eJournals Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik 43/1

Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik
0171-5410
2941-0762
Narr Verlag Tübingen
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Bereits wenn man die Bandbreite von Becketts Schaffen und dessen Wirkmächtigkeit für das 20. Jahrhundert einordnen will, trifft man auf ein terminologisches Problem, das den Impetus des Beckettschen Projekts anzeigt. Denn Beckett hat nicht nur im Bereich der traditionell der Literatur zugehörigen Großgattungen der Lyrik, dem Drama und der Prosa, sowohl in Form des Romans als auch der Kurzprosa, Entscheidendes beigetragen, sondern auch in den ‚neuen’ Medien des Films und des Hörspiels. Dabei ging es jedoch nicht um eine mediale Allgegenwärtigkeit, die schließlich auch mit dem Literaturnobelpreis belohnt worden wäre. Vielmehr stehen immer wieder die Wirksamkeit des Medialen und des Mediums im Vordergrund. Zeigt sich dies schon im Theater Becketts an einer zunehmenden Tendenz zur Reduktion, erscheint sowohl der Textbegriff als auch die Frage nach der Medialität der Literatur in Fernseh- und Radiospiel umso problematischer. Worüber spricht man also bei Beckett?
2018
431 Kettemann

Hans H. Hiebel, Samuel Beckett: Das Spiel mit der Selbstbezüglichkeit. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2016.

2018
André Otto
Rezensionen Hans H. Hiebel, Samuel Beckett: Das Spiel mit der Selbstbezüglichkeit. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2016. André Otto Bereits wenn man die Bandbreite von Becketts Schaffen und dessen Wirkmächtigkeit für das 20. Jahrhundert einordnen will, trifft man auf ein terminologisches Problem, das den Impetus des Beckettschen Projekts anzeigt. Denn Beckett hat nicht nur im Bereich der traditionell der Literatur zugehörigen Großgattungen der Lyrik, dem Drama und der Prosa, sowohl in Form des Romans als auch der Kurzprosa, Entscheidendes beigetragen, sondern auch in den ‚neuen„ Medien des Films und des Hörspiels. Dabei ging es jedoch nicht um eine mediale Allgegenwärtigkeit, die schließlich auch mit dem Literaturnobelpreis belohnt worden wäre. Vielmehr stehen immer wieder die Wirksamkeit des Medialen und des Mediums im Vordergrund. Zeigt sich dies schon im Theater Becketts an einer zunehmenden Tendenz zur Reduktion, erscheint sowohl der Textbegriff als auch die Frage nach der Medialität der Literatur in Fernseh- und Radiospiel umso problematischer. Worüber spricht man also bei Beckett? Definiert man Literatur und ihre Gattungen primär über Sprachlichkeit, wird man etwa in den späten Theaterstücken oder auch in den Filmen bestenfalls noch auf Sprache als Medium einer Notation treffen, die Versuchsanordnungen aufzeichnet, denen dann selbst die Sprache fast völlig entzogen ist. Diese Reduktionen sind zentral für Becketts Werk und dessen Bedeutung für die Kunst des 20. Jahrhunderts, da sie die konstitutive Medialität der unterschiedlichen Kunstformen herausarbeiten und in ihrem Zusammenspiel und den beständigen Medienwechseln die Interferenzen zwischen den unterschiedlichen Medien betonen. Becketts Texte reflektieren stets die Bedingungen ihrer Medialität und weisen sich als mediale Gefüge aus. Dies mag in Form der Intermedialität ebenso wie des Gattungs- und Medienwechsels erfolgen. Es wird aber auch in den reduktiven Versuchsanordnungen der Prosa vor allem ab Comment C’est / How it is deutlich, die sowohl die Räumlichkeit der gedruckten Seite hervorheben als auch mit der AAA - Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik Band 43 (2018) · Heft 1 Gunter Narr Verlag Tübingen Rezensionen 88 medialen Differenz von (konzeptueller) Mündlichkeit und Schriftlichkeit spielen. Mittels der Betonung der eigenen Medialität und der besonderen medialen Gefüge der jeweiligen Kunstform dient die Reduktion daher in Becketts Werken einem radikalen und selbstbezüglichen Austesten dessen, was im 20. Jahrhundert Literatur und Kunst sein kann und was deren Grenzen sind. Dies meint sowohl die relativen Grenzen zwischen Gattungen und medial verschiedenen Kunstformen als auch die absolute Grenze künstlerischen Ausdrucks. Zugleich erfolgt dabei eine Dekonstruktion idealistisch überhöhter Kunst- und Literaturauffassungen, die sich im konstanten Spiel zwischen Tragik und Komik, philosophischer Tiefe und grotesker Körperlichkeit niederschlägt. Hier setzt nun Hans H. Hiebels Untersuchung zu Becketts Spiel mit der Selbstbezüglichkeit an. Wie der Titel bereits ankündigt, geht es Hiebel zum einen um Selbstbezüglichkeit, deren unterschiedliche Formen und Erscheinungsweisen in den Texten ausdifferenziert werden, und deren Einbindung in einen literarischen Modus, der unter dem Begriff des Spiels vor allem auch die Rolle des Humors bei Beckett hervorstreichen will. Selbstbezüglichkeit, Humor sowie die unterschiedlichen Konzeptualisierungen des Spiels bei Beckett werden zum anderen aber historisch und medial differenzierend erarbeitet. Darin zeigt sich der Anspruch des Buches und sein Verdienst, denn ausgehend von Phänomenen der Selbstbezüglichkeit unternimmt Hiebel einen jeweils chronologisch geordneten Durchgang durch das Beckettsche Œuvre. Mit Ausnahme der Lyrik breitet das Buch das ganze mediale Spektrum Becketts aus, wodurch nicht nur inter- und transmediale Bezüge beobachtbar werden, sondern auch die Insistenz deutlich wird, mit der Beckett in unterschiedlichen Medien die konstitutiven Verfahren fiktionaler Sinnstiftung ausstellt und sie auf ihre medialen Bedingun-gen befragend subvertiert. Entsprechend weist Hiebel die Selbstbezüglichkeit vielfach unter dem Schlagwort der Medienadäquatheit nach. Mit dem Medium verändern sich demnach auch die Verfahren, Gegenstände, textpragmatischen Ebenen und semiotischen Bezugssysteme selbstreferenzieller Betrachtung. Systematisch wird das Phänomen der Selbstbezüglichkeit eingeleitet anhand der Überlagerung der Kommunikationssysteme in literarischen Texten, die Hiebel beispielhaft am Drama vornimmt, um darin die beteiligten Ebenen zu differenzieren und ihren Bezug zueinander zu klären. Dies bildet die Voraussetzung für die Konzeptualisierung textueller Selbstbezüglichkeit. Entwickelt wird diese im Sinne der Metafiktion vor allem ausgehend von Werner Wolf, der sie typologisch weiter differenziert hat in Metafiktionalität, die sich auf die fictio- oder die fictum-Ebene bezieht, also sich entweder auf die Prozesse und die Verfahren fiktionaler Weltkonstitution konzentriert oder auf die Reflexion des ontologisch fiktiven Status der jeweils dargestellten Welt: „‚Selbstbezüglichkeit„ […] bezeichnet also alle Formen von Metadrama, von metafiction (im Sinne von fictio-Metafiktionalität) und von narrativer Metafiktivität (im Sinne von fictum-Metafiktionalität) sowie von Metalyrik.“ (23) Um jedoch den transgenerischen und (inter-)medialen Problemen bei Beckett gerecht zu werden, versteht Hiebel Selbstbezüglichkeit vor allem mit Rezensionen 89 Blick auf den ebenfalls von Wolf in den letzten Jahren profilierten Begriff der Metareferenz, der mediale Bezüge zwischen unterschiedlichen semiotischen Systemen fokussiert. Zugleich dient der Zugang über die Metareferenz Hiebel zur Einschränkung der Selbstbezüglichkeit, insofern Metareferenz einen „Spezialfall“ (23) innerhalb des weiteren Feldes der Selbstreferenz darstellt. Während letztere „sämtliche nicht-zufälligen intrasystemic references“ (17) umfasst, grenzt Hiebel Metareferenz dezidiert von impliziten Selbstverweisen ab, die Jakobson unter der poetischen Funktion subsumiert hat. Wie bei Wolfs Begriff der Metareferenz geht es ihm mit der Selbstreflexivität um Thematisierungen des semiotischen Systems, in dem sich eine Ebenendifferenz anzeigt: „Wir wollen indessen den Terminus ‚Selbstbezüglichkeit„ auf den Bereich der Metareferenz eingrenzen; ‚Selbstbezüglichkeit„ stellt den Selbstbezug eines Werks in den Vordergrund, während der Terminus ‚Metareferenz„ den Aspekt der Metaebene der Elemente - an der gleichen Sache - hervorhebt; es handelt sich um zwei Seiten einer Medaille. Selbstbezug spielt immer auf einer Metaebene, Metareferenz besteht immer in einem Selbstbezug.“ (17) Im Zentrum stehen mithin „(explizite oder implizite) Aussagen über Aussagen“ (23), die immer auch mit auf die textinterne Pragmatik verweisen. Allerdings zeigt sich hier bereits ein Problem für die medialen Herausorderungen Becketts an. Denn mit der Verengung auf die thematisierende Diskursivierung können gerade jene radikalen Befragungen der medialen Konstitution der Texte nur zum Teil in den Blick genommen werden, die an den und über die Grenzen des Sprachlichen und Diskursiven hinaus arbeiten. Dies wird sich letztlich auch in der Art zeigen, wie Hiebel das Spiel bei Beckett denkt. Denn er scheint hier vor allem auf eine spielerische Distanzierung und Illusionsdurchbrechung zu zielen, die Selbstreferenzialität als Verfügungsgewalt zu begreifen scheint. Diese dekonstruieren Becketts Texte jedoch aller Orten sowohl hinsichtlich eines entsprechenden Sprach- und Zeichenverständnisses als auch mit Blick auf Vorstellungen moderner Subjektivität. Allerdings geht das Buch auf die subjekt-, sprach- und medienphilosophischen Implikationen der Selbstbezüglichkeit kaum ein, vielmehr fällt es oftmals in seinen nicht näher befragten impliziten Grundannahmen der Lektüren hinter die Erkenntnisse der neueren Beckett-Forschung zurück. Mit dem zweiten zentralen systematischen Bezugspunkt neben Wolf greift Hiebel die Frage nach der Medialität und medialer Selbstreferenz auf. Anhand von Shimon Levys Studie zu Samuel Beckett’s Self-Referential Drama, auf die Hiebel auch in den Textlektüren vielfach zurückkommt, unterstreicht er nicht nur das Medienbewusstsein bei Beckett, das „im Wesentlichen ein implizites ist“ und „praktisch allen Werken Becketts“ eignet (24). Mit Levys Annahme, „dass bei Beckett die medialen Komponenten eines Theaterstücks oder eines Fernsehspiels quasi zur Schau gestellt werden und dass sich das jeweilige Werk in dieser Weise auf sich selbst bezieht, selbstbezüglich ist“ (25), fasst er mediale Selbstbezüglichkeit bei Beckett unter der Perspektive „ostentative[r] Medienadäquatheit“ (25): „Becketts Anliegen ist es, die dem Medium eignenden und ihm adäquaten Mittel einzusetzen“ (24). Es wäre hier jedoch zu fragen, ob Medienbewusstsein und dessen Manifestationen in Rezensionen 90 impliziter Metareferenz bei Beckett tatsächlich auf eine Medienadäquatheit zielen bzw. ob dies ein glücklicher Begriff ist. Denn diese implizierte nicht nur ein Verständnis der jeweiligen medial-semiotischen Konstituenten, sondern auch deren Akzeptanz, braucht Adäquatheit doch einen Standard nach dem sich die Angemessenheit richtete. Dem gegenüber könnte man jedoch behaupten, dass Becketts radikale Reduktionen genau dies nicht mehr gelten lassen, weil sie die jeweiligen Konstituenten singularisieren und zueinander in Spannung bringen. Eine solche Subversion und Befragung dessen, was das jeweilige Medium künstlerisch-literarischer Kommunikation ausmacht, hat die Selbstverständlichkeit der Angemessenheit verloren und setzte stattdessen eine Poetik des medialen Rauschens in Szene, die mit der Literatur des Unworts bereits früh im so genannten German Letter an Axel Kaun ausgeführt wird. Hier würde aus einem Spiel mit den adäquaten Komponenten ein Spiel, das sich das Intervall des Medialen als unergründeten Zwischenraum eröffnete. Die anfängliche einschränkende Klärung, was unter Selbstbezüglichkeit in den Blick genommen werden soll, leitet das Vorgehen im Rest des Buches. Der umfassende Durchgang durch Becketts Werk beginnt aufgrund des medialen Schwerpunkts mit einem ersten Teil zum Theater, den Filmen / Fernsehspielen und den „Hör-Spielen“ und geht im zweiten Teil zur Prosa von den Romanen zur späten Kurzprosa über. Die einzelnen Kapitel sind dabei strukturell gleich aufgebaut. In ihrer Makrostruktur sind sie weitestgehend chronologisch geordnet. Sie präsentieren dann jeweils zunächst den Aufbau des besprochenen Textes in Form einer Inhaltszusammenfassung, soweit dies bei Beckett möglich ist, um in einem zweiten Schritt die verschiedenen Formen der Selbstbezüglichkeit für die jeweiligen Texte herauszuarbeiten und von dort aus entsprechende Querverweise auf andere Texte und Medien herzustellen. Diese Analysen der Selbstbezüglichkeit nach Stellenwert und Funktion innerhalb des Textes unterscheiden zwar immer wieder besonders zwischen impliziten oder expliziten Formen der Metareferenz, sind jedoch eher aufzählend-gewichtend denn typologisch und typologisierend ausgerichtet. Eine leitende Grundfrage ist durchweg die nach dem Verhältnis der Selbstbezüglichkeit zum Humor und zur Komik, die letztlich auch das titelgebende Spiel im Sinne spielerisch-komisierender Distanznahme betrifft, ohne jedoch Komik und Humor theoretisch-begrifflich zu situieren und strukturell zu explizieren. Dabei scheint in beiden Teilen eine klare Teleologie auf, nach der Beckett sowohl im Drama als auch in der Prosa einen anfänglichen „leichtgewichtigen“ Humor (48) in seiner Explizitheit und Krudheit hinter sich lassen musste (vgl. 53), um über Bewusstseinsstücke zur conditio humana (so wird vor allem Waiting for Godot gelesen, aber erstaunlicherweise auch The Unnamable, den trotz aller Subversionen des Anthropomorphismus, die der Text nicht zuletzt durch seine Dekonstruktion der Narration vollführt, Hiebel als stream of consciousness versteht), zur permutativen Kombinatorik vorzudringen. Der stets wiederholte Grundtenor des ersten Teils ist die implizite Metareferenz, die Medienadäquatheit mit Medienreflexion verbindet und deren grundsätzliche Doppellesbarkeit auf Objekt- und Metaebene betont Rezensionen 91 wird. Exemplarisch wird dies zunächst dankenswert ausführlich am von Beckett zurückgezogenen Stück Eleutheria entwickelt, an dem Hiebel nicht nur die Möbiusschleifeneffekte zwischen den Kommunikationsebenen mit ihren Illusionsdurchbrechungen (48 f.) einführt, sondern auch, das gesamte Werk vorwegnehmend, die selbstreferenziellen Verfahren der Sinnverweigerung nachzeichnet. Diese sollen, so Hiebel, auf der Basis einer impliziten wie expliziten Selbstkritik auf den unterschiedlichen Kommunikationsebenen letztlich im Rezipienten eine Reflexion über die in der Negation vorgeführten Dramenkonventionen auslösen (52). Eleutheria liefert derart einen „Steinbruch“ (53) für alles Weitere. Dies gipfelt in der selbstbezüglichen Schaffung dessen, was Hiebel mit Cohn als theatereality beschreibt. Unter anderem durch handlungslogische Unwahrscheinlichkeiten und das Herausstellen des Gemachtseins werde „das nicht-referentialisierbare Geschehen auf der Bühne als reines, für sich selbst stehendes Spiel erfasst.“ (75) Kommen dabei bereits die unterschiedlichen Dimensionen und Medien theatraler Kommunikation zur Geltung, verschärft sich dies in den späteren Stücken sowie den Filmen und Hörspielen durch die singularisierende Sektion des medialen Gefüges in seine einzelnen Konstituenten. So konzentriere und reduziere sich Krapp’s Last Tape weitestgehend auf den Ton, Play fokussiere Licht, während in Film Montage und Kamera entautomatisierend ins Bewusstsein gerückt würden und die Hörspiele das akustische Spektrum von den naturalistischen Parametern wie Sekundenchronologie und Mimesis in All that fall bis zur Verfremdung des Mediums durch das Aufbrechen der Kontinuität und Geräuschmontagen in Embers zur Geltung brächten: „In all diesen Werken wird Medienadäquatheit auf je eigene Weise realisiert und werden in impliziter Selbstreflexion die Konstituenten des Mediums offengelegt.“ (99) Mit der Zerstückelung des (Ton-)Kontinuums in Embers wird darüber hinaus ein Verfahren prominent, das anhand der Differenz von bedeutenden Wörtern und „‚words-as-words„“ (132, zit. von Levy) dann auch für die Prosa leitend ist: In der „Paradoxie von abstrakten concreta“ (132) verbinden sich „absolute Konkretion“ mit Abstraktion. Mit diesen abstrakten concreta werden nicht nur die unterschiedlichen Reflexions- und Wahrnehmungsebe-nen problematisch, sondern letztlich auch die (medial bedingte) Kohäsion und Kohärenz der Texte, wie dies Becketts Prosa immer wieder vorführt. Die unterschiedlichen selbstbezüglichen Verfahren ausgestellter Intertextualität, der metaleptischen Dekonstruktion der Narration hinsichtlich ihrer Ebenen und Instanzen sowie kombinatorisch-permutativer Kompositionsweisen bilden die Kernpunkte der Selbstbezüglichkeit in der Prosa, wobei die zunehmende Entpersönlichung und Umstellung auf permutative Prinzipien textueller Produktion von Hiebel als Abnahme der Selbstbezüglichkeit verstanden wird. Besonders mit der von Wolf hervorgehobenen Musikalisierung der späten Prosa, ihrer referenzlosen Sprache und Dekonstruktion des Bedeutens „sind [wir] an die Schwundstufe der Selbstbezüglichkeit gelangt.“ (292) Wenngleich Hiebel für The Unnamable feststellt, dass Becketts Werk „ein permanenter Prozess - vor allem ein Prozess der Reduktion (auf allen Ebenen) - und doch ein Prozess mit Wiederholungen und Permutationen“ Rezensionen 92 (258) sei, zeigt dies aber, dass er in der Prosa jene Reduktionen nicht mehr mit der gleichen Konsequenz als medial ausgerichtete (implizite) Metareferenzen liest, wie noch vor allem bei den Fernseh- und Hörspielen. Statt die Prozessualität der Sprache und ihrer Permutationen in den Vordergrund zu rücken, versteht er die Selbstbezüglichkeit in der Prosa stark personal an den Erzähler gebunden und konstatiert daher: „Selbstbezüglichkeit im Sinne von Metareferenzialität fehlt mithin den meisten der späten Kurztexte“ (290). Damit ändert sich aber auch das Spiel, das mit Selbstbezüglichkeit betrieben wird: „das Spielerische [verschwindet] grundsätzlich zugunsten ernster Meditationen […]. Auch das Moment des Humors, des Witzes, der Komik ist nicht mehr zu entdecken.“ (290) Statt des Spielerischen gibt es Spiel für Hiebel nun nur noch in Anführungsstrichen: „Wir haben noch ein ‚Spiel„ vor uns, allerdings kein humoristisches Spiel mehr, sondern Spiel im Sinne einer ernsten experimentellen Komposition der verwendeten Elemente.“ (291) Gerade weil Hiebel in seinen Lektüren der Prosa auch immer wieder auf Iser rekurriert, wäre es hier interessant gewesen, jenes ernste Spiel vor dem Hintergrund der Iserschen literaturanthropologischen Thesen zur Funktion des Spiels und seiner Strukturhomologie zur Literatur heranzuziehen (vgl. Das Fiktive und das Imaginäre, 1991), um die Beckettschen Reduktionen als Befragung der Möglichkeit von Literatur und Sprache besonders jenseits repräsentationslogischer Bedeutung zu lesen. Doch eine nähere theoretische Auseinandersetzung mit dem Begriff des Spiels bleibt bei Hiebel ebenso aus wie vertiefende systematische Reflexionen zu ontologischen, epistemologischen und ästhetischen Implikationen der Selbstbezüglichkeit mit Blick auf Fragen der Textualität, literarischer Sinnkonstitution oder der Funktion der Literatur im historischen und philosophischen Kontext des 20. Jahrhunderts. Darin spiegelt sich auch, dass das Buch kaum die neuere Forschung zu Beckett vor allem aus anglo-amerikanischen und/ oder poststrukturalistischen sowie medientheoretischen Kreisen rezipiert hat, die solche Fragen mit Blick auf Becketts Selbstbezüglichkeit bereits seit Blanchots, Hills oder auch Deleuzes und Badious einflussreichen Beckettlektüren stellen. Stattdessen verfolgt das Buch weitestgehend einen deskriptiv-additiven Ansatz, der sich selbst als ein „Durchstreifen […] auf der Suche nach metafiktionalen Elementen und hervorstechenden Geschehnissen und Gedanken“ (217) charakterisiert. Zwar gewinnt man dadurch durchaus einen Eindruck von der Fülle selbstbezüglicher Momente in Becketts Texten und ihrer textübergreifenden Rekurrenz, doch läuft dieses Durchstreifen nach Elementen, Geschehnissen und Gedanken die Gefahr sowohl der Kontingenz der unmöglich erschöpfenden Aufzählung als auch der Performanz permutativer Wiederholung, wie sie auf Objektebene für die Texte Becketts beobachtet wird. Hinzu kommt, dass die punktuellen Beobachtungen immer wieder mit nicht weiter kontextualisierten oder methodisch reflektierten Bezügen zu Becketts autobiografisch bedingten Motivationen und einzelnen deutenden Behauptungen und Wertungen angereichert werden, die sich nicht aus einem systematischen Argumentationszusammenhang ergeben oder auf entsprechende Fragestellungen bezogen werden. Sie sind daher weder sonderlich thesengeleitet, noch liefern sie neue Lektüren oder überraschende Erkennt- Rezensionen 93 nisse. So wird etwa Murphy ohne die Beachtung seiner epistemologischphilosophischen Implikationen sowie der Dekonstruktion des Romans als „‚skurril„ - und quasi ‚prä-absurd„“ (170) abgetan, Watt auf „das humoristische Spiel mit den Serien“ (179) reduziert, oder Molloys Steinpermutation als „Sinnbild der Sinnlosigkeit des Daseins und des nichtigen Spiels mit Belanglosigkeiten“ (215) gedeutet. Die metareferenzielle und sonstige „Dichte der Beckettʼschen Werke“ (188) wird damit zwar angedeutet, verliert sich aber oft in problematischen Zusammenfassungen und dem repetitiven Gestus eines Durchstreifens „der Vollständigkeit halber“ (215). André Otto Institut für Romanische Philologie Ludwig-Maximilians-Universität München Claudia Lillge. Arbeit - Eine Literatur- und Mediengeschichte Großbritanniens. Paderborn: Willhelm Fink, 2016. Johannes Scherling “A man who has lost his job has lost his passport to society. It is not only that idleness is boring and the dole a mere pittance. What hurts most is the knowledge that his service is not wanted. His work is rejected, and that means that he himself is rejected, as a man and as a citizen.” This quotation from Thomas Humphrey Marshall, which Claudia Lillge draws on in her insightful and comprehensive book to define the phenomenon of labor, illustrates the great value that people attach to it. It also, however, shows the misery that befalls people when they are out of labor, and while the quotation stems from 1945, these fundamental feelings have not changed. If anything, they have been exacerbated by an economic system and a labor market that increasingly sees people as expendable and mere resources to be used in order to satisfy the requirements of „the market‟, an amorphous entity that is both a means and an end. Claudia Lillge‟s monograph explores literary and media representations of labor in Great Britain in the course of the 20 th and early 21 st century. With Great Britain widely seen as a pioneer in industrialization as well as in the emergence of a working class, the idea pursued in this book is to establish how British culture has reacted to and depicted situations and developments in recent British workers‟ history. In this endeavor, it covers the following major issues: industrialization and timed labor; unemployment; the Thatcher era and its labor disputes; workers‟ solidarity and resistance movements; the idleness of non-work; and the end of tenured labor. With all of these issues, Lillge contrasts historical developments or concepts from the field of labor