalen Spieltheorie basierenden Modellierungsversuch von interaktiven Medien zum Fremdsprachenlernen und -lehren unternimmt Roger Dale J ONES in seinem Beitrag. Hierfür betont er die interaktive Wechselseitigkeit der Lernenden als Spielende mit den sie umgebenden Sprachlernwelten und deren jeweils inhärenten (Spiel-)Regeln. Spielbasierte, aber auch traditionelle digitale Formen des Wortschatzlernens untersucht Susanne K RAUS am Beispiel von Glossaren, Nachschlagwerken, Vokabeltrainern und Übungssammlungen. Sie stellt, nach einer gelungenen wortschatzlerntheoretischen Verortung, deren Interaktivität auf den Prüfstand. Dabei verwendet sie die Metapher des „interaktiven Knotens“ und visualisiert sieben Schritte der digitalen Wortschatzarbeit in einer Art dreidimensionalem Flussdiagramm. Die drei Dimensionen Reaktivität, Proaktivität und Adaptivität beim Einsatz der o.g. digitalen Ressourcen können somit nachvollzogen und bewertet werden. Um die Perspektive der Rezipienten eines interaktiven A1-Grammatiklernangebots erweitert Tamara Z EYER ihre Mediennutzungsstudie. Besonders überzeugt hier die lernendenseitige Reflexion und Evaluation der Lernförderlichkeit bestimmter interaktiver Elemente und Interaktionsformen der Software. Diese basiert im Gegensatz zu den bisher meist behavioristisch angelegten digitalen Grammatiklernangeboten auf den Prinzipien des entdeckenden Lernens. Inke S CHMIDT und Carolyn B LUME widmen sich in ihrem Beitrag der Sprechfertigkeit und deren Förderpotenzialen am Beispiel der drei Sprachlernprogramme Babbel, Busuu und Scoyo. Mittels des gewählten Playtesting-Ansatzes stellen sie fest, dass in keinem der Fälle das Werbeversprechen des Sprechfertigkeitstrainings der Hersteller/ -innen eingelöst wird. Vielmehr handelt es sich bei den angebotenen Sprechaktivitäten um Aussprachetrainings ohne überzeugende Feedbackfunktionen. Weniger ernüchternd beurteilen Simon F ALK und Sandra G ÖTZ die Ergebnisse ihrer Onlineumfrage zur Interaktion und Interaktivität unter Nutzer/ -innen der Sprachlernapp Duolinguo. Hier scheinen die multimodalen, interaktiven, personalisierenden und communitybasierten Elemente der auf Grammatik-Übersetzungs-Prinzipien fundierenden Software zu einer positiven Bilanz der selbsteingeschätzten Effektivität des Sprachenlernens zu führen. Schließlich eruieren Nora B ENITT und Torben S CHMIDT im letzten Beitrag des Bandes das Interaktivitätspotenzial von Videokonferenzen innerhalb eines Blended Learning-Seminars in der Englischlehrer(innen)ausbildung. Dabei stellt sich heraus, dass das Konferenzsystem zwar Interaktionsräume für den Dialog zwischen den beteiligten Akteuren eröffnet, dies aber von den Befragungsteilnehmenden nicht als interaktives Instrument im Sinne der Mensch- Maschine-Interaktion wahrgenommen wird. Daher plädieren B ENITT und S CHMIDT folgerichtig im Hinblick auf Videokonferenzen für die Erweiterung des Interaktivitätsbegriffes im Sinne der computervermittelten Interaktion zwischen Menschen. Der Mehrwert von Videokonferenzsystemen in der Lehrer(innen)ausbildung wird dementsprechend vor allem in der Ermöglichung eines Raumes der Begegnung zwischen Studierenden und Praktiker/ -innen verortet. Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Band die interaktivitätsbezogene Vielfalt in der Grauzone zwischen „hit und hype“ angemessen ausleuchtet. Das Problem der uneinheitlichen Verständnisse und konzeptuellen Vermischung von Interaktion und Interaktivität wird dabei nicht vollständig auflöst, sondern vielmehr an einer Facette von Studien und theoretischen Reflexionen illustriert. So ist das wesentliche Verdienst der Publikation, die verschiedenen Ausprägungen von bzw. Sichtweisen auf Interaktivität theoretisch weiter auszudifferenzieren, mit empirischen Befunden zu belegen und damit auch konsequent vorhandene Grenzen auf- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 127 47 (2018) • Heft 1 zuzeigen sowie hinsichtlich didaktisch-methodischer Konsequenzen weiterzuentwickeln. Der Band stellt sowohl für Wissenschaftler/ -innen und Studierende als auch für Lehrpersonen einen inspirierenden Einblick in den Stand der fremdsprachenspezifischen digitalen Medienforschung dar. Auckland D IANA F EICK Jochen P LIKAT : Fremdsprachliche Diskursbewusstheit als Zielkonstrukt des Fremdsprachenunterrichts. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Interkulturellen Kompetenz. Frankfurt/ M.: Peter Lang Verlag 2017, 336 Seiten [75,95 €] Bei der Dissertationsschrift von Jochen P LIKAT handelt es sich um eine theoretische Arbeit, die einen Beitrag zur fremdsprachendidaktischen Theoriebildung leisten möchte. Ausgangspunkt für die Studie ist ein in Kapitel 1 ausführlich begründetes Unbehagen in Bezug auf existierende Konzepte von Interkulturalität innerhalb der Fremdsprachendidaktik. Hauptkritikpunkte betreffen „überholte Kulturvorstellungen“ (S. 38) sowie ein Theoriedefizit im Hinblick auf das Dilemma von Relativismus und Universalismus. Vor diesem Hintergrund bearbeitet der Autor drei Forschungsfragen: 1. Wie sind ausgewählte Ansätze interkultureller Fremdsprachendidaktik hinsichtlich verschiedener Kulturverständnisse zu beurteilen? 2. Wie sind ausgewählte Ansätze interkultureller Fremdsprachendidaktik hinsichtlich des Dilemmas von Universalismus und Kulturrelativismus zu beurteilen? 3. Wie könnte ein Zielkonstrukt für den Fremdsprachenunterricht beschaffen sein, das sowohl ein zeitgemäßes Kulturverständnis als auch einen reflektierten Umgang mit dem Dilemma von Universalismus und Kulturrelativismus anbahnt? (S.38) Bei der Bearbeitung dieser Fragen geht der Autor folgendermaßen vor: Im Hinblick auf die erste Forschungsfrage stellt er in Kapitel 2 zunächst verschiedene Kulturbegriffe dar, wobei er sich stark an den Arbeiten von Andreas R ECKWITZ orientiert und die Frage in den Mittelpunkt rückt, inwieweit bei den verschiedenen Konzepten von Kultur die Kontingenz kultureller Phänomene transparent gemacht wird. In einem Exkurs geht der Autor auch auf das Konzept der Transkulturalität ein, wobei er sich hier in besonderer Weise auf die Theorien von Wolfgang W ELSCH bezieht. Im Hinblick auf Forschungsfrage 2 folgt eine kritische Auseinandersetzung mit kulturrelativistischen Positionen, die nach P LIKAT sowohl in der Erziehungswissenschaft als auch der Fremdsprachendidaktik häufig zugrunde gelegt, aber theoretisch ungenügend bearbeitet wurden. Auf der Basis dieser theoretisch-kulturwissenschaftlichen Erörterungen analysiert der Autor dann in Kapitel 3 ausgewählte Theorieansätze zu interkulturellem Lernen und interkultureller Kompetenz, so wie sie in fremdsprachendidaktischen Kontexten vorgelegt wurden. Dies sind a) die im Gießener Graduiertenkolleg entwickelte Didaktik des Fremdverstehens, b) das Konzept der Thirdness und der Symbolic Competence von Claire K RAMSCH , und c) der Theorieansatz der Intercultural Communicative Competence von Michael B YRAM . Dies geschieht durchgängig im Hinblick auf die Frage, inwieweit in den vorliegenden Ansätzen nach Ansicht des Autors akzeptable Kulturkonzepte zugrunde gelegt werden bzw. inwieweit das Dilemma von Universalismus und Kulturrelativismus reflektiert bzw. angemessen gelöst wird. Als Ergebnis dieser kritischen Analyse konstatiert der Autor, dass keine dieser Positio-