eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 45/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
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2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2016
452 Gnutzmann Küster Schramm

Zur Einführung in den Themenschwerpunkt

2016
Claudia Riemer
Kathrin Wild
4 Claudia Riemer, Kathrin Wild 45 (2016) • Heft 2 Sprache und Kultur sowie der Neigung besteht, Teil der Zielsprachenkultur zu werden. Das für die Mehrzahl der in diesem Themenheft versammelten Beiträge relevante Konstrukt der sog. instrumentellen Motivation, die stärker auf die Nützlichkeit der zu erlernenden Sprache zielt, wurde eher als Nebenprodukt des sozio-psychologischen Ansatzes behandelt. Inzwischen tritt das Konzept der integrativen Motivation immer mehr in den Hintergrund bzw. wird von anderen Konzepten abgelöst. Ein zentraler Grund dafür ist, dass die Relevanz der integrativen Orientierung (integrativeness) bzw. der integrativen Motivation vornehmlich in Kontexten ermittelt wurde, die durch ein besonderes Zweisprachigkeitsmilieu geprägt sind (z.B. das frankophone Kanada). Integrativität in Bezug auf eine bestimmte Zielkultur wird daher eher im Zusammenhang mit dem Zweitspracherwerb, aber weniger für das Fremdsprachenlernen unterstellt (vgl. D ÖRNYEI 1990). Mit entsprechenden Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass insbesondere für das Englischlernen in Zeiten der Globalisierung weniger der direkte zielkulturelle Bezug von Bedeutung ist, sondern generelle und auch instrumentelle Orientierungen überwiegen (vgl. exemplarisch L AMB 2004 für Indonesien). Gerade für das Fremdsprachenlernen in Ländern, in denen die Zielsprache außerhalb des Unterrichts wenig(er) präsent ist, wurde deutlich, dass sich die L2-Motivation aus unterschiedlichen Komponenten zusammensetzt, wobei ein ausgeprägtes Interesse für das Zielsprachenland ein zwar wichtiger, aber nicht allein ausschlaggebender Faktor ist (vgl. exemplarisch D ÖRNYEI 2009). Parallel zu dieser Entwicklung wurden verstärkt Theorien und Konzepte der Pädagogischen Psychologie in die L2-Motivationsforschung integriert (vgl. D ÖRNYEI / S CHMIDT 2001), darunter sind die Adaption der Selbstbestimmungstheorie auf der Basis von D ECI und R YAN (1985; vgl. insbesondere N OELS et al. in diesem Themenheft) und der Attributionstheorie nach W EINER (1986; vgl. exemplarisch W ILLIAMS / B URDEN / A L -B AHARNA 2001) hervorzuheben. Seit ca. 20 Jahren wird der Zusammenhang von L2-Erwerb, Motivation und der Identitätsentwicklung und -entfaltung der Lernenden in ihrem sozio-kulturellen Milieu betont. Hier sind soziolinguistische Forschungen innerhalb des socio-cultural approach zu benennen, die sich insbesondere für den Zweitspracherwerb im Rahmen von Migrationsbiographien interessieren (vgl. exemplarisch N ORTON 1995, 2013). L2-Motivation wird dabei als investment der lernenden Person konzeptualisiert. Diese Ansätze finden aktuell in der deutschen DaZ-Forschung großen Nachhall (vgl. exemplarisch O HM 2004; P IETZUCH 2015). Bezüglich des Fremdsprachenlernens findet in jüngerer Zeit D ÖRNYEI s Theorie des L2 Motivational Self System (L2MSS) besondere Beachtung, das auf der psychologischen Theorie der Possible Selves von M ARKUS und N URIUS (1986) aufbaut, dabei aber systematisch an die bisherige L2-Motivationsforschung anknüpft (vgl. D ÖRNYEI 2009; D ÖRNYEI / U SHIODA 2009; C SIZÉR / M AGID 2014). Dem L2MSS zufolge spiegeln sich mit der L2 verbundene Identitätsprozesse im optimalen Fall in der Ambition von L2-Lernenden wider, die L2 als Teil eines angestrebten (Ideal L2 Self) oder sozial erwünschten Selbstkonzepts (Ought-to L2 Self ) beherrschen zu wollen und damit Mitglied einer Gruppe zu werden, die über diese Sprache als Kommunikationsmittel (und dabei nicht zwangsläufig als L1) verfügt. Hieraus würden insbesondere dann eine ausgeprägte L2-Motivation und Lernanstrengungen resultieren, wenn Ler- Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 5 45 (2016) • Heft 2 nende Diskrepanzen zwischen ihrem aktuellen und angestrebten Selbstkonzept wahrnehmen. Ob dieser theoretische Ansatz etwas grundsätzlich Neues darstellt, ist durchaus (noch) umstritten: M AC I NTYRE / M AC K INNON / C LÉMENT (2009) machen darauf aufmerksam, dass Possible Selves und Integrativität sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern sehen beide Konzepte als komplementär zueinander an, die das gleiche Phänomen betreffen. D ÖRNYEI (2009) selbst weist auf eine Nähe zwischen dem L2MSS und den Hauptkonzepten des socio-educational model hin, was wiederum von G ARDNER (2010: 222-226) zurückgewiesen wird. U SHIODA und D ÖRNYEI (2009) führen aus, dass Identifikation und ethnolinguistische Identität, die immer auch sozial konstruiert werden, schon jeher Teil des integrativen Konzepts waren. Jedoch bezweifeln sie, dass es im Lichte des sich ändernden Englischlernens, nämlich dem Frühbeginn und dem Ansehen der Beherrschung des Englischen als universaler Grundfertigkeit, noch sinnvoll ist, von integrativen Orientierungen zu sprechen. Auf der Basis der Ergebnisse einer groß angelegten longitudinalen Untersuchung von 1993 bis 2004 in Ungarn (vgl. D ÖRNYEI / C SIZÉR / N ÉMETH 2006) vermuten U SHIODA und D ÖRNYEI (2009: 3), dass Identifizierung besser als internaler Prozess von Identifikation mit dem Selbstkonzept als mit einer fremden Referenzgruppe gesehen werden sollte. Das Ideal L2 Self und das Ought-to L2 Self nimmt das Autorenteam als mächtige Motivatoren für das Erlernen von Fremdsprachen an. In aktuellen Publikationen werden vielfältige Forschungsdesiderata formuliert. Diese reichen von der Berücksichtigung dynamischer und temporärer Aspekte, über Identität(en), gesellschaftliche Kontexte, interkulturelle Variationen, verschiedene Gesichtspunkte der Selbstregulierung und Sprachlernerfahrung (vgl. H ENRY 2015; M AGID / C SIZÉR 2014; U SHIODA / D ÖRNYEI 2009) bis hin zu allgemeinen kontextuellen Faktoren. Es interessiert ferner die Interaktion von Motivation mit Kognition, Affekt und Kontext (vgl. W ANINGE 2015) sowie Instruktionen und interaktionale Praktiken von Lehrkräften, die zur Ausformung von Motivationsprozessen im Fremdsprachenunterricht beitragen (vgl. U SHIODA 2013b). Diese neueren Entwicklungen führen auch zum Überdenken von methodischen Vorgehensweisen in empirischen Untersuchungen in diesem Forschungsbereich, der jahrzehntelang - möglicherweise auch aufgrund seiner disziplinären Verortung vorrangig in der Psychologie und SLA - maßgeblich durch psychometrische Forschungsansätze und Fragebogen-Designs geprägt war. Wichtige Impulse liefert dabei die Frage nach der Operationalisierung von dynamischen Konzepten und Possible Selves (vgl. M AC I NTYRE / D ÖRNYEI / H ENRY 2015; M AC I NTYRE / M ACKINNON / C LÉMENT 2009). So geht der Trend langsam in Richtung qualitativer Forschungsansätze sowie mixedmethods-Ansätzen, in denen neben quantitativen Fragebogendaten auch Interview-, Feldbeobachtungsdaten und experimentelle Daten kombiniert werden. Solchen Ansätzen, insbesondere wenn sie longitudinal angelegt sind, werden Vorteile bei der Untersuchung komplexer und dynamischer Motivationsprozesse bescheinigt. Der sog. narrative turn in den SLA und Applied Linguistics (vgl. B ARKHUISEN / B ENSON / C HIK 2014; P AVLENKO 2007) unterstützt diese Neuorientierung. Noch sind qualitative Forschungs- 6 Claudia Riemer, Kathrin Wild 45 (2016) • Heft 2 arbeiten in der L2-Motivationsforschung allerdings deutlich in der Minderheit (vgl. B OO / D ÖRNYEI / R YAN 2015). Die Mehrheit der vorhandenen Forschungsarbeiten zum Faktor L2-Motivation bezieht sich vorrangig auf die L2 Englisch (ESL und EFL). Zentrale Ansätze wie die oben genannten wurden in Forschungsdesigns mit Untersuchungsteilnehmern mit Englisch als L2 entwickelt. So kommt eine jüngst publizierte Meta-Studie zu dem Resultat, dass sich knapp 73 % der Arbeiten der L2-Motivationsforschung auf die L2 Englisch beziehen (ebd.: 151). Regionenspezifische Aspekte des Sprachenlernens werden bis dato nur selten systematisch und vergleichend in den Blick genommen. Erst in jüngerer Zeit werden angesichts der gewachsenen Bedeutung des Englischen als internationaler lingua franca häufiger Fragen nach der regionalen Kontextgebundenheit des Englischlernens und den Verquickungen schulischer und außerschulischer Ziele des Englischlernens sowie nach den damit verbundenen Auswirkungen auf die Sprachlernmotivation gestellt. Eine Auswahl vielfältiger Berichte über das Englischlernen in unterschiedlichen Ländern liefert U SHIODA (2013a). Motive, die direkt mit den mit der Zielsprache Englisch repräsentierten Zielkultur(en) (z.B. Großbritannien, USA) verbunden sind, rücken in diesen Untersuchungen spürbar in den Hintergrund. Deutlich wird in solchen Forschungsbeiträgen die Tendenz, dass Englisch in vielen Ländern der Welt zunehmend alltäglicher Teil von sozialen Kontakten, Medien, Bildung etc. geworden ist bzw. dabei ist zu werden, woraus anders profilierte Erwartungen an den Fremdsprachenunterricht entstehen: Lernende wollen ihre aktuellen und langfristigen Ziele und außerunterrichtlichen Sprachgebrauchsmöglichkeiten in der Unterrichtsrealität wiederfinden, was herkömmlichen Englischunterricht in vielen Regionen vor ganz neue, auch motivationale Herausforderungen stellt (vgl. zusammenfassend U SHIODA 2013b). Der Umfang der Forschungen zu anderen Fremdsprachen - soweit er international sichtbar ist und wahrgenommen wird - ist deutlich schmaler. Der internationale Forschungsdiskurs hat bislang die Genese und Bedeutung von Motiven und Motivation für das Erlernen spezifischer Fremdsprachen, die nicht als allgemeine internationale Sprache (also Englisch) oder aufgrund spezifischer regionaler Bedingungen (z.B. Englisch und Französisch im frankophonen Kanada) gelernt werden, deutlich weniger in den Blick genommen. Daher erscheint es uns gerechtfertigt, exemplarisch eine andere Fremdsprache in das Zentrum der hier versammelten Beiträge zu stellen: Das vorliegende Themenheft fokussiert vornehmlich auf das Lernen des Deutschen als Fremdsprache in unterschiedlichen inner- und außereuropäischen Ländern. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund, dass sich mit Blick auf die steigende Globalisierung, die Umgestaltung Europas, gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen, politische und ökonomische Migration und der damit einhergehenden Forderung nach Mehrsprachigkeit heutzutage zahlreiche Fragen zur Relevanz von L2-Motivation(en) und der Variablen, die Motivation für das Erlernen von Zweit- und Fremdsprachen bedingen, in neuer Gestalt stellen. Im Zeichen von Mehrsprachigkeit steht nicht mehr nur das Englische im Vordergrund, sondern es werden - auch bildungspolitisch begründet - vermehrt weitere Sprachen gelernt und Herkunftssprachen gepflegt. Deshalb sucht das Themenheft Antworten auf Fragen wie die folgenden: Lassen sich Konzepte und Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 7 45 (2016) • Heft 2 Ansätze zur L2-Motivation, die vorrangig für die L2 Englisch entwickelt wurden und Geltung für sich in Anspruch nehmen können, auch auf andere Fremdsprachen mit verschiedener regionaler und herkunftsbezogener Bedeutung sowie in Hinblick auf unterschiedliche Ziele übertragen? Inwieweit lassen sich diese auf die Fremdsprache Deutsch im inner- und außereuropäischen Kontext beziehen? Welche Bedeutung haben dabei die Region, in der Deutsch gelernt wird, und ihre geographische Nähe zu deutschsprachigen Ländern? Welche Rolle spielt die Kultur, in der gelernt wird, und welche Rolle der Kulturraum der Zielsprache? Im Zuge des immer früher einsetzenden Fremdsprachenunterrichts und gleichzeitiger Erhöhung der Anzahl der gelernten Fremdsprachen muss auch gefragt werden: Welche bildungs- und sprachenpolitischen Rahmenbedingungen, von denen u.a. der Umfang und die Anzahl der unterrichteten Fremdsprachen an Schulen abhängt, spielen eine Rolle? Wie hängen diese zusammen mit der individuellen L2-Motivation bei Lernenden? Nicht zuletzt wird die Frage aufgeworfen, inwieweit der fremdsprachliche Unterricht solche Entwicklungen in den unterschiedlichen Sprachen und Ländern aufgreift bzw. aufgreifen sollte. Den Auftakt zum vorliegenden Themenheft gestalten N OELS / L OU / C HAFFEE / D INCER mit einem theoriebasierten Beitrag zu „ Self-Determination, Engagement, and Identity in Learning German: Developments in the Psychology of Language Learning Motivation“. Das Autorenteam nähert sich der Motivation zum Deutschlernen aus psychologischer Richtung; dem komplexen Phänomen des Sprachenlernens legen sie die Selbstbestimmungstheorie zugrunde - dies ganz in der Weiterführung der Forschungsarbeiten von Kimberly N OELS , die die Hauptvertreterin der Integration der Selbstbestimmungstheorie in die L2-Motivationsforschung war (vgl. exemplarisch N OELS 2001) und nach wie vor ist. Neben der klassischen Gruppe der Fremdsprachenlernenden nimmt der Beitrag auch Herkunftssprachenlernende (heritage language learners), die u.a. aus Gründen der in einer länger zurückliegenden Migrationsgeschichte begründeten Familientradition die deutsche Sprache lernen, in den Blick. Gleichzeitigt gibt er einen Überblick über aktuelle Theorieentwicklungen in der L2-Motivationsforschung und berichtet über neuere Forschungsergebnisse. Dabei werden Selbstkonzepte, die Rolle des Engagements ebenso wie Einflüsse auf das Engagement von Fremdsprachenlernenden, kontextuelle Faktoren sowie neure Ansätze der SLA zu komplexen dynamischen Systemen (vgl. D ÖRNYEI / M AC I NTYRE / H ENRY 2015) und jüngere Entwicklungen wie die Positive Psychology (vgl. M AC I NTYRE / G REGERSEN / M ERCER 2016) näher beleuchtet. Mit dem Aufzeigen unterschiedlicher Forschungsperspektiven in den Bereichen Individualität, interpersonelle Beziehungen, gesellschaftliche und kulturelle Dynamiken öffnet der Aufsatz auch den Blick auf die weiteren Forschungsberichte in diesem Themenheft. Die weiteren Beiträge des Themenhefts liefern auf der Basis unterschiedlicher empirischer Untersuchungen Einblicke in die sprachspezifischen Besonderheiten der Motive und Motivation(en) zum Deutschlernen in unterschiedlichen Regionen und Ländern, wobei auch die Rolle anderer gelernter Fremdsprachen in einigen Beiträgen mit in den Blick genommen wird. An den länderübergreifenden Überblick R IEMER s 8 Claudia Riemer, Kathrin Wild 45 (2016) • Heft 2 schließen sich Beiträge zu Motivationsstudien an, die in den Ländern Iran (M ALEKI ), Australien (S CHMIDT ), Polen (M ACKIEWICZ ), den USA (M ACKIEWICZ ) und China (L I ) durchgeführt wurden. Es werden Länder- und Sprachenvergleiche gezogen und auch aktuelle Entwicklungen, die durch Politik und Gesellschaft geprägt sind, berücksichtigt. Als Grundlage der empirischen Studien dienen dabei vornehmlich Daten, die durch Befragungen (standardisierte Fragebögen, qualitative Interviews, schriftliche Sprachlernbiographien) erhoben wurden. Somit stellt das Themenheft Untersuchungen sowohl aus dem quantitativen als auch qualitativen Forschungsparadigma vor. Das grundsätzliche forschungsmethodische Problem, dass Motivation nicht auf einfache Weise zu messen oder reinen Beobachtungsverfahren zugänglich ist, spiegelt sich in den Beiträgen in der Verwendung von self report-Daten der Lernenden wider, die prinzipiell Einschränkungen hinsichtlich möglicher Befragungsfehler und der Ausdruckmöglichkeiten der Befragten unterliegen, folglich immer nur eine Annäherung an den Forschungsgegenstand sein können. R IEMER berichtet in ihrem Beitrag „L2-Motivationsforschung für Deutsch als Fremdsprache - länderspezifische und länderübergreifende Einsichten“ über eine Langzeitstudie, für die vorrangig mittels schriftlicher Sprachlernbiographien qualitative Daten von (inzwischen) knapp 1.200 DaF-Lernenden aus 20 unterschiedlichen Ländern erhoben wurden. Auf der Basis von Datenanalysen, die an den Forschungsstil der Grounded Theory angelehnt sind, werden zentrale länderübergreifende Motivationstendenzen von DaF-Lernenden ermittelt, die darauf hindeuten, dass insbesondere positive Einstellungen zum Fremdsprachenlernen, instrumentelle Motive, aber auch der Status der „besonderen“ Sprache Deutsch zur Wahl und zum motivierten (Weiter-) Lernen der Sprache entscheidend beitragen. Kontrastiv werden Daten von befragten Lernenden aus Pilotstudien herangezogen, die sich gegen das Lernen der deutschen Sprache entschieden haben. Die im Rahmen der Studie ermittelten Ergebnisse werden mit Informationen über die DaF-Lernendenzahlen in den Ländern und dem internationalen Forschungsstand abgeglichen. Zur Motivation zum Englischlernen im iranischen Kontext existiert bereits eine Vielzahl von Studien; für DaF stellt dies noch eine Forschungslücke dar. Zur Motivation zum DaF-Lernen im Iran präsentiert M ALEKI mit seinem Beitrag „L2-Motivation und ‚Possible Selves‘ - Ein vergleichender Blick in die Motivationsprofile von iranischen Deutsch- und Englischlernenden“ erstmalig eine (sich noch im Forschungsprozess befindliche) Studie. In seinem hier im Themenheft abgedruckten Beitrag vergleicht er eigene Untersuchungsergebnisse mit solchen für das Englischlernen im Iran. Diese wurden v.a. von P API auf der Grundlage von quantitativ erhobenen und ausgewerteten Daten ermittelt. Dabei legt M ALEKI die Theorie des L2 Motivational Self System zugrunde. Der Beitrag kommt zum Ergebnis, dass die Ausprägung des L2MSS sich bei beiden Zielgruppen ähnelt und die soziokulturelle Umgebung einen entscheidenden Einfluss auf die Motivation, Deutsch oder Englisch zu lernen, ausübt. Der Autor schlägt vor, den Begriff Integrativeness im iranischen DaF-Kontext durch den Begriff der idealisierten Selbstvorstellungen (Ideal L2 Self) in und mit der deutschen Sprache zu ersetzen. Zur Einführung in den Themenschwerpunkt 9 45 (2016) • Heft 2 Der Beitrag von S CHMIDT „Motivation zum Fremdsprachenstudium in einem englischsprachigen Land: das Beispiel Australien“ thematisiert den steigenden Stellenwert von Fremdsprachen in Australien. Da bereits quantitative Daten zur australischen Motivationsforschung vorliegen und vermutet wird, dass das L2 Motivational Self System sich auch auf Sprachen und Kulturen bezieht, deren geographische Verortung weit entfernt liegt, verfolgt die Autorin das Ziel, mit einer qualitativen Interviewstudie mit 16 Deutschlernenden die in früheren Studien gewonnenen Forschungsergebnisse zu vertiefen. Es lassen sich ihren Analysen zufolge drei Hauptmotivgruppen bei den von ihr befragten Studierenden ausmachen: 1. Englisch allein wird als nicht mehr ausreichend erachtet, 2. Affinität zu deutscher und europäischer Kultur, 3. identitätsbezogene Motive. S CHMIDT leitet aus diesen Ergebnissen ab, dass im australischen Fremdsprachenunterricht an Hochschulen die Zielsprache in Verbindung mit kulturellen Inhalten angeboten werden sollte. M ACKIEWICZ diskutiert in „Interkulturelle Motivation im Vergleich: DaF in Polen und den USA“, inwieweit sich Motivationen zum Deutschlernen in den zwei genannten Ländern voneinander unterscheiden bzw. gleichen. Als Datengrundlage der quantitativen Studie dienen Fragebögen, die von 1.009 Deutschlernenden an elf polnischen Hochschulen sowie 671 Deutschlernenden an zwölf US-amerikanischen Hochschulen erhoben wurden. Die zentralen Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass bei polnischen Lernenden eher eine instrumentelle Motivation dominiert und die von ihm so benannte „interkulturelle Motivation“ nur durchschnittlich zum Tragen kommt, während sich bei DaF-Lernenden in den USA neben einer instrumentellen vor allem die interkulturelle Motivation als besonders wichtig erweist. Hingegen spielen extrinsische Motive im polnischen Kontext eine größere Rolle als in den USA. Ähnlich wie S CHMIDT stellt M ACKIEWICZ fest, dass die geographische Nähe zu Deutschland eine untergeordnete Rolle bei interkulturellen Motiven spielt. Der Beitrag von L I zur „Motivation zum Lernen des Deutschen als zweiter Fremdsprache in China“ beschäftigt sich mit der Entwicklung von Motivationsstrukturen von Studierenden an der Zheijiang University in Hangzhou, die Deutsch als zweite Fremdsprache studienbegleitend neben dem Fachstudium lernen. Anhand von zwei quantitativen Studien werden Motivationsveränderungen während einer Zeitspanne von zwölf Jahren nachvollzogen. Dazu wurden im Jahr 2003 85 Studierende und im Jahr 2015 107 Untersuchungsteilnehmer befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Motive ,Studium in Deutschland‘ und ,bessere Berufschancen‘ weniger bedeutsam geworden sind, während ,Interesse an Deutschland‘ einen Aufschwung erlebt. Neu hinzugekommene Motive zum DaF-Lernen sind der Studie zufolge ,Selbstherausforderung‘ und ,Wunsch nach einer andersartigen Sprache‘; des Weiteren sind ,Deutschvorkenntnisse in Schulen‘ von Vorteil für die Wahl des Deutschunterrichts. L I geht davon aus, dass die sich wandelnden Motive und Motivationen für das Deutschlernen nicht nur auf ökonomische Gründe, sondern auch auf die erstarkten bilateralen Beziehungen zwischen China und Deutschland sowie die bildungspolitischen Rahmenbedingungen beider Länder und die Bildungskooperationen zwischen chinesischen und deutschen 10 Claudia Riemer, Kathrin Wild 45 (2016) • Heft 2 Hochschulen zurückzuführen sind. Eine Rolle spielt außerdem das Ansehen der Zielsprache und des Zielsprachenlandes. Die Beiträge des Themenhefts können zu einer den internationalen Forschungsdiskurs um die L2-Motivation bereichernden Diskussion beitragen: Viele Aspekte, die mit Blick auf eine andere Bezugssprache (meistens Englisch) ermittelt wurden, treffen auch für das Erlernen anderer Sprachen (hier: Deutsch) zu. Die Beiträge unterstreichen aber auch die sprachspezifischen Besonderheiten von Motivation zum Erlernen von Sprachen, die eng mit bildungs- und sprachenpolitischen Entwicklungen, aber auch mit dem Image von Zielsprachen und Zielkulturen in den Regionen zusammenhängen. Anzuregen sind konsequent vergleichende Studien, die das Lernen unterschiedlicher Fremdsprachen im selben regionalen Kontext untersuchen, um auf diese Weise die auf die jeweilige Sprache bezogenen und die allgemeinen sprachen- und bildungspolitischen Aspekte genauer zu erfassen - und damit auch zu einer Motivationsforschung beitragen, die das Lernen von Sprachen im Kontext der Entwicklung von Mehrsprachigkeitsprofilen der Lernenden in den Blick nimmt. Literatur B ARKHUISEN , Gary / B ENSON , Phil / C HIK , Alice (2014): Narrative Inquiry in Language Teaching and Learning Research. New York/ London: Routlegde. 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Drawing from Self-Determination Theory and diverse theories of language learning motivation, we present a framework that (1) represents a range of orientations that students may take towards learning German, and (2) explains how these orientations are connected to language learning engagement and diverse linguistic and non-linguistic outcomes. We maintain that students who invest in learning because it is meaningful to them personally (that is, those who have a self-determined orientation) are more likely to actively engage with the language academically and with its associated community, and in turn they are more likely to become communicatively and culturally competent. We further claim that a self-determined orientation can be fostered in a social environment that is responsive to learners’ need to be active, competent agents who have mutually satisfying relationships with others. We conclude with some alternative avenues of study that would complement the research done to date. I would not rob you of your food or your clothes or your umbrella, but if I caught your German out, I would take it. But I don’t study anymore, - I have given it up. M ARK T WAIN , Letter to Bayard Taylor * Addresses for correspondence: Prof. Kimberly A. N OELS Ph.D., P350 Biological Science Building, Department of Psychology, University of Alberta, Department of Psychology, E DMONTON , Alberta, Canada, T6G 2E9. E-Mail: knoels@ualberta.ca Research areas: Intercultural communication; language learning motivation; cultural psychology. Kathryn C HAFFEE , PhD candidate in Psychology, P359 Biological Science Building, Department of Psychology, University of Alberta, E DMONTON , Alberta, Canada, T6G 2E9. E-Mail: kathryn.chaffee@ualberta.ca Research areas: Gender and language learning; motivation; cultural psychology Nigel Mantou L OU , PhD candidate in Psychology, P357 Biological Science Building, Department of Psychology, University of Alberta, E DMONTON , Alberta, Canada, T6G 2E9. E-Mail: mantou@ualberta.ca Research areas: Language motivation; social psychology; cultural psychology Ali D INCER Ph.D., Assistant Professor and Head of the Department of Foreign Languages, Department of English Language Teaching, Faculty of Education, Erzincan University, E RZINCAN , Turkey. E-Mail: adincer@erzincan.edu.tr Research areas: Foreign language learning; language teaching; motivation