eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 45/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
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Narr Verlag Tübingen
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2016
452 Gnutzmann Küster Schramm

Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China

2016
Yuan Li
94 Yuan Li 45 (2016) • Heft 2 lernt (A USWÄRTIGES A MT 2015: 10) 3 . Insgesamt betrachtet liegt Deutsch unter den wichtigen Fremdsprachen in China etwa an dritter oder vierter Stelle, also „nach Englisch und Japanisch, in den letzten Jahren immer mehr konkurrierend mit Französisch“ (Z HU 2009: 426). In China wird Deutschunterricht in folgenden vier Formen erteilt: a. im Studiengang Germanistik mit einem Bachelorabschluss (an einigen Hochschulen auch mit einem Masterabschluss und an wenigen Hochschulen mit Promotion); b. in den studienbegleitenden Sprachkursen für andere Studienfächer (meistens neben Englisch als zweiter Fremdsprache) in Hochschulen; c. in Sprachkursen öffentlicher und privater Institutionen; d. an Schulen. Die vorliegende Arbeit bezieht sich im Wesentlichen auf die zweite Form: studienbegleitendes Deutschlernen (zweite Fremdsprache) an Hochschulen. 4 Die Fokussierung auf diese Gruppe lässt sich damit begründen, dass sie zum einen die größte Deutschlernergruppe in China darstellt und zum anderen die Untersuchung mit dieser Gruppe wegen ihrer Heterogenität und Komplexität am vergleichsweise aufschlussreichsten erscheint. Während die Lernmotivation der Germanistikstudierenden (Beschäftigung mit deutscher Sprache und Kultur) und die der Teilnehmenden der Sprachkurse (Vorbereitung auf einen Deutschlandaufenthalt) relativ eindeutig und homogen ist, erstrecken sich die Motivationen der Studierenden, die freiwillig Deutsch als zweite Fremdsprache ausgewählt haben, auf ein breites Spektrum. 2. Empirische Untersuchung 2.1 Erkenntnisinteresse Warum lernt man Deutsch als zweite Fremdsprache neben dem Fachstudium? Der Gegenstand der vorliegenden Studie sind die bedeutsamen Motive des Deutschlernens, was an einen der wichtigsten Ansätze der Motivationsforschung anknüpft. Die Motivation dieser Lerngruppe in China wurde bereits Ende der 1980er Jahre erforscht (M ITSCHIAN 1991; H ESS 1992). Aus der Untersuchung von M ITSCHIAN geht hervor: 3 Hier werden Daten überwiegend aus deutscher Quelle bezogen. Es liegt auf der chinesischen Seite landesweit keine offizielle Angabe über die exakte Zahl der Deutschlernenden vor. Auch in Bezug auf Englischlernen und Fremdsprachenlernen im Allgemeinen mangelt es in China an konkreten Datenerhebungen (vgl. H U 2009: 16). 4 In China wird Englisch in den überwiegenden Fällen als erste Fremdsprache an Universitäten verpflichtend angeboten. Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China 95 45 (2016) • Heft 2 „Das Erlernen der deutschen Sprache in China ist generell mit Motivationsproblemen behaftet, denn zufällige Kontakte zur deutschen Sprache sind selten, und die meisten der berufsmäßigen Anwendungen sind finanziell wenig einträglich“ (M ITSCHIAN 1991: 307). H ESS setzt das Deutschlernen vieler chinesischer Studierenden mit der „Kunst des Drachentötens“ 5 gleich: „Sie beschäftigen sich mit einer Sprache, ohne doch zu wissen, ob sie sie in der Praxis werden anwenden können“ (H ESS 1992: Vorwort). „Befragt man Studenten, warum sie trotz allem noch DaF-Kurse belegen, so wird man […] überraschend vage Antworten erhalten. Deutschland sei ein ‚interessantes Land mit hochentwickelter Technik‘, von dem es zu lernen gälte, man könnte später(! ) vielleicht (! ) mal ‚mit deutschen Fachleuten kommunizieren‘, ‚originale Fachliteratur‘ oder ‚Romane‘ lesen“ (H ESS 1992: 354). M ITSCHIAN und H ESS haben die damalige Situation zutreffend beurteilt. Die daraus hervorgegangenen Ergebnisse waren aufschlussreich und lange Zeit richtungsweisend für die chinabezogene DaF-Forschung und -Lehre. Sie müssen jedoch heutzutage aktualisiert werden, weil sich China und seine jüngere Generation in der aktuellen Umbruchzeit schnell und vielfach verändert haben und noch weiter verändern. Die soziokulturellen Rahmenbedingungen des Deutschlernens und die anthropologisch-psychischen Entwicklungen des Deutschlerners haben sich dementsprechend verschoben. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist, eine aktuelle Bestandsaufnahme der Lernmotivation vorzunehmen, um dabei zu erkennen, ob und wie sich die Motivation durch die Veränderung der chinesischen Gesellschaft und ihrer Individuen gewandelt hat, um die internationale Stellung der deutschen Sprache neu zu bestimmen und bessere Entscheidungen für die Fremdsprachenpolitik und Fremdsprachendidaktik treffen zu können. 2.2 Untersuchungsfeld Zur Erforschung der Motivation der chinesischen Studierenden für Deutsch als zweite Fremdsprache scheint auf den ersten Blick eine flächendeckende Untersuchung geboten; sie ist beim genauen Betrachten der realen Verhältnisse jedoch weder realistisch noch aussagekräftig, weil die Lernmotivationen in China von Region zu Region und von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich sind. Dies wird verursacht durch die Unterschiede der soziokulturellen und soziopsychischen Bedingungen des Deutschlernens innerhalb Chinas, insbesondere zwischen den industriell entwickelten Ostküstenstädten und den Entwicklungsgebieten im Westen. Die vorliegende Untersuchung geht exemplarisch auf Konstellationen der Deutschlernenden einer Universität - der Zhejiang Universität - ein. Die Zhejiang Universität zählt zu den wissenschaftlich renommierten Universitäten Chinas. Seit 2001 nimmt sie auf verschiedenen nationalen Rankinglisten den dritten bis fünften Platz ein. Sie liegt in 5 Die „Kunst des Drachentötens“ ist in China ein üblicher Ausdruck für eine Kunst, für die man niemals die Gelegenheit hat, sie unter Beweis zu stellen. 96 Yuan Li 45 (2016) • Heft 2 der Stadt Hangzhou in der Küstenregion Südostchinas, die zur boomenden Wirtschaftsregion Chinas gehört. Dies hat zweifelsohne einen starken Einfluss auf die Lernmotivation und die Berufsperspektive der Studierenden. Die Zhejiang Universität hat bereits im Jahr 1983 eine Kooperationspartnerschaft mit der Technischen Universität Berlin abgeschlossen und ist somit eine der ältesten chinesischen Universitäten, die deutsche Partner haben. Ähnliche Vereinbarungen wurden später z.B. noch mit Hochschulen in München, Aachen, Würzburg, Kiel usw. getroffen. Die Zhejiang Universität ist seitdem eine der größten Institutionen in ganz China, die studienbegleitende Deutschkurse anbieten (vgl. H ESS 1992: 438). Die erwähnten Motivationsuntersuchungen von M ITSCHIAN und H ESS (Untersuchung 1988/ 89), die beide an dieser Universität durchgeführt wurden, geben Anlass, durch eine neue Untersuchung eine Aktualisierung der Ergebnisse zu erreichen. Der Boom des Deutschlernens in ganz China wird von der quantitativen Entwicklung der Deutschausbildung an der Zhejiang Universität bestätigt: Deutsch ist nach Englisch die zweithäufigst gewählte Fremdsprache. 2.3 Probanden und Methoden der Datenerhebung sowie -auswertung Die Probanden (N = 126, Rücklauf: N = 107) wurden zu Beginn des Wintersemesters 2015/ 2016 in drei Sprachkursen für Deutsch als zweite Fremdsprache an der Zhejiang Universität gewonnen. Es handelte sich dabei um Bachelorstudierende aus nichtgermanistischen Studiengängen, die das geforderte Niveau von Englisch als erster Fremdsprache erreicht haben und Leistungspunkte in Sprachkursen einer zweiten Fremdsprache erwerben können. Zur Wahl stehen neben Deutsch noch Französisch, Japanisch, Italienisch, Russisch und Spanisch. Davon ist Deutsch seit Jahren die beliebteste Sprache. Insgesamt konnten Daten von 107 Studierenden erhoben werden. Bewusst wurden dabei keine bestehenden Fragebögen eingesetzt. Die standardisierten Befragungen geben meistens eine bestimmte Zahl von möglichen Motivationen für die Wahl des Deutschlernens an. Bei jeder dieser Motivationen sollen die Befragten auf einer fünf- oder siebenstufigen Skala angeben, ob sie sie für ihre eigene Person stark bejahen, bejahen, weder bejahen noch verneinen, verneinen oder stark verneinen (z.B. G ARDNER 1985; A MMON 1991; T AGUCHI / M AGID / P API 2009). Die vorgegebenen Motivationen könnten meines Erachtens einerseits die Auswahl der Befragten einschränken und ihnen nicht zutreffende Motive suggerieren, andererseits entsprechen sie z.T. nicht der chinesischen Situation. 6 A MMON (1991: 34) zufolge haben auf Fragebögen vorgegebene Motivationen „eine gewisse nicht abschätzbare Suggestivkraft“, „ihre Bejahung ist psychisch einfacher als ihre Verneinung“. Die Ergebnisse spiegeln daher nicht in vollem Umfang die wirklichen Auffassungen der Befragten wider. Demgegenüber habe ich mich für offene Antworten auf die bewusst suggestiv formulierte Frage entschieden: „Warum lernen Sie ausgerechnet Deutsch als zweite Fremdsprache? “. Die Studie- 6 A MMON s (1991) Fragebogen beinhaltet z.B. Motive wie „Familie kommt aus deutschsprachigen Ländern“, oder „um deutsche Opern und Lieder zu verstehen“ usw. Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China 97 45 (2016) • Heft 2 renden sollten ohne längere Überlegungszeit bis zu drei Gründe für ihre Entscheidung aufschreiben. Zu Auswertungszwecken wurden dann Klassifizierungen wie ‚bessere Berufschancen‘, ‚Studium in Deutschland‘, ‚familiäre Gründe‘, ‚Interessen‘ usw. vorgenommen. Es ist klar, dass das Dilemma, zur Befragung Kategorien vorzugeben und dadurch nicht das gesamte Spektrum vorhandener Motivationen, sondern nur die eine oder die andere Kategorie zu bestätigen, bei offenen Fragen nur unbefriedigend gelöst wird. Dadurch, dass die Antworten von Untersuchenden klassifiziert werden, werden allerdings ebenfalls Kategorien angelegt, die die Komplexität von Motivationen nicht ausreichend erfassen können. Diesen Mangel kann die Miteinbeziehung von Interviews in kleinem Umfang gutmachen. Im Anschluss an die Fragebogenerhebung wurden deshalb noch zusätzlich 15 Leitfadeninterviews mit ausgesuchten Befragten zur Ergänzung der Fragebogenaktion durchgeführt. Die Interviews wurden nicht Wort für Wort transkribiert, sondern bei Bedarf in die Analyse einbezogen. 3. Analyse und Interpretation: Wandel der Motivation Damit man die aktuellen Daten besser verstehen und einen eventuellen Wandel feststellen kann, werden die Daten einer Studie aus dem Jahr 2003 7 (L I 2010) zum Vergleich herangezogen, die ebenfalls von der Autorin an derselben Universität durchgeführt worden war. 3.1 Motivation des Deutschlernens im Jahr 2003 Abb. 1: Lernmotivation 2003 (Mehrfachnennungen möglich, eigene Darstellung) 7 2003 haben wir sowohl Studierende der Germanistik (N=32) als auch Studierende im studienbegleitenden Kurs (N=85) befragt. Die vorliegende Arbeit berücksichtigt lediglich die Ergebnisse für die letztgenannte Gruppe. 2010 wurde wieder eine Untersuchung mit Studierenden im studienbegleitenden Kurs durchgeführt (ausführlicher dazu L I 2010). Diese Daten werden hier nicht berücksichtigt, weil der zeitliche Abstand von fünf Jahren nur eingeschränkt zur Verdeutlichung eines Wandels geeignet zu sein scheint. 98 Yuan Li 45 (2016) • Heft 2 Aus den Angaben der Befragten hat sich 2003 ergeben, dass eine beträchtliche Anzahl dieser Zielgruppe Deutsch zumeist aus utilitaristischen Gründen lernte. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass sie mit dem Vorhaben auf ein Studium in Deutschland (67 %) und mit dem Wunsch auf einen besseren Arbeitsplatz (52 %) Deutsch lernen. Die Nützlichkeitserwägungen, die im veränderten politischen und gesellschaftlichen Kontext auch tatsächlich realisierbarer wurden, gewannen dabei deutlich die Oberhand. Es ist besonders anzumerken, dass hierbei eine relevante Rolle spielen könnte, wie intensiv eine chinesische Hochschule partnerschaftliche Zusammenarbeit mit deutschen Institutionen betreibt (7 %). Die Rahmenbedingung unserer Untersuchung ist, dass die Zhejiang Universität seit Jahrzehnten engen Kontakt zu deutschen Universitäten hat, was die Studierenden beträchtlich zum Deutschlernen motiviert. Dort bietet sich die Möglichkeit, sich während des Studiums als Austauschstudent im deutschsprachigen Raum aufzuhalten. Daher lernen nicht wenige Deutsch, um sich diesbezüglich Vorteile zu verschaffen. Es ist überraschend, dass familiäre Gründe auch als Lernmotivation (6 %) genannt wurden. Das lässt sich dadurch erklären, dass die Eltern einiger Befragten einen längeren Deutschlandaufenthalt in den 1980er Jahren absolviert hatten. Dies hat offensichtlich die Motivation einiger Befragten beeinflusst. 3.2 Motivation des Deutschlernens im Jahr 2015 Abb. 2: Lernmotivation 2015 (Mehrfachnennungen möglich, eigene Darstellung) * Liebe zu deutschem Fußball (N=8), zu deutscher Popmusik, Literatur und Philosophie (N=8), zu deutscher Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit (N=7), zu deutscher modernen Technik (N=6) Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China 99 45 (2016) • Heft 2 Die pragmatischen Ziele, also bessere Berufschancen und Studium in Deutschland, welche als die wichtigsten zwei Motivationen für das Deutschlernen 2003 galten, nehmen weiterhin einen wichtigen Stellenwert ein, aber mit großem Rückgang. Knapp ein Viertel der Befragten zielt mit Deutschkenntnissen auf eine bessere Berufsperspektive ab, und weniger als ein Fünftel lernt Deutsch, weil es nach Deutschland zum Studium kommen will. Interessanterweise lernen 14 % und 10 % der Befragten Deutsch, weil Deutsch eine andersartige Sprache ist und weil sie sich selbst herausfordern wollen. 9 % haben deshalb Deutsch als ihre zweite Fremdsprache gewählt, weil sie bereits in der Schule Deutsch gelernt hatten. Die drei Aspekte werden zum ersten Mal genannt und nehmen dort einen beachtlichen Platz ein. 3.3 Wandel der Motivationen Stellt man die Forschungsergebnisse von 2003 und 2015 einander gegenüber, sind in erster Linie die folgenden vier Tendenzen festzustellen: 1. „Das Studium in Deutschland“ ist als Motivation zum Deutschlernen stark abgesunken (von 67 % auf 19 %). 2. „Bessere Berufschancen“ motiviert das Deutschlernen nicht mehr so stark (von 52 % auf 24 %). 3. „Interesse an Deutschland“ erlebt einen Aufschwung (von 33 % auf 55 %) und fällt viel konkreter und differenzierter aus (Interesse an deutscher Sprache, Interesse an deutscher Literatur, Fußball etc.). 4. „Selbstherausforderung“, „Wunsch nach einer andersartigen Sprache“ und „Deutschvorkenntnisse in Schulen“ sind neue Motivationen. Worauf lässt sich der Wandel zurückführen? Welche Faktoren spielen als Ursachen dabei zusammen? Im Folgenden wird versucht, die Veränderungen der Motivationsstruktur der untersuchten Zielgruppe zu erfassen und sie im Hinblick auf die veränderten sozio-kulturellen und anthropologisch-psychischen Voraussetzungen der chinesischen Gesellschaft am Beispiel von einer Region (Hangzhou) zu analysieren. 4. Ursachen des Motivationswandels 4.1 Warum ist das Motiv ‚Deutschlandstudium‘ abgesunken? Das Studium an einer deutschen Universität galt Anfang des 21. Jahrhunderts als einer der größten Wünsche vieler Studierenden, was vor dem Hintergrund der Internationalisierung Chinas und der verbesserten Lebensqualität der chinesischen Bevölkerung nicht nur ermöglicht, sondern auch unterstützt wurde. Seit den 1990er Jahren steht von der Politik her einem Auslandsstudium 8 nichts 8 Das private Auslandsstudium auf eigenen Kosten wurde zwar bereits 1981 von der Zentralregierung 100 Yuan Li 45 (2016) • Heft 2 mehr im Wege. Die Chinesen können ihren Traum, im Ausland zu studieren, für sich selbst oder für ihre Kinder 9 erfüllen. Der akademischen Bildung wird in der chinesischen Gesellschaft traditionell große Bedeutung zugemessen. Das Studium an einer westlichen Universität genießt in China einen besseren Ruf als das im eigenen Land und gewährleistet Vorteile bei Bewerbungen. Aus einer Statistik des Jahres 2002 ist zu entnehmen, dass nur 10 % der Studienbewerber in China studieren wollten. 10 Dadurch, dass seit Ende der 1990er Jahre die Hochschulbildung den Charakter einer Elitenbildung verlor, wünschten sich immer mehr ein Zusatz- oder Weiterstudium im Ausland. Mit der Entwicklung der Wirtschaft stellt ein Auslandsstudium für immer mehr wohlhabende chinesische Familien kein finanzielles Problem mehr dar. Die erste Wahl bei einem Auslandsstudium waren und sind immer noch die USA. Doch die amerikanische Visumspolitik war nach dem Bombenanschlag auf die chinesische Botschaft in Belgrad durch die NATO im Jahr 1999 und insbesondere nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 restriktiv geworden, was dazu führte, dass Tausende von Studienbewerbern am Visumsantrag scheiterten. Diese Gruppe kam z.T. nach Deutschland - vor allem auch wegen der nicht erhobenen Studiengebühren und der Bildungspolitik: Deutschland versteht sich als Studien- und Wissenschaftsstandort für internationale Bewerber. Es hat sich bewährt als ein kostengünstiger Weg zur Erlangung eines westlichen akademischen Titels und zur Aneignung der westlichen Technik. Im Jahr 2003 hat sich die Zahl der aus China stammenden Bildungsausländer in Deutschland erhöht. Insgesamt waren 19.374 chinesische Bildungsausländer an deutschen Hochschulen eingeschrieben, das waren 43,3 % mehr als im Vorjahr, 80 % mehr als Ende der 1990er Jahre. Mit etwa 10 % bildeten die Chinesen 2003 die größte Gruppe der Bildungsausländer. 11 2005 kam in China der Andrang, der auf die amerikanischen Visastellen in der Volksrepublik China einsetzte, wohl eher überraschend: Die Zahl der dort erteilten Studienvisa stieg um über 100 Prozent. Das lag vor allem an der Lockerung der Visumspolitik der USA im Jahr 2005. Seitdem erlebt das Studium in den USA einen Boom. Von den 413.900 Chinesen, die im Jahr 2014 im Ausland studierten, ging ca. die Hälfte in die USA. 12 Das erklärt zum einen, warum das Motiv Deutschlandstudium zurückgegangen ist. Ein weiterer Grund dafür liegt darin, dass die deutschen Hochschulen im Bemühen um Internationalisierung die englische Sprache in die Hochschullehre einführten, zahlgenehmigt, aber Auslandsreisen konnten erst in den 1990er Jahren in nennenswerter Zahl durchgeführt werden. 9 Die Generation, die während der Kulturrevolution Lern- und Studienmöglichkeiten versäumen musste, will unbedingt die verlorene Bildung an ihren Kindern nachgeholt sehen. Oft bringt die ganze Familie gemeinsam die Mittel für ein Auslandsstudium auf. 10 Quelle: Bildungszeitung Chinas, 12.11.2002. Abgerufen am 03.05.2005. 11 Quelle: www.wissenschaft-weltoffen.de, Daten und Fakten zur Internationalität von Studium und Forschung vom DAAD und HIS (15.03.2010). 12 Die Daten stammen aus dem Bericht über das Auslandsstudium der Chinesen 2015. http: / / www.eol.cn/ (12.02.2016). Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China 101 45 (2016) • Heft 2 reiche (internationale) Studiengänge werden auf Englisch angeboten. Die Zahl der „International Programs“ ist von 88 im Jahr 1997 inzwischen auf 1.049 gestiegen. 13 Gute Deutschkenntnisse werden bei solchen Studiengängen nicht mehr vorausgesetzt und gefordert. Deutschland als ein weiterhin begehrter Studienort motiviert in der Folge nicht mehr unbedingt zum Deutschlernen. 4.2 Warum sind ‚bessere Berufschancen‘ nicht mehr ein starkes Motiv? Die Fremdsprachen werden heute in China als Zusatzqualifikation immer wichtiger. In China hat sich in den vergangenen Jahren allmählich ein allgemeiner Konsens herausgebildet, dass sich die heutige Welt einerseits immer weiter globalisiert, andererseits immer mehr von einem multikulturellen Gesellschaftscharakter geprägt ist. Neben Englisch noch Deutsch oder eine andere Fremdsprache zu lernen, eröffnet im Allgemeinen günstige berufliche Aussichten. Heute verbindet China und Deutschland ein Netz von vielfältigen und intensiven Beziehungen in den Bereichen Politik und Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Tourismus. Das gilt insbesondere für die wirtschaftliche Kooperation zwischen den beiden Ländern. Deutschland ist der mit Abstand wichtigste europäische Handelspartner Chinas. Umgekehrt ist China wirtschaftliches Partnerland Nummer eins für Deutschland in Asien. Bereits seit 2002 ist China nach den USA und noch vor Japan der zweitwichtigste deutsche Exportmarkt außerhalb Europas. Die meisten importierten Waren in Deutschland kommen aus dem „Reich der Mitte“. 14 Durch die vielfältigen Kooperationen zwischen beiden Ländern sollten sich eigentlich für die chinesischen Deutschlernenden vermehrt berufliche Chancen anbieten. Aber warum wird das Motiv ‚bessere Berufschance‘ in Bezug auf Deutschlernen im Gegenteil immer weniger angegeben? Das lässt sich vor allem auf die Bedeutung von Englisch als lingua franca zurückführen. Im Kontext der weiterhin wachsenden Dominanz von Englisch als weltweiter lingua franca rücken die pragmatischen Gründe, welche die chinesischen Studierenden früher zum Deutschlernen motivierten, immer mehr in den Hintergrund. Mehr als 80 % der Deutschlernenden haben, so das Ergebnis einer anderen Stichprobe mit Graduierten 15 , keine Chancen, ihre erworbenen Deutschkenntnisse in ihrem weiterführenden Studium oder Beruf einzubringen. Aus der empirischen Untersuchung von W ANG (2007: 224ff.) geht ähnlicherweise hervor, dass die Deutschkenntnisse am Arbeitsplatz bei deutschsprachigen Firmen in China nur eine untergeordnete Rolle spielen. In den großen Unternehmen, sog. ‚Global Players‘, ist die deutsche Sprache nur von marginalem Wert. Sowohl im Mündlichen als auch im Schriftlichen pflegen deutschsprachige Firmen im Ausland den hauptsächlichen Teil ihrer Kommunikation auf Englisch abzuwickeln (vgl. dazu auch H ESS / 13 https: / / www.daad.de/ deutschland/ studienangebote/ international-programs/ en (12.02.2016). 14 http: / / www.china.diplo.de/ Vertretung/ china/ de/ (15.02.2016). 15 Diese Angaben beruhen auf internen Statistiken und qualitativen Interviews mit Absolventen. 102 Yuan Li 45 (2016) • Heft 2 W INGATE 1994; W EI 2007). Deutsche Firmen in China erwarten von ihren Mitarbeitern in erster Linie hervorragende Englischkenntnisse. Gute Deutschkenntnisse werden nicht als eine Voraussetzung, sondern nur als Zusatzqualifikation betrachtet. Das erklärt u.a., warum statt der Hälfte im Jahr 2003 nur knapp ein Fünftel im Jahr 2015 Deutsch für bessere Chancen im Beruf erlernt. Es liegt nahe, dass das Deutsche, wie alle anderen Sprachen, gegenüber der ‚Weltsprache‘ Englisch keine Chance hat. Der Denkansatz, „der fortlaufend auf die ‚Konkurrenz‘ zum Englischen schielt“, scheint H ESS (2007: 324) zufolge „wenig fruchtbar“ zu sein. Im Gegensatz zu den allgegenwärtigen Klagen, dass Englisch die deutsche Sprache verdrängt, wird in der vorliegenden Untersuchung eine andere Tendenz festgestellt: Die hochfrequente Verwendung des Englischen auch in ‚typisch‘ deutschen Wirtschafts- und Wissenschaftsinstitutionen verändert einerseits die Motivation des Deutschlernens, andererseits widerlegt sie die gängige Hypothese aus der Soziolinguistik, dass eine Fremdsprache erst Lerner anziehen kann, wenn sie einen ökonomischen Wert oder Gebrauchswert vorweist (vgl. C OULMAS 1991, zit. nach H ESS 2007: 323). Aus rein ökonomischen Nützlichkeitsüberlegungen scheint das Erlernen von Deutsch nicht zwingend notwendig. Tatsache ist jedoch, dass das Interesse an der deutschen Sprache in China trotz der wachsenden Dominanz von Englisch als internationaler lingua franca nicht zurückgeht. Das scheinbare Paradox lässt sich nur auflösen, wenn das Deutschlernen nicht mehr ausschließlich im Zusammenhang mit der Nützlichkeitserwägung oder mit dem Gebrauchswert zu begründen ist. 4.3 Was begründet das Interesse vieler Deutschlerner an Deutschland? Die Angabe ‚Interesse an Deutschland‘, das im Jahr 2003 auf dem dritten Platz stand, hat 2015 die Oberhand gewonnen. Im Gegensatz zur letzten Untersuchung ist das Interesse an Deutschland auf unterschiedlichen Gebieten präsent: von der klassischen schöngeistigen Kultur (deutsche Sprache, Philosophie, Literatur, Musik...) und der interessanten Geschichte über die moderne Wissenschaft und Technik bis zum Alltag und zur Mentalität (Fußball, deutsche Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit etc.). Man wundert sich, dass die Lernenden bereits ein so umfangreiches Vorwissen über Deutschland besitzen. Dies ist in erster Linie der intensiven Beziehung zwischen beiden Ländern im Bereich der Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Kultur etc. zu verdanken. Vor allem entwickelten sich die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen mit großer Dynamik. In den letzten dreißig Jahren ist das bilaterale Handelsvolumen zwischen Deutschland und China von 275 Millionen Euro auf 154 Milliarden Euro (2014) gestiegen. Auf die deutschen Exporte nach China entfielen rund 74 Mrd. Euro und auf die deutschen Importe aus China 79,3 Mrd. Euro. 16 Die Präsenz der deutschen Technik und Produkte weckt das Interesse der Chinesen an Deutschland. 16 http: / / www.china.diplo.de/ Vertretung/ china/ de/ (15.02.2016). Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China 103 45 (2016) • Heft 2 Des Weiteren kann gerade im akademischen Kontext insbesondere der wissenschaftliche und personelle Austausch das Interesse der Studierenden an Deutschland wecken. Bislang kooperieren 300 chinesische mit 100 deutschen Hochschulen. Seit 1999 hat sich die Zahl der Chinesen an deutschen Hochschulen von ca. 5.000 auf mittlerweile über 32.460 mehr als versechsfacht. Chinesen bilden hinter der Türkei die zweitgrößte Gruppe aller ausländischen Studierenden an deutschen Hochschulen (vgl. S TATISTISCHES B UNDESAMT 2015: 55). Allein an der Zhejiang Universität ist die Zahl der Studierenden, die während ihres Studiums für ein halbes Jahr nach Deutschland zum Austausch gehen, von null im Jahr 1998, zehn im Jahr 2003 auf 60 im Jahr 2015 angestiegen. Das Interesse an Deutschland ist darüber hinaus eng mit der Sympathie für Deutschland verbunden. Die chinesischen Lerner weisen ein durchweg positiv gefärbtes Deutschlandbild auf. 17 Der Hauptgrund liegt, so die Sympathiebekundungen in den für diese Studie durchgeführten Interviews, einerseits in dem außerordentlich guten Ruf der deutschen Industrie, vor allem im Bereich des Maschinen- und Anlagenbaus, wo „Made in Germany“ als fast gleichbedeutend mit durchdachtem Design, Zuverlässigkeit, Langlebigkeit und Qualität gilt" und andererseits in der im Bewusstsein der Chinesen noch fest verankerten Vorstellung, dass Deutschland wie kein anderes Land eine „Nation der Dichter und Denker“ ist. Das hohe Ansehen Deutschlands in China lässt sich, gemäß vieler Interviews, zum großen Teil auf die Deutschlandberichterstattung in chinesischen Medien zurückführen. Aus der Untersuchung von K ONG / F U / H E (2016: 5f.) geht hervor, dass immer mehr Aufmerksamkeit auf Deutschland in der größten chinesischen Tagungszeitung Ren Min Ri Bao (Volkszeitung) gerichtet wird. Im Gegensatz zu 17 im Jahr 2001 sind 64 Berichte über Deutschland 2015 zu lesen, in denen Deutschland überwiegend positiv (27 %) und neutral (53 %) dargestellt wird. Ähnliche Tendenzen sind aus der Untersuchung der renommierten Wochenzeitung Nan Fang Zhou Mo (Southern Weekly) hervorgegangen (Q U 2015). Positive Deutschlandbilder werden in chinesischen Medien vermittelt und z.T. stereotypisiert. Es sei in Deutschland nach 1945 gelungen, eine leistungsstarke Wirtschaft zu schaffen. Die historisch-politische Situation Deutschlands als eines geteilten, dann aber eines vereinigten Landes wird als Parallele zur chinesischen Situation und als Vorbild für China empfunden. Den kritischen und reflexiven Umgang der Deutschen mit eigenen Fehlern in der Geschichte wissen die Chinesen sehr zu schätzen. 4.4 Was steckt hinter den neuen Motivationen? 2015 lernen 14 % und 10 % der Befragten deswegen Deutsch, weil Deutsch eine andersartige Sprache ist und Deutschlernen herausfordert. Solche individualistisch 17 Nach einer vom Auswärtigen Amt initiierten Umfrage gibt es in China überdurchschnittlich positive Einstellungen gegenüber Deutschland (In: „Deutschland“, 28.7.2008, http: / / old.magazine-deutschland.de/ magazin/ CH-Meldung_4-08.php (15.05.2015). 104 Yuan Li 45 (2016) • Heft 2 geprägten Stichworte wie „Persönlichkeitsentwicklung“, „Herausforderung“ und „Lebensbereicherung“ werden von vielen der Befragten auch in den für diese Studie durchgeführten Interviews als Lernmotivation genannt. Dies indiziert die Veränderungen bei den Persönlichkeitsmerkmalen der jüngeren Generation, die in den 1990er Jahren als Einzelkind geboren und im wirtschaftlichen Wohlstand aufgewachsen ist. Die rasanten gesellschaftlichen Entwicklungen und nicht zuletzt die zunehmende Globalisierung seit den letzten Jahrzehnten veränderten bzw. verändern nicht nur das Leben, sondern auch die Denk- und Verhaltensweisen der jüngeren Generation. Sie ist neugierig, mutig, entscheidungsmündig, denkt unabhängig, handelt individuell und selbstbewusst. Sie orientiert sich nicht mehr ausschließlich an den Anforderungen des Staates und den Wünschen der Eltern, sondern denkt in erster Linie an ihr eigenes „egoistisches“ Interesse. Einige Kulturstandards, wie aus der empirischen Untersuchung von L IU (2010: 199) hervorgeht, „spielen bei der Mehrheit der chinesischen Studierenden keine wichtige Rolle mehr“, wie z.B. „Gruppenorientierung bzw. die kollektivistische Neigung“; sie wollen nicht das machen, was die anderen auch machen, sondern äußern deutlich die Hoffnung auf eine individuelle Persönlichkeitsentwicklung. Zum ersten Mal werden ‚Deutschkurse an Schulen‘ als Motiv genannt. Die positive Entwicklung der deutschen Sprache in Schulen trägt bereits ihre ersten Früchte. Noch bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts wurde Deutsch an Schulen bis auf einige wenige Fremdsprachenschulen praktisch kaum angeboten. Seit den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts setzen das zentrale Bildungsministerium und einzelne regionale Bildungsbehörden auf Mehrsprachigkeit an allgemeinbildenden Mittelschulen. In Shanghai sind seit 2004 die sogenannten kleinen Sprachen, z.B. vor allem die europäischen Sprachen Deutsch, Französisch und Spanisch neben dem Japanischen, Koreanischen und Arabischen, flächendeckend in Wahlkursangeboten etabliert worden (vgl. H ERNIG 2010: 1640f.). Herausragende Bedeutung für die Vermittlung der deutschen Sprache an Schulen kommt der 2008 ins Leben gerufenen Initiative „Schulen - Partner der Zukunft“ (PASCH) zu. Gemeinsam mit der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA), dem Goethe-Institut, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und dem Pädagogischen Austauschdienst der Kultusministerkonferenz (PAD) wird Deutsch in allgemeinbildenden Mittelschulen in ganz China weiter gefördert und verstärkt. Die positive Entwicklung der deutschen Sprache in China generell zeichnet sich deutlich an den Schulen ab. Im Jahr 2000 lernten 600 Schüler in sechs Schulen Deutsch; 2015 bereits 12.200 an 123 Schulen. 18 In den nächsten Jahren ist zu erwarten, dass die Zahl der Deutschlernenden an Schulen noch schneller ansteigt. Das Mehrsprachigkeitskonzept ist seit Juni 2014 offiziell in Schulen zu etablieren. Im Auftrag des Bildungsministeriums ist eine Gruppe von Experten gerade dabei, das Curriculum bzw. den Bildungsstandard für Deutsch als Fremdsprache an chinesischen Schulen auszuarbeiten. Das Bedenken, dass die erfolgreiche Implementierung des Faches Deutsch zumindest in der Oberstufe der Schulen ohnehin fraglich ist, weil „es kaum Möglichkeiten gibt, sich mit dem Fach Deutsch für 18 Datenerhebungen der S TÄNDIGEN A RBEITSGRUPPE D A F 2000 und des A USWÄRTIGEN A MT s 2015. Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China 105 45 (2016) • Heft 2 die Hochschulaufnahmeprüfung zu qualifizieren oder sich darin prüfen zu lassen“ (H ERNIG 2010: 1641), wird überflüssig, weil ab September 2017 das neue Curriculum für Deutsch als Abiturfach offiziell landesweit einzusetzen und Deutsch in der Hochschulaufnahmeprüfung zu prüfen ist. 5. Fazit Diese vergleichende Untersuchung zu Motivationen des Deutschlernens in Hangzhou legt nahe, dass Motivationen ohne Bezug auf das komplexe Umfeld nicht nachzuvollziehen sind und mit der Veränderung des Umfeldes zweifelsohne einem Wandel unterliegen. Der Wandel der Motivationen zum Fremdsprachlernen ist nicht nur auf ökonomische Gründe, sondern auch stark auf die bilateralen Beziehungen und bildungspolitischen Rahmenbedingungen beider Staaten auf der Makroebene zurückzuführen und hängt erheblich von Kooperationen zwischen den entsprechenden Institutionen auf der Mikroebene ab. Die Stellung der Zielsprache und des Zielsprachenlandes in der Welt ist darüber hinaus auch ein determinierender Faktor. Die Veränderung auf jeder Ebene wird einen Wandel der Motivation auslösen. Als lehrende Person muss man die Lernmotivationen ständig auf den Prüfstand stellen und sie als Ausgangspunkt bei jeder didaktischen Entscheidung betrachten. Daraus resultiert eine Veränderung der Deutschkurse, die sich in einer anderen Motivationsstruktur und dann auch in veränderten Erwartungen der Teilnehmenden begründet. Eine zielgruppenspezifische Methodik und Didaktik muss der veränderten Situation gerecht werden. Nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, dass die vorliegenden Untersuchungen nur aus Konstellationen der Deutschlernenden einer Universität hervorgegangen sind. Ob sich die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Konsequenzen auch auf andere Zielgruppen übertragen lassen, bleibt offen. Literatur A MMON , Ulrich (1991): Studienmotive und Deutschenbild australischer Deutschstudenten und -studentinnen. Wiesbaden/ Stuttgart: Steiner. A MMON , Ulrich (2002): „Michael Schumacher spricht nie Deutsch. Kann der Aufschwung des Deutschlernens in China die deutsche Sprache in Asien stabilisieren? “ http: / / www.welt.de/ printwelt/ article264769/ Michael_Schumacher_spricht_nie_Deutsch.html (26.04.2016). A MMON , Ulrich (2009): Deutsch weltweit, heute und (über)morgen - Entwicklungsperspektiven und Aspekte, Sprachenpolitische Intervention. Vortrag am 04.08.2009 auf der IDT in Jena. A USWÄRTIGES A MT (Hrsg.) (2015): Deutsch als Fremdsprache weltweit. Datenerhebung 2015. Berlin. C UI , Lan (2015): „Deutsche Sprache“. In: WANG, Wenbin / X U , Hao (Hrsg.): Jahresbericht der chinesischen Fremdsprachenbildung 2015. Beijing: Foreign Language Teaching and Research Press, 72-87. 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In this context, it seems fitting to have a look into the field of translation studies, a field that has been widely ignored as being a potential reference for foreign language education. The present article points out what kind of relation exists between translations studies and mediation in the foreign language classroom and gives examples of the training of techniques and strategies in translation studies that could be used effectively for the development of mediation skills in foreign language education. 1. Sprachmittlung in Translationswissenschaft und im Fremdsprachenunterricht Nach Einzug der Sprachmittlung in sprach- und bildungspolitische Dokumente sind Fremdsprachenlehrer/ -innen mit den gängigen Definitionen von Sprachmittlung wie der folgenden vertraut: „Die Schülerinnen und Schüler können - auch unter Verwendung von Hilfsmitteln und Strategien - wesentliche Inhalte authentischer mündlicher oder schriftlicher Texte, auch zu weniger vertrauten Themen, in der jeweils anderen Sprache sowohl schriftlich als auch mündlich adressatengerecht und situationsangemessen für einen bestimmten Zweck wiedergeben.“ (KMK 2012: 18) Diese Darstellung hat viele Gemeinsamkeiten mit dem, was K ÖNIGS (1989a, b; 1992) mit „Übersetzen als Fertigkeit“ im Gegensatz zu „Übersetzen als grammatische * Korrespondenzdresse: Dr. Katharina W IELAND , Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Romanistik, Unter den Linden 6, 10099 B ERLIN . E-Mail: wielandk@hu-berlin.de Arbeitsbereiche: Methodik und Didaktik des Französisch-, Spanisch- und Italienischunterrichts, Sprachmittlung, Dramapädagogische Verfahren, Selbstgesteuertes Lernen und Evaluation. N i c h t t h e m a t i s c h e r T e i l