eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 45/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
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2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2016
452 Gnutzmann Küster Schramm

Lutz KÜSTER, Christiane LÜTGE, Katharina WIELAND (Hrsg.): Literarisch-ästhetisches Lernen im Fremdsprachenunterricht. Theorie – Empirie – Unterrichtsperspektiven. Frankfurt/M. [u.a.] 2015 (Kolloquium Fremdsprachenunterricht), 207 Seiten [€ 44,95]

2016
Eva Leitzke-Ungerer
138 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 2 keit“ (S. 18) nicht abgesprochen werden; der Autor sieht diese in vier Bereichen realisiert: in der Förderung interkultureller Bildung, der Anregung von Phantasie und Kreativität, der Entwicklung von Text- und kritischer Medienkompetenz und last but not least in der Ausbildung der fremdsprachlichen Fertigkeiten. Ralf W ESKAMP geht von der Prämisse aus, dass Literatur in den meisten Fällen Geschichten erzählt; Ziel des Beitrags ist es daher, die „Bedeutung des Narrativen für das menschliche Denken und Handeln“ (S. 35) unter Rekurs auf kognitionswissenschaftliche und entwicklungspsychologische Erkenntnisse herauszustellen und damit ein starkes Argument für den Einsatz von literarischen Texten ins Bewusstsein zu heben. Im zweiten Teil des Beitrags finden sich knapp skizzierte Vorschläge für den Englischunterricht. Ärgerlich ist, dass der Sprachwissenschaftler Otto J ESPERSEN durchgehend in falscher Schreibung (*J ESPERSON ) erscheint. Den Abschluss des ersten Themenblocks bildet ein erster empirischer Beitrag. Katharina W IELAND stellt die Ergebnisse einer Befragung von 38 Oberstufenschülerinnen und -schülern zu motivationalen Aspekten im Literaturunterricht Französisch, Spanisch und Italienisch vor und leitet daraus didaktische Konsequenzen ab. Die Aussagekraft der vorwiegend quantitativen Studie ist allerdings begrenzt; so wäre es vor allem im Fall der Befürwortung bzw. Ablehnung bestimmter Methoden wünschenswert gewesen, die Begründungen zu kennen. Der zweite Themenblock enthält Beiträge, die methodische Konzepte vorstellen; der Schwerpunkt liegt auf handlungs- und produktionsorientierten Zugängen. Birgit S CHÄDLICH und Carola S URKAMP gehen in ihrem innovativen und methodologisch herausragendem Beitrag der Frage nach, inwiefern Textrezeptionsprozesse durch eine Methode aus der Dramapädagogik (Standbilder) angestoßen und wie deren Vorzüge und Grenzen mittels eines empirischen Verfahrens (Videographie im Oberstufenunterricht Englisch und Französisch) der Beschreibung und Analyse zugänglich gemacht werden können. Als durchaus überraschendes Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Ziele in Bezug auf die Textrezeption und -interpretation in der Unterrichtsrealität bei weitem nicht in dem Maß erreicht werden, wie dies konzeptionell geplant war. Barbara S CHMENK setzt sich ebenfalls mit Dramapädagogik auseinander, kritisiert jedoch die weit verbreitete Auffassung, wonach Dramapädagogik ganzheitliches Lernen fördere. Anstoß ihrer Kritik ist dabei weniger, dass ganzheitliches Lernen als Zusammenspiel von „Kognition, Emotionen und Leiblichkeit“ (S. 116) gesehen wird als vielmehr die - von der Autorin vertretene, durch Quellen jedoch nicht belegte - Annahme, dass ganzheitliches Lernen per se eine „quasi-harmonische, ausgeglichene Form des Lernens“ (S. 115) sei. Ihr setzt die Autorin ein auf poststrukturalistischen Sprach- und Subjekttheorien basierendes Verständnis entgegen, wonach beim ganzheitlichen Lernen in erster Linie „Brüche, Inkonsistenzen und Fragmentarisierung“ (109) zutage treten. Dass dieses ‚unharmonische‘ ganzheitliche Lernen durch dramapädagogische Methoden sehr gut gefördert werden kann, liegt auf der Hand und hätte nicht unbedingt durch weitere theoretische Exkurse begründet werden müssen; stattdessen wäre ein konkreter Anwendungsbezug wünschenswert gewesen. Mit dem Konzept der komplexen Lernaufgabe steht im Beitrag von Katharina K RÄLING , Katharina M ARTÍN F RAILE und Daniela C ASPARI eine aktuell höchst einflussreiche Methode im Mittelpunkt, deren Stärke in der Förderung der reflexiven, der produktiven und der rezeptiven Dimension literarisch-ästhetischen Lernens gesehen wird. Dies wird nicht nur konzeptionell schlüssig entwickelt, sondern auch anhand von Entwürfen für konkrete Lernaufgaben zum Genre der Kürzestgeschichte konkretisiert. Ob allerdings für die vorgeschlagenen stark gelenkten Aktivitäten der Begriff der ‚komplexen‘, d.h. projektartigen Lernaufgabe angemessen ist, sei dahingestellt. Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 139 45 (2016) • Heft 2 Der dritte Themenblock (zu literarischen und filmischen Genres) wird von Domenica Elisa C ICALA eingeleitet. Ihr solider Beitrag befasst sich mit Literaturverfilmungen für den Italienischunterricht mit fortgeschrittenen Lernern. Anhand älterer und neuerer Filme werden zahlreiche Vorschläge zur Förderung sprachlicher und interkultureller Kompetenzen sowie zum Vergleich von Buch und Film skizziert. Janina V ERNAL S CHMIDT stellt in ihrem interessanten Beitrag zur Filmarbeit ein literatur- und kulturwissenschaftlich fundiertes Analyseinstrumentarium vor, mit dessen Hilfe sich Lernende mit kulturellen Deutungsmustern, die ein fremdsprachiger Film jeweils voraussetzt, vertraut machen können. Am Beispiel einer Sequenz aus dem Spielfilm Dr. Alemán skizziert die Autorin ein mögliches Ergebnis der Deutungsmusteranalyse. Allerdings handelt es sich hierbei um ein höchst anspruchsvolles Verfahren, das neben kultureller Kompetenz auch eine sehr gute Kenntnis filmästhetischer Verfahren erfordert; die Anwendbarkeit im schulischen Unterricht halte ich daher für begrenzt. Der Beitrag von Meike H ETHEY stellt ein Plädoyer für das Genre ‚Jugendliteratur’ und dessen Potential für die Persönlichkeitsbildung dar. Dazu hat die Autorin ein komplexes Modell ästhetisch-literarischen Lesens entworfen, das an zwei Romanbeispielen aus dem frankophonen Raum veranschaulicht wird. Die Lernenden werden insbesondere dazu angeleitet, die komplexe ästhetische Verfasstheit der Texte und die von den jugendlichen Protagonisten ausgehenden Identifikationsangebote zu erkennen und kritisch zu analysieren. Der anregende Beitrag hätte durch einen steileren Einstieg in sein eigentliches Thema zweifellos noch gewonnen. Gegenstand von Annika A ULF s Beitrag sind Autofiktionen. Dabei handelt es sich, wie der stringente Forschungsüberblick zeigt, um eine neuere Form der Autobiographie, in der die genretypische Auflösung der Grenzen zwischen Fakten und Fiktion besonders ausgeprägt ist. Für den Literaturunterricht sind Autofiktionen vor allem aufgrund des Merkmals, das sie mit ‚normalen‘ Autobiographien teilen, interessant: Es sind Texte, in denen sich ein Ich-Erzähler mittels der unterschiedlichsten ästhetischen Strategien selbst darstellt. In der Reflexion der „Selbstdarstellungsverfahren“ (S. 187) und der damit verbundenen Persönlichkeitsbildung sieht die Autorin den besonderen Mehrwert; sie bleibt allerdings den Beweis schuldig, wie sich die anspruchsvollen Analyse- und Reflexionsaufgaben im Fremdsprachenunterricht realisieren lassen. Den Abschluss bildet Wolfgang H ALLET s inspirierender Beitrag zum Genre ,graphic novel‘. Aus den Merkmalen dieser Art von Roman, der sich „der Darstellungsweise des Comics bedient“ (S. 195) und somit eine multimodale Erzählgattung darstellt, leitet der Autor die Leitlinien für die Erarbeitung im Fremdsprachenunterricht ab: Gefordert sind multiliteral gebildete Leser, die das Zusammenspiel von Text und Bild sowie die dominant filmästhetischen Verfahren verstehen und deuten können. Auch hier sind die Anforderungen an die Lernenden hoch; am Beispiel des roman graphique Le Convoi (2013) werden für den Französischunterricht der Oberstufe aber zumindest einige Herangehensweisen skizziert. Ein Buch für Praktiker ist dieser Sammelband nicht unbedingt. Sein Schwerpunkt und seine Stärke liegen vielmehr im konzeptionellen Bereich; hier liefert er aus ganz unterschiedlichen Perspektiven (Theoriebildung, Empirie, Methodik, Genreforschung) wichtige Argumente und neue Denkanstöße, mit denen die Unverzichtbarkeit des literarisch-ästhetischen Lernens im Fremdsprachenunterricht und die Spezifik literarisch-ästhetischer Texte einschließlich der durch sie initiierbaren Bildungsprozesse untermauert werden können. Dabei werden die Anforderungen von Kompetenz- und Standardorientierung in angemessener Weise berücksichtigt. Der Band ist daher trotz der vereinzelt geäußerten Vorbehalte allen an Literaturdidaktik Interessierten sehr zu empfehlen. Halle (Saale) E VA L EITZKE -U NGERER 140 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 2 Martina N IED C URCIO , Peggy K ATELHÖN , Ivana B AŠIĆ (Hrsg.): Sprachmittlung - Mediation - Mediazione linguistica. Ein deutsch-italienischer Dialog. Berlin: Frank & Timme 2015, 325 Seiten [€ 39,80] Während in der bundesdeutschen Bildungslandschaft die translatorische Aktivität Sprachmittlung vor allem im Kontext des schulischen Fremdsprachenunterrichts diskutiert wird, zeigt sich in Italien ein anderes Bild: Dort ist die Konzeptualisierung der Sprach mittlungskompetenz hauptsächlich im universitären Bereich zu verorten, insbesondere im DaF-Unterricht und in den neu eingerichteten Studiengängen Mediazione linguistica e culturale. Beide Sichtweisen miteinander ins Gespräch zu bringen, ist das Ziel der ersten beiden Teile des von Martina N IED C URCIO , Peggy K ATELHÖN und Ivana B AŠIĆ vorgelegten Sammelbandes, dessen dritter Teil die Erforschung der Sprachmittlungskompetenz durch interdisziplinäre Zugänge bereichert. Werfen wir zuerst einen Blick auf Teil II und damit auf den italienischen Kontext, um zunächst einen Eindruck davon zu gewinnen, wie die Sprachmittlungskompetenz außerhalb Deutschlands modelliert und verstanden wird. Als Einstieg in diesen zweiten Teil „Sprach- und Kulturmittlung an italienischen Schulen und Universitäten“ legt Maria Antonietta S ARACINO den Fokus auf die Rolle des Sprachmittlers als Mittler zwischen den Kulturen, die aufgrund der starken Migrationsbewegungen nach Europa aktuell besonders gefragt sei. Das Modul Introduzione alla mediazione interculturale des Übersetzungsstudiengangs an der römischen Universität La Sapienza beinhalte deshalb auch die Vorbereitung der Studierenden auf interkulturelle Mittlungssituationen in unterschiedlichen sozialen und institutionellen Kontexten (wie etwa in Flüchtlingsaufnahmezentren oder bei international agierenden Hilfsorganisationen). Dieses Verständnis von Sprachmittlung als Kulturmittlung ist in Italien offenbar stärker ausgeprägt als in Deutschland. Das zeigt auch der Beitrag von Lorenza R EGA . Sie unterscheidet neben der Sprachmittlung als Oberbegriff für sämtliche translatorische Aktivitäten (professionell und unprofessionell) zum einen die Sprachmittlung als nichtprofessionelle Kulturmittlung (vor allem zur Unterstützung der Integration von Einwanderern) und zum anderen Sprachmittlung als nichtprofessionelle Aktivität im Sinne eines mehr oder minder spontanen interkulturellen Mittelns von weniger komplexen Inhalten und zugleich als Strategie zum Fremdsprachenlernen. Sie schlägt vor, die zuletzt aufgeführte Form als Vorstufe zu und Vorbereitung auf professionelles Dolmetschen und Übersetzen zu verstehen. Norbert B ICKERT und Marita K AISER widmen sich der Frage, wie und mit welchen Zielen Sprachmittlungsaufgaben im universitären DaF-Unterricht eingesetzt werden können. B ICKERT versteht Sprachmittlung im Sinne des deutschen Begriffsverständnisses für den schulischen Fremdsprachenunterricht als interlinguales Aufgabenformat, das die paraphrasierende und vereinfachende Wiedergabe von Inhalten in einer anderen Sprache erfordert. Damit unterstützten diese Aufgaben den Fremdsprachenlernprozess an sich, insofern sie zur sprachlichen Komplexitätsreduktion des zu mittelnden fremden schriftlichen oder mündlichen Textes auffordern - ganz so, wie es auch beim Umformulieren eigener Ausdrucksintentionen von der L1 in die L2 zur Vermeidung zumeist fehlerhafter Wort-für-Wort-Übersetzungen idealer Weise geschehen sollte. B ICKERT zeigt abschließend an sechs Beispielen, wie Sprachmittlungsaufgaben im DaF-Unterricht für Studierende in einen überzeugenden situativen Kontext eingebettet werden können, und betont zudem die Effektivität des Einsatzes von Paralleltexten. K AISER dagegen zielt in ihrem Projekt „Forum Deutsch“ auf die intralinguale Sprachmittlung ab. Hierbei erhalten die italienischen DaF-Lerner/ innen die Aufgabe, auf der Basis deutscher Lese- und Hör-/ Sehtexte Referate über ein selbst gewähltes, zielkulturelles Thema vorzubereiten und vor Kommilitonen in der L2 zu halten. Diese inhaltsbearbeitende Übertragung und Reduktion ausgewählter Informationen versteht sie als Sprachmittlung aus der L2 in die L2. Das würde jedoch bedeuten, jede Form der -