eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 45/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2016
452 Gnutzmann Küster Schramm

Petra KNORR: Kooperative Unterrichtsvorbereitung. Unterrichtsplanungsgespräche in der Ausbildung angehender Englischlehrer. Tübingen: Narr 2015 (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik), 473 Seiten [€ 72,00]

2016
Ulrike Schuh-Fricke
134 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 2 Ein wesentliches Ergebnis bereits vorhandener Untersuchungen über Denkstrukturen und Abläufe beim Planen von Unterrichtsstunden ist, dass sowohl erfahrene Lehrer/ innen als auch Novizen eher über Unterrichtsabläufe, Aktivitäten, Übungen und Classroom Management nachdenken als über anzustrebende Lernbzw. Kompetenzziele. Die vorgestellten Forschungen wie auch die vorliegende Studie selbst geben keine Antwort darauf, ob sich Planung und Durchführung von Unterricht verändern, vielleicht gar verbessern, wenn von den Lernbzw. Kompetenzzielen her geplant wird. In Kapitel 6 werden der Aufbau der Untersuchung und die leitenden Forschungsfragen ausführlich dargestellt und mit den zuvor beschriebenen Forschungsansätzen verknüpft. Grundlage der Studie sind videographisch aufgezeichnete Planungsgespräche, die dokumentiert, ausgewertet und interpretiert werden und darüber hinaus als Impulse für „Lautes Erinnern“ seitens der Studierenden dienen. Durch die Kombination beider Methoden sollen nicht nur die Planungsentscheidungen vor der Durchführung der Unterrichtsstunden erfasst werden, sondern auch u.U. unbewusste mentale Entscheidungsabläufe der Studierenden bei der Planung nachträglich transparent und zugänglich gemacht werden. Zudem soll dadurch sichergestellt werden, dass die Interaktionen während der Planungsgespräche richtig verstanden worden sind. Die Planungsgespräche der Studierenden werden in der vorliegenden Studie umfänglich dokumentiert, während aus den Aufzeichnungen des „Lauten Erinnerns“ nur sehr wenige Passagen zitiert werden, sodass der Leser hier der Interpretation der Forscherin vertrauen muss. In den Kapiteln 7-10 werden die Inhalte und der Aufbau der Planungsgespräche, die die Versuchsteilnehmer/ innen geführt haben, sowie in Ansätzen deren Nachbetrachtungen dargestellt. Die Planungsgespräche werden dann mit Blick auf die Forschungsfragen auf unterschiedlichen Ebenen zunächst konversationsanalytisch untersucht. Mit Rückgriff auf zentrale Modelle der sozio-kulturellen Theorie (z.B. zones of proximal development) werden die so gewonnenen Ergebnisse dann interpretiert. Dabei wird deutlich, dass sich die an der Untersuchung teilnehmenden Studierenden bei der Planung ihrer Stunden primär auf das Suchen bzw. Auswählen von Aktivitäten während des Unterrichts, die Analyse der einzusetzenden Materialien, der Erstellung eines Verlaufs- und Zeitplanes, mögliche situative Einbettungen von Aktivitäten/ Übungen und die konkrete Durchführung der Stunde fokussieren. Dabei werden Lernziele zumeist implizit und eher unbewusst angesprochen und diskutiert. Anders aber als z.B. von der „Berliner Schule“ gefordert, steht das Formulieren eines Lernbzw. Kompetenzzieles und möglicher Teilziele nicht am Anfang bzw. im Fokus der Planungsgespräche. Begleitend zur Planung einer Stunde mussten die Studierenden einen tabellarischen Ablaufplan erstellen, der offensichtlich die Unterrichtsphasen, die Aktivitäten und Übungen, die Materialien und die Organisationsformen des Unterrichts während der Stunde dokumentiert. Da dieser Bogen nicht in den Anlagen der vorliegenden Studie enthalten ist, bleibt unklar, was genau festgehalten werden musste und ob die Formulierung von Lernbzw. Kompetenzzielen explizit gefordert war. Geht man von den dokumentierten Gesprächsausschnitten aus, scheint dies eher nicht der Fall gewesen zu sein. Es stellt sich somit die Frage, ob das explizite Einfordern einer Lernbzw. Kompetenzziel-Formulierung Einfluss auf den Inhalt und die Gestaltung der Gespräche gehabt hätte. Darüber hinaus erhebt sich die Frage, wie sich die Planungsgespräche gestaltet hätten, wenn nicht nur Einzelstunden, sondern eine mehrere Stunden umfassende Unterrichtsreihe hätte geplant werden müssen, so wie dies in der schulischen Realität geschieht bzw. geschehen sollte. Mit dem Befund, dass die Planenden schwerpunktmäßig die Abläufe und Aktivitäten, das Zeitmanagement oder die einzusetzenden Medien diskutiert haben, bestätigt die vorliegende Studie frühere Forschungsergebnisse. Die vorgelegte Auswertung der Planungsgespräche zeigt, dass die Studierenden auf ihre eigenen Erfahrungen als Schüler/ innen, auf die Hinweise bzw. das Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 135 45 (2016) • Heft 2 Feedback der betreuenden Lehrkräfte und auf fachdidaktisches Wissen zurückgreifen, auch wenn dabei nicht unbedingt die entsprechenden Fachbegriffe verwendet werden. Bei der zusammenfassenden Bewertung der erhobenen Befunde werden die positiven Effekte des kooperativen Planens von Unterrichtsstunden, z.B. das Generieren vieler unterschiedlicher Ideen, die korrektive Funktion von Einwänden oder Nachfragen, Einbeziehung und Erprobung von fachdidaktischem Wissen und Konzepten sowie die emotionale Unterstützung der Unterrichtenden detailliert und nachvollziehbar erläutert. Ebenso deutlich wird aber auch aufgezeigt, dass es einer noch engeren Verzahnung zwischen der Vorbereitung des Praktikums auf universitärer Ebene und den entsprechenden Fachbereichen der Schulen, an denen das Praktikum stattfindet, bedarf. Die Kolleginnen und Kollegen an den Schulen, die die Praktikantinnen/ Praktikanten betreuen, sollten in der Lage sein bzw. in die Lage versetzt werden, den Studierenden im Praktikum gezielt durch ihre Vor- und Nachbesprechungen der Stunden zu helfen und sie effektiv zu beraten. Entsprechende Auszüge aus den Planungsgesprächen zeigen, dass die Studierenden die entsprechenden Hinweise oft nicht verstanden hatten und diese nicht für die eigene Planung nutzen konnten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass hier eine sorgfältig vorbereitete und fundierte Untersuchung von kooperativem planerischem Handeln bei der Vorbereitung von einzelnen Unterrichtsstunden vorgelegt worden ist. Man kann der Schlussfolgerung, dass kooperative Unterrichtsvorbereitung Vorteile für die Bewältigung des schulischen Alltags mit sich bringen kann, nur zustimmen. Allerdings muss bedacht werden, dass Lehrer/ innen in der schulischen Realität nicht nur eine, sondern 23(+) Wochenstunden Unterricht in verschiedenen Fächern planen und vorbereiten müssen (ein Umstand, der Petra K NORR selbst bewusst ist und auf den sie hinweist). Dies macht sicher kooperative Unterrichtsvorbereitung nicht unmöglich, stellt aber eine grundsätzlich andere Situation dar als die der Studie zugrunde liegende. Die Studie gibt zudem keine Antwort auf die Frage, ob das kooperative Planen einen positiven Effekt auf die Durchführung des Unterrichts und dessen Qualität hatte. Braunschweig U LRIKE S CHUH -F RICKE Gabriela F ELLMANN : Schüleraustausch und interkulturelle Kompetenz: Modelle, Prinzipien und Aufgabenformate. Frankfurt/ M. [u.a.]: Peter Lang 2015 (Fremdsprachendidaktik inhalts- und lernerorientiert; Band 29), 330 Seiten [€ 56,95] Schüleraustauschfahrten werden an zahlreichen Schulen seit vielen Jahren durchgeführt. Zwar gibt es eine Reihe von Vorschlägen, wie die interkulturelle Kompetenz im Rahmen einer solchen Schülerbegegnung gefördert werden kann, es fehlt aber bisher an einem empirisch abgesicherten Modell. Diese Forschungslücke wird mit der Arbeit von Gabriela F ELLMANN geschlossen, die im Jahr 2014 an der Philosophischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover als Dissertationsschrift angenommen wurde und nun in einer geringfügig veränderten sowie (auf ein einziges Fallbeispiel) gekürzten 1 Fassung publiziert wurde. Die Verfasserin führt die Entstehung der Studie „vor allem auf die Implementierung des Begriffs ‚interkulturell‘ in den Schulcurricula und ihre persönlichen Erfahrungen der forschenden Lehrkraft als Koordinatorin eines COMENIUS-Projektes“ (S. 31) zurück. Verortet wird die Studie im forschungsmethodologischen Kontext von Aktionsforschung und ist somit dem qualitati- 1 Die weiteren Fallbeispiele sind im elektronischen Anhang einzusehen, der von der Verlags-Website heruntergeladen werden kann. 136 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 2 ven Forschungsparadigma zuzuordnen: „Es werden Daten von 15 Lernenden des 8. Jahrgangs eines niedersächsischen Gymnasiums im Rahmen einer Schüleraustauschfahrt nach England erhoben mit dem Ziel, interkulturelle Lernprozesse der Lernenden sowie begegnungsdidaktisch relevante Hinweise für die Konzeption interkultureller fremdsprachlicher Begegnungssituationen sichtbar zu machen“ (S. 27). Nach der Einleitung (Kapitel 1) und einer Skizzierung von Entstehungsgeschichte und Verlauf der Studie (Kapitel 2) folgt in den anschließenden drei Kapiteln die theoretische Fundierung der Arbeit. Kapitel 3 widmet sich der interkulturellen Kompetenz (in Bezug auf den Englischunterricht), wobei insbesondere das Modell von B YRAM (1997 2 ) diskutiert wird. In Bezug auf die Operationalisierbarkeit interkultureller Kompetenz kommt die Verfasserin zum Schluss, „dass interkulturelle Kompetenz grundsätzlich messbar sein kann“ (S. 77), empirische Forschungsergebnisse zur Validierung der Modelle und konkrete Aufgabenentwicklungen allerdings bisher Forschungsdesiderate sind. Die interkulturelle Kompetenz wird auf den Fremdsprachenunterricht bezogen, und Forschungsdesiderate werden genannt. In Kapitel 4 geht es um Schüleraustauschfahrten und Begegnungen im Fremdsprachenunterricht. Nach einem Überblick über die Vielfalt möglicher Austauschfahrten und Begegnungen werden Forschungsergebnisse zur Gestaltung von Schüleraustauschfahrten dargelegt. Darauf aufbauend werden Anforderungen an ein Modell für Austauschfahrten abgeleitet und der Ansatz der Aufgabenorientierung vorgestellt sowie auf seine Einsetzbarkeit bei Schüleraustauschfahren reflektiert. Allerdings definiert die Verfasserin „Austausch“ und „Begegnung“ nicht und verzichtet auch darauf, die beiden Begriffe voneinander abzugrenzen. Kapitel 5 fokussiert den Einsatz von authentischen (Schüler-)Texten im Fremdsprachenunterricht. Dieser Aspekt ist wichtig, da die Verfasserin in der unterrichtlichen Vorbereitung mit innerhalb des COMENIUS-Projekts entstandenen Texten gearbeitet hat und im empirischen Teil im Projekt neu entstehende authentische (Schüler-)Texte während und nach einer Austauschfahrt analysiert sowie interpretiert. Im Zentrum des Kapitels steht die Diskussion, welchen Beitrag authentische Texte zur Entwicklung interkultureller Kompetenz im Rahmen einer Schüleraustauschfahrt leisten können. Dazu werden „die theoretischen Fundierungen der vorangegangenen Kapitel 3 und 4 zu interkultureller Kompetenz und zur Austauschforschung mit dem Begriff der Authentizität sowie dessen drei Ebenen koordiniert“ (S. 126). Außerdem stellt die Verfasserin die zur Vorbereitung der Austauschfahrt nach England eingesetzten Texte vor. Mit Kapitel 6 beginnt der empirische Teil des Buches. In den Kapiteln 6 und 7 präsentiert die Verfasserin in Kürze (zwei bzw. vier Seiten) Erkenntnisinteresse und Fragestellungen ihrer Studie sowie die Vorbereitung ihres Forschungsprojektes vor. Sie geht der (Haupt-)Fragestellung nach, welche begegnungsdidaktischen Prinzipien die Entwicklung von interkultureller Kompetenz während einer Schüleraustauschfahrt nach England unterstützen. In Kapitel 8 werden Forschungsansatz und Untersuchungsdesign der Studie diskutiert. Erläutert werden die Charakteristika und Gütekriterien von Aktionsforschung sowie die Rolle der forschenden Lehrkraft im Forschungsprozess. Nach der Darlegung des Forschungsdesigns der Studie und der zirkulären Strategie der Forschungsdurchführung stellt die Verfasserin die vier wichtigsten Datenerhebungsinstrumente vor, und zwar Fragebögen mit best and worst experiences, Einzelinterviews, Lerntagebuch, Gruppendiskussionen. Kapitel 9 befasst sich mit der Vorgehensweise zur Aufbereitung und Analyse der erhobenen Daten, wobei grundlegende Aspekte des deduktiv-induktiven und fallbezogenen Auswertungsverfahrens vorgestellt werden. 2 Michael B YRAM : Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence. Clevedon: Multilingual Matters 1997.