eJournals Colloquia Germanica 43/1-2

Colloquia Germanica
0010-1338
Francke Verlag Tübingen
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2010
431-2

«Helden in Fels und Eis.» Militärische Männlichkeit und Kälteerfahrung im Ersten Weltkrieg

2010
Monika Szczepaniak
«Helden in Fels und Eis.» Militärische Männlichkeit und Kälteerfahrung im Ersten Weltkrieg MONIKA SZCZEPANIAK U NIWERSYTET K AZIMIERZA W IELKIEGO Die kulturell inszenierte Opposition Kälte - Wärme ist geschlechtlich kodiert. Der in bürgerlich-intimen Räumen angesiedelten, mit Frauen und Weiblichkeit verbundenen Wärme steht die exklusiv männlich konnotierte, mit Sachlichkeit, Distanz und Affektkontrolle assoziierte Kälte gegenüber. 1 Eine extreme Variante der außerhalb von Wärme-Zonen agierenden Männlichkeit ist die kulturelle Konstruktion des Heros, die die spezifisch männliche Kampf- und Siegerkultur als ein Paradigma der Härte und Kälte erscheinen lässt und die in den modernen Gesellschaften sehr wirksame diskursive Zuschreibung von Männlichkeit und Gewalt sowie Weiblichkeit und Gefühlen illustriert. Dabei ist zu beachten, dass die soziokulturellen Konstruktionen von Männlichkeit in hohem Maße emotional fundiert sind, jedoch das Narrativ der männlichen Gefühle in den kulturellen Heldennarrationen sichtlich vernachlässigt wird. 2 Die naturbezogenen Attribute «steinhart» und «eiskalt» (Fels und Eis), die der modernen Männlichkeit attestiert werden, dienen als Charakteristika des sich in spezifischen Männerräumen konstituierenden maskulin-heroischen Habitus der Mobilität, Aneignung, Überwindung und Effizienz. Zu diesen spezifischen Männerräumen gehört ohne Zweifel die Armee, die nicht nur in der modernen Männlichkeitskonstruktion, sondern auch im Modernisierungsprozess überhaupt einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Als Institution der männlichen Vergemeinschaftung und Disziplinierung, die die Männer von der zivilen Gesellschaft separiert, 3 stahlharte, gepanzerte Körper formt, Kampftechniken trainiert und Gefühlskälte bzw. Affektkontrolle fördert, präsentiert sich das Militär als Ort einer «kalten Kultur» inmitten der Industriegesellschaft (Lethen, Verhaltenslehren der Kälte 21). Die militärischen Disziplinierungspraktiken sind mit dem Begriff der Manneszucht verbunden und zielen auf Entindividualisierung und Entemotionalisierung (vgl. Voss 33 - 60) sowie auf das Anerziehen bestimmter Eigenschaften wie Mut, Entschlossenheit, Kampflust, Kameradschaftsgeist, die es ermöglichen, «Nerven und Muskeln willensmäßig zu beherrschen und den Einzelwillen dem Gesamtwillen zu unterwerfen» (Hanisch, Männlichkeiten 17 - 18). Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelt sich in Österreich, ähnlich wie in Deutschland, ein Männlichkeitsdiskurs, der auf diverse bereits im Krieg entstandene Maskulinitätsmuster und -mythen rekurriert. Ein für die österreichische Erinnerungskultur 4 besonders signifikanter Gendermythos, der sowohl traditionell-aktive als auch modern-passive Elemente der militärischen Männlichkeit mobilisiert, ist der alpine Kämpfer, der im Gebirgskrieg gegen Italien besondere Möglichkeiten hatte, heroische Sehnsüchte und Abenteuerlust auszuleben, seine Kräfte maximal zu mobilisieren, Mut zu beweisen und Ruhm zu erwerben. Aus der Perspektive der Nachkriegszeit wird der Alpenkrieg zu einem von auserwählten, sich durch hervorragende «Bergtüchtigkeit» auszeichnenden Männern unter extremen Gelände- und Wetterbedingungen ausgetragenen titanischen Kampf stilisiert. 5 Die Konstruktion der steinharten Männlichkeit des «Eisfrontkämpfers» (Röck), dem die Konfrontation mit der Eisen-, Stein-, Schnee- und Eiswelt einen unverkennbaren Stempel aufgedrückt hat, ist ein ideologisches Produkt der stark politisierten und militarisierten Kultur der frühen 1930er Jahre, in der der Einfluss der Deutschnationalen und der Nationalsozialisten erheblich gestiegen war. Sie ist nicht nur mit der Ideologie der militärischen Männlichkeit und des Heroismus, sondern auch mit dem nationalistischen Gedankengut felsenfest verbunden und bietet eine Antwort auf die seit 1919 allgemein empfundene Krise der Maskulinität, indem sie gerade auf die Krisensituation der extremen Kälte und körperlichen wie psychischen Belastung «in Eishagel und Stahlgewitter» (Fein) rekurriert. Es scheint interessant, danach zu fragen, wie die Erfahrung von Landschafts-, Wetter- und Kampfbedingungen, allen voran aber der Kälte in den Erinnerungstexten und Romanen zum Alpenkrieg sich auf den männlichen Kriegskörper, auf die mentalen Dispositionen und auf die emotionale Lage auswirkt und welche Rolle die Konstruktion der «Helden in Fels und Eis» 6 im Konkurrenzfeld von Männlichkeiten bzw. Männlichkeitspolitiken und im kulturellen Kontext des sich breitmachenden Kältekults spielt. Die von Helmut Lethen in seiner grundlegenden Studie Verhaltenslehren der Kälte (1994) analysierten, von technischen, sozialen und ökonomischen Transformationsprozessen geprägten rigiden Verhaltensdirektiven zielen auf eine Panzerung des Subjekts und Abkühlung der Affekte ab und sollen gegen eine zunehmend erkaltende Umwelt Schutz bieten, sind also an sich eine Form des Krisenmanagements durch Anpassung oder des Überlebens in der technisierten Welt der «kalten» Metropolen. 7 Das Muster der militärischen Männlichkeit nimmt in ihnen eine wichtige Stelle ein und der Soldat wird - nicht nur von Ernst Jünger 8 - zu einer Art entpsychologisierten Kälte-Maschine ohne Gefühle und ohne Psyche stilisiert. 9 Der 64 Monika Szczepaniak moderne Raum ist - so Lethen - «erfüllt von dem Gesang des gepanzerten Subjekts und den Legenden der gnadenbedürftigen Kreatur» (256). Die heroischen Narrationen diagnostizieren dort eine Schande, wo das gepanzerte Subjekt an seine Grenzen stößt und zum erbarmungswürdigen Geschöpf wird. Allerdings können die Weimarer «Verhaltenslehren der Kälte» als «der Angstabwehr dienendes Gefühlsmanagement» (Morat 168) interpretiert werden. Die kalten Temperaturen der modernisierten Lebensräume bedeuten also nicht notwendig eine Abwesenheit von Gefühlen, sondern vielmehr das Bedürfnis nach deren Bändigung und Modellierung. Die als Kältekult beschriebenen «Lebensversuche zwischen den Kriegen» beziehen sich ausschließlich auf Männer, und Lethen, der nicht ausdrücklich einer geschlechtertheoretischen Perspektive folgt, sieht sich zur folgenden Fragestellung gezwungen: «Liegt es in der Natur der Sache, etwa in den Verhaltenslehren als virilem Genre, daß meine Abhandlung zu einem Männerbuch geraten ist? » (14) «Mancher, der es hörte und nicht kannte, wird sich aus dem flandrischen Schlamm herausgesehnt haben in die glitzernde Freiheit der Berge, in den strahlenden Glanz ewigen Schnees und den bläulichen Schimmer einsamer Gletscherwelt.» Diese von Fein (26) formulierte Apotheose der in der erhabenen Naturwelt der Berge vollbrachten Gipfelleistungen der alpinen Kämpfer attestiert den letzteren einen exklusiv-elitären Status nicht nur gegenüber der mit Tiefländern assoziierten Nicht-Bergsteigern, Zivilisten, Untauglichen, Frauen, sondern auch gegenüber der Masse der im flandrischen Schlamm passiv verharrenden Kameraden. 10 Um den Besonderheiten eines Krieges auf Gletschern und Graten gewachsen zu sein, musste man nämlich ganz besondere Qualitäten mitbringen: Einen athletisch-trainierten Körper, urwüchsige Kraft, Bergsteigerkompetenzen, alpinistische Kühnheit, Ausdauer und psychische Stärke. Der Gebirgskrieger ist «vertraut mit den Tücken der Natur und virtuos im Ertragen von Strapazen», «der heroischen Landschaft gleichgeartet» (Hofer 275), ausgestattet mit einem untrügerischen Instinkt, guten Augen und Ohren, beherrschten Nerven. In der Erinnerungsliteratur zum Alpenkrieg wird immer wieder eine elitäre Gruppe («auserlesene Schar») von vitalen, harten, unerschrockenen Männern gefeiert, die ihre ohnehin abgehärteten Körper extrem ausreizen, dem permanenten Gegner Natur und dem Feind unter Todesgefahr die Stirn bieten, als heroische Einzelgänger kühne Kletterleistungen vollbringen und Gipfelpositionen beziehen und trotz Niederlage die «Bergkameradschaft» als einen alles überdauernden Wert in die Friedenszeit hinüberretten können oder aber für Gott, Kaiser und Vaterland gefallen sind und in sinnstiftenden Legenden 65 «Helden in Fels und Eis.» fortleben. 11 Eine knappe Charakteristik des Gebirgskämpfers liefert Luis Trenker in Meine schönsten Berggeschichten: Die Art und Taktik des Kampfes wurde von den Bergen bestimmt, hart wie die Felsen mußten die Kämpfer sein, selbständig, allein auf sich, ihre bergsteigerischen und soldatischen Tugenden angewiesen, mußten sie handeln, schnell, entschlossen und flink, wie die Gemsen sich zum Sprung entschließen. Kälte und Wärme lernten sie schon meist in der Jugend mit Gleichmut ertragen [. . .]. (192) In Berge in Flammen heißt es über die «Helden der Berge»: «[S]ie waren alle berggewohnt, zäh, tüchtig und zuverlässig» (78) - bestens präpariert für die «Todessymphonie in den Bergen» (69). Die Konfrontation mit der klirrenden Kälte, mit Eis und Schnee, mit Feuchte und Nässe, mit Stein und Fels bleibt nicht ohne Einfluss auf die harten Gebirgler, 12 die lange Wochen ein «Eskimoleben» in den Schneekavernen führen (Langes 20) und dem Toben der Naturgewalten ausgesetzt sind. Sie verwachsen mit den Bergen, werden als Mönche oder Einsiedler beschrieben, als «Beduinen» 13 in ihren leichten Schneemänteln (Trenker, Berge in Flammen 131), als «vermummte Gestalten, die in ihrer winterlichen Unförmigkeit an die Bewohner des Polargebietes erinnern» (Kaltenboeck 218), als «treue Hüter der Eisfront», die hart und unerbittlich «wie die Natur der Gletscherregion» geworden sind und die «Schmarotzer und Maulhelden, Drückeberger und Nutznießer» (Röck 151) nur verachten können. Ihre «mit Eisnadeln» bombardierten Gesichter (Langes 35) sind vom Gebirge geformt - «hart und kantig wie der Fels, der um sie wuchs» (Trenker, Berge in Flammen 84). Die Erfahrungen an der Hochgebirgsfront werden mit den Erlebnissen der Naturforscher und besonders der Arktisforscher verglichen. 14 Bei Fritz Weber kommen die Gebirgskrieger den «im Eismeer gefangenen» Polarfahrern gleich; sie kennen nur Schlafen, Essen und Schnee schaufeln (Granaten und Lawinen 96). Es ist die Rede von «schneesturmdurchpeitschten» Nächten und «nebelverhangenen», in trostlosem Grau verdämmernden Tagen «in der «weißen Hölle» (Röck 131). Bei Röck legt sich die Kälte «wie ein eiserner Ring» um die schwitzenden Körper, der eisige Wind peitscht in die Gesichter (15); bei Weber frieren die Wollhauben an den Wangen fest, «in den Zehen und Fingern prickelt es, Nase und Ohren werden gefühllos» (Granaten und Lawinen 125); bei Trenker zieht «die nasse Kälte» erbärmlich durch Kleider und Knochen (Berge in Flammen 80) oder sie «frißt sich» durch die Kleider, mit «frosterstarrten» Fingern werden die Skier angeschnallt, der Posten bei Nacht und Sturm und Winterkälte ist «das Härteste, was der Bergkrieg von den Männern fordert» (104): 66 Monika Szczepaniak Der Wind, der scharf aus den Scharten pfeift, brennt wie höllisches Feuer auf den Wangen. Die Lippen zerspringen vor Kälte und Trockenheit, der Bart starrt vor Eis. Kein wirklicher Schutz, keine Rettung vor dieser Kälte, vor dem beißenden Wind, den jagenden Eiskörnern, die wie Nadeln die Haut spießen. (105) Die ganze Körperkraft wird angestrengt, der Hautpanzer angegriffen, die Männer sind immobil, «halberfroren», steif; sie können kaum die Glieder rühren, können nicht sprechen, müssen in der Kaverne mühsam «aus ihrer Vereisung geschält» werden (126). Zu den Entbehrungen des strengen Winters gehört auch das mit Kälte einhergehende Sickerwasser, das überall eindringt, alles feucht werden und verschimmeln lässt und rheumatische Erkrankungen oder - wenn man es trinkt - schwere Darmkrankheiten verursacht. 15 Mit den massiven körperlichen Beeinträchtigungen und motorischen Einschränkungen gehen Auswirkungen auf die psychische Kondition einher. Dass es im Hochgebirgswinter ununterbrochen «mörderisch schneite» (Langes 36), gehört zu den deprimierendsten «Teufeleien» des Krieges. Das Ringen mit der «Sintflut von Schnee», vollkommen von der Welt abgeschnitten, lässt den Krieg vergessen und Freund und Feind in den treibenden Schneemassen gleich werden. Schnee, Sturm und Kälte scheinen die Feindschaft der kämpfenden Männer zu überwinden, so dass tagelang keine Schüsse mehr fallen. Der Aufenthalt in Schneelöchern und eisigen Kerkern zermürbt ihre seelischen Kräfte, macht sie stumm und gleichgültig. Bei Weber wird der Schnee - der furchtbarste aller Feinde - als eine «schleichende Krankheit» erlebt, «die einem den Willen lähmt, die den Menschen niederwirft» (Granaten und Lawinen 124). «Nicht die Patrouillengefechte und Postenüberfälle sind es, die an den Nerven zerren, sondern der Schnee [. . .] und die Gefahren und Entbehrungen, die er nach sich zieht» (133). Das unendliche Weiß der Landschaft, bittere Kälte und drückende Nebel erfüllen die zähen Kämpfer mit lähmender Melancholie, «mit einer Gleichgültigkeit, die einer schweren Gemütserkrankung ähnlich ist» (133). Zusätzlich wirkt eine ungeheure Spannung, die die kaltblütige Gelassenheit oder Nervenstärke als Beschaffenheit des militärischen Raumes in Frage stellt, gereizte Stimmung hervorruft, die Sinne strapaziert und das psychische Gleichgewicht stört. Die «kalte» Nähe des Todes ist entweder mit der ständigen Gefährdung durch Lawinen oder mit den Bohrungen im Berg (das Rattern feindlicher Bohrmaschinen) und der lauernden Gefahr der Sprengung verbunden. 16 Die ideologisch geforderte Widerstandskraft scheint oft durch die raue Witterung, gleichsam meteorologisch, zunichte gemacht zu werden. 67 «Helden in Fels und Eis.» Die heroisierenden Männlichkeitsnarrationen zum Alpenkrieg inszenieren Momente, in denen die zähe Maskulinität der Gebirgler an ihre Grenzen stößt. Die Männer versuchen zwar, es mit dem Schnee aufzunehmen, sich trotz Tücken des Eises im Gletscher einzurichten 17 und die «weiße Decke» wegzuschaufeln, um Wege zu ebnen, sich zu bewegen, Wärme zu gewinnen oder Langeweile totzuschlagen. Doch wo die an Luft und Licht gewöhnten Kaiserjäger zu «Stubenhockern» in «stickigen Löchern» und finsteren Kavernen verkommen und nur noch fürchten müssen, dass die Füße oder die Hände erfrieren, da kann schwer von militärischer Männlichkeit die Rede sein: «Waren Sie denn überhaupt noch Menschen? » (Fein 68). Es wird gezweifelt, ob das Postenstehen und Schleichen, das Spähen und Lauschen, das «wortlose Ausharren in Sturm und Kälte» und das Hocken in «stickigen Eiskavernen» noch Krieg, noch eines Soldaten würdig ist (Röck 134). Viele Eisfrontkämpfer humpeln mit erfrorenen Gliedern, viele liegen in Lazaretten - halbe Krüppel, lebensschwache und «sieche Greise [. . .] in den besten Mannesjahren» (Fein 68). Viele mussten vor dem gewaltigen Gang der entfesselten Natur kapitulieren und sind dem «weißen Tod», gegen den Mut und Entschlossenheit nichts bedeuten, zum Opfer gefallen: «Wenige nur fallen durch die Waffe; der ungeheure Rest liegt erstickt, zermalmt unter der weißen Decke oder schlummert sanft ins Jenseits hinüber: ermattet, eingeschlafen, erfroren» (Weber, Granaten und Lawinen 124). 18 Einige können durch die Kameraden vor dem Erstickungstod in Schneemassen oder vor der Erfrierung gerettet werden. Weber schildert eine solche Rettungsaktion, die die restlos erschöpften Soldaten (keiner Erkenntnis mehr fähige «Kreaturen») kaum durchführen können, doch vom Erzähler mit zwei Flaschen Rum aufrechterhalten und ermuntert werden (127). Röck beschreibt eine ebenfalls gelungene Rettung von restlos Erschöpften und fast Erfrorenen durch Schütteln und Reiben und durch Einflößen von Rum (20 - 21). 19 Bei Trenker kommt die Hilfe zu spät und Dimais jüngster Kamerad, «zu jung für den Männerkrieg», wird Opfer von Schnee und Frost (Berge in Flammen 127 - 28). In Kaltenboecks Armee im Schatten wird in Bezug auf das Jahr 1918 geklagt, dass die Soldaten kein eigenes Schicksal leben können und nur noch erdulden und dahinvegetieren müssen: «Pflanzen, Sträucher, Bäume, die sich an ein Stück Erde heften, auf das sie der Zufall warf, an ein Stück Fels klammern, hilflos, verdorrend» (277). Aus dem stolzen Verwachsensein mit der Natur der Berge wird hier ein erbärmliches Sich-Klammern an ihre vitalen Kräfte - ein Paradigma, das in vielen Texten als eine Schmach empfunden und skandalisiert wird. Weber spricht den verwahrlosten Vagabunden, die 1918 aus dem Krieg entlassen wurden, nicht nur den Status des Soldaten, sondern sogar die Männlichkeit ab: «Vor vierzig Monaten waren wir Soldaten, vor 68 Monika Szczepaniak einem halben Jahr noch Männer. Heute sind wir verschüchterte Nervenkrüppel, hungrig, krank, feige, hoffnungslos [. . .]» (Das Ende der alten Armee 306). Und doch haben diese Männer - so Weber an mehreren Stellen - ein unerhörtes Heldentum oder eine nachahmenswerte «heldische Gesinnung» (359) demonstriert. 20 Im alpinen Kriegsraum, dessen dominierende Qualitäten - Kälte und Schnee - maskuline Energien extrem mobilisieren, wird auch noch gekämpft, und zwar hauptsächlich unter Einsatz von traditionellen Kampftechniken und soldatischen Tugenden, die im Grabenkrieg obsolet geworden sind. Diese Rückkoppelung an vertraute Männlichkeitsbilder manifestiert sich im Kräftemessen zwischen aktiv agierenden Männern - in der uralten Kampfform «Mann gegen Mann», in der der Stärkere siegt. Erbitterte Nahkämpfe gegen die Alpini mit Händen, Fäusten, Kolben und Messern schildern alle Autoren der in den Alpen angesiedelten Weltkriegsnarrationen. Es sind kurze Raufereien der weißgekleideten Gestalten, die sich kaum von den Schneemassen abheben: «[. . .] das Schreien der Getroffenen - dann wieder die Stille einer eisigen Winternacht» (Weber, Granaten und Lawinen 130). 21 Motiviert werden sie nicht zuletzt, wie Trenker notiert, vom «abenteuerlichen Fieber» (Meine schönsten Berggeschichten 194) 22 oder, wie es bei Weber heißt, von der alten Romantik des Soldatentums, der Tradition der Wildwestgeschichten, von männlicher «Neugier und Abenteuerlust» (Das Ende der alten Armee 194). Die Wüste von Fels und Eis wird als Bewährungsfeld für echte Männer, als Kampfarena für wahre Helden charakterisiert. Ein Paradebeispiel für die individuelle heroische Leistung eines Alpensohnes als mythischem «Helden der Berge» ist die im Roman Berge in Flammen zentral stehende einsame und waghalsige Aktion Florian Dimais unter extremen Wetter- und Kampfbedingungen. Sein athletisch-viriler Körper setzt sich überall abenteuerlich durch (er nutzt sogar taktisch die Lawine, um in die Tiefe zu fahren - ein «verteufeltes Wagnis» (160)). Sein untrügerischer Instinkt führt ihn durch die Schneemassen und er erreicht Gipfelpositionen, um auf geschickt gestohlenen Skiern und in Alpiniverkleidung ins Tal hinabzufahren, dann wieder nach oben zu klettern und die Kameraden zu erlösen. Der einsame Heros 23 gewinnt gegen die Übermacht der «weißen Hölle», auch wenn er «nicht in einem technisch-phantastischen Sinne als Maschine gezeichnet» (Winkler 320) und nicht ganz frei von Sehnsüchten nach Wärme ist. In den Wüsten von Fels und Schnee, in denen sich harte Männer unter extremen landschaftlichen und meteorologischen Bedingungen zu bewähren versuchen, fehlt es nicht an Wärmevorstellungen und Wärmeoasen. Die Männer aus der «Festung im Gletscher» blicken sehnsuchtsvoll hinunter ins Tal und suchen nach Spuren von Grün: 69 «Helden in Fels und Eis.» Etwas vermissen sie trotz all der glitzernden Herrlichkeit ihrer Umwelt: den herben Geruch frisch gepflügten Bodens, den sie zu bearbeiten gewohnt waren, die bunten Prachtblumen bestandener Wiesen und das leuchtende Gold wogender Ährenfelder, die seit frühester Kindheit ihre Sommer durchzogen. (Röck 99) In Trenkers Berge in Flammen denken die Männer aus Cortina stets an ihre Heimat und als Dimai den Heimatort vom Gipfel aus sieht, «jubelt sein Herz» und er wird ein anderer Mensch: Was Krieg ist, fällt von ihm ab, er ist nur mehr der Bergführer Dimai, der sein Heim dort unten sieht, in dem sein junges Weib lebt, die gute Mutter und das Kind, das er noch nie gesehen hat. Mag die Welt dagegen stehen, Freund und Feind, nur für dieses Haus, für die Menschen, die er liebt, lebt er. (135) Besonders der Gedanke an seine Frau Pia ist stärker «als jede andere Gewalt auf dieser Erde» (136). Was inmitten von Schnee und Eis für etwas Wärme sorgt, sind auch rein männliche, kameradschaftliche Geselligkeits- und Fröhligkeitsformen. Weber lobt Trenker für seine immer gute Laune und seine zur Gitarre gesungenen Lieder, die überdauern halfen (Feuer auf den Gipfeln 9). In seinem Band Frontkameraden inszeniert er diverse Versuche, sich eine Spur Wärme zu verschaffen. Die Gespräche der Kämpfer drehen sich um Ernte, Frauen, Kinder, zivile Lebensformen; Kartenspielen und Singen lassen Zonen der Gemütlichkeit entstehen. In Frontkameraden scheinen «weichere» Eigenschaften und Verhaltensformen durch, die vom geschlechtsspezifisch harten und kalten Habitus des «Stahlhelden» Jüngerscher Prägung abweichen. Man begegnet Männern, die sich nach dem Komplex «Urlaub - Heimat - Frau» sehnen, den «Helden der Vaterliebe», die das Glück ihrer Kinder als obersten Wert betrachten, Männern schließlich, die verliebt sind oder sich verlieben und Augenblicke der Freude genießen: «[. . .] sein Herz singt» (53). Für Jüngers empfindungslose Männlichkeitsmaschinen, die im Kampf aufgehen und für die das Kalt-Metallische auch den Umgang mit Frauen vordefiniert, wären solche emotionalen Exzesse, die an «warme», zivile Lebenszusammenhänge erinnern, wohl undenkbar. Trotzdem muss festgehalten werden, dass in den analysierten Texten feminine Lösungen nicht zugelassen sind und die Frauen keinen Zugang zu alpinistisch-kriegerischen Herausforderungen haben. Sie erscheinen nur in Verbindung mit Heimat und Familie - den Wärme-Sphären, in denen natürliche, unkontrollierte Gefühlsausbrüche möglich sind. Die literarischen Erinnerungstexte und Romane zum Alpenkrieg scheinen auf den ersten Blick das kalte und harte Männlichkeitsmuster eines Gebirgskriegers ideologisch zu transportieren. Und doch sind sie voll von jenen «Affekt-Ambivalenzen» (Sloterdijk), die die Helden zweifeln und schwanken lassen und die den Anschluss an das ideologisch gewünschte Kälte-Ideal der 70 Monika Szczepaniak militärischen Männlichkeit als eine schwer abgerungene Leistung inszenieren. Bei Röck verursacht ein Augenblick der Schwäche beim Klettern («Schwindel, Zittern, Herzklopfen wie ein Salontourist») Scham und das Gefühl, als wäre man «alt und verbraucht»; doch wird die Krise überwunden und der Körper schwingt sich geschmeidig nach oben (213). Bei Weber finden sich zahlreiche Passagen, die an erlebte Krisenmomente erinnern. Der Erzähler hat mehrmals Angst, bekommt Schweißausbrüche und Schüttelfrost, kann sich aber immer zusammennehmen und findet neue Kraft zum weiteren Kampf. Trenkers Dimai, der den Fortschritt der Bohrungsarbeiten abschätzen soll, wird «weich» beim Anblick des Heimatortes, doch kann er sich wieder «ermannen» (Berge in Flammen 162). In Cortina angekommen, stockt sein Herz «im Überschwang der Gefühle» (167), und die Entscheidung, die Frau zu verlassen, um die Kameraden zu retten, wird durch Tränen begleitet: «Eine harte Hand wischt sich über tränennasse Augen. Dimai weint. Niemand sieht es. Er droht niederzubrechen - doch die Kameraden warten! » (170). Und der Heros wird wieder der alte: Hart und zäh, bereit, eine riesige Herausforderung anzunehmen und das uralte heroische Narrativ durchzuspielen - die Geschichte von einem Mann, der die Frau verlässt, um eine «eigengeschlechtliche» Kultur- oder Kampfmission zu erfüllen. 24 Trenkers Männlichkeitsnarration basiert nicht auf einer Gefühlskälte, die «warme» Emotionen gar nicht aufkommen lässt, sondern auf Gefühlsbeherrschung oder auf einer Dialektik von Macht und Krise, die für die männliche Gefühlskultur oft charakteristisch ist. Die verklärende Heroismusvariante der Alpenkriegsromane und Erinnerungsbücher schließt die «warme Nische» der Kameradschaft 25 «in der Kälte des technisierten Massenvernichtungskrieges» (Kühne 178) mit ein und preist sie als einen bleibenden, in die Zukunft verweisenden maskulinen Wert. 26 Von besonderer Bedeutung ist dieser Wert in einer Zeit, in der «militante Geselligkeit» Hochkonjunktur hat und männerbündische Gemeinschaftsformen nicht nur identitätsbildende Kraft besitzen, sondern auch die politische Kultur stark mitbestimmen (vgl. Bösch). Es ist die Zeit der Popularisierung des Skisports, 27 dem neue kulturell-weltanschauliche Dimensionen zugeschrieben werden; der Nationalisierung des Körpers und der politischen und ästhetischen Bildung der Jugend, 28 der die nationalistisch gesinnten politischen Kräfte nicht nur bündische Strukturen, sondern auch den Alpinismus als eine Form körperlicher Ertüchtigung und Fluchtbewegung aus den Städten offerieren. Die in den Bergen «geborene» Kameradschaft wird als eine besondere Männlichkeitsressource gepriesen und als ein alternatives Modell gegen die kalte Ordnung einer rationalisierten und individualisierten Gesellschaft inszeniert. Die «Vergötzung» von Gletschern und Felsen sowie 71 «Helden in Fels und Eis.» der damit «verwachsenen» Männlichkeit korrespondiert mit der nationalsozialistischen Ideologie und wird von ihr bekanntlich - in der Formulierung von Siegfried Kracauer - bald «ausgeschlachtet» (121). Kein Zweifel kann darüber bestehen, dass die Erinnerungstexte und trivialen Romane zum Alpenkrieg einen mythischen Erlebnisraum inszenieren und eine Elite von harten «Gebirglern» aus den Alpenländern privilegieren, von intakter Willenskraft und heldenhafter Gesinnung, virtuos im Ertragen von Strapazen, ausgestattet mit massiven Körpern und starken Nerven - ein Gegenbild zu neurasthenischen Biographien der Großstädter. 29 Diese Männlichkeit ist steinhart, aber sie scheint nicht «eiskalt» zu sein. Sie integriert bestimmte Gemütswerte und emotionale, gelegentlich «warme» Attitüden, die nicht unbedingt - wie etwa bei Jünger oder den deutschen nationalistisch gesinnten Autoren - mit Gewalt gekoppelt sind. Ein ambivalentes und gebrochenes Bild der österreichischen heroischen Männlichkeit ist bereits das Erbe des Krieges. Alice Schalek notiert 1915: «Künstlerisch wirken diese markigen mittelalterlichen Gestalten und dennoch ungeschlacht, treuherzig sind sie und doch mißtrauisch, kühn und doch vorsichtig, leidenschaftlich und doch bedächtig, poetisch und zugleich theatralisch und ehrlich, aber verschmitzt [. . .]» (52). «Offene Gemütlichkeit» und «gemütliche Kameradschaft» (111) wird den Tirolern auch Anfang der 1930er Jahre attestiert - begleitet durch bellizistische Emotionen bei Weber oder in einer kitschigen Heimatstilisierung bei Trenker. Die deutsch-österreichischen «Söhne der Alpen», die das Inferno der Hochgebirgsfront überlebt und männlichen Kameradschaftsgeist gerettet haben, fühlen sich dazu verpflichtet, den Kampf für das große Deutschland fortzuführen oder den Bergen verpflichtet zu bleiben. 30 Und sie können - auch das geht aus den analysierten Texten hervor - mit den «unsicheren», «kleinlichen», «selbstsüchtigen» (Schalek 69) Männern, den «Salontouristen» aus den Städten - erfolgreich konkurrieren. In diesem Sinne versucht Trenker zu überzeugen, dass die Bewohner aller «Schneeländer» sich durch eine besondere «Art und Kraft» auszeichnen (Berge im Schnee 11), denn: «Kälte strafft. Hitze erschlafft» (20). Die Weimarer «Verhaltenslehren der Kälte» können als ein Beitrag zur Restabilisierung der nach dem Ersten Weltkrieg stark verunsicherten militärischen Männlichkeit interpretiert werden. Die österreichischen Texte zum Alpenkrieg, die vorwiegend Anfang der 1930er Jahre erschienen sind und oft eine deutschtümelnde Grundierung aufweisen, müssen ebenfalls als ein Beitrag zur Remaskulinisierung der Gesellschaft bzw. Reetablierung soldatischer Männlichkeitsideale gelesen werden, auch wenn die militärische Männlichkeit in ihnen mehr oder weniger emotionalisiert wird. In literarischer Verarbeitung bringt die Alpenkriegsfront als vorstellbarer Trainings- 72 Monika Szczepaniak raum der Kälte nicht unbedingt (oder nicht nur) schmerzlose Körpermaschinen hervor, die sich in den Strom der Modernisierung problemlos eingliedern und mit den Trennungsprozeduren der Moderne einverstanden sind. Offensichtlich gibt es unterschiedliche, in nationalen, regionalen und politischen Kontexten verwurzelte Versuche, die hegemoniale Männlichkeit zu modifizieren bzw. neue politische Männlichkeitskonzepte zu etablieren. Einer von ihnen läuft darauf hinaus, die im Krieg beschädigte und in der Ersten Republik angeblich gedemütigte militärische Männlichkeit durch die Konfrontation mit den «erhabenen» Bergen zu regenerieren. Dieser Diskurs basiert auf einer grundsätzlichen Überzeugung, dass die Herausforderungen von extremen Landschafts-, Wetter- und Kampfbedingungen jenseits der Kälte und Künstlichkeit der Metropolen die Möglichkeit schaffen, Krisen zu überwinden und Gipfel der Männlichkeit zu erreichen. Anmerkungen 1 Zum Kälte- und Coolnessbegriff vgl. Mentges. 2 Dem Heros werden höchstens negative, mit Gewalt gekoppelte Emotionen zugeschrieben, nicht aber die mit dem Objekt- und Opferstatus verbundenen, als «weiblich» geltenden Affekte (Angst, Scham und Trauer). Vgl. dazu Scholz. Die (wärmende) Liebe erscheint in den meisten heroischen Narrationen als ein Hindernis auf dem Weg zum Ziel, als eine Krise oder Verweiblichungsgefahr - sie wird entweder ausgegrenzt oder überwunden und nur selten in die Heldenbiographie integriert. 3 Diese Separation ist ein Trennungsakt, der mit dem Verlust der familiären Wärme in bürgerlichen Binnenräumen assoziiert wird. Sie bedeutet einen Übergang in die Kälte- Zonen der gesellschaftlichen Institutionen. 4 Zur revanchistischen Aktivität der ehemaligen Offiziere, u. a. zur Bedeutung der Erinnerungsarbeit, die auf Rehabilitierung durch Heroisierung abzielt, vgl. Melichar. 5 Vgl. dazu Suppanz und Eisterer. 6 Vgl. Kabischs Titel Helden in Fels und Eis. Kabisch war ein deutscher Offizier und Militärschriftsteller, der in der Weimarer Republik der Reichswehr angehörte und in den 1930er Jahren zahlreiche Bücher zum Ersten Weltkrieg veröffentlichte. 7 In besonderer Weise bezieht sich diese Aufwertung der Kälte auf die Metropole Berlin (die Vorstellung vom «kalten Wien» ist wohl nicht so selbstverständlich). Zum Topos der Modernisierung als Vereisung vgl. Lethens Aufsatz «Wir bedienten die Gefriermaschinen». 8 Lethen nennt Jüngers Schriften Die totale Mobilmachung (1930), Der Arbeiter (1932) und Über den Schmerz (1934) als repräsentativ für die Konstruktion der kalten Persona. Diese verkörpert sich in der Gestalt des Arbeiters, der am Vorbild des «in Stahlgewittern» geborenen Frontkämpfers modelliert ist. Theweleit analysiert in seiner psychoanalytisch fundierten Studie Männerphantasien (1977/ 78) den Prozess der Ausbildung eines intakten «Körperpanzers», der als kalte, emotionslose, «gestählte» 73 «Helden in Fels und Eis.» Männlichkeit phantasiert wird (die um ihre Körpergrenzen ringenden soldatischen Männer sehen sich durch das Flüssige bedroht - vgl. das Phantasma des «Sumpfes»). 9 Zur Politik der kalten Männlichkeit in der Weimarer Republik vgl. Morat. 10 Zur männlichen Höhe-Position in der Abgrenzung von Weib und Masse sowie von Tod und Schrecken vgl. Theweleit, Bd. 2: Masse und Kultur - Der «hochstehende Einzelne», 54 - 74. 11 Ein Paradebeispiel für diese Legendenbildung ist der Tiroler Bergführer Sepp Innerkofler, der 1915 beim Versuch, den Paternkofel zu erobern, ums Leben kam und nach dem Krieg «zum Heldenheiligen des Alpinisten und Kriegers» (Hanisch, Männlichkeiten 400) stilisiert wurde. Der Alpinist und Kaiserjäger im Alpenkrieg Gunther Langes widmet ihm das erste Kapitel seines Buches Front in Fels und Eis und betont, dass er in der aus grauer Vorzeit stammenden Kampfform Mann gegen Mann den Heldentod gestorben ist und vom Feind in Ehre begraben wurde (5). Auch Trenker würdigt Innerkofler als einen der «Helden der Berge», der sich auch als Bergführer, Hauswirt und Vater ausgezeichnet habe. Trenkers Narration über Innerkoflers Tod unterscheidet sich kaum von der bei Langes: Der Heros starb im Zweikampf für sein Heimatland Tirol und für die Berge und wurde zu einer Legende, die durch die «ritterliche» Bestattung und Ehrenbezeugung durch den Feind zusätzliche Wirkungskraft bekommt (vgl. Trenker, Helden der Berge 118 - 42). 12 «[. . .] und was auf Erden unermäßliche Kräfte aufspeichert in der Gestalt von Gletschern, Kälte und Eis, das kann nicht ohne Einfluß sein auf den Menschen [. . .]» (Trenker, Berge im Schnee 20). 13 Die Beduinen sind nomadische Wüstenbewohner, die die Naturkräfte kultivieren und mit der Landschaft sehr stark verbunden sind. Wie die Alpenkrieger müssen sie ihre natürliche Umgebung erkunden und sich ein Wissen verschaffen, um in der Hitze überleben zu können. 14 Vgl. Langes 17, 18. 15 Der Schnee war oft mit chemischen Mitteln aus Sprengstoffen verseucht. 16 Die Lawinengefahr und den «weißen Tod» beschreiben alle Erinnerungsbücher zum Alpenkrieg; auch die Gefahr der Sprengung wird oft thematisiert, v. a. bei Luis Trenker in Berge in Flammen. Auch Röck beschreibt die «Minengänge in Fels und Eis» und das ewige Horchen und Warten. Weber erzählt über die Bohrungen und Sprengschüsse im Inneren des Berges Pasubio, die die körperliche und seelische Energie der Österreicher und Italiener «aufs Äußerte anspornte» (Granaten und Lawinen 132) und über das lange Leben im Betonwerk Verle, wo jeder Anschlag unerträgliches Ohrensausen und Kopfschmerzen, manchmal Übelkeit und Erbrechen verursachte und an der «oberösterreichischen Nervenkraft» zehrte. «Nur Menschen mit eisernen Nerven halten diese Form des Kampfes aus» (Das Ende der alten Armee 35). 17 Vgl. die Schilderungen des «Eiskrieges» im Marmolata-Gletscher, wo die Soldaten zu Schnee- und Eisingenieuren geworden sind, eine Eisstadt im Gletscher gebaut und unter Eise gelebt haben (z. B. Langes 20 - 30). Zu der historischen Darstellung der «Stadt im Eis» vgl. Jordan 288 - 93. 18 Vgl. Langes 28; Trenker, Berge in Flammen 122; Röck 47 - 59 (in der Reihe der «starren Gesichter» der toten Opfer werden Züge des «slawischen Typus» erkannt); Weber, Feuer auf den Gipfeln 91, 105 (Weber betont stets die besonderen Qualitäten der Deutschösterreicher - sowohl im Schnee als auch im Werk Verle), ders. auch: Granaten und Lawinen 123 - 24. Die künstliche ausgelöste Lawine avanciert zur schrecklichsten aller Waffen. 74 Monika Szczepaniak 19 Alkohol ist, neben dem Schweiß, eine Flüssigkeit, die den Körperpanzer nicht bedroht und wärmende Kraft besitzt. 20 Erwähnenswert ist die in einigen Texten betonte Rolle der Frauen, die gelegentlich Mittel zum Kälteschutz und vor allem Liebesgaben zu Weihnachten schicken. Nicht zuletzt die Fürsorge liebevoller Frauen im Hinterland hilft den strengen Hochgebirgswinter überdauern. 21 Handgemenge beschreibt Weber auch in Feuer auf den Gipfeln: Die Masse der Landsknechte «individualisiert sich» in der Wahl zwischen Messer und Gewehr, Spaten und Handgranate (55 - 56; auch 98). 22 Trenker schildert den Ausgang der Auseinandersetzung mit dem Alpini, der sich «ritterlich» benimmt und ihn nicht «wie einen Hasen [. . .] über den Haufen schießt». 23 «Der Alpinist wird zum Helden, weil er die Landschaft überwunden hat und sie [. . .] geschlagen unter ihm liegt» (Rapp 27). Der Alleingeher, der unter Todesgefahr souverän die Gipfelpose erreichen kann, ist ein alpinistisches Männlichkeitsideal. 24 Vgl. die psychoanalytische Annäherung an dieses Thema von Pietzker. 25 Allerdings hat diese Kameradschaft auch ihre Grenzen entlang der militärischen Rangordnung. Besonders bei Weber kann sie schwer als eine egalitäre bzw. «weiche» Gemeinschaftsform, die über Hierarchien hinausgeht, interpretiert werden. 26 Bei Röck wird die «eiserne Kameradschaft» gepriesen, die nach dem Zerfall Österreichs geblieben ist. Weber verweist auf das «Wunder der Kameradschaft», das auch in der desaströsen Lage am Ende des Krieges ein homosoziales Netz von Beziehungen und gegenseitigen Hilfeleistungen entstehen lässt. Trenker zeigt die Freundschaft von Bergkameraden, die über die Kriegsfronten hinausgeht. Neben unterschiedlichen «Kältetechniken» (Lethen) sind Wärmesphären der rechten (und auch linken) Gemeinschaftsideologien aus der politischen Kultur der Nachkriegszeit nicht wegzudenken. 27 Vgl. auch die hohe Konjunktur der Ski- und Bergfilme in den 1920er und 1930er Jahren, die den Nerv der Zeit zu treffen scheinen (Rapp 9 - 11). 28 Zu der politischen Situation im Österreich der Zwischenkriegszeit, der Remilitarisierung der Gesellschaft und der Erziehung der Jugend aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive vgl. Hanisch, «Die Rückkehr des Kriegers». 29 In den 1920er Jahren hat sich das Bergsteigern stark ausgebreitet. Der Massentourismus führte zur Überflutung des Gebirges und zur Gefährdung des elitären Charakters der alpinistischen Abenteuer. Daher rühren die Versuche, die heroische «Gipfelpose» des Bergsteigers als Einzelgängers zu retten. 30 Trenkers «Bergkameraden» Dimai und Franchini mussten in feindlichen Armeen kämpfen. Ihre Freundschaft konnte den Krieg überdauern. 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