eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 45/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
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Narr Verlag Tübingen
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2016
452 Gnutzmann Küster Schramm

Erkenntnisse aus Translationswissenschaft und -didaktik für die Entwicklung von Strategien und Techniken zur Sprachmittlung im Fremdsprachenunterricht

2016
Katharina Wieland
Erkenntnisse aus Translationswissenschaft und -didaktik 109 45 (2016) • Heft 2 Übungsform“ bezeichnet und als wichtige Komponente des Fremdsprachenunterrichts (FSU) betrachtet. Hat also mit der Sprachmittlung auch das „Übersetzen“ wieder einen festen Platz im FSU besetzt? Nein, denn folgt man der Argumentation verschiedener Fremdsprachendidaktiker, fällt auf, dass nach wie vor „Übersetzen“ recht strikt von Sprachmittlung abgegrenzt wird: So stellen u.a. P HILIPP / R AUCH (2010b: 2, 4) Sprachmittlung und Übersetzung einander kontrastiv gegenüber, da beide gänzlich verschiedene Leistungen verlangen würden. Und auch bei K ÖNIGS (2015: 36) findet man Aussagen wie die folgende: „Mit Sprachmittlung wird die Übertragung von Inhalten von einer Sprache in eine andere bezeichnet, wobei es ausschließlich um Inhalts- und nicht um Form- oder Funktionskonstanz eines zu mittelnden Textes geht. Damit unterscheidet sich das Sprachmitteln deutlich vom Übersetzen, das in aller Regel die Inhalts- und Formkonstanz einschließt [...].“ Diese und andere Abgrenzungen von Sprachmittlung und Übersetzen sind meist explizit auf das Übersetzen bezogen, wie es traditionell im FSU als sogenanntes philologisches Übersetzen oder Übersetzen im Sinne des Sprachvergleichs durchgeführt wurde (vgl. auch K ATELHÖN 2015: 265f., P HILIPP / R AUCH 2014: 12). Sie sind sinnvoll, da hiermit von Seiten der Fremdsprachendidaktik gegen einen Wiedereinzug nicht kommunikativer Formen der Übersetzung argumentiert wird und gleichzeitig die Spezifik von Sprachmittlung besser herausgearbeitet werden kann (vgl. K ÖNIGS 2015: 39; S IEPMANN 2013: 193). Häufig erfolgt aber - entweder durch mangelnde Präzisierung, manchmal aber auch explizit - eine allgemeine Abgrenzung gegenüber außerschulischen, oft als „professionell“ bezeichneten Formen der Übersetzung und des Dolmetschens (vgl. u.a. B EHR 2015: 25; K ATELHÖN 2015: 266; K OLB 2009: 70). Die Abgrenzung von den professionellen Formen des Übersetzens/ Dolmetschens erfolgt häufig aus einer Zuschreibung der dort angeblich praktizierten „sprachlichen Äquivalenz“ (i.S. von Wörtlichkeit; vgl. C ASPARI 2008: 60; W APENHANS 2011: 25), die für die schulische Sprachmittlung nicht relevant ist. Dies hänge u.a. mit der sehr eng gefassten Interpretation des in Bezug auf Sprachmittlung relativ unspezifischen Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GeR) und der entsprechenden Reduktion von Sprachmittlung im FSU auf „sinngemäßes Übertragen“ zusammen (vgl. E UROPARAT 2001; D E F LORIO H ANSEN 2013: 70; K ÖNIGS 2015: 32; K OLB 2015: 54). Weiterhin problematisch seien die fehlenden Deskriptoren im GeR, die für unterschiedliche Niveaustufen gar keine Abstufungen, geschweige denn Annäherungen an andere Übersetzungstypen zuließen. 1 Hinzu komme - so DE F LORIO -H ANSEN - dass Übersetzung als zu anspruchsvoll für die Lernenden angesehen werde - wie auch immer man den Begriff der Übersetzung hier definieren mag. Rigide Abgrenzungen gegenüber dem professionellen Dolmetschen und Übersetzen sind m.E. aber problematisch, weil hierdurch der Blick auf eine Wissenschaft verstellt 1 Für Deutsch als Fremdsprache (DaF) finden sich Deskriptoren bislang in Profile Deutsch (vgl. G LABONIAT et al. 2005); weitere Vorschläge bei K ATELHÖN / N IED C URCIO (2012) und R EIMANN (2013a, b; 2015). 110 Katharina Wieland 45 (2016) • Heft 2 wird, die eigentlich als Bezugswissenschaft für Sprachmittlung herangezogen werden müsste, da sie sich mit sprachmittelnden Prozessen befasst. Verschiedene Autoren aus Translationswissenschaft wie auch Fremdsprachendidaktik (vgl. B EHR / W APENHANS 2014: 159; R EIMANN 2013b: 198f.; P RUNČ 2007: 13; S INNER / W IELAND 2013: 95) haben sich bereits mit der Begriffsgeschichte von „Sprachmittlung“ befasst und aufgezeigt, dass Sprachmittlung teilweise als Oberbegriff für Übersetzen/ Dolmetschen galt, manchmal auch als Teilbereich von Übersetzen/ Dolmetschen, der sich mit inhaltsbearbeitenden, nicht kommunikativ äquivalenten Übertragungen befasst (vgl. J ÄGER 1975: 30) oder aufgrund des Aspekts der Involvierheit des Mittlers vom Dolmetschen abgegrenzt wurde (K NAPP / K NAPP -P OTTHOFF 1985: 451). Es lässt sich festhalten, dass es bereits mit Blick auf die Begriffsgeschichte in der Translationswissenschaft trotz nicht immer einheitlicher Terminologie Überschneidungspunkte zwischen schulischer Sprachmittlung als „sinngemäßem Übertragen“ bzw. „inhaltlich motiviertem Aushandlungsprozess“ (K ÖNIGS 2015: 32) und den Ansätzen der Translationswissenschaft gibt. Besonders explizit werden diese Überschneidungen, zieht man die „Skopostheorie“ von V ERMEER (1978) bzw. R EIß / V ERMEER (1984) heran. Diese Theorie benennt den „Skopos“ (gr. ‚Zweck‘) als oberstes Kriterium der Translation und weist dem Translationsvorgang eine prospektive, zielgerichtete Funktion zu. Es geht darum, entsprechend dem Zweck der Translation die Faktoren zu erkennen, „die in der Zielkultur zu einem optimalen Funktionieren des Zieltextes (ZT) beitragen“ (D IZDAR 1998: 105). Dies bedeutet, dass nicht mehr sprachliche Äquivalenz, sondern vielmehr Adäquatheit, durchaus zu verstehen im Sinne von Situations- und Adressatenbezug des translatorischen Produkts, im Vordergrund steht (vgl. auch K RAUSE 2009: 41). Dieser Wandel in der Translationswissenschaft fand bereits in den 1980er Jahren in der Fremdsprachendidaktik Würdigung, ohne dass bereits von Sprachmittlung die Rede gewesen wäre (vgl. K ÖNIGS 2015: 36; 1989a: 8). K ÖNIGS (ebd.: 10) schreibt außerdem: „[...] daß sich ‚Übersetzen im Übersetzungsunterricht‘, ‚Übersetzen im Fremdsprachenunterricht‘ und ‚professionelles Übersetzen‘ zwar differenziert beschreiben lassen, daß es aber auch - eben mit Blick auf die mentalen Vorgehensweisen - Parallelitäten gibt, zumindest aber geben könnte.“ Die Skopostheorie wurde erst in den letzten Jahren in der Fremdsprachendidaktik aufgegriffen und als Modell für Sprachmittlung in ihrer funktionalen, situativen und adressatenbezogenen Ausrichtung herangezogen (vgl. DE F LORIO -H ANSEN 2013: 66f.; R EIMANN 2013a: 7; S INNER / W IELAND 2013: 103). S IEPMANN (2013: 195) geht hierbei am weitesten, indem er postuliert: „Bei der Sprachmittlung im Fremdsprachenunterricht handelt es sich also in der Regel (aber nicht zwangsläufig) um eine funktionsverändernde Übersetzung, bei der das Kriterium der Adäquatheit (in Bezug auf Übersetzungsbzw. Arbeitsauftrag, Empfängerkreis, Textsorte usw.) Anwendung finden muss.“ Versuche der Abgrenzung zum professionellen Übersetzen und Dolmetschen sind S IEPMANN zufolge zum Scheitern verurteilt, da jegliche Form der Sprachmittlung - ob Erkenntnisse aus Translationswissenschaft und -didaktik 111 45 (2016) • Heft 2 professionell oder nicht - immer nur eine Ähnlichkeitsrelation zwischen Ausgangs- und Zieltext herstelle (ebd.: 191ff.). Es deutet vieles darauf hin, dass eine rigide Abgrenzung zum „professionellen“ Übersetzen und Dolmetschen nicht haltbar ist. K ATELHÖN / N IED C URCIO (2012: 19) betrachten Übersetzen und Dolmetschen als der Sprachmittlung zugehörig bzw. äußern, dass Sprachmitteln „sogar mehr als Übersetzen und Dolmetschen“ sei, da Sprachmitteln weitere Sprachhandlungen wie Zusammenfassen, Vereinfachen, Paraphrasieren und Erklären umfasse. Genau solche Tätigkeiten kann das Spektrum professioneller Übersetzungs- und Dolmetschtätigkeit aber auch beinhalten. Hierzu zählen u.a. das bilaterale Dolmetschen (auch Gesprächs- oder Verhandlungsdolmetschen) oder das community interpreting. Wenn S IEPMANN (2013: 194) allerdings feststellt, dass alles darauf hindeute, dass „Sprachmitteln definitorisch nicht vom Übersetzen abgegrenzt werden kann“, so ist dies in dreierlei Hinsicht zu differenzieren, um einer einseitigen Darstellungsweise entgegenzuwirken. 1. Sprachmittlung im schulischen FSU als Prozess, in dem ein funktionsadäquates, inhalts-, adressaten- und situationsorientiertes Produkt erstellt wird, umfasst nicht das ganze Spektrum an Zielsetzungen, die mit der Förderung der Sprachmittlungskompetenz im FSU einhergehen. K ÖNIGS (2015: 37) geht insbesondere auf die zu Grunde liegenden Planungsprozesse ein und hebt hervor, wie fruchtbar solch „mentales Sprachmitteln“ für den Spracherwerb und insbesondere für die Entwicklung von Sprachbewusstheit, Mehrsprachigkeit und Umgang mit Kommunikationsstrategien sein könne (vgl. auch K ATELHÖN / N IED C URCIO 2012: 10; L OPRIORE 2015: 226; R EGA 2015: 135). 2. Der B EGRIFF der „sinngemäßen Übertragung“ wurde in der Translationswissenschaft vielfach kontrovers diskutiert (H ÖNIG / K UßMAUL 1996: 40; S CHREIBER 1993). Besonders S CHREIBER (1993) grenzt mit einer gewissen Kritik an der Skopostheorie Übersetzung und (interlinguale) Bearbeitung voneinander ab, um eine Aufweichung des Übersetzungsbegriffs zu verhindern. Folgt man S CHREIBERS Argumentation, so wäre Sprachmittlung im FSU sicherlich näher an einer Bearbeitung, die auch Textsortenveränderung bzw. Kürzung/ Zusammenfassung beinhaltet, als an der Übersetzung zu verorten. 3. W ILSS (1996: 178f.) legt dar, dass die in Bezug auf das funktionale Übersetzen gebrauchten Begrifflichkeiten „situativ“ und „angemessen“ vage seien, so dass im Einzelfall nur schwer bestimmt werden könne, was die genaue „situative Angemessenheit“ einer Übersetzung sein solle. Dies ist zentral für die Übersetzungskritik bzw. auch die Evaluation von Sprachmittlungsleistungen im FSU. Mir erscheint an dieser Stelle der definitorischen Bestimmung von Sprachmittlung die Sicht von K ÖNIGS (2015: 39) äußerst zielführend, dass „[...] Sprachmittlung auf einem Kontinuum darstellbar ist, das anfangs sehr nahe an mentalen Planungs-aktivitäten ist und mit zunehmender Beherrschung sich der Übersetzung immer weiter annähert (ohne sie wirklich zu erreichen! ).“ 112 Katharina Wieland 45 (2016) • Heft 2 Ich würde dieses Kontinuum allerdings nicht nur auf den schulischen Kontext begrenzt, sondern auf die Gesamtheit von Sprachmittlungskontexten ausgeweitet sehen, in die man als (nicht-)professioneller Fremdsprachenlerner und -sprecher geraten kann. An einem Ende des Kontinuums stünden dann die ersten schulischen Auseinandersetzungen mit Sprachmittlung, am anderen hochprofessionelles Dolmetschen und Übersetzen in formellen Kontexten mit hoher Formadäquatheit. 2 Diese Betrachtung und Zusammenführung des schulischen wie außerschulischen Kontextes macht m.E. ein Nachdenken über die fließenden Übergänge zwischen von Laien durchgeführter Sprachmittlung und ähnlichen Situationen mit einem professionellen Akteur möglich (vgl. auch M ACK 2005; R EGA 2015). Da insbesondere professionelle Übersetzer/ Dolmetscher in ihrer Ausbildung auf ein Agieren in solch nicht-formellen Kontexten vorbereitet werden, und weiterhin „normaler‘ Fremdsprachenunterricht und Übersetzungsunterricht für angehende Übersetzer aus lernpsychologischer und psycholinguistischer Sicht doch auch über unübersehbare Gemeinsamkeiten verfügen“ (K ÖNIGS 2015: 36), lohnt es sich zu überlegen, inwiefern Erkenntnisse aus der Translationswissenschaft und -didaktik für die Entwicklung von Sprachmittlungskompetenz im FSU - in entsprechend didaktisch reduzierter Form (vgl. R EIMANN 2015) - sinnvoll herangezogen werden können. 2. Translationswissenschaft als Bezugswissenschaft der Fremdsprachendidaktik 2.1 Translationskompetenz - Sprachmittlungskompetenz Die Translationswissenschaft hat in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Modelle der Übersetzungsbzw. Dolmetschkompetenz vorgeschlagen (vgl. G ILE 2009; H URTADO A LBIR 2001; K ALINA 1998; K UTZ 2010; W ILSS 1996) . Ihnen sind bei allen Unterschieden in Formulierung und Schwerpunktsetzung einige zentrale Elemente gemeinsam. In der Zusammenfassung bei H URTADO A LBIR (2001: 395) wird beispielswiese deutlich, dass neben einer sehr hohen sprachlich-kommunikativen Kompetenz und außersprachlichen Kompetenz es eine zentrale Teilkompetenz gibt, nämlich die „Transferkompetenz“. Hierunter fasst die Autorin sowohl das Verstehen des Ausgangstextes als auch dessen funktions- und adressatengerechte Reformulierung in der Zielsprache unter Berücksichtigung soziokultureller Besonderheiten. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die strategische Kompetenz, zu der sowohl Verstehensals auch Reformulierungsstrategien gehörten. Auch wenn man es zu Recht als übertrieben ansehen mag, die Entwicklung translatorischer Kompetenz als „die einzige legitime Funktion des Übersetzens im FSU“ zu 2 H ALLET (2008) sowie K ATELHÖN / N IED C URCIO (2012: 25) schließen diese Formen zu Recht als überfordernd aus dem FSU aus. K ÖNIGS (2015: 39) argumentiert weiterhin, dass man im Sinne einer lernförderlichen Bewusstmachung den Lernenden auch verdeutlichen müsse, „dass sie mit der Fertigkeit der Sprachmittlung nicht übersetzen und dolmetschen können“. Erkenntnisse aus Translationswissenschaft und -didaktik 113 45 (2016) • Heft 2 bezeichnen (K AUTZ 2000: 440), so weisen doch bereits zahlreiche Modelle der Sprachmittlungskompetenz Parallelen zu den Modellen der Translationswissenschaft auf (vgl. H ALLET 2008: 4ff.; R ÖSSLER 2009: 160f.) bzw. beziehen sich explizit darauf (vgl. R EIMANN 2013a: 7). 3 Deutlich wird bei allen Ähnlichkeiten und Überschneidungen, dass bei H URTADO A LBIR (vgl. 2001: 395) der Teilbereich der interkulturellen Kompetenz keine gesonderte Erwähnung findet. Diese wird hier unter der sprachlich-kommunikativen Kompetenz und der außersprachlichen Kompetenz subsumiert. Auch wenn natürlich Unterschiede zwischen den Anforderungen an die translatorische Kompetenz eines Dolmetschers oder Übersetzers und jenen an die (schulische) Sprachmittlungskompetenz bestehen bleiben, so spricht sich z.B. DE F LORIO -H ANSEN gegen eine künstliche Opposition zwischen translatorischer und kommunikativ sprachmittelnder Kompetenz aus und plädiert aufgrund zahlreicher Gemeinsamkeiten dafür, „sprachmittelnde Aktivitäten innerhalb und außerhalb des Unterrichts auf translatorische Kompetenz zu gründen“ (2013: 71). Dies geschieht vor allem mit dem Hinweis darauf, dass mit Sprachmittlung im FSU von den Lernenden die Bewältigung 3 Die Darstellung der Kriterien erfolgt hier aus Gründen der Übersichtlichkeit in der Gegenüberstellung in stark zusammengefasster Form. H URTADO A LBIR (2001: 395) H ALLET (2008: 4ff.) R ÖSSLER (2009: 160f.) R EIMANN (2013a: 7) competencia lingüística sprachlichkommunikative Kompetenz in den beteiligten Sprachen sprachlichkommunikative Kompetenz inter- und transkulturelle kommunikative Kompetenz (einschließlich inter- und transkultureller pragmatischer und nonverbaler Kompetenz) interkulturelle Kompetenz und interkulturelles Problembewusstsein interkulturelle Kompetenz competencia extralingüística competencia de transferencia interaktionale Kompetenz interaktionale Teilkompetenz vermittlerische Kompetenz competencia instrumental y profesional Empathiefähigkeit, Spontaneität und Reaktionsschnelligkeit competencia psicofisiológica competencia estratégica strategischmethodische Kompetenz strategischmethodische Kompetenz 114 Katharina Wieland 45 (2016) • Heft 2 einer höchst anspruchsvollen kommunikativen Aufgabe erwartet werde, für die es einer besonderen Kompetenz bedürfe (vgl. auch R EIMANN / R ÖSSLER 2013: 17). In diesem Zusammenhang haben verschiedene Fremdsprachendidaktiker auf die Bedeutung des sukzessiven Aufbaus strategischer Kompetenz bei den Lernenden zur Bewältigung von Sprachmittlungsaufgaben hingewiesen (vgl. u.a. DE F LORIO -H ANSEN 2013; H ALLET 2008; K ATELHÖN / N IED -C URCIO 2012; R EIMANN / R ÖSSLER 2013; R ÖSSLER 2009). Auch in diesem Bereich lohnt sich m.E. ein Blick in die Translationswissenschaft, sei es, um „bekannte“ Fremdsprachenlernstrategien aus der Translations- und Sprachmittlungsperspektive zu beleuchten, sei es, um zu ergründen, ob von spezifischen Translations- und auch Sprachmittlungsstrategien (vgl. B EHR / WA PENHANS 2014: 161) ausgegangen werden kann. 2.2 Strategien im Translations- und Sprachmittlungsprozess 4 In Bezug auf die Ausbildung der strategisch-methodischen Teilkompetenz im Rahmen von Sprachmittlung findet man in Aufsätzen aus der Fremdsprachendidaktik aber vielfach nur den Bezug auf Sprachlern- und Sprachgebrauchsstrategien. P HILIPP / R AUCH (2014: 15) reduzieren ihre umfassende Auflistung von potenziellen Strategien in der Sprachmittlung auf eine Zuordnung verschiedener Strategien zu den vier sprachlichkommunikativen Fertigkeiten. Dies ist m.E. problematisch, da hier zum einen Sprachmittlung als „bloße“ Kombination aus anderen Fertigkeiten missverstanden werden kann, und zum anderen manche Strategien, die sich nicht eindeutig einer Fertigkeit zuordnen lassen bzw. auch auf sprachliche Mittel bezogen sind (z.B. Kompensationsstrategien), nicht adäquat dargestellt werden. R ÖSSLER (2009: 161) spricht von Sprachverarbeitungsstrategien als Grundlage für Kommunikationsstrategien und affektivsoziale Strategien in der Sprachmittlung (vgl. auch K OLB 2015: 57). Auch N IED C URCIO / K ATELHÖN (2015: 11) beziehen sich auf Sprachlern- und Sprachgebrauchsstrategien und schließen sogar explizit Übersetzungsstrategien als Referenz aus. Die Translationswissenschaft hingegen geht davon aus, dass es neben Sprachlernstrategien auch translationsspezifische Strategien gibt. 5 Dies illustrieren H ÖNIG / K Uß - MAUL (1996: 26), indem sie schreiben, „[...] daß grundsätzlich der Übersetzer schon einen kategorisch anderen Text A zur Kenntnis nimmt als der ‚natürliche‘ Adressat in der AS. Es ist also nicht so, daß der Übersetzer den Text zuerst versteht, und dann übersetzt, sondern er versteht ihn als Übersetzer. K ALINA (1998: 110) präzisiert diese Feststellung in Bezug auf Dolmetscher, indem sie herausstellt, dass diese nicht Adressaten, sondern nur Rezipienten der Ausgangstexte 4 Zur Definition von „Strategie“ in translatorischen wie sprachmittelnden Prozessen sei hier auf K AUTZ (2000: 66) verwiesen: „Unter Strategie verstehen wir allgemein ‚zielorientiertes kognitives Verhalten‘ und hier speziell einen mehr oder minder bewussten Plan zur Lösung der konkreten Übersetzungsprobleme, die der zu bearbeitende Auftrag für den Übersetzer mit sich bringt“. 5 Für eine Klassifikation und ausführlichere Darstellung vgl. K ALINA (1998: 114ff.) sowie K AUTZ (2000: 326). Erkenntnisse aus Translationswissenschaft und -didaktik 115 45 (2016) • Heft 2 seien (vgl. auch K AUTZ 2000: 52f.). Die Texte seien entsprechend nicht auf das Weltwissen der Dolmetscher abgestimmt; gleichzeitig habe der Dolmetscher auch keine semantische Verfügungsgewalt, was die Produktion seines Textes anbelangt. Dementsprechend folgert K ALINA (1998: 113), dass die „für die monolinguale Kommunikation erworbenen Kommunikations- und Produktionsstrategien für die bilinguale Textverarbeitung durch den Dolmetscher nicht ausreichen“ (vgl. hierzu für das Übersetzen auch N ORD 2010: 114). Als didaktische Konsequenz ergebe sich daraus, dass solche strategischen Prozesse beim Dolmetschen in ihrer Wirkungsweise bewusst gemacht, an die Verarbeitungsbedingungen angepasst und in ihrer Effizienz optimiert werden müssten (vgl. ebd.: 115). Auch wenn die Aussage S IEPMANNS (2013: 201), dass sich sämtliche Erkenntnisse der Übersetzungswissenschaft und -didaktik für die Ausbildung von Sprachmittlungskompetenz im FSU nutzbringend einsetzen ließen, m.E. etwas differenzierter betrachtet werden sollte, da einige dieser Erkenntnisse in sprachlicher wie translatorischer Hinsicht einen Komplexitätsgrad voraussetzen, der im regulären FSU nicht erreicht werden wird, so bestehen doch einige Übertragungsmöglichkeiten, und es finden in letzter Zeit vermehrt Annäherungen zwischen beiden Disziplinen statt. 3. Schulung von Strategien in Translations- und Sprachmittlungs- unterricht Im Folgenden soll nun genauer betrachtet werden, mit welchen Übungen und Verfahren die Translationswissenschaft für Übersetzen/ Dolmetschen und die Fremdsprachendidaktik für die Sprachmittlung eine Bewusstmachung verschiedener Strategien anstrebt, um Gemeinsamkeiten aufzuzeigen und evtl. weitere Übertragungsmöglichkeiten für den Sprachmittlungsunterricht zu gewinnen. Als Reihenfolge der Darstellung wurde auf die Klassifikation von K ALINA (1998: 114ff.) für Strategien im Dolmetschprozess rekurriert, die sich am dreiphasigen Translationsprozess (Rezeption, Transformation, Produktion) orientiert. Wissensaktivierung durch Vorbereitung (a) Ausgangstextanalyse: Als geeignetes Mittel für die Textanalyse und die damit zusammenhängende Reflexion (vgl. H ÖNIG 1998: 160) wird in der Translationsdidaktik die Übersetzungsrelevante Textanalyse angesehen (vgl. N ORD 1988). S CHREIBER (2002; 2006) führt darüber hinaus auch die Analyse des Übersetzungsauftrags zur Herausarbeitung relevanter Faktoren an. Anhand eines Fragenkatalogs mit W-Fragen bzw. weiteren Fragen zum Text soll das Bewusstsein des Übersetzers für den Text und den Übersetzungsprozess geschult werden (vgl. K AUTZ 2000: 86; N ORD 2010: 91). Ähnliche Herangehensweisen finden sich auch in Vorschlägen der Fremdsprachendidaktik, z.B. mit der Beantwortung von W-Fragen (vgl. P HILIPP / R AUCH 2014: 16). K RAUSE (vgl. 2009: 44ff., 83f.; 2013b: 291) schlägt vor, von einem erweiterten Textbegriff auszugehen und die Textanalyse mit einer kontrastiven Textsortenanalyse (d.h. Vergleich 116 Katharina Wieland 45 (2016) • Heft 2 von Normen und Konventionen bei der Ausgangs- und Zieltexterstellung) und der Analyse von Kulturelementen zu verbinden. Hierbei geht es ihr um kulturelle Elemente aus den „zentralen, für das soziale Zusammenleben unbedingt notwendigen Bereichen“ (K RAUSE 2009: 84), die zu erkennen wichtig für das Verständnis des Ausgangstextes seien. (b) Recherchestrategien: Neben thematischer Recherche (vgl. N ORD 2010: 109) spielt vor allem der Umgang mit Wörterbüchern in der Translationsdidaktik eine wichtige Rolle (vgl. S NELL -H ORNBY 1998: 181ff.). K AUTZ (vgl. 2000: 93) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der blinden Wörterbuchgläubigkeit entgegenzusteuern sei und schlägt Sensibilisierungsübungen durch den Vergleich von Wortdefinitionen oder das Erstellen von fiktiven Wörterbucheinträgen vor (vgl. ebd.: 216, 224). Für die schulische Sprachmittlung wird die Arbeit mit einsowie zweisprachigen Wörterbüchern von mehreren Autorinnen aufgegriffen (vgl.K ATELHÖN / N IED C URCIO 2012; K OLB 2008, 2009; N IED C URCIO 2015). P HILIPP / R AUCH (2014: 13) warnen dabei allerdings gleichzeitig vor einer zu starken Orientierung am Wortschatz des Ausgangstextes. Insbesondere N IED C URCIO (2015: 294, 303) kritisiert, dass oft kein gezieltes Strategientraining angeboten werde. Gleichwohl sieht die Autorin ein- und zweisprachige Wörterbücher als wichtiges Recherchiermittel für fachliches wie sprachliches Zusatzwissen in den verschiedenen Phasen des Mittlungsprozesses (vgl. ebd.). Unter Bezugnahme auf die Translationsdidaktik legt sie umfassend dar, wie sowohl in der Rezeptionsals auch in der Produktionsphase des Übersetzungswie auch Sprachmittlungsprozesses Wörterbücher als Orientierungshilfe zum Einsatz kommen können und dass Recherchierkompetenz sukzessive aufgebaut werden müsse (vgl. ebd.: 296ff.; auch K ATELHÖN / N IED C URCIO 2012: 41). Ein wichtiges Hilfsmittel in der Translationsdidaktik sind weiterhin Parallel- 6 und Hintergrundtexte in der Zielsprache (vgl. K AUTZ 2000: 228ff.; W ILSS 1996: 160ff.). Sie eignen sich gut für terminologische Recherchen; Paralleltexte sind überdies von besonderem Interesse, um Sprachverwendungsmuster zu vergleichen sowie Textsortenkonventionen herauszufinden und später produktiv zu verwenden, und werden daher auch im FSU für Sprachmittlung herangezogen (vgl K ATELHÖN / N IED C URCIO 2012: 40). P HILIPP / R AUCH (2010a) sehen in der Arbeit mit solchen „Spiegeltexten“ vor allem die Möglichkeit, Wortschatzlücken aufzufüllen sowie die idiomatischen Fertigkeiten der Lernenden zu erweitern. Inferenzieren - Antizipieren Die inferentielle Informationsverarbeitung im Sinne eines Rückgriffs auf vorhandenes Wissen (vgl. P RUNČ 2007: 195) bezeichnet K RAUSE als grundlegend für jegliche Kommunikation, die „sowohl für translatorische Prozesse als auch für den Fremdsprachenunterricht von Bedeutung sind“ (2013a: 88). Insbesondere K UTZ (2003/ 2010) hat in der Translationsdidaktik hierzu den Begriff des semantischen Erschließens geprägt. 6 Zur Definition von Parallel- und Hintergrundtexten vgl. K AUTZ (2000: 97f.) sowie G ÖPFERICH (1998: 184ff.). Erkenntnisse aus Translationswissenschaft und -didaktik 117 45 (2016) • Heft 2 Gemeint sind damit das lexemische und logisch-begriffliche Inferenzieren z.B. durch Heranziehen von Wortbildungskonventionen oder anderen Sprachen (vgl. K UTZ 2003: 239ff.; 2010: 510), aber auch durch Rückgriff auf Weltwissen, Heranziehen von Bildern oder Textzusammenhang (vgl. P HILIPP / R AUCH 2014: 16). Ähnlich bedeutsam ist das Antizipieren, da hierbei eine Reduktion auf eigene logische Strukturen (vgl. K UTZ 2010: 192f.) erfolgt bzw. geübt wird, die für fremdsprachliches Verständnis generell und in der Sprachmittlung insbesondere wichtig ist. Rössler (2009: 162f.) erwähnt diese Strategie als predicting bzw. sequentielles Kombinieren. Mögliche Übungen können hierbei das Ergänzen von unvollständigen Wörtern oder auch Sätzen in Texten mit Hilfen von Strukturmarkern wie Konnektoren, zurückverbindenden oder vorausweisenden Wendungen sein (vgl. K AUTZ 2000: 179; bei K ALINA 1998: 251ff. als cloze tasks, bei K UTZ 2010: 192f. als clozure-Übungen). Mit Blick auf den FSU schlägt K RAUSE (2013a: 93f.) vor, solche Übungen zur Flexibilisierung der eigenen Sprachmuster zunächst intralingual durchzuführen. Segmentieren Unter Segmentieren wird in der Translationsdidaktik die gedankliche Gliederung des Textes für eine übersichtliche Gestaltung bei der Wiedergabe verstanden (vgl. K AUTZ 2000: 64). Es geht bei dieser Strategie darum, die sinntragenden Elemente herauszuarbeiten, vor allem auch, um die Gefahr der „Wort-für-Wort-Übertragung“ zu verringern. K AUTZ schlägt hierzu die Markierung und den Vergleich sinntragender Elemente in Ausgangs- und vorgefertigten Zieltexten, die Erarbeitung von „Inhalts-Telegrammen“ sowie das „Entfleischen“ von Texten durch Streichen sämtlicher weniger wichtiger Passagen vor (vgl. ebd.: 116, 178f.) In der schulischen Sprachmittlung ist der Begriff des Segmentierens nicht geläufig. R EIMANN (2013b: 204) spricht von Informationsverdichtungsstrategien, und P HILIPP / R AUCH (2014: 16) lassen Wichtiges von Unwichtigem trennen, indem sie Lernende Texte auf Schlüsselwörter hin durchsuchen lassen. Für die Mündlichkeit betonen Translationsdidaktiker wie Fremdsprachendidaktiker die Bedeutung von Notationsübungen, durch die der Text reduziert werden kann und dabei eine Konzentration auf die wesentlichen Inhalte stattfinden soll. Diese Übungen sollen auch für Textkohärenz, Redundanzen, Senderintentionen etc. sensibilisieren (vgl. K OLB 2009: 78; K RAUSE 2013a: 96; K AUTZ 2000: 350; R ÖSSLER 2009: 162f.) Syntaktisch-lexikalische Transformation - Paraphrase Die Paraphrase gilt vielen Translationswissenschaftlern als eine der Grundoperationen beim Übersetzen und als wichtige Problemlösungsstrategie 7 und kann im Unterricht dazu beitragen, dass die Lernenden der Versuchung einer wörtlichen Übersetzung widerstehen (vgl. K ALINA 1998: 206f.). Während die Fremdsprachendidaktik in diesem Rahmen in erster Linie Übungen zum Paraphrasieren auf der Wort- und Satzebene vor- 7 R EIMANN (2015: 67) bezeichnet ebenfalls Paraphrase als eine der Grundoperationen der Sprachmittlung (neben Zusammenfassen und informellem Dolmetschen) und überlegt, diesen Begriff auf jede Art von „Textsortenumformung“ zu erweitern. 118 Katharina Wieland 45 (2016) • Heft 2 sieht (z.B. Umformen von Strukturen und ganzen Syntagmen oder Umschreibung von Schlüsselwörtern, vgl. K OLB 2009: 75 bzw. K RAUSE 2013a: 100; P HILIPP / R AUCH 2014: 16; ), geht es in der Translationsdidaktik darüber hinaus auch um die Arbeit mit Gedächtnisprotokollen, d.h. Wiedergabe nach ein- oder zweimaligem Lesen/ Hören der Textvorlage (vgl. K AUTZ 2000: 176, 394; N ORD 2010: 136ff.) Den Autoren gemein ist, dass sie zunächst vorschlagen, die Übungen intralingual durchzuführen, und sie dann sukzessive auf interlinguale Situationen zu erweitern. Situativ-pragmatische und interkulturelle Transformation 8 Im Zusammenhang mit dem Einsatz von semantischen wie auch Kohärenz schaffenden und stilistischen Strategien, welche in Abhängigkeit von Situation sowie Empfänger variieren, betonen K ATELHÖN / N IED C URCIO (2012: 29f.) und K ATELHÖN (2015: 259ff.) die Bedeutung von Kenntnissen der Lernenden von Textsortenmerkmalen und Textmustern in der Sprachmittlung, zumal bei sprachmittelnden Aktivitäten fast immer ein Textsortenwechsel vorliege und Textsorten meist kulturspezifisch geprägt seien. 9 H ÖNIG / K UßMAUL (1996: 58ff.) haben im Zusammenhang mit der häufig schwierigen Entscheidung des Übersetzers oder Dolmetschers für geringere oder höhere Ausführlichkeit als im Ausgangstext, d.h. für oder gegen die Erläuterung von situativ-pragmatischen oder interkulturell erklärungsbedürftigen Einheiten, die Bezeichnung „Grad der Differenzierung“ geprägt. Um zu erkennen, welcher Grad der Differenzierung nötig sei, bedürfe es nicht nur umfassender Kenntnisse des Übersetzers oder Dolmetschers auf der Ebene sprachlichen, interkulturellen und Weltwissens, sondern auch einer möglichst exakten Einschätzung der Kenntnisse und der Erwartungen der Empfänger des Zieltextes. Übungen in diesem Bereich könnten z.B. die intralinguale Zusammenfassung eines Textes für eine dem Mittler gut bekannte Person, deren Vorkenntnisse man leicht einschätzen kann, umfassen; später die kontrastierende interlinguale Übertragung von Texten, einmal für Personen mit, einmal für Personen ohne Kenntnis der Ausgangskultur (vgl. K AUTZ 2000: 248; S CHREIBER 1998: 153). Ebenfalls möglich ist das Überprüfen von Übersetzungen auf störende Interferenzen und „kulturell“ Unverständliches (vgl. K AUTZ 2000: 242). Für die schulische Sprachmittlung schlagen S ENKBEIL / E NGBERS (2011: 52f.) die Arbeit am Perspektivenwechsel vor, welcher der Meinung der Autoren nach vor allem in der Beschreibung und im Nachvollziehen von Negativbeispielen („sozialen Pannen“) möglich sei. K RAUSE (2009: 287) schlägt die Brücke hin zum scenes and frames -Modell nach F ILLMORE (1977) und lässt (kultur-)kontrastive und vereinfachte scenes zu bestimmten frames (Rahmenhandlungen) durchspielen, um das Erkennen von kulturell bedeutsamen Elementen bei der Rezeption zu fördern, aber auch um in der Produktion adressatengerecht agieren zu können. K RAUSE (ebd.: 284f.) führt an dieser Stelle den Begriff 8 Eigener Oberbegriff, um eine Abgrenzung gegenüber den syntaktisch-lexikalischen Strategien zu schaffen. 9 Zur Unterscheidung von Textsorten, Textmustern und Texttypen vgl. auch B RINKER (2005: 144) sowie F ANDRYCH / T HURMAIR (2011). Erkenntnisse aus Translationswissenschaft und -didaktik 119 45 (2016) • Heft 2 des chunking ein. Hierbei geht es darum, dass die Lernenden bei aus kultureller Sicht schwer übertragbaren Konzepten und Begriffen lernen, durch Generalisierung (chunking up), Spezifizierung (chunking down) bzw. Rückgriff auf kulturelle Synonyme und Vergleiche (chunking sideways) Assoziationen zu evozieren, die dem Gesprächspartner beim Verständnis hilfreich sein können. Präsentationsstrategien und Reparaturstrategien Bei den mündlichen Präsentationsstrategien heben Translationsdidaktiker die Bedeutung von Gestik und Mimik zum Signalisieren von (Un-)Verständnis bzw. zur Illustration oder Ergänzung der Aussage hervor (vgl. K AUTZ 2000: 334ff.). Auch für die schulische Sprachmittlung wird die Berücksichtigung non-verbaler Kommunikationselemente vorgeschlagen (vgl. K OLB 2009: 76; P HILIPP / R AUCH 2014). In Bezug auf Reparaturstrategien nennt R ÖSSLER (2009: 163) „retrieval-Strategien“, z.B. das gezielte Nachfragen bei den Kommunikationspartnern, welches Sprachmittlern als in die Kommunikation involvierten Personen eine wichtige Hilfe bei Rezeptions- und Produktionsproblemen sein kann. Für die Schriftlichkeit schlagen beide Disziplinen Verbesserungs- und Korrekturübungen vor (z.B. Schreibwerkstatt, Staffel-Redaktionsübungen, Vergleich von Lösungen, vgl. D E F LORIO -H ANSEN 2013: 80; K AUTZ 2000: 259; K OLB 2009: 82). Ob in der Fremdsprachen- oder der Translationsdidaktik: Die hier zitierten Autoren vereint, dass sie Sprachmittlung bzw. Übersetzen/ Dolmetschen als komplexe Herausforderungen ansehen, für die es von Beginn an ein explizites Strategientraining braucht. D E F LORIO -H ANSEN (2013: 79f.) betont allerdings die Komplexität von Sprachmittlungsaufgaben und die Vielfalt der einzusetzenden Strategien und warnt vor der Entkopplung von Strategien-Training und konkreten Sprachmittlungsaufgaben, die nur zu einem Abarbeiten von „Strategien-Listen“ führen könnten. Als wichtigen Schlüssel betrachtet sie hier die Stärkung der Adressatenorientierung und die bewusste Entscheidung der Lernenden, welche Informationen für einen gut konkretisierten Adressaten wirklich wichtig seien (vgl. ebd.: 80). 4. Ausblick Ziel des vorliegenden Beitrags war es, die Bedeutung der Translationswissenschaft als Bezugswissenschaft für die Schulung von Sprachmittlung im FSU aufzuzeigen und Gemeinsamkeiten in den didaktischen Herangehensweisen hervorzuheben. Die Gegenüberstellung in diesem Beitrag zeigt, dass im Bereich der auszubildenden Kompetenzen und der strategischen Anforderungen an Dolmetschen/ Übersetzen bzw. Sprachmittlung zahlreiche Parallelen zwischen Translationswissenschaft und Fremdsprachendidaktik beobachtbar sind. Diese mögen manchmal „zufällig“ sein, immer häufiger sind sie aber auch durch eine umfassende Rezeption von translationswissenschaftlichen und -didaktischen Ansätzen in der Fremdsprachendidaktik begründet (vgl. K ATELHÖN / N IED 120 Katharina Wieland 45 (2016) • Heft 2 C URCIO 2012; N IED C URCIO / K ATELHÖN 2015; S IEPMANN 2013). Desgleichen sieht K RAUSE (2013b: 283) neue Übertragungsmöglichkeiten aus der Translationsdidaktik auf den schulischen Bereich und schreibt: „Definiert man Translationsprozesse als kulturbasierten Transfer von mündlicher und schriftlicher Kommunikation, deren adäquate Rezeption in der jeweils anderen Sprache nur dann gelingen kann, wenn Sprache unter anderem als Ausdruck kultureller Realitäten verstanden wird, dann lassen sich Prinzipien der jüngeren Translationsdidaktik auch gut im Fremdsprachenunterricht anwenden.“ Zu guter Letzt sei an R ÖSSLER (2009) erinnert, die in ihrem Aufsatz zu Sprachmittlungsstrategien im Spanischunterricht auf eine fehlende Differenzierung in Strategietypen hinweist sowie eine systematische Ausarbeitung fordert. Die Rezeption translationsdidaktischer Überlegungen und ihre sinnvolle und angemessene Übertragung auf Sprachmittlung im FSU kann m.E. - neben einer wünschenswerten empirischen Erforschung schulischer Sprachmittlung - hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Literatur B EHR , Ursula (2015): „Sprachmittlung als Lernbereich in den Thüringer Lehrplänen für den Fremdsprachenunterricht“. In: N IED C URCIO / K ATELHÖN / B AŠIĆ (Hrsg.), 41-51. B EHR , Ursula / W APENHANS , Heike (2014): „Sprachmittlung als kommunikative Aktivität im Russischunterricht“. In: B ERGMANN , Anka (Hrsg.): Fachdidaktik Russisch. Eine Einführung. Tübingen: Narr Francke Attempto, 158-170. B RINKER , Klaus (2005): Linguistische Textanalyse: Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. Berlin: Schmidt. C ASPARI , Daniela (2008): „Didaktisches Lexikon. Sprachmittlung“. In: Praxis Fremdsprachenunterricht 5/ 2008, 60. D IZDAR , Dilek (1998): „Skopostheorie“. 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Eine Auseinandersetzung über fremdsprachendidaktische Fachinhalte in der L2 ist zentral, um einen Fachdiskurs rezeptiv und produktiv in der L2 führen zu können, denn die englischdidaktische Forschung ist international und läuft zunehmend online ab. Erst die Verwendung der Zielsprache im Seminar ermöglicht die Entwicklung einer theoriebasierten fremdsprachlichen Vermittlungskompetenz. Im Sinne der Sprachmittlung ist es auch kein Problem, wenn in der L1 erstellte Texte in der L2 diskutiert werden. Zweitens. Viele Studierende sind darüber frustriert, dass Seminare oft nicht in der L2 stattfinden und damit keine Kontinuität der Lernerfahrungen gegeben ist. Das Hauptargument ist in der Regel, dass die Inhalte zu komplex seien, um sie in der L2 zu vermitteln. Dabei wird vergessen, dass ja dasselbe Argument für Schüler/ innen in einer 3. Klasse gilt, die mit für sie angemessenen Inhalten in der Fremdsprache konfrontiert werden. Drittens. Eine ausgeprägte Vermittlungskompetenz in der L2 ist grundlegend für die Vermittlung englischsprachiger Kompetenzen, denn schließlich bilden wir Englischlehrer/ innen und nicht Mathematiklehrer/ innen aus. Hier greift das Prinzip des Modell- und Erfahrungslernens. Wenn die L2 im Kontext der Ausbildung ganz selbstverständlich für alle Inhalte gebraucht wird, erfahren Studierende, dass es möglich ist, über alle Belange, die sie in ihrem Studium betreffen, in der L2 zu sprechen. So entwickeln sie Routinen und Hilfsstrategien. Auch werden sie in die Lage versetzt, diesen Ansatz in der Schule umzusetzen, d.h. den Schüler/ innen zu ermöglichen, die Inhalte in der L2 auszuhandeln, die sie selbst betreffen. Den Gebrauch der Fremdsprache zu etwas Normalem zu machen, das ich nutze, um mir wichtige Inhalte, auch wenn sie komplex sein mögen, zu kommunizieren, ist genau das, was die zukünftigen Schüler/ innen auch lernen sollen. Viertens. Gleichzeitig entlastet dieser Ansatz Berufsanfänger, denn wenn sie die entsprechenden fremdsprachlichen Vermittlungskompetenzen mitbringen, dann brauchen sie sich darüber im Klassenzimmer keine Gedanken mehr zu machen und können sich auf die herausfordernden Aufgaben der Vermittlung der Fremdsprache und den komplexen Umgang mit heterogenen und oft schwierigen Lerngruppen einlassen. Heidelberg A NDREAS M ÜLLER -H ARTMANN