eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 45/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2016
451 Gnutzmann Küster Schramm

Dagmar ABENDROTH-TIMMER, Eva HENNIG (Hrsg.): Plurilingualism and Multiliteracies. International Research on Identity Construction in Language Education. Frankfurt/M: Lang 2014, 314 Seiten [49.95 €]

2016
Hélène  Martinez
© 2016 Narr Francke Attempto Verlag 45 (2016) • Heft 1 B u c h b e s p r e c h u n g e n • R e z e n s i o n s a rti k e l Dagmar A BENDROTH -T IMMER , Eva H ENNIG (Hrsg.): Plurilingualism and Multiliteracies. International Research on Identity Construction in Language Education. Frankfurt/ M: Lang 2014, 314 Seiten [49.95 €] Der Sammelband präsentiert die aktuellen Forschungsaktivitäten der internationalen Forschergruppe LANGSCAPE, einer seit 1998 stets wachsenden und mehrsprachigen Forschergemeinschaft, deren Ziel es ist, „durch Stärkung von Mehrsprachigkeit, Vielfalt und Multiliteralität der sprachlichen, kulturellen und methodischen Abgrenzung in der Fremdsprachenforschung entgegenzuwirken“ (S. 10). Der Hauptfokus der vorliegenden Publikation liegt auf der „Erfassung von Prozessen der Identitätskonstruktion in der sprachlichen Bildung“ (ebd.). Der Band gliedert sich entsprechend den großen Säulen dieses Forschungsbereichs in drei Teile: Contexts of Mobility and Ecology of Multilingualism, Multiliteracies and the Construction of Plurilingual Identities in Foreign Language Learning and Teaching und Teacher Education and the Development of Multiliteracies. In ihrer Introduction „Plurilingualism and Multiliteracies: Identity Construction in Language Education“ skizzieren die Herausgeberinnen Dagmar A BENDROTH -T IMMER und Eva H ENNIG die Problematik der Identitätskonstruktion in der sprachlichen Bildung und bieten damit die thematische Rahmung für die folgenden Beiträge. Im Zentrum des Bandes steht die Entwicklung der Identität von Lernenden und (angehenden) Lehrenden in unterschiedlichen mehrsprachigen bzw. mehrkulturellen und mediengestützten (Lern-)Umgebungen. Ausgangspunkt der Auseinandersetzung mit der Frage der Identität im Bildungswesen ist die Tatsache, dass die in Folge der Globalisierung zunehmend mehrsprachig und mehrkulturell gewordene Gesellschaft auch einen Einfluss auf die Prozesse der Identitätsbildung von Fremdsprachenlernenden und -lehrenden sowie auf unterrichtliche Lehr- und Lernprozesse und Kommunikationswege ausübt und damit neue Herausforderungen für die Fremdsprachenlehr- und -lernforschung darstellt. Der erste Teil des Sammelbandes Contexts of Mobility and Ecology of multilingualism setzt sich mit unterschiedlichen Erscheinungen von Mehrsprachigkeit und Multiliteracies bzw. multiliteralen Kompetenzen und deren Wahrnehmung durch die Beteiligten auseinander. Dabei ist der einführende Beitrag von Anne P AUELS „Rethinking the Learning of Languages in the Context of Globalization and Hyperlingualism“ richtungsweisend und setzt eine Art Rahmen nicht nur für den ersten Teil, sondern auch für den gesamten Band. In einer präzisen Analyse erarbeitet sie die Rolle von Sprache(n) im Globalisierungsprozess, die Einflüsse von letzterem auf das Erlernen von Fremdsprachen und die Herausforderungen für den Fremdsprachenunterricht. Vor diesem Hintergrund stellt die Autorin eine empirische Studie vor, deren Ergebnisse zeigen, wie wenig bewusst australische und britische Universitätsdozent/ -innen ohne Mehrsprachigkeitserfahrung gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen - z.B. die differenzierten sprachlichen Lernerprofile - sind und wie unzureichend sie Fragen der Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität in ihren Unterricht einbeziehen. Basierend auf Informationen des Statistischen Bundesamts befasst sich Christiane F ÄCKE mit der Diskrepanz zwischen dem deutschen (fremd-)sprachenpolitischen Diskurs, welcher in Anlehnung an europäische Vorgaben individuelle Mehrsprachigkeit einfordert, und der tatsächlichen Förderung von Mehrsprachigkeit in den unterschiedlichen Bundesländern: Dominanz des Englischen und die marginale Wahrnehmung der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit der Lernenden Schüler stechen dabei heraus. Die Identitätskonstruktion durch Sprachen und Sprachgebrauch in multikulturellen Gesellschaften bzw. mehrsprachigen Ländern steht im Mit- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 131 45 (2016) • Heft 1 telpunkt der Beiträge von P ENNIGTON / S ACHDEV / L AU sowie Sabine E HRHARDT . Während die Gruppe um P ENNIGTON das Sprachverhalten von bengalischen und chinesischen Migrantenkindern der zweiten Generation in London und deren plurale Identitätsbildung untersucht, geht Sabine E HRHART der Frage des Wissenstransfers und der Kommunikation in mehrsprachigen und mehrkulturellen (Lern-)Umgebungen nach. Eine besondere Bedeutung kommt der Beschreibung des LACETS-Projekts an luxemburgischen Grundschulen zu. Welche Rolle das Englische bzw. seine Variante Euro-Englisch in seiner Funktion als lingua franca im Prozess der Identitätsbildung junger Europäer/ -innen spielen kann, ist die Frage, der sich G NUTZMANN / J AKISCH / R ABE widmen. Die Ergebnisse einer umfangreichen quantitativen und qualitativen Studie zu den Einstellungen von Studierenden verschiedener Fachbereiche bieten äußerst interessante Einblicke in deren Identitätsentwürfe. Teil II, Multiliteracies and the Construction of Plurilingual Identities in Foreign Language Learning and Teaching, fokussiert auf die Beschreibung von Projekten zur Förderung der Mehrsprachigkeit im Rahmen institutionellen Sprachenlehrens und -lernens. Die beiden ersten Beiträge (B REIDBACH / K ÜSTER „Bildung, Multiliteracies and Identity - Key Concepts in Language Education in the Light of Sociocultural and Dynamic Systems Theory“ sowie W EYRETER / V IEBROCK „Identity Construction in Adult Learners of Englisch for Specific Purposes: Exploring a Complex Phenomenon“) sind theoretisch-konzeptioneller Art. Dabei gehen W EYREITER und V IEBROCK auf den spezifischen Kontext des English for specific purposes und seinen möglichen Einfluss auf die (berufliche) Identitätskonstruktion von erwachsenen Lernern ein. Die Aufsätze von Alice C HIK „Constructing German Learner Identities in Online and Offline environments“, Daniela E LSNER „Multilingual Virtual Talking Books (MuVit) - A Project to Foster Multilingualism, Language Awareness, and Media Competency“ sowie von D E M AESMAKER / L OCHTMAN „Belgian CLIL Teachers’ Professional Identity“ stellen über die Theorie hinaus Ergebnisse von Projekten oder empirischen Untersuchungen vor. Im Vordergrund der Beiträge von C HIK und von E LSNER steht die Wechselbeziehung zwischen (lebensweltlicher) Mehrsprachigkeit bzw. mehrsprachigen Lernarrangements und der Förderung der Medienkompetenz. D E M AESMAKER / L OCHTMANN setzen sich mit der beruflichen Identität von belgischen Lehrenden des bilingualen Sachfachunterrichts auseinander und analysieren die Möglichkeiten und Grenzen einer quantitativen Studie zur Erhebung der subjektiven Theorien von Lehrkräften. Die Themen in Teil III, Teacher Education and the Development of Multiliteracies, betreffen Maßnahmen und Forschungsarbeiten zur Förderung der Mehrsprachigkeit und Interkulturalität in der Lehrerausbildung. Im Beitrag von Jean-Paul und Marie-Françoise N ARCY -C OMBES geht es um die Darstellung binationaler Studiengänge zur Förderung von Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität, um deren Stärken und Schwächen und die zu überwindenden (interkulturellen) Hürden. Ebenso im Bereich des universitären Kontextes angesiedelt präsentieren W ILDEMAN / H OOD - GARZADEH / E STEVE / W ALTER ein äußerst interessantes, auf Reflexivität der Lehrkräfte basierendes Curriculum für die Lehreraus- und -fortbildung zur Entwicklung einer medienintegrativen und mehrsprachigkeitsfördernden Kompetenz. Selbstreflexivität und berufliche Identität stehen im Mittelpunkt der qualitativ-empirischen Studien von F REVEL und E TUŞ / S CHULTZE . Letztere fokussieren auf Englisch als lingua franca (EFL) und die Notwendigkeit der Förderung eines kritischen Bewusstseins angesichts der wachsenden Rolle des EFL. Potenziale internetbasierter Formen der Zusammenarbeit innerhalb binationaler universitärer Kooperationsprojekte sind Thema der beiden letzten Beiträge des Kapitels. Während die Frage der Förderung und Erfassung interkultureller kommunikativer Kompetenzen bei B ECHTEL und C IEKANSKI im Vordergrund steht, analysieren A BENDROTH -T IMMER und A GUILAR den Beitrag internetbasierter, autonomiefördernder, mehrsprachiger und interkultureller Lernarrangements zur Konstruktion einer professionellen Identität aus der Perspektive der Studierenden. 132 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 45 (2016) • Heft 1 Der Sammelband illustriert ausgesprochen unterschiedliche Facetten der Mehrsprachigkeit und multiliteraler Kompetenzen sowie deren Förderung. Die Beiträge ermöglichen einen differenzierten Einblick in internationale bzw. binationale Projekte und deren Erforschung und zeigen, wie fruchtbar der Blick über den eigenen Zaun und eine Zusammenarbeit zwischen internationalen Forschern sein kann. Die Erkundung multilingualer Lehr- und Lernkontexte (Bsp. Luxemburg) dient der Generierung von Konzepten für die Lehrerausbildung und von didaktischen und sprachenpolitischen Maßnahmen zur Förderung von Mehrsprachigkeit, Multiliteralität und Mehrkulturalität. Darüber hinaus werden Einblicke in wissenschaftlich begleitete Konzepte und Projekte mit zukunftsweisendem Charakter gewährt. Der Sammelband verlangt eine aufmerksame Lesehaltung, bietet aber dafür interessante und hochwertige Erkenntnisse und Schlussfolgerungen sowie sinnvolle Empfehlungen. Gießen H ÉLÈNE M ARTINEZ Elisabeth K OLB : Kultur im Englischunterricht. Deutschland, Frankreich und Schweden im Vergleich (1975-2011). Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2013 (Anglistische Forschungen, Band 434), 437 Seiten [52,00 €] Die vorliegende Untersuchung versteht sich als komparatistische, hermeneutisch ausgerichtete Analyse und Interpretation der kulturbezogenen Inhalte des Englischunterrichts in drei fokussierten Ländern: Deutschland, Frankreich und Schweden. Als leicht modifizierte Dissertationsschrift, welche am Lehrstuhl für Didaktik der englischen Sprache und Literatur an der Ludwig- Maximilians-Universität München verfasst wurde, weist sie dabei die gattungskonforme Fülle an grundlegenden Überlegungen zum Ansatz, zum Umfang wie zur Eingrenzung des Forschungsfeldes und -designs vor. Darüber hinaus ist sie reich gesättigt an illustrativen wie argumentativ stützenden Zitaten, Verweisen sowie Belegen (inklusive Appendix zu den untersuchten Lehrplänen). Die sehr ausführliche Bibliographie ist in diesem Fall nicht akademisches Blendwerk, sondern effektiv und in stupender Kleinarbeit eingearbeitet worden. Leserinnen und Leser, die sich einen schnellen Überblick über Methode, Untersuchungsgegenstände und Ergebnisse verschaffen möchten, seien vor allem auf die letzten circa dreißig Seiten verwiesen. Hier werden die unterschiedlichen Perspektiven der untersuchten nationalen Bildungssysteme, welche zuvor in den Hauptkapiteln in der Reihenfolge Deutschland, Frankreich und Schweden nacheinander vorgestellt wurden, noch einmal in einem recht prägnant formulierten Überblick präsentiert. Die Verfasserin geht im Rahmen ihrer Studie von einer zentralen Fragestellung aus: „Welche (kulturellen) Sachinhalte soll der Englischunterricht in den Sekundarstufen der allgemeinbildenden Schulen laut des programmatischen und englischdidaktischen Diskurses haben? “ (S. 14). Die Fokussierung auf diesen Teilaspekt des Englischunterrichts - zumal in Form des hier vollzogenen kontrastiven und koordinierenden Perspektivenvergleichs - erscheint angesichts gegenwärtiger eher pragmatisch-utilitaristisch ausgerichteter Tendenzen des auf Sprach- und Kommunikationskompetenzen ausgerichteten Fremdsprachenunterrichts - einhergehend mit einer Vernachlässigung (ziel-)kultureller Elemente - ein wichtiges und nötiges wissenschaftliches Signal. So kann auch diese Studie deutlich bestätigen, wie essenziell ein holistisches Verständnis des tiefen Zusammenhangs von Sprache und Kultur, aber auch von Sprach- und Kulturunterricht ist. Interessant ist dabei vor allem der Einbezug Schwedens in die Untersuchung, erlangten die skandinavischen Länder doch spätestens seit dem „Pisa-Schock“ bildungspolitisches Renommee. Die europäische Perspektive wird damit durch die Inkludierung eines Landes ergänzt und erweitert,