eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 47/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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2018
471 Gnutzmann Küster Schramm

Sabine DOFF, Andreas GRÜNEWALD: Wechsel-Jahre. Wandel und Wirken in der Fremdspra-chenforschung. Trier: Wissenschaftlicher Verlag 2015, 220 Seiten [26,00 €]

2018
Michael  Legutke
© 2018 Narr Francke Attempto Verlag 47 (2018) • Heft 1 B u c h b e s p r e c h u n g e n • R e z e n s i o n s a rti k e l Sabine D OFF , Andreas G RÜNEWALD : Wechsel-Jahre. Wandel und Wirken in der Fremdsprachenforschung. Trier: Wissenschaftlicher Verlag 2015, 220 Seiten [26,00 €] Der Sammelband gibt die Diskussionen einer Tagung wieder, die unter demselben Titel im Herbst 2014 an der Universität Bremen stattfand. 17 Beiträger/ -innen versuchen aus unterschiedlichen Perspektiven Antworten auf die Frage zu liefern, ob der Umstand, dass in der letzten Dekade eine große Anzahl von Professuren in der Fremdsprachendidaktik neu besetzt wurde, „zu einem grundlegenden Wandel geführt hat, und wenn ja, auf welchen Ebenen der Disziplin sich dieser widerspiegelt“ (S. 1). Insgesamt liegt hier ein facettenreiches Ensemble von Analysen und Argumentationen vor, die versuchen, das Selbstverständnis der Fremdsprachendidaktik kritisch zu fassen, und eine Reihe von Fragen fokussieren, welcher sich die Disziplin in Zukunft annehmen sollte. Die Beiträge sind in zwei thematische Blöcke gegliedert und auf drei Argumentationsebenen angesiedelt: Unter der Überschrift „Außenperspektive“ werden institutionelle Zusammenhänge erörtert (institutionelle Ebene). Der zweite Block, die „Innenperspektive auf die Disziplin“, versammelt sowohl Beiträge zur Makroebene des Fachs (zweite Ebene), seinen Strukturen, als auch zur Mikroebene (dritte Ebene), den Inhalten und Ideen, die das Fach markieren. Jede dieser drei Ebenen wird durch einen Impulsbeitrag konturiert und durch ausgewählte Einzelbeiträge vertieft, ergänzt oder differenziert. In ihrem Impulsbeitrag aus der nordamerikanischen Außenperspektive fokussiert Barbara S CHMENK mehrere Entwicklungsstränge, die die „Wechseljahre“ der Fremdsprachendidaktik bestimmt und ihre institutionelle Verortung tangiert haben: PISA-Schock und migrationsbedingte Mehrsprachigkeit haben die Lehrerbildung in den Fokus bildungspolitischen Interesses gerückt und zu einer Aufwertung der Didaktik geführt. Zugleich hat die Veröffentlichung des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens Schulen und Hochschulen nicht nur Möglichkeiten internationaler Kooperation eröffnet, sondern diese auch unter einen neuen Zwang zur Messbarkeit und internationalen Vergleichbarkeit gestellt. Als dritte Parallelentwicklung wird der Bologna-Prozess mit der Möglichkeit, neue Modelle der Lehrerbildung zu entwickeln, herausgestellt. Während diese Entwicklungen einer wachsenden Internationalisierung geschuldet seien, erscheine die Fremdsprachendidaktik von außen als isoliert deutsche Erfindung, die allerdings wesentlich zu einer systematischen und wissenschaftlich fundierten Lehrerbildung beiträgt. Als forschungsstarke Disziplin an den Schnittstellen von akademischen, hochschulpolitischen und erzieherischen Wirkungsfeldern sei sie aufgerufen, die Früchte ihrer Arbeit deutlicher zu dokumentieren und international wahrnehmbar in Erscheinung zu treten. Andreas G RÜNEWALD und Katharina V IERRE präsentieren Ergebnisse einer Umfrage von 2014 zur Stellensituation und Ausstattung der Fremdsprachendidaktik an deutschen Hochschulen, die zeigt, dass sich die Situation zwar insgesamt deutlich verbessert hat, dass dies jedoch nicht für die Statusgruppe des Mittelbaus zutrifft, deren Arbeitsbedingungen als lamentabel zu bezeichnen sind. Die folgenden zwei Beiträge thematisieren die Einführung der W-Besoldung und ihre Auswirkung auf die Fremdsprachendidaktik. Nicole M ARX und Birgit S CHÄDLICH bestätigen die erkennbare Aufwertung der Disziplin, kritisieren jedoch zugleich die geringe Wertschätzung, die diese von Seiten der Hochschulleitungen erfährt. Britta V IEBROCK erörtert das Verhältnis der Fremdsprachendidaktik zur „Erfolgsorientierung“ der W-Besoldung unter Schlüsselbegriffen wie „Wertschätzung“, „Wettbewerb“, „Work-Life- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 123 47 (2018) • Heft 1 Balance“ und „Wahnsinn“. Julia S ETTINERI macht sich für eine forschungsmethodische Fundierung empirischer Forschungstätigkeit stark, die in einer systematischen forschungsmethodologischen Ausbildung ihren Ausdruck finden muss. Grundlage ihrer Argumentation bildet eine umfangreiche Inventarisierung forschungsmethodischer Trends sowie vorhandener Angebote forschungsmethodologischer Ausbildung. Eine solide Ausbildung müsse durch inter- und intrauniversitären Austausch von Expertise vorangetrieben werden. Mark B ECHTEL situiert seinen Beitrag zur Bestimmung des disziplinären Selbstverständnisses im Kontext praxisnaher und praxisbegleitender Projekte, in denen Hochschullehrende, Studierende und Lehrkräfte in Forscherteams Fragestellungen aus der Lehr-/ Lernpraxis untersuchen. Solche Netzwerke würden helfen, Forschungskompetenz von Studierenden zu entwickeln, dienten der Nachwuchsförderung und seien produktive Elemente einer forschungsbasierten Aus- und Fortbildung. Die letzten beiden Beiträge dieses ersten Blocks befassen sich am Beispiel Nordrhein-Westfalens mit den Folgen des Praxissemesters. Corinna K OCH argumentiert, dass die „gleichberechtigte Parallelisierung der Förderung theoretischer Reflexionsfähigkeit und des Einübens unterrichtspraktischen Handelns“ (S. 93) die professionelle Kompetenzentwicklung deutlich befördern könne. Markus K ÖTTER hält dagegen, dass die Mängel der Einführung des Praxissemesters vor allem angesichts der begrenzten Stundenkontingente der Fachdidaktik zur Beeinträchtigung fachdidaktischer Lehre und ihrer Inhalte führe. Im zweiten thematischen Block mit einer „Innenperspektive“ auf die Disziplin werden sowohl Strukturen (Makro-Ebene) als auch Ideen und Inhalte (Mikro-Perspektive) erörtert. Der Impulsbeitrag von Helmut Johannes V OLLMER fokussiert das Selbstverständnis der Fremdsprachendidaktik in Bezug auf ihre Etablierung, Institutionalisierung und öffentliche Anerkennung, die von ihrer ausgewiesenen Forschungsleistung als Handlungswissenschaft abhängt. V OLLMER beleuchtet u.a. die Forschungsdokumentation, die Forschungs- und Nachwuchsförderung, die Publikationsformen, die Bedeutung der Fachgesellschaften sowie den prägenden Einfluss einzelner Personen und Personengruppen. Trotz erkennbarer Profilierung des Faches müsse die Disziplin die eigenen Forschungsleistungen umfassender darstellen und über Einzelforschungen hinaus in größeren Verbünden forschend tätig werden. Claudia R IEMER mahnt in ihrem Beitrag „Welche Forschung in der Fremdsprachenforschung? “ an, kritisch zu reflektieren, dass der Forschungsgegenstand nicht zu sehr auf den Bereich des Lehrens und Lernens im Kontext Schule eingeengt wird, sondern alle institutionellen Kontexte auf allen Altersstufen unter Berücksichtigung der Zweitsprachen umfassen müsse. Ferner weist sie auf die Notwendigkeit hin, empirisch praxisnahe und praxisbegleitende Forschung, die sich aus der Reform der Lehrerbildung ergibt, in größere Forschungsverbünde einzubringen, damit auch grundlagenforschungsorientierte Fragen verfolgt und die Forschungsentwicklung selbst vorangetrieben werden können. Solche Vernetzung und Forschungskooperation mit Nachbardisziplinen verlange nicht nur nach wissenschaftlicher Verortung, sondern auch nach forschungsmethodischer Qualifizierung, die mit großem Nachdruck vorangetrieben werden sollte. Sabine D OFF untersucht Qualifikationsschriften im deutschsprachigen Raum 2007-2013 (thematische Trends und Methodologie). Ihre Analyse bestätigt die Zunahme empirischer Arbeiten gegenüber konzeptuell-theoretischer. Ferner stellt sie eine Diversifizierung der untersuchten Fremdsprachen fest (Deutsch als Fremd-/ Zweitsprache, Spanisch und Französisch als Fremdsprache). Zwei Beiträge thematisieren das Verhältnis der Fremdsprachendidaktik zu Nachbardisziplinen. Michaela S AMBANIS versucht eine Brücke zu den Neurowissenschaften zu schlagen. Barbara H INGER zeigt auf der Basis einer umfangreichen empirischen Studie zum schulischen Spanischunterricht, wie im Zusammenspiel von Sprachlehr-, Sprachtest und Spracherwerbsforschung Einsichten in die Lernwirksamkeit von Unterricht 124 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 47 (2018) • Heft 1 gewonnen werden können. Lena H EINE plädiert für eine sprachtheoretische und linguistische Fundierung der Fremdsprachendidaktik, die sich in einer neuen Generation von Einführungswerken in der Disziplin niederschlagen müsse. Bernd T ESCH diskutiert die Produktivität der fachdidaktischen „Inter“-Konzepte (Interlanguage und Interaktion) für interdisziplinäre Forschungsvorhaben. Den Abschluss dieses Blocks und damit des gesamten Werks bildet der Beitrag von Christiane F ÄCKE , in dem sie den Verlauf zweier fachdidaktischer Diskurse nachzeichnet (interkulturelles Lernen und Kompetenzorientierung) und verdeutlicht, wie diese in gesellschaftspolitische Kontexte eingebettet und in „Verquickung mit anderen Wissenschaftsdisziplinen geführt“ werden (S. 211). Sie schließt in Thesenform mit Wünschen für die Zukunft der Fremdsprachendidaktik, die auch in anderen Beiträgen angesprochen werden: flächendeckend personelle Ausstattung durch Professuren mit angemessenem Mittelbau, institutionelle Förderung des Nachwuchses, Vernetzung und interdisziplinäre Fundierung der Forschung. Was die Publikation auszeichnet und damit wohltuend von üblichen Sammelbänden abgrenzt, ist das durchgängig erfolgreiche Bestreben der Autor(inn)en, ihre individuellen Beiträge auf die Beiträge anderer zu beziehen. Dies hilft dem/ der Leser/ in, Einzelaspekte in größere Zusammenhänge einzuordnen und auf zentrale Fragen möglichen Wechsels zu beziehen bzw. als Argumente der Selbstverständigung zu verstehen. Dennoch hätten die gut strukturierten Wechseljahre mit anregenden Einzelbeiträgen an Qualität gewonnen, hätte sich das Herausgeberteam zu einer Bilanzierung der Tagung entschlossen und es nicht bei einer knappen Einleitung im Vorwort belassen. Entwicklungsdimensionen und vor allem offene Fragen, die die weitere Diskussion in der Fremdsprachendidaktik als einer forschungsstarken Disziplin leiten sollten, hätten über den Einzelbeitrag hinaus gebündelt und perspektiviert werden können. So ist beispielsweise bemerkenswert, dass die Frage nach internationaler Repräsentation und Rezeption der Disziplin, die von Barbara S CHMENK pointiert angesprochen und von Helmut Johannes V OLLMER mit dem Verweis auf splendid isolation (S. 121) aufgenommen wurde, in den Beiträgen keine Rolle spielt und offenbar auch nicht als Zukunftsaufgabe wahrgenommen wird. Internationale Forschungskooperation findet keine Erwähnung, obwohl sie durchaus in der Fremdsprachendidaktik vertreten ist (z.B. in EU-Projekten im Rahmen von Erasmus). Trotz des Mangels an Bilanz lohnt es sich, in die Beiträge einzutauchen, denn sie vermitteln als Einzelbausteine und in ihrem Bezug aufeinander das Bild einer vielfältigen und höchst lebendigen Disziplin. Gießen M ICHAEL L EGUTKE Tamara Z EYER , Sebastian S TUHLMANN , Roger Dale J ONES (Hrsg.): Interaktivität beim Fremdsprachenlehren und -lernen mit digitalen Medien. Hit oder Hype? Tübingen: Narr 2016 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 288 Seiten [58,00 €] Das Fremdsprachenlernen und -lehren mit digitalen Medien widerspiegelt in zunehmendem Maße unsere im stetigen Wandel begriffene Mediengesellschaft, aus der Interaktivität als vielbemühtes Schlagwort nicht mehr wegzudenken ist. Der vorliegende Sammelband widmet sich der im Untertitel formulierten Frage, ob es sich im Kontext des Fremdsprachenlehrens und -lernens bezüglich des eher diffus verwendeten Interaktivitätskonzeptes und dessen praktischer Umsetzung um einen „Hit oder Hype“ handelt. Elf Beiträge aus der Fremdsprachenforschung Deutsch und Englisch erörtern und hinterfragen linguistische, sprachlehr- / lerntheoretische, methodisch-didaktische sowie empirische Perspektiven auf das Phänomen