eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 46/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2017
462 Gnutzmann Küster Schramm

Inklusion – eine Überforderung des Fremdsprachenunterrichts?

2017
Jürgen  Kurtz
Andreas  Köpfer
Pro und Contra 13 7 46 (2017) • Heft 2 46 Die geäußerte Belastung von Lehrkräften und die vielerorts bemängelte ressourcenbezogene Unterversorgung von Bildungseinrichtungen machen es verhältnismäßig leicht, sich gegen Inklusion als solche auszusprechen. Zweifellos werden Lehrkräfte im Fremdsprachenunterricht derzeit herausgefordert mit bisweilen ambivalenten Handlungsaufforderungen zwischen Förder- und Selektionsauftrag. Inklusion, oftmals personifiziert als Schüler/ -innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Allgemeinen Schule, dann als Schuldige für Überforderung auszumachen, liegt nahe. Gegen diese Position zu argumentieren, erfordert, das allgemeinpädagogische, fachdidaktische sowie schulkulturelle Anliegen, mit dem sich Inklusion befasst, herauszustellen. Inklusion, verstanden als teilhabeorientierte Anal se institutioneller Herstellung von Differenz durch Bildungsorganisationen, d.h. in Schule und Unterricht bzw. im Fremdsprachenunterricht, lässt die Frage aufkommen, wo sich Stellschrauben für disziplinäre und fachdidaktische Weiterentwicklungen befinden. Sieht man Behinderungen nicht als personenbezogenes Additum, sondern als Ergebnis benachteiligender Bearbeitung von Heterogenität u.a. im schulischen Kontext, wird der Blick frei auf strukturelle wie (fach-)didaktische Entwicklungspotenziale z.B. (1) in der curriculumsbasierten Adressierung der Lern- und Entwicklungsstände der Schüler/ -innen (2) oder in der Frage, wie ein Lerngegenstand differenziert werden kann, damit die Schüler/ -innen einen Zugang auf ihrem entsprechenden Lern- und Entwicklungsstand erhalten ( ) oder wie im Bereich der Fremdsprachendidaktik bzw. DaZ multilinguale Spracherwerbsprozesse begleitet werden können. Daraus ließen sich sukzessive konkrete fachdidaktische Maßnahmen entwickeln, die u.a. auf Differenzierung und Kooperation aufbauen und Inklusion nicht als Überforderung, sondern als Impulsgeberin für eine fachdidaktisch konturierte, allgemeinpädagogisch fundierte Handlungspraxis im Rahmen eines langfristig angelegten schulkulturellen Entwicklungsprozesses verstehen. In der Forschung kann Inklusion zudem als Vehikel dienen, um fachspezifische wie organisationsinhärente Ambivalenzen aufzudecken, die in ihrer Spannungsbeladenheit erst sichtbar gemacht bzw. aufgerufen werden. Wenn Inklusion jedoch als rein technische Integrationsmaßname von Kindern mit Förderbedarf in die Allgemeine Schule angesehen und unter Beibehaltung homogenisierender Strukturen und Kulturen praktiziert wird, sind Überforderungen unausweichlich. Daher bedarf es eines kulturellen Entwicklungsprozesses in Schule und Unterricht, der sukzessive auf mehreren Ebenen stattfindet und den inklusiven Fremdsprachenunterricht einfasst, z.B. in einer Unterrichtspraxis, in der ein Repertoire methodischer Instrumente und didaktischer Prinzipien, z.B. offene Aufgabeformate sowie Schüler/ -innenzentrierung zum Einsatz kommen können (fach-)didaktischer Forschung, die empirisch basiert allgemeinpädagogische und fachspezifische Konzepte im Hinblick auf z.B. Diagnostik oder in Bezug auf eine Differenzierung vom Lerngegenstand her entwickelt dem weiteren Aufbau schulorganisatorischer wie professioneller Unterstützungsstrukturen und Professionalisierungsmaßnahmen, um insbesondere Kontinuität für multiprofessionelle Kooperation und Beratung zu gewährleisten. F reiburg A NDREAS K Ö PF ER © 2017 N a r r Fr a n c k e At t e m p t o V e r l a g © 2017 N a r r Fr a n c k e At t e m p t o V e r l a g © 2017 N a r r Fr a n c k e At t e m p t o V e r l a g 4 (201 ) • Heft 2 4 n n • R e z e n s i o n s a rt i k e l C h r i s t i a n e F Ä C KE (Hrsg.): Selbststä ndiges Lernen im lehrw erk basierten F ranzö sischunterricht. Stuttgart: ibidem-Verlag 201 , 1 8 Seiten 2 . 0 Der vorliegende Titel beschreibt die Planung, Durchführung und Auswertung einer zweijährigen empirischen Studie mit dem Ziel, den Zusammenhang zwischen selbstständigem Lernen und lehrwerkbasiertem Französischunterricht zu erforschen. Es wird der Fr a g e n a c h g e g a n g e n , ob und wie die Selbstständigkeit der Lernenden in einem Französischunterricht, der sich an einem Lehrwerk orientiert, gefördert werden kann. In Anlehnung an das Konzept der Lernerautonomie und der in den Bildungsstandards verankerten Sprachlernkompetenz, umfasst für die Herausgeberin selbstständiges Lernen „den Willen und die Fähigkeit des Lerners, seinen Lernprozess zu kontrollieren“ (S.12). Das Forschungsprojekt verfolgt dabei eine triangulierende Perspektive: die Anal se des im Französischlehrwerk angelegten Potenzials zur Förderung selbstständigen Lernens, eine schriftliche Befragung der Lernenden sowie Leitfadeninterviews mit Lehrenden über ihre Einstellungen zum selbstständigen Lernen und ihren Umgang mit dem Lehrwerk. Nun ist die Frage der Förderung von Selbstständigkeit von Schülerinnen und Schülern und die Entwicklung autonomer Lernprozesse nicht neu, allerdings ist die Zahl empirischer Studien dazu überschaubar, und daher verdient das Anliegen der vorliegenden Studie im Sinne der Wirkungsforschung besondere Aufmerksamkeit. Die Herausgeberin beschreibt in der Einleitung ausführlich und transparent den genauen Arbeitsablauf des zweijährigen Forschungsprojektes und gewährt Einblick in ein anspruchsvolles empirisches Projektdesign: 1. Jahr (201 ): o Inhaltsanal se des Lehrwerks, mit dem die Lehrenden und Lernenden arbeiten, in Bezug auf Merkmale, die selbstständiges Lernen unterstützen könnten o Erforschung der Einstellungen von Lehrenden ( Personen) mittels Leitfadeninterviews und von Lernenden der Jahrgangsstufe und (ca. 100 Personen) mit Fragebögen (überwiegend uantitativ ausgewertet): o Impulsphase: Rückmeldung der ersten Ergebnisse an die Lehrkräfte und (gemeinsame? ) Erarbeitung konkreter Anregungen im Lehrerteam zur Umsetzung selbstständigen Lernens im Französischunterricht. 2. Jahr (201 ): o Weitere Anregungen für die Lehrkräfte zur Umsetzung selbstständigen Lernens im Unterricht o Erneute Erforschung der Einstellungen von Lehrenden und Lernenden, jetzt der Jahrg a n gsstufe und 8 (insgesamt ca. 100 Schüler/ -innen) nach der erfolgten Intervention o Vergleich der beiden Untersuchungsphasen. Erwartet werden eine Veränderung der Einstellung der Lehrenden sowie eine nachhaltige Erhöhung der Selbstständigkeit der Schüler/ -innen bei der Gestaltung des eigenen Lernens (S. 1 ). Im Folgenden werden die wesentlichen Ergebnisse der umfangreichen und ausführlich dokumentierten Studie im Hinblick auf die drei Perspektiven (Lehrwerkanal se, Einstellungen und Sichtweisen der Lehrer und der Lerner) genauer fokussiert.