eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 45/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2016
452 Gnutzmann Küster Schramm

Englischdidaktische Seminare in der Zielsprache

2016
Andreas Müller-Hartmann
Claus Gnutzmann
Pro und Contra (Englisch) 125 45 (2016) • Heft 2 Englische Seminare in Deutschland rühmen sich, z.B. in Evaluationsberichten und Semesterprogrammen, ihre Lehrveranstaltungen ausnahmslos auf Englisch durchzuführen. Auch die Lehrenden der fremdsprachendidaktischen Abteilungen fühlen sich in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit dieser Maxime verpflichtet. Die Selbstverpflichtung auf das Englische in der Lehre, so heißt es, biete den Studierenden Gelegenheit zur fremdsprachlichen Anwendung und fördere die internationale Kommunikation in den (Lehramts-)Studiengängen. Die ausschließlich auf Englisch stattfindende Unterrichtskommunikation scheint alternativlos zu sein. Zwar wäre es unrealistisch, die genannten Vorzüge des Englischen als Lehrsprache rundweg zu leugnen, aber vielleicht ist es nicht unpassend, sie zu ‚hinterfragen‘. Richtig ist: Kommunizieren lernt man durch Kommunizieren. Aber sind alle fremdsprachendidaktischen Veranstaltungen deshalb geeignet, diesem sprachpraktischen Anliegen Genüge zu tun, und sollten sie es überhaupt? Der Gegenstandsbereich der Englischdidaktik erstreckt sich auf die Erforschung des Lehrens und Lernens des Englischen vor allem in institutionellen Kontexten, d.h. in Schulen in Deutschland und konkret auf die verschiedenen Schulstufen und -typen in 16 Bundesländern und die dort gültigen Kerncurricula, Bildungspläne etc. Schon der Versuch, die Begriffe für die verschiedenen Schultypen und die z.T. sehr ‚deutschen‘ Formulierungen aus den Curricula ins Englische zu übersetzen, stößt schnell an seine Grenzen. Wie kann man unter solchen Umständen sinnvoll über landesspezifische Gegebenheiten in der Fremdsprache diskutieren - und warum sollte man, wenn dadurch sowohl der Erkenntniswie auch der Kommunikationsprozess erschwert und beeinträchtigt werden? Diesem Einwand wird interessanterweise in Doktoranden- und anderen Forschungskolloquien Rechnung getragen: Dort finden in der Regel Vorträge und Diskussionen auf Deutsch statt, es sei denn, Nicht-Muttersprachler des Deutschen sind unter den Teilnehmern. Die Englischdidaktik gehört nicht zu den „anglophonen“ Wissenschaften, wie etwa die naturwissenschaftlichen Fächer. Es handelt sich bei ihr, wie bei anderen kultur- und erziehungswissenschaftlichen Fächern, um eine „nationalsprachlich geprägte“ Disziplin, deren Lehr- und Forschungsgegenstände in den regionalen, soziokulturellen und somit auch sprachlichen Kontext eines Landes eingebettet sind. Natürlich hat die Englischdidaktik ebenfalls eine internationale Dimension, aber in ihrer Bedeutung für die Ausbildung von Englischlehrern ist zu bedenken, dass das Lehren und Lernen des Englischen in einem von der Schulsprache Deutsch geprägten Kontext stattfindet. In diesem sollten (zukünftige) Englischlehrer/ -innen mit Lehrern anderer Sprachen fachlich kommunizieren und sich zur Schaffung einer gemeinsamen Verständigungsgrundlage einer deutschen Fachterminologie bedienen können. Insofern sollte auch für fremdsprachendidaktische Lehrveranstaltungen das Prinzip der aufgeklärten Einsprachigkeit gelten. Braunschweig C LAUS G NUTZMANN 45 (2016) • Heft 2 Französisch-/ spanischdidaktische Seminare in der Zielsprache „Mir gefällt besonders gut, dass die Lehrveranstaltung auf Spanisch gehalten wird.“ - „Ich finde es gut, dass die Veranstaltung auf Spanisch ist.“ - „Außerdem war es sehr gut, dass nur Spanisch gesprochen wurde.“ In den Evaluationen des Bachelor-Seminars, das ich regelmäßig in der Fremdsprache anbiete, fällt auf, dass Studierende diesen Umstand häufig als besonders positiv hervorheben. Das ist wenig überraschend - schließlich studieren sie Spanisch, Französisch oder Italienisch nicht nur, um sich auf Deutsch mit sprachwissenschaftlichen, literaturwissenschaftlichen und eben auch fachdidaktischen Inhalten zu beschäftigen. Sie wollen dies zumindest phasenweise auch in der jeweiligen Zielsprache tun. Dagegen wird manchmal der Einwand formuliert, dass das Sprachniveau der Studierenden in den romanischen Sprachen leider nicht so hoch sei wie im Englischen. Daher sei eine inhaltliche Verflachung der Seminare unvermeidlich, wenn sie in der Fremdsprache durchgeführt werden. Das mag zum Teil stimmen, aber ist es nicht gerade auch ein Argument dafür, den Studierenden möglichst viele Gelegenheiten zu bieten, in denen sie ihre sprachlichen Kompetenzen auch außerhalb der explizit sprachpraktischen Lehrveranstaltungen ausbauen können - unter anderem also in der Fachdidaktik? Studierende erleben dann hautnah, was es bedeutet, sich Fachdiskurse mit der Fremdsprache als Arbeitssprache zu erschließen. Dabei vollziehen sie den Übergang von einem alltagsbezogenen Sprachgebrauch, den sie durch Sprachkurse, Auslandsaufenthalte und persönliche Kontakte meist schon recht gut beherrschen, zu einem meist noch wenig vertrauten akademischen Sprachgebrauch, mit anderen Worten: den Übergang von BICS zu CALP. Die Parallelen zum bilingualen Sachfachunterricht sind nicht zu übersehen und sehr zu begrüßen. Das bedeutet übrigens keineswegs, dass man für die Lehrveranstaltung ausschließlich fremdsprachige Texte auswählen sollte. Nichts spricht dagegen, auch deutschsprachige Beiträge vorbereitend zu lesen, um sie dann in der Fremdsprache zu diskutieren. Wenn man ein Seminar in der Fremdsprache leitet, ist es meiner Erfahrung nach der Authentizität und Akzeptanz sehr zuträglich, als Lehrende/ r die gesamte Kommunikation mit Studierenden umzustellen, also auch Gespräche in der Sprechstunde, Telefonate, E-Mails und den Small Talk auf dem Flur oder in der Mensa. Wer mit Moodle arbeitet, kann hier sogar die Oberfläche anpassen. Ein gewichtiges Argument zum Schluss: In der Fremdsprachendidaktik wird seit langem betont, wie wichtig es sei, den Unterricht in der Fremdsprache zu steuern. Dazu gehört bekanntlich auch und vor allem die so genannte „Nebenkommunikation“ - Organisatorisches, Disziplinfragen, persönliche Gespräche. Fremdsprachendidaktische Seminare in der Fremdsprache bieten Studierenden ausgezeichnete Möglichkeiten, ein solches Lehrerhandeln zu erleben, zu erproben und zu verinnerlichen. In romanistischen Lehramtsstudiengängen ist dies in besonderem Maße notwendig und sinnvoll. Berlin J OCHEN P LIKAT