eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 45/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2016
452 Gnutzmann Küster Schramm

Gabriela FELLMANN: Schüleraustausch und interkulturelle Kompetenz: Modelle, Prinzipien und Aufgabenformate. Frankfurt/M. [u.a.]: Peter Lang 2015 (Fremdsprachendidaktik inhalts- und lernerorientiert; Band 29), 330 Seiten [€ 56,95]

2016
Antje Stork †
136 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 2 ven Forschungsparadigma zuzuordnen: „Es werden Daten von 15 Lernenden des 8. Jahrgangs eines niedersächsischen Gymnasiums im Rahmen einer Schüleraustauschfahrt nach England erhoben mit dem Ziel, interkulturelle Lernprozesse der Lernenden sowie begegnungsdidaktisch relevante Hinweise für die Konzeption interkultureller fremdsprachlicher Begegnungssituationen sichtbar zu machen“ (S. 27). Nach der Einleitung (Kapitel 1) und einer Skizzierung von Entstehungsgeschichte und Verlauf der Studie (Kapitel 2) folgt in den anschließenden drei Kapiteln die theoretische Fundierung der Arbeit. Kapitel 3 widmet sich der interkulturellen Kompetenz (in Bezug auf den Englischunterricht), wobei insbesondere das Modell von B YRAM (1997 2 ) diskutiert wird. In Bezug auf die Operationalisierbarkeit interkultureller Kompetenz kommt die Verfasserin zum Schluss, „dass interkulturelle Kompetenz grundsätzlich messbar sein kann“ (S. 77), empirische Forschungsergebnisse zur Validierung der Modelle und konkrete Aufgabenentwicklungen allerdings bisher Forschungsdesiderate sind. Die interkulturelle Kompetenz wird auf den Fremdsprachenunterricht bezogen, und Forschungsdesiderate werden genannt. In Kapitel 4 geht es um Schüleraustauschfahrten und Begegnungen im Fremdsprachenunterricht. Nach einem Überblick über die Vielfalt möglicher Austauschfahrten und Begegnungen werden Forschungsergebnisse zur Gestaltung von Schüleraustauschfahrten dargelegt. Darauf aufbauend werden Anforderungen an ein Modell für Austauschfahrten abgeleitet und der Ansatz der Aufgabenorientierung vorgestellt sowie auf seine Einsetzbarkeit bei Schüleraustauschfahren reflektiert. Allerdings definiert die Verfasserin „Austausch“ und „Begegnung“ nicht und verzichtet auch darauf, die beiden Begriffe voneinander abzugrenzen. Kapitel 5 fokussiert den Einsatz von authentischen (Schüler-)Texten im Fremdsprachenunterricht. Dieser Aspekt ist wichtig, da die Verfasserin in der unterrichtlichen Vorbereitung mit innerhalb des COMENIUS-Projekts entstandenen Texten gearbeitet hat und im empirischen Teil im Projekt neu entstehende authentische (Schüler-)Texte während und nach einer Austauschfahrt analysiert sowie interpretiert. Im Zentrum des Kapitels steht die Diskussion, welchen Beitrag authentische Texte zur Entwicklung interkultureller Kompetenz im Rahmen einer Schüleraustauschfahrt leisten können. Dazu werden „die theoretischen Fundierungen der vorangegangenen Kapitel 3 und 4 zu interkultureller Kompetenz und zur Austauschforschung mit dem Begriff der Authentizität sowie dessen drei Ebenen koordiniert“ (S. 126). Außerdem stellt die Verfasserin die zur Vorbereitung der Austauschfahrt nach England eingesetzten Texte vor. Mit Kapitel 6 beginnt der empirische Teil des Buches. In den Kapiteln 6 und 7 präsentiert die Verfasserin in Kürze (zwei bzw. vier Seiten) Erkenntnisinteresse und Fragestellungen ihrer Studie sowie die Vorbereitung ihres Forschungsprojektes vor. Sie geht der (Haupt-)Fragestellung nach, welche begegnungsdidaktischen Prinzipien die Entwicklung von interkultureller Kompetenz während einer Schüleraustauschfahrt nach England unterstützen. In Kapitel 8 werden Forschungsansatz und Untersuchungsdesign der Studie diskutiert. Erläutert werden die Charakteristika und Gütekriterien von Aktionsforschung sowie die Rolle der forschenden Lehrkraft im Forschungsprozess. Nach der Darlegung des Forschungsdesigns der Studie und der zirkulären Strategie der Forschungsdurchführung stellt die Verfasserin die vier wichtigsten Datenerhebungsinstrumente vor, und zwar Fragebögen mit best and worst experiences, Einzelinterviews, Lerntagebuch, Gruppendiskussionen. Kapitel 9 befasst sich mit der Vorgehensweise zur Aufbereitung und Analyse der erhobenen Daten, wobei grundlegende Aspekte des deduktiv-induktiven und fallbezogenen Auswertungsverfahrens vorgestellt werden. 2 Michael B YRAM : Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence. Clevedon: Multilingual Matters 1997. Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 137 45 (2016) • Heft 2 In Kapitel 10 stellt die Verfasserin die Ergebnisse der empirischen Untersuchung vor. Der Schwerpunkt liegt auf der Präsentation der Ergebnisse der Analyse und der Interpretation von vier ausgewählten Fallbeispielen. Das abschließende Kapitel 11 enthält die Zusammenführung und Diskussion der Ergebnisse der Studie. Die Forschungsfrage wird beantwortet, indem zum einen eine Konkretisierung des B YRAM schen Modells vorgenommen (S. 280) und zum anderen ein Vorschlag für ein Modell für Schüleraustausch vorgelegt wird (S. 293), das verschiedene Aufgabenformate integriert. An die Reflexion der Methoden schließen sich Vorschläge für die schulische Praxis und Forschungsdesiderata an. Der über 300 Seiten starke und von der Verlags-Website herunterladbare Anhang enthält nicht nur die Fallbeispiele zwei bis vier, sondern auch eine Vielzahl weiterer Dokumente und Materialien wie bspw. die Textsammlung, den Kodierleitfaden und die Kategoriensysteme. Das Buch schließt eine wichtige Lücke in Bezug auf die Förderung interkultureller Kompetenz bei Schülerbegegnungen. Die Verfasserin geht sowohl im theoretischen als auch im empirischen Teil sehr sorgfältig und reflektierend vor; viele Tabellen und Abbildungen tragen zur guten Lesbarkeit bei. Im Anschluss an die Studie stellt sich die Frage, ob bereits Lehrkräfte in Schulen mit dem von der Verfasserin entwickelten Modell arbeiten und welche Erfahrungen sie damit machen. Weiterhin wäre interessant, der Frage nachzugehen, inwieweit sich das Modell auf außerschulische und universitäre Begegnungssituationen übertragen und weiterentwickeln lässt. Die diesem Buch zu Grunde liegende Dissertationsschrift wurde mit dem Ludger-Schiffler-Preis für Fremdsprachendidaktik ausgezeichnet. Bad Homburg ANTJE S TORK † Lutz K ÜSTER , Christiane L ÜTGE , Katharina W IELAND (Hrsg.): Literarisch-ästhetisches Lernen im Fremdsprachenunterricht. Theorie - Empirie - Unterrichtsperspektiven. Frankfurt/ M. [u.a.] 2015 (Kolloquium Fremdsprachenunterricht), 207 Seiten [€ 44,95] Literarisch-ästhetische Texte und die mit ihnen verbundenen Inhalte und Ziele haben in Zeiten der Kompetenzorientierung einen schweren Stand. Trotzdem oder gerade deswegen verfolgt der vorliegende Band das Ziel, den Stellenwert literarisch-ästhetischen Lernens im kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht neu zu bestimmen und seine Relevanz aus unterschiedlichen Begründungsperspektiven unter Beweis zu stellen. Der Band geht auf zwei literaturdidaktische Sektionen aus dem Jahr 2013 zurück (Romanistentag Würzburg und Kongress der DGFF Augsburg) und umfasst neben der Einleitung elf Beiträge aus der anglistischen und romanistischen Fachdidaktik, die sich drei Themenblöcken zuordnen lassen. Im ersten Block geht es um theoretisch bzw. empirisch fundierte Begründungen des literarisch-ästhetischen Lernens, im zweiten Block stehen methodische Ansätze im Mittelpunkt, im dritten Block werden dann ausgewählte literarische und filmische Genres in den Blick genommen. „Warum ästhetisch-literarisches Lernen im Fremdsprachenunterricht“? Zur Beantwortung der Titelfrage seines Beitrags verweist Lutz K ÜSTER - unter Rekurs auf Theorien des Ästhetischen (insbesondere K ANT ) und der Ästhetischen Bildung (B AUMGARTEN 1988, D IETRICH et al. 2012) - zum einen auf die Selbstzweckhaftigkeit der Kunst. Diese entzieht sich zunächst jedem Nützlichkeitsanspruch (und damit auch jedem Versuch der Eingliederung in heutige Kompetenzmodelle); das Einmalige der Begegnung mit literarischen Texten liegt vielmehr im Gewinn ästhetischer Erfahrung, d.h. in einer besonderen Art der „Welterschließung“ (S. 20), die weniger auf Vertrautes als vielmehr auf Irritation setzt. Auf der anderen Seite kann der Auseinandersetzung mit literarischen Texten gerade im Fremdsprachenunterricht eine gewisse „Zweckdienlich- 138 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 2 keit“ (S. 18) nicht abgesprochen werden; der Autor sieht diese in vier Bereichen realisiert: in der Förderung interkultureller Bildung, der Anregung von Phantasie und Kreativität, der Entwicklung von Text- und kritischer Medienkompetenz und last but not least in der Ausbildung der fremdsprachlichen Fertigkeiten. Ralf W ESKAMP geht von der Prämisse aus, dass Literatur in den meisten Fällen Geschichten erzählt; Ziel des Beitrags ist es daher, die „Bedeutung des Narrativen für das menschliche Denken und Handeln“ (S. 35) unter Rekurs auf kognitionswissenschaftliche und entwicklungspsychologische Erkenntnisse herauszustellen und damit ein starkes Argument für den Einsatz von literarischen Texten ins Bewusstsein zu heben. Im zweiten Teil des Beitrags finden sich knapp skizzierte Vorschläge für den Englischunterricht. Ärgerlich ist, dass der Sprachwissenschaftler Otto J ESPERSEN durchgehend in falscher Schreibung (*J ESPERSON ) erscheint. Den Abschluss des ersten Themenblocks bildet ein erster empirischer Beitrag. Katharina W IELAND stellt die Ergebnisse einer Befragung von 38 Oberstufenschülerinnen und -schülern zu motivationalen Aspekten im Literaturunterricht Französisch, Spanisch und Italienisch vor und leitet daraus didaktische Konsequenzen ab. Die Aussagekraft der vorwiegend quantitativen Studie ist allerdings begrenzt; so wäre es vor allem im Fall der Befürwortung bzw. Ablehnung bestimmter Methoden wünschenswert gewesen, die Begründungen zu kennen. Der zweite Themenblock enthält Beiträge, die methodische Konzepte vorstellen; der Schwerpunkt liegt auf handlungs- und produktionsorientierten Zugängen. Birgit S CHÄDLICH und Carola S URKAMP gehen in ihrem innovativen und methodologisch herausragendem Beitrag der Frage nach, inwiefern Textrezeptionsprozesse durch eine Methode aus der Dramapädagogik (Standbilder) angestoßen und wie deren Vorzüge und Grenzen mittels eines empirischen Verfahrens (Videographie im Oberstufenunterricht Englisch und Französisch) der Beschreibung und Analyse zugänglich gemacht werden können. Als durchaus überraschendes Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Ziele in Bezug auf die Textrezeption und -interpretation in der Unterrichtsrealität bei weitem nicht in dem Maß erreicht werden, wie dies konzeptionell geplant war. Barbara S CHMENK setzt sich ebenfalls mit Dramapädagogik auseinander, kritisiert jedoch die weit verbreitete Auffassung, wonach Dramapädagogik ganzheitliches Lernen fördere. Anstoß ihrer Kritik ist dabei weniger, dass ganzheitliches Lernen als Zusammenspiel von „Kognition, Emotionen und Leiblichkeit“ (S. 116) gesehen wird als vielmehr die - von der Autorin vertretene, durch Quellen jedoch nicht belegte - Annahme, dass ganzheitliches Lernen per se eine „quasi-harmonische, ausgeglichene Form des Lernens“ (S. 115) sei. Ihr setzt die Autorin ein auf poststrukturalistischen Sprach- und Subjekttheorien basierendes Verständnis entgegen, wonach beim ganzheitlichen Lernen in erster Linie „Brüche, Inkonsistenzen und Fragmentarisierung“ (109) zutage treten. Dass dieses ‚unharmonische‘ ganzheitliche Lernen durch dramapädagogische Methoden sehr gut gefördert werden kann, liegt auf der Hand und hätte nicht unbedingt durch weitere theoretische Exkurse begründet werden müssen; stattdessen wäre ein konkreter Anwendungsbezug wünschenswert gewesen. Mit dem Konzept der komplexen Lernaufgabe steht im Beitrag von Katharina K RÄLING , Katharina M ARTÍN F RAILE und Daniela C ASPARI eine aktuell höchst einflussreiche Methode im Mittelpunkt, deren Stärke in der Förderung der reflexiven, der produktiven und der rezeptiven Dimension literarisch-ästhetischen Lernens gesehen wird. Dies wird nicht nur konzeptionell schlüssig entwickelt, sondern auch anhand von Entwürfen für konkrete Lernaufgaben zum Genre der Kürzestgeschichte konkretisiert. Ob allerdings für die vorgeschlagenen stark gelenkten Aktivitäten der Begriff der ‚komplexen‘, d.h. projektartigen Lernaufgabe angemessen ist, sei dahingestellt.