eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 45/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2016
452 Gnutzmann Küster Schramm

Wolfgang HALLET, Carola SURKAMP (Hrsg.): Handbuch Dramendidaktik und Dramapädagogik im Fremdsprachenunterricht. Trier: WVT 2015 (Handbücher zur Literatur- und Kulturdidaktik), 345 Seiten [35,00 €]

2016
Katharina Wieland
Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 129 45 (2016) • Heft 2 kommunikative Teilkompetenz acting, wie sie P ASSON anführt (vgl. S. 82), nicht zu stark nur auf die performative Komponente des Bereichs Sprechen eingegrenzt ist. Hier droht m.E. das Potenzial von drama- und theaterpädagogischen Ansätzen für die anderen sprachlich-kommunikativen Teilkompetenzen vergessen zu werden. Der Beitrag von Franziska E LIS leitet zu den sprachlichen Teilkompetenzen über. Die Autorin stellt umfassend die Möglichkeiten der dramapädagogischen Methoden für die Förderung der Teilkompetenz Sprechen vor, auch unter Einbeziehung der zentralen Frage der Sprechbereitschaft bzw. Sprechhemmungen. Aufgrund des Umfangs fällt das Eingehen der Autorin auf alle anderen Teile der sprachlich-kommunikativen Kompetenz (inkl. sprachliche Mittel) leider eher dürftig aus. Der spezifische Mehrwert der Dramapädagogik kann in der Kürze nicht klar hervorgehoben werden. Auch das sehr begrüßenswerte Plädoyer für dramapädagogische Lehrbucharbeit in der Sekundarstufe hätte, um nachhaltig wirken zu können, einen eigenen Beitrag verdient. Katharina D ELIUS und Carola S URKAMP beleuchten im Anschluss die Potenziale eines Theaterbesuchs für den Fremdsprachenunterricht, indem sie reflektieren, wie durch Vor- und Nachbereitung sowie Einbeziehung sprachlicher Mittel die Entwicklung von fremdsprachlicher Diskursfähigkeit langfristig angestrebt werden kann. Mit Bezug auf den „Kulturunterricht“ betrachtet Almut K ÜPPERS Theater als Mittel, um interkulturelle Bildung zu befördern und bezieht sehr interessante empirische Perspektiven zur Wirkungsforschung (z.B. DICE-Studie 2010) in ihrer Übertragbarkeit auf den Fremdsprachenbereich ein. An der Arbeit mit „critical incidents“ zeigt die Verfasserin auf, wie kritisches Bewusstsein für die kulturelle Determiniertheit von Interaktion und Kommunikation durch Reflexivität geschärft werden kann. Der Beitrag von Lotta K ÖNIG gibt einen Überblick über mögliche Gegenstände und Zugangsformen für geschlechterreflektierende Arbeit im Englischunterricht. Geschlecht biete durch seine Konstituierung in Sprechakten und kulturellem Handeln Reflexions- und Diskussionsanlässe im Fremdsprachenunterricht (vgl. S. 169). Die Autorin zeigt an zahlreichen Beispielen auf, wie durch dramapädagogische Mittel z.B. geschlechtertypische sprachliche Zuschreibungen deutlich gemacht werden können oder wie in der Dramendidaktik durch gezielte Literaturauswahl Stücke ihr Potenzial zur Reflexion von Gender-Zuschreibungen konkret entfalten können. Die Beiträge im dritten Kapitel zum Literaturunterricht spiegeln sehr schön das eingangs erwähnte Spannungsverhältnis zwischen Analyse und Produktion wider. Den Anfang macht Christiane L ÜTGE , die für ein handelndes Erschließen von Dramen plädiert und dazu drei Verfahren an Beispielen skizziert. Britta F REITAG -H ILD rückt szenische Interpretationsverfahren und deren didaktisches Potenzial für literarisches, sprachliches, interkulturelles und emotionales Lernen in den Mittelpunkt ihres Beitrags. Eine Übersicht zu den Phasen szenischer Interpretation sowie exemplarische Gestaltungsmöglichkeiten am Beispiel des Stücks „A Raisin in the Sun“ runden den Beitrag ab. Auch Carola S URKAMP und Ansgar N ÜNNING greifen dieses Drama auf, stellen aber die Dramenanalyse im Zusammenspiel mit szenischen Methoden in den Vordergrund; dabei sprechen sie sich für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen textzentrierten und kreativen Zugangsformen aus. Durch geeignete Bezugnahmen auf den vorherigen Text von F REITAG -H ILD wird deutlich, dass performative Kompetenz sowohl die Inszenierung von Interaktion als auch analytische Zugänge zur Inszeniertheit allen Handelns performative Kompetenz fördern können. Stephanie S OMMERFELD und Mark B ISCHOFF heben die Partiturthese der Dramendidaktik hervor (vgl. S. 241), stellen aber deutlich die Grenzen ausschließlich produktiver Ansätze heraus, da diese stets Gefahr liefen, die im Stück vermittelten fremden Sichtweisen durch Alltagsmuster zu überlagern. 130 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 2 Das Teilkapitel zu medialen Inszenierungen dokumentiert zunächst im Beitrag von Ingrid S TRITZELBERGER die Aufführung eines Theater- und Multimediaprojekts. Hierbei wird die Darstellung der szenischen und filmischen Umsetzung eines Gedichts in wichtige medienpädagogische Überlegungen und Überlegungen zum ganzheitlichen und autonomen Lernen eingebettet. Der zweite Beitrag von Jochen B AIER , Jasmin B ÜHRLE und Melanie G ECIUS setzt szenisch-dramatische Verfahren und digitale Medien bzw. Internetformate durch Gegenüberstellung gemeinsamer Merkmale in Bezug. Die vorgestellten szenisch-technischen Verfahren gehen weit über eine reine Dokumentation von Theaterszenen hinaus und sind meist eingängig dargestellt. Etwas mehr Erläuterung wünscht man sich bei der Darstellung des computer adventure (vgl. S. 297f.), vor allem wird nicht klar, inwiefern es sich wirklich um ein vorbereitendes Verfahren handeln kann oder ob - wie das Beispiel des Hamlet als Detektivgeschichte in der Kürze der Beschreibung nahelegt - die Interpretation der Lerner schon stark gesteuert wird. Mit Blick auf das Lehrerhandeln stellt Heike W EDEL dar, wie problematisch Aufgaben zum Theaterspielen für einschlägig unerfahrene Lehrkräfte sein können, da sie ihnen gerade in Lehrbüchern häufig aufgrund ihrer Knappheit nicht genügend Orientierungen lieferten. In diesem Zusammenhang präsentiert die Verfasserin Übungen, welche die Vor- und Nachbereitung solcher Lehrbuchaufgaben zu leisten im Stande seien. Der Band schließt mit dem Plädoyer von Franziska E LIS , Adrian H AACK und Hannes M EHNER für Dramapädagogik als „hervorragende[m] Instrument zum Anstoß von (u.a. berufsbiographischer) Selbstreflexion und personalen Entwicklungsprozessen‟ (S. 319) und damit für deren Einsatz als Element der Lehrerausbildung. Insgesamt legen die Herausgeber einen gelungenen Band vor, der viele Dimensionen von Dramapädagogik und Dramendidaktik aufgreift und für den Fremdsprachenunterricht - oder sollte man doch besser sagen für den Englischunterricht - nutzbar macht. Denn hierin liegt leider eine Schwachstelle der Publikation: Das Handbuch versteht sich vom Titel und von der Einleitung her als Handbuch für den Fremdsprachenunterricht, bezieht aber in den praktischen Beispielen ausschließlich die Perspektive des Englischunterrichts und der englischen Sprache ein. Weitere Fremdsprachen, zu denen ebenso bereits wichtige Themenfelder theaterpädagogisch aufbereitet wurden, kommen nicht vor. Zudem wurde so die Chance vertan, mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze für die Theaterarbeit zu erschließen. Gleichwohl handelt es sich um ein durchaus wichtiges Buch, das auf theoretischer und praktischer Ebene viele Anregungen vermitteln kann. Berlin K ATHARINA W IELAND Ulrike J ESSNER , Claire K RAMSCH (Hrsg.): The Multilingual Challenge. Cross-Disciplinary Perspectives. Berlin/ Boston: Walter de Gruyter 2015, 360 Seiten [€ 99.95] Ausgelöst durch die Frage „tu parles toujours des bienfaits du plurilinguisme. Quand parleras-tu des cauchemars ? “ (S. 1) haben es sich Ulrike J ESSNER und Claire K RAMSCH im vorliegenden Sammelband zum Ziel gesetzt, ein Forschungsbild von Mehrsprachigkeit zu zeichnen, das die Vorteile, aber auch die Schwierigkeiten zwei- und mehrsprachiger Individuen beleuchtet. Mehrsprachigkeit wird hierbei als ein sowohl individuelles als auch soziales und kulturelles Phänomen betrachtet (S. 1-2). Das Buch widmet sich dem Thema der mehrsprachigen Herausforderungen aus unterschiedlichen Perspektiven, wobei die insgesamt 13 Beiträge des Sammelbandes in fünf verschiedene multilingual challenges gebündelt werden: familial, educational, institutional, scientific sowie professional and geopolitical. Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 131 45 (2016) • Heft 2 Li W EI und Zhu H UA zeichnen in einer soziolinguistischen Ethnographie die innerfamiliäre Situation dreier mehrsprachiger Familien aus China nach, die in Großbritannien leben, und nehmen hierbei auf Aspekte wie die Sprachsozialisation der Kinder, Kontakte zur früheren und neuen Umgebung und sprachliche Hierarchien Bezug. Die Verschiedenheit der in der Studie dokumentierten Erfahrungen der Individuen und Generationen deutet auf die Komplexität der Relation von Sprache und Identität im Kontext von Migration hin. Maria Pilar S AFONT -J ORDÀ untersucht in einem sowohl quantitativen als auch qualitativen Forschungsdesign die Einstellungen von Eltern gegenüber Spanisch, Katalanisch und Englisch in der Autonomen Region Valencia in Spanien in Relation zu deren eigenem sprachlichen Hintergrund sowie zur Schulwahl und zum Sprachgebrauch in Gesprächen mit den Kindern in der Öffentlichkeit (S. 46). Die Ergebnisse weisen u.a. auf eine Präferenz von Spanisch und Englisch bei der Wahl einer monolingual spanischen Schule hin, wohingegen im Falle einer katalanisch-basierten Schule die Einstellungen gegenüber allen drei Sprachen positiv sind (S. 56). Im Rahmen der educational challenges (S. 63ff.) dokumentiert William H EIDENFELDT in einer Einzelfallstudie Gedanken und Aktivitäten einer mehrsprachigen Spanischlehrerin in einer high-school in der East Bay-Region (S. 69), die Lerner durch einen mehrsprachigen Zugriff auf ein historisches Thema zu einer Reflexion ihrer eigenen Sprachen und Weltsicht herausfordern möchte im Gegensatz zu rein fertigkeitsorientierten Lernzielen (S. 83). Claire K RAMSCH & Lihua Z HANG gehen der Frage nach, wie Lehrer an colleges und universities in Kalifornien, die ihre Muttersprache und kulturelle Inhalte ihres Herkunftslandes unterrichten sollen, mit dem Spannungsverhältnis einer Orientierung der Institutionen am native speaker einerseits und ihrer de facto vorhandenen Zweibzw. Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität andererseits umgehen. Die Kluft zwischen einer mehrsprachigen und mehrkulturellen Identität und monolingualen und monokulturellen institutionellen Erwartungen wird durch folgendes Ergebnis anschaulich illustriert: „the longer they are in the U.S., […] the greater the tension between the multilingual multicultural person they have become and the imagined monolingual culture that they have to represent […].“ (S. 100). Mit institutioneller Orientierung befasst sich ebenfalls der Beitrag von Patrick K. O STERKORN & Eva V ETTER , die eine dreimonatige ethnographische Studie an einer bretonischen Immersionsschule durchführten, in der biographische Daten und narrative Interviews mit Beobachtungsdaten und linguistic landscaping (S. 123) trianguliert wurden. Die Untersuchung weist darauf hin, dass sich Schüler in formalen Situationen dem Gebot der bretonischen Einsprachigkeit der Schule beugen, aber auch Strategien entwickeln, dieses zu umgehen, um ihre mehrsprachigen Ressourcen nutzen zu können. Brian L ENNON diskutiert die Frage, wie multilingualer Sprachgebrauch in literarischen Werken dargestellt werden kann bzw. „how to represent the reality of polylingual discourse through a communicative medium which is normally unilingual“ (S. 147). Quellen aus der Zeit von den 1910er bis zu den 1940er Jahren in Deutschland untersucht David G RAMLING mit Blick auf die Frage, wie Interkulturalität und Mehrsprachigkeit vor dem Hintergrund des Aufkommens des Nationalsozialismus verbunden und damit einhergehend mit dem Ziel der Weltherrschaft konzipiert und institutionalisiert wurden (S. 161). Dabei wird erkennbar, wie Sprachlernkonzepte von einem ideologischen Spektrum zum anderen pendelten, obwohl oft dieselben Personen für Fremdsprachenlernen betreffende Entscheidungen verantwortlich zeichneten (S. 163). Fabienne B AIDER & Marilena K ARIOLEMOU beleuchten durch die Analyse von Interviews mit Armenisch sprechenden und Arabisch sprechenden Zyprioten über Gefühle von Fremdheit und Entfremdung (S. 185) die Vielschichtigkeit und Dynamik des mehrsprachigen Repertoires und des „set of multiple identifications“ (S. 206) von Mitgliedern dieser Sprachgruppen. Bei einem Sammelband zu multilingual challenges, der Beiträge aus verschiedensten Universitäten weltweit (z.B. in Australien, China, England, Israel, Österreich, in der Schweiz, in