eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 41/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
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2941-0797
Narr Verlag Tübingen
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2012
412 Gnutzmann Küster Schramm

„Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People

2012
Wolfgang Zydatiß
FLuL 41 (2012) • Heft 2 © 2012 Narr Francke Attempto Verlag W OLFGANG Z YDATIß * „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People: Kompetenzorientierung im Englischunterricht der 6. Klasse Abstract. Drawing upon a functional stylistic analysis of a modern classic in children’s literature, the „Easy Peasy People“ series (consisting of twelve independent but related stories), various arguments are put forward why these stories represent ideal input material for learners aged 11+. The stories are carefully scripted blending witty dialogues perfectly into an entertaining narrative body. Since the series draws upon a humorous and idiomatic use of language its linguistic quality makes it a valuable additional resource (complementing the work with the textbook) bringing elements of natural second language acquisition into a competenceand activity-oriented foreign language classroom. 1. Zielbestimmung Der Einsatz von authentischer Kinderliteratur (= picture books & children’s books) bietet hervorragende Möglichkeiten, zentrale Aspekte des natürlichen Spracherwerbs in den unterrichtlich gesteuerten Frühbeginn der Primarstufe und in den progressionsbasierten Fremdsprachenunterricht der Jahrgangsstufen 5 und 6 zu integrieren. Die Chancen dafür werden zurzeit nicht nur unzureichend genutzt, sie werden sogar - in einem bestimmten Verständnis didaktisierter Bearbeitungen von Geschichten - verbaut. Der Beitrag verweist auf das sprachlich-diskursive Potential, das in der Kinderbuchserie Easy Peasy People steckt (H ARGREAVES / J OLLIFFE 1989), und er plädiert mit spracherwerbstheoretischen Begründungen für einen Einsatz der Serie in einem kompetenzorientierten Englischunterricht der Orientierungsstufe (6. Klasse). Die Reihe zeichnet sich durch das ungewöhnliche Format aus, dass sie aus zwölf eigenständigen Geschichten besteht, die jeweils ein Heft mit 16 Textseiten und 16 Bildseiten von ca. 700 Wörtern umfassen (was 40-50 Wörtern pro Textseite mit etwa zwei unbekannten * Korrespondenzdresse: Prof. Dr. Wolfgang Z YDATIß . Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Anglistik und Amerikanistik, Didaktik Englisch, Unter den Linden 6, 10099 B ERLIN . E-Mail: wbkzydatiss@t-online.de Arbeitsbereiche: Bilingualer Sachfachunterricht, Zweisprachigkeitserziehung, Fremdsprachenlehrerausbildung. N i c h t t h e m a t i s c h e r T e i l 108 Wolfgang Zydatiß FLuL 41 (2012) • Heft 2 Wörtern bzw. lexikalischen Fügungen entspricht). Alle Figuren leben auf einer Insel (= Easy Peasy Island) inmitten eines ‚gewaltigen‘ Ozeans (= Terrific Ocean), sodass sie sich alle kennen und mehr oder weniger häufig begegnen. Die Protagonisten sind Tiere, meistens mit alliterierenden Eigennamen (wie Bill Buzz, Molly Moo, Trevor Trunk u. dgl.), die alle ein natürlich-idiomatisches Englisch sprechen und die aufgrund (ironisch gebrochener) Stärken und Schwächen viel Komik produzieren. Die nachstehenden textbezogenen Gegenstandsanalysen folgen einem funktionalstilistischen Ansatz (V ORLAT 1989), wobei für den hier gewählten Fokus der Betrachtung von zwei grundlegenden Diskurswelten die textlinguistisch begründete Unterscheidung von Harald W EINRICH (1964) einer „besprochenen“ (‚diskursiven‘) und einer „erzählten Welt“ maßgebend ist. In Sprachen mit einem ausgebauten Tempussystem werden fiktive, imaginierte Welten über die Tempora der Vergangenheitsgruppe markiert (= Erzählen), während die Tempora der Gegenwartsgruppe entweder auf allgemein gültige, generische Sachverhalte verweisen (= timeless present) oder auf Situationen, deren primärer Bezugszeitpunkt der Augenblick des Sprechens bzw. Schreibens ist (= Besprechen). Die aufgeführten Kategorien der Sachanalyse stellen eine Auswahl unter dem Aspekt der Repräsentativität dar, soweit sie für die spracherwerbstheoretische Begründung der Argumentation und der am Schluss genannten Aufgaben relevant sind. 2. Funktionalistische Analyse der erzählten Welt 2.1 Diskursaufbau Structure of narratives: Den klassischen textpragmatischen Analysen mündlicher Erzählungen zufolge (vgl. L ABOV 1972, W AJNRIB 2003) setzen sich zusammenhängende Erzählungen als Versprachlichung subjektiver Erfahrungen im Wesentlichen aus sechs Elementen zusammen (die jedoch nicht immer realisiert sein müssen): orientation > [abstract] > complication > [evaluation] > resolution > [coda] Die Orientierung auf den Situationskontext und den Protagonisten (= arouse interest) erfolgt in der vorliegenden Serie stets auf der ersten Seite eines Bandes: guess what happened …; guess who / what / how many …; would you like to know? ; s.th. happened; how did that happen? Das fakultative ‚Abstract‘ nennt häufig das spezielle ‚Problem‘ der jeweiligen Hauptfigur (= state and solve problems): this story / it’s (all) about …- that is the problem; (quite) a big problem; the trouble was …; can you imagine? ; disaster! ; what a brilliant idea …- Der Handlungsablauf geht mit complicating actions und Spannungsaufbau (= suspense) einher, der in einer stets witzigen resolution (= denouement) aufgelöst wird. In den narrativen Passagen streut der Autor persönliche Kommentare in Bezug auf Ereignisse und Verhaltensweisen der Textfiguren ein (= evaluation). Die so genannte coda, ein rhetorisches ‚Anhängsel‘, das das Ende der Erzählung bzw. den spezifischen Reiz einer Geschichte für den Erzähler signalisiert, „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People 109 FLuL 41 (2012) • Heft 2 wird in den zwölf Bänden immer durch eine kleine Schwarz-Weiß-Zeichnung auf der letzten Textseite realisiert; womit noch einmal die Pointe der jeweiligen story unterstrichen wird. 2.1.1 Verbs of saying Das Versprachlichen von Geschichten ist zwingend auf eine Reihe so genannter „Erzählverben“ (P IEPHO 2007) angewiesen: AMUSEMENT VOCAL SOUND INTERACTION: tell bzw. say LAUGH SMILE ± long & Emotive + loud + silent ± approve + commitment Question- Answer laugh smile Groan call out squeak complain announce ask chortle grin Grunt cry murmur sniff admit enquire chuckle Sob shout mumble promise reply giggle Sigh scream mutter retort snort Wail exclaim whisper add snigger Splutter thunder repeat boom [nod] [wheeze] Zu dieser Übersicht sind zwei Anmerkungen zu machen: Es gibt zum einen zentrale semantische Grundkategorien, die sich einerseits unterscheiden, die sich andererseits aber auch überlagern können (basic values wie ‚amusement / pleasure / joyy‘, ± vocal sound oder ‚interactive‘). Daneben gibt es periphere, semantisch spezifischere Merkmale, die die externalisierte, physische Manifestation und/ oder eine emotionale Assoziation bezeichnen: So verweisen z.B. chuckle auf ein ‚leises Glucksen‘, snort auf ein ‚wütendes Schnauben‘, snigger auf ein ‚leises & abwertendes Kichern‘ und splutter auf ein ,schnelles & wütendes bzw. überraschtes Heraussprudeln von Worten‘. Andere Verben benennen die pragmatische Funktion des Kommunikationsaktes, nicht zuletzt auch die Beziehungsebene der Interaktion (etwa complain, promise oder mutter als ‚leises & kritisches Murren‘). Diese können in den konkreten Verwendungskontexten von Sprache direkt beobachtet oder aus dem textuellen bzw. visuellen Zusammenhang der Abbildung und natürlich über das Weltwissen erschlossen werden. Da ihre genauen Bedeutungsaspekte den Lexemen ‚eingeschrieben‘ sind, sind diese entweder dem Ko- Text der Geschichte zu entnehmen, oder sie müssen situativ-artikulatorisch re-kontextualisiert werden, um voll verstanden werden zu können. Der interaktive Umgang mit Kinderbüchern bietet häufig die Chance, Begrifflichkeiten über Mimik und Gestik in ihrer Bedeutung transparent zu machen (= decomposition of input). Die Semantisierung der distinktiven Bedeutungsmerkmale sollte im Unterricht folglich bewusst inszeniert werden (was Kindern viel Spaß macht). 110 Wolfgang Zydatiß FLuL 41 (2012) • Heft 2 2.1.2 Emphasis Eine Reihe von Strukturen sind wiederkehrend (= recurrent) und werden als distinktive stilistische Mittel eingesetzt (= conspicuousness); z.B.: repetitions and parallelisms: creeping very, very, very quietly up behind the bird; years and years and years; after … after … after; and … and … and; apples for breakfast / lunch / tea / supper; she can’t SEE / HEAR as well as she used to …; Charlie Oink thought. And he thought again. And again and again and again. exaggeration: the most amazingly, frightfully, horribly uncomfortable Tuesday night of his life hyperbole: He laughed his head off. And his hands. And his feet. And his nose. capitalization: you know ME! alliteration and rhymes: Harry Hoof was not a happy horse; it was a wet and windy Wednesday morning; Bill Buzz is the busiest bee there is; pig, wig, big 2.2 Charakterisierung Um über eine Textfigur etwas aussagen zu können, muss ihre Existenz etabliert werden: there is a / one person who …; there is nobody (in) …, there aren’t any …; there lives a … Die Beschreibung und Charakterisierung von Personen sind grundlegende Textformen, für die die Geschichten ein breites Ausdrucksspektrum anbieten, bis hin zu humorvollen und affektiven Momenten; z.B.: relative clauses: s.o. who is …, s.o. who talks / forgets … adjectives expressing qualities: a poor / happy fellow, a forgetful / carefree sort of person; sensible, proud, cheerful, eager, rude, miserable, greedy, scatty; large, old, round, fat, tubby informal language use: a / you dopey / daft / silly / dippy (sort of) dog word formation: a doggy / mousy / bear-like / sheepish grin / smile; world-famous; big puddle-sized tears; an elephant-eating mouse neologisms: straightmousefaced [straightfaced = ‘not smiling or laughing’]; she beakdived… [nosedive]; gigglechirp, sniggerchirp, chucklechirp Vergleiche werden eingesetzt, um Dinge und Personen zu beschreiben: comparatives and superlatives: nicer / tastier / better / older than …; the nicest / biggest / silliest X; the most miserable bear, the busiest bee there’s ever been similarity: X looks like …, a bear-like grin „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People 111 FLuL 41 (2012) • Heft 2 degree: as big / small as …; even less than … very, so (much), quite, even, nearly, only, almost, fairly, really, not at all, not a / one little bit; extremely, frightfully, extraordinarily, downright Die Realisierung affektiver Sprachfunktionen stellt für Fremdsprachenlerner nicht selten ein Problem dar, kann aber bereits auf dieser Stufe angebahnt werden, da die Geschichten dafür vielfältige Ausdrucksfelder bereithalten: likes and dislikes: I’d like …, I like / don’t like …, I love / hate …; I (don’t) feel like (it) …; enjoy yourself; nice, nicer than nice, fantastic, be partial to s.th.; nasty, horrid, horrible, hateful, terrible; „ugh“ sadness: sad, glum, gloomy, miserable, sorrowful; miserably, drearily; start to cry, big tears plopped onto … fear and anxiety: frighten s.o., be frightened / anxious, I’ll give her the fright of her life, give s.o. a shock wishes: I wish I wasn’t …, I wish you were …; wishfully 2.3 Handlungsablauf Das narrative Darstellungsverfahren ruft hinsichtlich der Umsetzung von plot & action die Tempora der Vergangenheitsgruppe auf; wobei das Nulltempus der Erzählung das simple past ist (für den plot), während die übrigen logisch möglichen Zeitstufen der Vor-, Nach- und Gleichzeitigkeit (bezogen auf diesen sekundären Referenzzeitpunkt in der Vergangenheit) zum einen durch die Tempus- und Aspektformen des past perfect, future-in-the-past (oder conditional) und past progressive realisiert werden und zum anderen durch Redemittel für zeitliche Beziehungen: sequence: first, next, then, later that day, the following day; before, after, and to follow; in between; to finish simultaneity: at the same time (as they were having supper) …, while, X was standing … watching …; he saw a worm move, he watched the grass grow Semantische Konnektoren stiften logische Verbindungen im fortlaufenden Text: conjunctions: and, but, because, so; whether, as, if, as if, neither; when, where, how, until sentence linking adverbs: otherwise, for instance Kohärenz in der zeitlichen Dimension gewinnen Geschichten ferner über temporale Adverbien der verschiedensten Art: 112 Wolfgang Zydatiß FLuL 41 (2012) • Heft 2 time-when (= definite time reference): on / one Monday morning / evening, this last Tuesday, that day, just then, this morning; at last, suddenly, all of a sudden. immediately duration: for so long, most of the time, still frequency: twice, three times, (yet) again, again and again, most days, always, never (ever) Irregular verbs: Die gesamte Serie greift auf unterschiedliche Wortformen von 52 unregelmäßigen englischen Verben zurück, was etwa einem Viertel der üblicherweise in den entsprechenden Listen der Lehrwerke zusammengefassten Gesamtmenge entspricht. Die Autoren benutzen insbesondere frequenzstarke Verben wie: awake; be, become, build, buy; cast, catch, come, creep, cut; dig, do; eat; fall, find, fit, flee, fly, forget; get, go, grow; hang, have, hear, hide, hold, keep, know; lead, leap, leave, let, lose; make, meet; put; read, ring, run; say, see, set, sing, sit, shake, shut, stand; take, tell, think, tread Die Schreibung und Lautung der Vergangenheitstempora der unregelmäßigen Verben verweist auf ein bemerkenswertes Paradox im englischen Flexionssystem, was die Opposition zwischen der semantisch-pragmatischen und der formal-phonologischen Markiertheit dieser für das Erzählen essentiellen Ausdrucksmittel betrifft. Während diese Verben im Präsens in ihrer geschriebenen Form und Aussprache stark markiert und hoch variabel sind, kehren sich die Verhältnisse bei den past tense-Formen um. Die Vielfalt in der Schreibung reduziert sich in der Lautung auf vergleichsweise wenige Vokalkategorien, die zum Teil sehr produktiv sind; etwa: [e] crept, fell, fled, held, kept, led, leapt, left, met, read, said, [ ɔ : ] bought, caught, saw, thought Erweist sich das Schriftbild der Vergangenheitsformen als relativ heterogen (d.h. grammatisch markiert), was vermutlich die Vorbehalte im Frühbeginn gegen den Einsatz authentischer Geschichten mit past tense-Verben erklärt, so sind diese Verbformen in der phonetischen Realisierung eher invariant und unmarkiert. Mit einem quasi minimalen Aufwand in der Aussprache wird ein Höchstmaß an semantisch-kommunikativer Wirkung für die Diskurswelt des Erzählens erzielt. Dieses Phänomen des so genannten bulking im englischen Flexionssystem mit einer Umkehrung der grammatischen und der pragmatischen Markiertheit der Präsens- und Präteritumsformen verweist - sprachgeschichtlich gesehen - darauf, dass das Erzählen phylo- und ontogenetisch ein grundlegendes, mündliches Darstellungsverfahren ist (vgl. B RUNER 1986 zum ‚narrativen Denken‘ als der primären Modalität des Denkens des Kindes). „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People 113 FLuL 41 (2012) • Heft 2 3. Funktionalistische Analyse der diskursiven Welt Die dialogisch-interaktiven Passagen der zwölf Geschichten zeigen eine Sprache, die geradezu modellhaft distinktive Merkmale der kommunikativen mündlichen Sprachverwendung widerspiegelt. Das Inputmaterial erreicht damit eine Qualität, die sich in didaktisierten Lehrbuchdialogen nicht findet. Da die Sprachgebung von den Autoren bewusst im Hinblick auf Kinder geformt ist, deren Erstspracherwerb noch nicht abgeschlossen ist, repräsentieren die Geschichten (und mit ihnen die Dialoge) einen fokussierten Input, der natürlichen Spracherwerbsprozessen äußerst förderlich ist (vgl. S WAIN / L APKIN 1995). The present tense group: Für den dialogisch-diskursiven Sprachgebrauch ist der primäre Referenzzeitpunkt maßgebend, der Augenblick des Sprechens. Dementsprechend findet sich in den Gesprächspassagen der zwölf Bände nahezu das gesamte Spektrum der Tempus-, Aspekt- und Futurformen der Gegenwartsgruppe: present progressive („what are you doing? “), simple present („it always works“), present perfect („she has lived there for years“), modal perfect („it might have been …“), future time („I’ll go fishing“, „I will be a singer“); „I’m going to teach you …“). Socializing: In Übereinstimmung mit der Kontaktfunktion von Sprache (= interpersonal function, phatic communion) wird in den Dialogen auf Ausdrucksmittel zu folgenden Kategorien zurückgegriffen: salutation and farewell: hello, welcome to …, dear X, m’dear; Love … X empathy: poor X, how sad, what a pity, cheer up, are you all right? you look a bit down in the face politeness markers: excuse me, please …; my pleasure, (so) sorry, never mind; thank you very much Question and answer moves: Zu den Diskurskompetenzen der dialogischen Wechselrede gehört die Realisierung interaktiver Frage-Antwort-Strukturen; z.B.: colloquial questions: what shall I do today? , why don’t you go and see …? , anything you’d like me to do? , you know something? , how to what? , my what? , why not? , why so glum? , what letter? , what is it like, living in a hole? , [= ‘tail’: ein Merkmal der Umgangssprache] question tags: …, have we? ; …, haven’t you? ; …, would I? short answers (= ellipsis): of course, you did; so X did; no, it didn’t; so did I; so you can see; this one; yes, of course; but I have; well, I do; certainly, madam; how sad; love to; Me! 114 Wolfgang Zydatiß FLuL 41 (2012) • Heft 2 Communicative lubricants: Die gesprochene Sprache kennt eine Reihe von kommunikationsfördernden ,Schmiermitteln‘, die dazu beitragen, den kooperativen Charakter von Gesprächen zu stärken, die Einstellungen eines Sprechers zu einem Sachverhalt zu markieren, die Eröffnung bzw. den Abschluss eines Themas anzuzeigen u. dgl. mehr: discourse markers: I say; oh dear; oh yes; … good; …, now, …; actually, by the way, incidentally, anyway, in fact, indeed; no wonder, of course, as you know, if you remember, you know, you see, that’s right, mind you hedges (expressing vagueness to soften or downtone the force of an utterance): X is a sort of (crazy) dog; a wheezy sort of a sigh; be somewhat silly Formulaic language: Im Hinblick auf das freie Sprechen geht man heutzutage zunehmend von einem nicht-generativen System der Sprachverarbeitung aus („instancebased learning can account for performance“: S KEHAN 1998: 61); d.h. bei der ungeplanten Rede (besonders bei der Teilnahme an spontanen Gesprächen) kommen in erster Linie gedächtnisgestützte, von lexikalischen Einheiten und strukturellen Versatzstücken getragene Sprachproduktionsprozesse zum Tragen. Diese Modalität des Sprachgebrauchs ist von mehr oder weniger festen Verbindungen über sprachliche Routinen, Satzstämme, Kollokationen, formelhafte Fügungen und idiomatische Wendungen geprägt, die in dieser Form und Häufigkeit in Lehrwerktexten nicht vorkommen; z.B.: lexical routines: you can say that again, it was no use, well done, just like that, apart from anything else, you are what you are, what a funny X, that’s not what I call …, he wouldn’t believe his eyes binomials: head over heels, around and about thinking gambits: I was wondering, I’m not sure, I think I’d better think again, fancy forgetting …, I don’t suppose that … sentence stems: anything you’d like me to do? , I don’t suppose that you’d like to …? , I wouldn’t mind if you did …, off he rushed to … interjections: „ouch“, „whoops“, „achoo / atishoo“, „bang“, „splosh“, „whoopee“, „gosh“, „bother“ informal style: you Silly Billy, easy peasy, you dippy dog, nonsense, top of the bill phrasal verbs: laugh one’s head off, set eyes on s.o., settle down for (the night) collocations: have breakfast / lunch, make coffee / the bed vs. do the crossword, help oneself to coffee, cross one’s fingers idiomatic expressions: „A little bird told me! “ „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People 115 FLuL 41 (2012) • Heft 2 4. Anspruchsvolle Kinderliteratur und ,natürliche‘ Erwerbsprozesse im Englischunterricht der Grundschule Eine Serie wie Easy Peasy People ist auf unterhaltsame, interaktive Spracherwerbsprozesse angelegt, wobei die sprachliche Komplexität kein Widerspruch ist. Ganz im Gegenteil - viele Argumente sprechen für den gezielten Einsatz von Kinderliteratur in den ersten Lernjahren des unterrichtlich gesteuerten Fremdsprachenerwerbs (insbesondere in der Grundschule). 4.1 Von der gemeinsamen Aufmerksamkeitshaltung zum wahrgenommenen und verstandenen Input Der sozialkonstruktivistisch inspirierten Spracherwerbsforschung zufolge (etwa dem usage-based model von T OMASELLO 1999, 2003) verwenden Kinder im Erstsprachenerwerb zunächst sprachliche Ganzheiten aus dem ihnen situativ gebotenen Input (= item-based constructions als Einheit von Form und Funktion). Diese werden erst später dekomponiert (= breaking down input chunks); d.h. die linguistischen Kategorien werden aus einer Vielzahl von Begegnungen mit lexikogrammatischen Fügungen und phonologischen Mustern auf induktivem Wege abstrahiert, sodass sich eine zunehmende syntaktische Komplexifizierung vollzieht (= syntacticization). Im Zuge des Erwerbs komplexer holistischer Ausdrücke werden ‚weiter entfernt‘ liegende sprachliche Kontexte ‚mitgelernt‘ (L I / F ARKAS / M AC W HINNEY 2004). Eine Voraussetzung für diesen als ‚Resonanz‘ bezeichneten Prozess, bei dem sprachliche wie nichtsprachliche Wissenselemente zum ‚Mitschwingen‘ gebracht werden (z.B. Ausdrucksmittel, Textschemata, kommunikative Absichten und soziokulturelle Bezüge), ist die Aufmerksamkeitshaltung im Hinblick auf einen für das Kind interessanten, diskursiv vermittelten Inhalt. B RUNER (1986, 1996) spricht hier von „common ground“ und T OMASELLO (1999) von „joint attention“. Das Vorlesen des Textes und das Betrachten der Zeichnungen verlangen vom Kind genaues Zuhören bzw. Hinsehen und die Wiedergabe von Beobachtungen. Die Fragen seitens der Bezugsperson und das Zeigen auf bestimmte Bildstellen führen zu einem immer präziseren Benennen von Sachverhalten, zum Aushandeln von Bedeutungen und zum schlussfolgernden Denken. Über diese gemeinsame Aufmerksamkeitshaltung gegenüber den Inhalten des Textgegenstands können die sprachlichen Inputqualitäten des Kinderbuchs eigene spracherwerbsfördernde Wirkungen entfalten. Man spricht in diesem Zusammenhang von salience, d.h. vom ‚Hervorstechen‘ bestimmter Merkmale im kommunikativen Sprachgebrauch, die den Adressaten in einer Weise lenken, den sprachlichen Input in der jeweiligen Kommunikationssituation sinnentnehmend zu verarbeiten und zu interpretieren. Das Phänomen salience ist eine Frage des Wechselspiels zwischen Sprache-in-Gebrauch, linguistischem Ko-Text, Situationskontext und Sprachverwender. Es obliegt dem Rezipienten (also dem Kind), die Unterdeterminiertheit der gesprochenen Sprache durch entsprechende, dem jeweiligen Verwendungskontext angemessene mentale Operationen ‚aufzulösen‘. Unser Gehirn ist da- 116 Wolfgang Zydatiß FLuL 41 (2012) • Heft 2 rauf ausgelegt (und wird in der primären Sozialisation entsprechend ‚trainiert‘), den kontinuierlich einkommenden diskursiven Sprachfluss im Hinblick auf die Wort- und Satzgrenzen zu strukturieren sowie in Bedeutungen zu ‚übersetzen‘. Ein Hörer bekommt dafür vom Gesprächspartner prosodische und lexikogrammatische ,Hilfen‘ (= scaffolding: B RUNER 1986); z.B. über die Wort- und Satzbetonung, die Intonation, Höflichkeitsformeln, Diskursmarker, Abtönungspartikel (hedging), verbal-reflexive Kommentare (die die Interpretation der Redebeiträge ‚lenken‘) und andere gambits. Die für das Verständnis des Gesagten entscheidende kognitive Leistung ist die des Schlussfolgerns (= making inferences). Sie gibt den Ausschlag dafür, dass bestimmten, im Input wahrgenommenen Elementen (= apperceived input) eine formal-strukturelle und/ oder eine semantisch-pragmatische salience zugesprochen wird (= comprehended input). Es ist mit anderen Worten genau dieses Phänomen der Bedeutungszuweisung im Verstehensprozess an den Schnittstellen von Sprachstruktur, Semantik und Pragmatik, das generative Linguisten wie C HOMSKY (1965) im Hinblick auf das ‚Funktionieren‘ des Spracherwerbs zutiefst irritierte: nämlich die formalsprachliche wie pragmatische ‚Unvollkommenheit‘ des Inputs (= deficient, impoverished input). Bekanntlich bewog das ihn, die ‚extreme‘ Position allein angeborener Mechanismen des Erstspracherwerbs zu postulieren, um zu einer Erklärung zu gelangen. Es scheint jedoch gerade die Unterdeterminiertheit der authentischen Sprachverwendung zu sein, die inferencing zur zwingenden Notwendigkeit macht und damit letztendlich das Interpretieren von Sprache-in-Gebrauch sowie die Lernbarkeit von Sprache sichert (als Zeicheninventar und Handlungsfähigkeit). Indem salience gegenüber Merkmalen des Inputs induziert wird, können semantisch distinktive lexikalische Einheiten und Regularitäten der Sprachstruktur Eingang in die Lernersprache finden (input wird zum intake). Anspruchsvolle authentische Kinderliteratur nimmt gegenüber dieser Polarität von semantisch-pragmatischer Unbestimmtheit und lexikogrammatischer Strukturiertheit eine herausragende interface-Position ein. Sie ist zum einen in einem Maße durchkomponiert, dass sie dem Erwerb des Sprachsystems und eines themenbezogenen Wortschatzes dienlich ist. Sie bleibt zum anderen in der Sprachgebung zum Teil wenig explizit, sodass Raum für semantische und pragmatische Schlussfolgerungen entsteht. Zusammen mit den lexikogrammatischen ‚Hilfen‘ im Inputmaterial induziert aktives Inferieren konstruktive Sinnbildungsprozesse, die für den Lerner neue Bedeutungen generieren. 4.2 Die Sprachfähigkeit zwischen internalisiertem Wissen und handlungsfähigem Können Komplex-anspruchsvolle Kinderliteratur stellt meines Erachtens in der Orientierungsstufe (ergänzend zur Lehrwerkarbeit) noch aus einem anderen Grund eine geradezu ideale Inputressource dar. Die Materialien zusammen mit den Aufgaben müssen die wechselseitige Abhängigkeit von Kodeinventar / Sprachsystem und Sprachgebrauch / sprachlicher Handlungsfähigkeit in einem kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht zur vollen Wirkung bringen. Schließlich ist ein comprehended input eine zwar „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People 117 FLuL 41 (2012) • Heft 2 notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für einen qualifizierten Spracherwerb. Die Phasen einer eher semantischen Verarbeitung der Inputmaterialien müssen durch Aufgaben mit einer stärker syntaktisch fokussierten Verarbeitung von Themen und Inhalten ergänzt werden, die insbesondere der diskursiven wie textsortenbezogenen Realisierung sprachlich komplexerer Äußerungseinheiten Raum geben (vgl. S WAIN / L AP - KIN 1995, S WAIN 1998 zur so genannten Outputhypothese). Es ist im Wesen des kommunikativen Sprachgebrauchs begründet, dass das abstrakte, tiefer liegende Bedeutungspotential (die Sprachkompetenz im engeren Sinne) nur ‚manifest‘ wird, wenn diese Disposition für zweckgerichtete, situativ eingebettete, sinnstiftende, sprachlich vermittelte Aktivitäten eingesetzt wird. Umgekehrt wird man als Fremdsprachenlerner in der individuellen Sprachfähigkeit (= proficiency) nicht sehr weit kommen (Phänomen der ‚Fossilisierung‘), wenn die internalisierten lexikogrammatischen Kompetenzen nicht systematisch ausgebaut und ausdifferenziert werden. Ich bin mir sehr wohl darüber im Klaren, dass die Konsequenzen, die aus dieser Einsicht folgen, nicht so ganz in die momentane Kompetenzeuphorie in der fremdsprachendidaktischen Theoriebildung passen - zumindest nicht, was das Kompetenzverständnis der so genannten „Bildungsstandards“ (KMK 2003) betrifft. Die Letzteren vertreten in ihren Aufgabenbeispielen eine ausschließliche Fokussierung auf die kommunikativen Fertigkeiten bzw. kommunikativen Aktivitäten, wie diese im Europäischen Referenzrahmen nunmehr heißen (C OUNCIL OF E UROPE 2001), noch dazu nach dem didaktisch wenig überzeugenden und nachhaltigen Prinzip der skill segregation (der strikten Trennung der Fertigkeiten). Meines Erachtens liegt hier ein sehr krudes, nicht akzeptables Verständnis des funktionalen W EINERT ’schen Kompetenzbegriffs vor (2001: 27), denn die wechselseitige Abhängigkeit von internalisierter Disposition und aktualisierter Performanz in Problemlösesituationen (zu denen die konkrete Sprachverwendung einer Fremdsprache zweifellos gehört) wird dabei nicht hinreichend beachtet. Für den Gegenstandsbereich einer kommunikativen (! ) Fremdsprachendidaktik findet sich eine ähnliche Unterscheidung bereits bei W IDDOWSON (1990: 125), der von „mutual dependency“ zwischen „linguistically coded potential“ und „realization in language use“ spricht. Von daher ist es mehr als verwunderlich, dass kontextualisierte Aufgaben zum Wortschatz und zur Grammatik in den KMK-Standards fehlen, obwohl der Referenzrahmen den lexikogrammatischen Kompetenzen gut zehn Seiten widmet (C OUNCIL OF E UROPE 2001: 108-118). Auf diese Weise wird man der Interdependenz von Sprachwissen und Sprachkönnen, von Sprache als hierarchisch gestuftem Zeichensystem / internalisiertem Potential und Sprache als zielgerichteter Tätigkeit / Handlungsfähigkeit in kommunikativen Interaktionen, nicht gerecht. Die Vernachlässigung der lexikogrammatischen Kompetenzen in den Überprüfungsaufgaben der Standards wird über kurz oder lang negative Auswirkungen auf die kommunikativen Kompetenzen haben. Das durchaus spannungsvolle Wechselverhältnis zwischen diesen beiden, für Sprache konstitutiven Kompetenzformen wird in der Kinderliteratur erheblich eleganter, kreativer und befriedigender gelöst. Die Aufmerksamkeitslenkung (= noticing: S CHMIDT 1990) des Sprachnovizen bezieht sich gleichermaßen auf strukturelle, lexikalische und phonologische 118 Wolfgang Zydatiß FLuL 41 (2012) • Heft 2 sowie auf illokutionäre, diskursive und soziolinguistische Phänomene. Damit bilden authentische Kinderbücher eine eigentlich unverzichtbare Ressource in den ersten Lernjahren eines kompetenzorientierten Englischunterrichts; denn ihnen gelingt es, Sprache in einem umfassenden Sinne ‚lernbar‘ zu machen, indem konstitutive Merkmale diskursiv-textgebundener Sprache in der Interaktion von Bezugsperson / Lehrkraft und Kind / Lerner gleichermaßen in ihren lexikogrammatisch-systemischen und in ihren sprachfunktional-pragmatischen Aspekten salient werden können. Davon profitiert letztendlich die Ausbildung der Sprachhandlungsfähigkeit. Den grundlegenden Studien von W ELLS (1981, 1985) zufolge zeigen Kinder aus Familien, in denen viele Kinderbücher interaktiv ‚erlesen‘ werden, einen beschleunigten und stärker ausdifferenzierten Erstsprachenerwerb, und sie sind dann später auch die erfolgreicheren Fremdsprachenlerner (S KEHAN 1989). 4.3 Freies Sprechen und Wortschatzkompetenzen In der Easy Peasy People-Reihe werden konsequent narrativ-monologische und diskursiv-dialogische Passagen miteinander kombiniert. In den Abschnitten mit interaktiver Wechselrede werden meines Erachtens in sehr gekonnter Weise die Charakteristika der gesprochenen Sprache simuliert. Aufgrund der heute vorliegenden psycho- und korpuslinguistischen sowie neuropsychologischen Forschungsergebnisse müssen wir von der Vorstellung ausgehen (W IDDOWSON 1990, S INCLAIR 1991, S KEHAN 1998), dass dem aktiv-produktiven Sprachgebrauch ein doppeltes System der Sprachverarbeitung zugrunde liegt. Während die analytisch-generativen Prinzipien des regelbasierten Systems (= open-choice model) vor allem beim Schreiben, aber auch beim geplanten monologischen Sprechen zur Anwendung kommen (= scripted speech, prepared talk sowie product-, genre- & creative writing), wird das freie Sprechen in der dialogisch-interaktiven Variante primär von gedächtnisgestützten, lexikalisch basierten Verarbeitungsprozeduren getragen (= idiom principle oder exemplar-based language processing): „It is natural to communicate by lexical means, and we only relinquish this preferred mode if we have to“ (S KEHAN 1998: 33). Hierbei hält sich die bewusste syntaktische Planung der Äußerungseinheiten bei den meisten Sprechern in sehr engen Grenzen. Demgemäß sind die Äußerungen der dialogischen Wechselrede in den Easy Peasy-Bänden eher kurz; denn wir sprechen üblicherweise in Informationseinheiten von sechs bis acht Wörtern mit einer Dauer von zwei bis drei Sekunden (= tone units bzw. bursts of speech), die (wenn überhaupt) primär parataktisch miteinander verbunden werden (and, but). Viele Äußerungen sind elliptisch, also satzgrammatisch unvollständig, aber funktional effektiv. Auffallend ist in der Tat die Differenziertheit des Wortschatzes; mit der Konsequenz, dass die semantischen und diskursiven Bedeutungselemente vorrangig von lexikalischen Ausdrucksmitteln zusammen mit strukturellen Versatzstücken transportiert werden: den so genannten sentence stems wie how / what about …? , tell me what it is that …, how silly of me to …, I’m trying to think of …, there must be … oder what’s wrong with…? Die Autoren der Reihe machen sich ferner die Tatsache zunutze, dass wir uns interessante, ungewöhnliche lexikalische „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People 119 FLuL 41 (2012) • Heft 2 Einheiten sehr viel besser merken als die hochfrequenten, meistens kurzen und ‚unauffälligen‘ Wörter der Alltagssprache. Von daher finden sich in den Geschichten überproportional viele lautmalende Merkmale, Interjektionen, Alliterationen und Reime (oft durch Großbuchstaben oder Fettdruck hervorgehoben); aber auch kreative Wortbildungen und umgangssprachliche Wendungen, die immer wieder neue affektive Assoziationen auslösen. Es ist (vermutlich: ähnlich wie beim frühen musikalischen Lernen des Kindes) die Mischung von ‚statistischem Lernen‘ (über mehrfach wiederkehrende sprachliche Sinneseindrücke) und emotional befriedigenden Erfolgserlebnissen (das Erkennen und Verstehen sprachlicher Ganzheiten und Muster), die dem natürlichen Spracherwerb besonders zuträglich ist. Bezogen auf das fremdsprachliche Curriculum sollten wir Kindern von Anbeginn des Lehrgangs an die Chance bieten, über anspruchsvolle Kinderbücher einen reichhaltigen und differenzierten Wortschatz zu erwerben. Wir sollten ihnen sehr viel mehr Lexik anbieten, als zurzeit in der kleinschrittigen, didaktisch überregulierten Lehrwerkprogression üblich ist (schließlich schlagen sie uns Erwachsene in der Regel in Spielen wie „Memory“). Dabei kann man es dem einzelnen Kind (und dessen Gedächtniskapazitäten) überlassen, was es davon über einen auch bei authentischen Materialien zu bestimmenden Kernwortschatz hinaus behält und eventuell (später) sogar benutzt. Offenbar können unsere Sprachverarbeitungssysteme (vermutlich aufgrund des Phänomens der Resonanz) auch unterbewusste Erinnerungen nutzen, zumindest was das rezeptive Textverständnis angeht. Oder lexikalische Einheiten tauchen mit zeitlicher Verzögerung im produktiven Sprachgebrauch auf. Lehrkräfte sollten realistische Vorstellungen vom quantitativen Umfang des produktiven und des rezeptiven Wortschatzes von Kindern und Erwachsenen haben, als Eingangsvariable für schulisches Lernen und als Ausgangsvariable für die Erfordernisse nachschulischen Lernens. Nur so können sie sinnvolle Gewichtungen in Bezug auf die Grammatik- und die Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht vornehmen. Ein altersgerecht entwickeltes englischsprachiges Kind hat beim Schuleintritt etwa 2.300 Wörter aktiv verfügbar, und ein akademisch gebildeter Sprecher verwendet beim Sprechen etwa 5-6.000 Wörter (= Wortformen oder types). Auf der rezeptiven Ebene kommen das schulfähige Kind auf gut 20.000 Wörter und der besagte Erwachsene auf ca. 60-100.000 Wörter (gerechnet als tokens). In meinen Untersuchungen zum Wortschatzumfang im Englischen von Realschülern und Gymnasiasten der 9. / 10. Klasse (N > 430) hatten die Items des nach Häufigkeitslisten gestuften Tests von N ATION (2001) im Intervall der häufigsten 1.000 Wörter eine mittlere (angemessene) Schwierigkeit von 44%, während die des nächsten Intervalls der 2.000 häufigsten Wörter mit 24,5% bereits als zu schwer eingestuft werden mussten (Z YDATIß 2005: 286). Der darauf aufbauenden Staatsexamensarbeit von T RAMM zufolge (2008) kennen Berliner Gesamtschüler der 9. Jahrgangsstufe auf der rezeptiven Ebene (lediglich) 70, 36 bzw. 28% der Wörter in den Intervallen der häufigsten 1.000, 2.000 oder 3.000 englischen Wörter. Es müssen entschieden mehr Wörter gelernt werden, und der Einsatz von Kinderliteratur in der Grundschule ist dafür ein probater und lustvoller Start. Mit einem zu kleinen Wortschatz in der Weltverkehrssprache Englisch wird man weder direkte Ge- 120 Wolfgang Zydatiß FLuL 41 (2012) • Heft 2 sprächs- und Begegnungssituationen noch die Lektüre fiktionaler und expositorischer Texte zufriedenstellend bewältigen können; von den Recherchen im Internet einmal ganz zu schweigen. Da die lexikalische Dichte authentischer Materialien beträchtlich ist, muss sich der schulische Englischunterricht verstärkt der Aufgabe stellen, der Wortschatzarbeit einen höheren Stellenwert einzuräumen, um auch auf den Umgang mit nichtdidaktisierten schriftlichen Texten vorzubereiten. Das Globalziel der ‚kommunikativen Mündlichkeit‘ reicht dafür nicht aus. 5. Kompetenzorientierte Aufgaben Als kompetenzorientierte Aufgaben bieten sich im Rahmen einer Unterrichtsreihe die folgenden Aktivitäten an (zur Struktur eines derartigen Vorhabens und Arbeitshilfen vgl. die Vorschläge in Z YDATIß 2009): • Vorstellen der zentralen Textfigur der Geschichte (= introducing the main character): Name, Wohnung / Wohnort, ,Problem‘ des Protagonisten - ggf. unter Verwendung einer mind map (Gruppenarbeit); • Partnerarbeit zu den orthografisch schwierigeren Tier- und Personenbegriffen: z.B. bear, bee, elephant, horse, parrot, (tom)cat, owl; wizard, farmer; • Begegnungen mit anderen Charakteren der Easy Peasy-Reihe, Versuch einer Lokalisierung des Wohnorts dieser Personen auf der Insel (Entwurf einer Kartenskizze); • klanggestaltendes Lesen einer zentralen dialogischen Passage aus der jeweiligen Geschichte (Sprechtempo, Betonung, Intonation, Pausen u. dgl.); • situativ-verbale und gestisch-mimische Semantisierung ausgewählter Lieblingsausdrücke wie etwa atishoo, a silly billy, beakdive, chuckle, wriggle, whoopee! ; • Ratespiel: pantomimische Darstellung der „verbs of saying“ als Re-Kontextualisierung der impliziten semantischen Merkmale (z.B. giggle, whisper, grunt, cry, sniff); • Vorbereitung eines Buchstabierspiels (z.B. „Hangman“) mit orthografisch schwierigen Wörtern (pleasure, delicious u. dgl.); • Zusammenstellen eines word bingo zu unterschiedlichen Wortfeldern; • Umsetzen einer Szene der Geschichte in ein Rollenspiel; • Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit: Transfer einer ausgewählten Textpassage in eine ,reale‘ Situation des Alltags (z.B. going shopping, our favourite meal, at the post office, our favourite jokes, what my bedroom looks like); • Partnerarbeit: „You either do not want to be kept indoors with lots of other animals of your species. Or you do not want to be hunted or killed for food. Make a poster what should be done against this, or design a T-shirt with an effective slogan for what you want“; • „Think of food you like. Rank different kinds of foodstuff on a scale and give rea- „Besprochene und erzählte Welt“ im Kinderbuchklassiker Easy Peasy People 121 FLuL 41 (2012) • Heft 2 sons why you (don’t) like them: I love / adore …, enjoy …, like …, don’t like …, can’t stand …, hate / detest …“; • Einzelarbeit: „Create an invitation card inviting your friends to your Easy Peasy dwelling place. Specify the directions as well as when and where to meet. Give a phone number. Don’t forget the salutation and the signing off“; • Arbeitsteilige Gruppenarbeit: „Create a wanted poster for [Wizard Wheeze, Trevor Trunk, Charlie Oink, Harry Hoof, Bill Buzz etc.]. Identify the age, height, weight and looks of the character. Name their interests and activities but also some characteristic features of their (sometimes strange) behaviour“; • Verfassen einer Postkarte von der Easy Peasy Island (Einzelarbeit): „Say whom you met and where, and how you liked it on the island“; • Gruppenarbeit: Rekonstruieren ausgewählter Passagen aus den Easy Peasy-Bänden mithilfe des dictogloss-Verfahrens (Lehrkraft liest vor, Schüler tragen als Gruppe den Text zusammen); • Schreibkonferenz: „Write a letter to the agony aunt on Easy Peasy Island. First state your character’s problems. Then compose an answer from the agony aunt’s perspective“; • Partnerarbeit: „If you were a(n) [bear, bee, cat, dog, elephant, pig etc.], - Where would you live? “ - What would you eat? “ … …p ……… - How would people treat you? “ … …i ……… - Write a poem based on the acrostic of your character. … ...g ……… • mündliche und schriftliche Darstellung des Handlungsgerüsts (Nacherzählung / retold). • Einzelarbeit: „Describe a day in the life of your (favourite) Easy Peasy character“ Die unterrichtliche Verarbeitung von Kinderliteratur kann im Kern das aufnehmen, was die Rezeption von Geschichten einzigartig macht: Geschichten können spannend, witzig, geheimnisvoll oder unterhaltsam sein. Sie wollen den Leser bzw. Hörer fesseln und damit Freude und Begeisterung für das Lesen schaffen und die Vorstellungskraft der Lesenden anreichern - primär ein zweckfreies Unterfangen, das für den Spracherwerb aber äußerst förderlich ist. Diesen Schatz gilt es im fremdsprachlichen Frühbeginn (mit anderen Inputmaterialien) und im Englischunterricht der 5./ 6. Klasse (u.a. mit den Texten der Easy Peasy-Reihe) zu sehen und zu heben. Wir sollten uns deshalb die Chancen für natürliche Erwerbsprozesse nicht gerade dadurch verbauen, dass wir (im gut gemeinten didaktischen Interesse) Geschichten lexikalisch über Gebühr ‚vereinfachen‘ und ins Präsens transponieren. Es wird höchste Zeit, das Spracherwerbspotenzial englischsprachiger Bilder- und Kinderbücher gezielt in den Frühbeginn und den weiterführenden, lehrgangsbasierten Unterricht zu integrieren. Hier zeichnet sich eine tragende Säule für einen stärker kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht ab, der bereits Kinder mit einem zentralen Designmerkmal ‚natürlicher‘ Sprachverwendung vertraut macht (das sinnbildende Interpretieren linguistisch unterdeterminierter Sprache). Dies ist eine unabdingbare Voraussetzung für den selbständigen - außer- und 122 Wolfgang Zydatiß FLuL 41 (2012) • Heft 2 nachschulischen, lebensweltlichen - Umgang mit authentischer, nichtdidaktisierter, diskursiv-textgebundener Sprache. Literatur ist für einen kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht nicht etwa nebensächlich, sie ist essentiell. Für Kinder ist die beste Kinderliteratur gerade gut genug. Literatur B RUNER , Jerome S. (1986): Actual Minds, Possible Worlds. Cambridge, Mass.: Harvard University Press. B RUNER , Jerome S. (1996): The Culture of Education. Cambridge, Mass.: Harvard University Press. C HOMSKY , Noam (1965): Aspects of the Theory of Syntax. Cambridge, Mass.: MIT Press. C OUNCIL OF E UROPE (2001): Common European Framework of Reference for Languages: Learning, teaching, assessment. Cambridge: Cambridge University Press. H ARGREAVES , Roger / J OLLIFFE , Gray (1989): Easy Peasy People. London: Pan Books. 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