eJournals lendemains 34/134-135

lendemains
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
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2009
34134-135

J.-C. Flückiger/C. Leroy (eds.): Sous le signe de Moravagine

2009
Beate Ochsner
ldm34134-1350291
291 Freud, braucht auch Koppenfels seine Urszenen, in denen Affekte unverstellt beschrieben werden können - das ist seiner Meinung nach in der Tragödie der Antike sowie bei Shakespeare der Fall. Damit wird jedoch der Eindruck erweckt, als wäre die Tragödie der auratische Ort einer reinen Präsenz von Affekten, der, anders als der aufs Medium der Schrift angewiesene Roman, eigentlich nicht der Mittelbarkeit bedürfe. Als gattungstheoretische Kontrastfolie mag diese Annahme sinnvoll sein, für die Analyse der spezifischen Medialität des Theatralischen scheint sie nicht unproblematisch. Ein zweites Problem von Koppenfels’ psychoanalytischer Affekthermeneutik ergibt sich daraus, dass vor ihrem Hintergrund die wissensgeschichtliche Emergenz von Immunitätsphantasien, die einen der historisch spannendsten Befunde des Buches darstellt,3 letztlich wieder nivelliert wird: So plädiert Koppenfels wenig überzeugend dafür, die Immunitätsdiskurse im 19. Jahrhunderts auf eine „anthropologische Konstante“ (206) zurückzuführen. Es ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass, wie von Koppenfels zeigt, auch vor dem 19. Jahrhundert medizinisch geprägte Rhetoriken des Selbstabschlusses gegenüber der Außenwelt am Werk sind, sie sind jedoch in einen sehr viel weiteren Horizont von Selbsttechniken einzubetten, der nicht zuletzt auch religiöser Diskurse und Praktiken umfasst.4 Bei all diesen möglichen kritischen Rückfragen dürfte klar geworden sein, dass Koppenfels mit seinen Immunen Erzählern in brillanter Manier der französischen Literatur etwas zurückgegeben hat, was man ihr in der Moderne auch von Seiten der Literaturwissenschaft nur selten zugestanden hat, nämlich ihre Affektschicksale. Damit hat er der Romanistik ein Feld eröffnet, das noch viele leidenschaftliche Debatten verdient. Jörg Dünne (München) FLÜCKIGER, JEAN-CARLO/ LEROY, CLAUDE (EDS.): SOUS LE SIGNE DE MORA- VAGINE, CAEN: MINARD (BLAISE CENDRARS, 6) 2006. 274 S. Als mittlerweile sechstes Buch in der Reihe Blaise Cendrars bei Minard erschienen, folgt der von Jean-Carlo Flückiger (Leiter des Centre d’études Blaise Cendrars, http: / / www.cebc-cendrars.ch) und Claude Leroy herausgegebene Sammelband Sous le signe de Moravagine den vorangegangenen Bänden Portraits de l’artiste (Blaise Cendrars 5, 2003), Cendrars, la Provence et la séduction du Sud (Blaise Cendrars 4, hrsg. von Monique Chefdor und Georgiana Colville, 1996), ‘Bourlinguer’ à Marseille (Blaise Cendrars 3, hrsg. von Claude Leroy, 1991), Cendrars et l’Amérique (Blaise Cendrars 2, hrsg. von Monique Chefdor, 1989) und Les ‘inclassables’ (1917-1926) (Blaise Cendrars 1, hrsg. von Claude Leroy, 1986). Neben Band 3, der sich primär auf den autobiographischen Roman Bourlinguer (1948) konzentriert, richtet auch der vorliegende Band sein Augenmerk nur auf einen Roman Cendrars, genauer auf den zum ersten Mal 1926 publizierten „roman corrosif“ (Jean Carlo Flückiger, Claude Leroy: „Le 3 Vgl. dazu auch die weiteren Teilprojekte der von Koppenfels geleiteten Nachwuchsforschergruppe „Rhetoriken der Immunität“ (http: / / www.immunitaet.complit.fu-berlin.de/ index.html). 4 Vgl. insbes. zur langen Askesetradition, die ebenfalls bis Flaubert fortwirkt und die Koppenfels komplett ausklammert, Verf., Asketisches Schreiben, Tübingen, Narr, 2003. 292 flacon, le djinn et la spirale“, Vorwort zu: Sous le signe de Moravagine, hrsg. von Jean Carlo Flückiger und Claude Leroy, Paris: Minard 2006, 6) Moravagine. Diesem bereits seit längerem als Schlüssel zum Werk des französischen Autors geltenden Roman widmeten sich zahlreiche Forscher: So befasste sich z. B. Pannatier 1984 mit dem Phänomen der Reise, Astrid Olivia Lang ging 1987 der Editionsgeschichte nach, bereits 1976 beschäftigte sich Stephen Kyrk Bellstrom sich mit den Bildern, den Themen und Symbolen während sich Vilnat der besonderen Erzähltechnik (1971) und Pierre- Alain Métroz der Dialogblematik (1979) widmeten. (François Pannatier, Le problème du déplacement dans Moravagine, roman de Blaise Cendrars,1984; Astrid Olivia Lang, Moravagine de Blaise Cendrars, 1987, Stephen Kyrk Bellstrom, Blaise Cendrars Moravagine: image, theme and symbol, 1976; Pierre-Alain Métroz, Mort lente du dialogue : étude de différents types de dialogue à travers le Colloque sentimental, la Prose du Transsibérien et Moravagine, 1979; Jacques Vilnat, Formes et techniques du récit chez Moravagine de Blaise Cendrars, 1971 u. a.) Doch der mehrfach konstatierte hybride Charakter des Buches, die zahlreichen Verflechtungen mit der zeitgenössischen Kultur- und Ideengeschichte, die oberflächlich romaneske, gleichzeitig die Idee des Romans subvertierende Struktur sowie eine nahezu unübersichtliche Anzahl intertextueller Referenzen und Anspielungen machen das „grand livre malade“ (Flückiger; Leroy: „Le flacon, le djinn et la spirale“, op. cit., 6) zu einem wahrhaftigen „monstre“ (ebd.), das sowohl Abscheu wie auch Faszination, stets jedoch neuerliches Forschungsinteresse hervorzurufen vermag. Die elf Einzelbeiträge des vorliegenden Bandes gliedern sich inhaltlich in drei Teilbereiche: Während sich der erste Teil den monströsen Formen und Erscheinungen des Romans zuwendet (U N MONSTRE , TE DIS - JE ...), beschäftigen sich die Autoren des zweiten Teils (L’E SPRIT D ’ UNE ÉPOQUE , gleichzeitig Titel des ersten Teils des Romans Moravagine selbst) mit verschiedenen zeitgenössischen Vorbildern für die Figur des Moravagine. Der unter dem Titel A PPROCHES ET MESURES stehende letzte Schwerpunkt untersucht verschiedene narrative Modelle und Mythen, die im Roman aufgegriffen und zur Diskussion gestellt werden. Im ersten Beitrag des Buches zeichnet Jean-Carlo Flückiger minutiös die Entstehungsgeschichte des Romans vom ersten Auftauchen der literarischen Figur Moravagines bis zum ihrem Ende und der gleichzeitigen Veröffentlichung ihrer Schrift(en) im Jahr 1926 nach. Der Titel des Ursprungs- und gleichzeitig zum Vorwort der 1956 erschienenen Ausgabe avancierten Texts lautet: „Pro domo IV: Comment j’ai écrit Moravagine. Postface à une réédition future“, erstmalig 1952 in der Gazette des lettres, mithin 26 Jahre nach der ersten Ausgabe des Romans, veröffentlicht. Mit faszinierender Sorgfalt Daten und Indizien zu einem (mehr oder minder! ) Ganzen kompilierend, lässt Flückiger das selbst als monströs zu bezeichnende Beziehungsgeflecht zwischen den frühesten Konzepten des Romans und seiner Erstbzw. definitiven Veröffentlichung sowie den seinem Erscheinen vorgängigen und nachfolgenden Texten, Briefen, Notizen und Modifikationen Revue passieren. Zahlreiche dieser bislang noch unveröffentlichten Dokumente finden sich im Anhang des Bandes (217-240). Als nietzscheanischen Übermenschen, als „surhomme, en accord avec le fond archaïque de toute chose, avec l’ordre souverain qui constitue comme la loi organique de l’univers“ beschreibt Laurence Guyon den Schöpfung und Zerstörung in sich vereinenden Protagonisten Moravagine. Die Idee ist nicht neu, der Roman selbst spricht 293 sie an mehreren Stellen aus, doch zeigt die stets eng am Text arbeitende Verfasserin systematisch auf, wie der vom Willen zur Macht geleitet Moravagine seinen Weg der Freiheit nimmt, um ohne Moral und außerhalb jeglichen Gesetzes zu leben; ein Hyperboräer, der den animalisch-bestialischen, amoralisch-mechanischen neuen Menschen (der Postmoderne? ) ankündigt. Wie bereits der vorangegangene beschäftigt sich auch der folgende Beitrag mit einem im Kontext des zu analysierenden Romans bzw. Autors häufiger anzutreffenden Thema, nämlich mit der Misogynie. Nun aber präsentiert Rennie Yotova keine feministische Lektüre der Misogynie in Moravagine, vielmehr versucht sie deren Selbstzerstörung in der Logik einer écriture aufzuzeigen, die sich in ihrer Befreiung von Moravagine paradoxerweise ihrer femininen Seite annimmt: „Se libérer de Moravagine signifie entre autres assumer la part de féminité de l’écriture. [...] L’écriture se construit à partir de cet oxymore [Moravagines Weiblichkeit gepaart mit Raymonds Väterlichkeit, B. O.] qui la rend androgyne - la main gauche permet un retour à l’origine féminine et une renaissance fracassante.“ (71) Was ist die Antwort des Menschen auf das Leben? Anna Gourdet weiß die Antwort: Moravagine, das Monster (der Differenz), Ursprung, Bindeglied und gleichzeitig Endpunkt der menschlichen Evolution, „[...] cet ‘avorton’ (85), cette ‘fausse-couche’, né avant terme et achevé dans une couveuse, apparaît à la fois créature et créature. Homoncule et démiurge, il condense l’essence de la création. ‘Monstre césarien’, il est la clé de la véritable création: la partition.“ (80) Unter dem Leitmotiv des E SPRIT D ’ UNE ÉPOQUE skizziert Marie-Paule Berranger die kultur- und medizingeschichtliche Situation der „idiotie contemporaine“, als deren Materialisation bzw. Personifizierung sie Moravagine begreift: Der Cendrars’sche Protagonist erweist sich in dieser Lektüre als „unité singulière“ und gleichzeitig „composite“ (vgl. auch den folgenden Beitrag von Christien Le Quellec Cottier, 114), ein Idiot im Sinne Clemens Rossets, eine „immanence brute“, gleichsam indifferent und aus diesem Grunde „apte en cela à refléter l’absence de sens du réel“. (91) Aus der historischen wie auch theoretischen Amalgamierung unterschiedlicher Ansätze zum Phänomen geistiger Devianz entsteht die Figur Moravagines als eine Synthese monumentaler Idiotie, zu keiner Reflexion fähig, ein „noyau résistant d’altérité projeté“. (92) So erscheint Moravagine als Verkörperung der von Tristan Tzara propagierten Indifferenz (103) oder Inkarnation des dadaistischen „non sens“ (Hans Arp) in einer Epoche, die mit aller Gewalt - wie auch im folgenden Beitrag zu lesen - nach wissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten der Devianz sucht. Suchte Berranger nach Indizien und Hinweisen auf Moravagine in der Kulturgeschichte der Idiotie, so präsentiert Christine Le Quellec Cottier mit den in Cendrars Bibliothek gefundenen Schriften Franz Blazeks (Sexualwissenschaft und Sexualbluff der Herren Dr. Magnus Hirschfeld und Dr. Iwan Block, in Berlin, 1911 und Philosophie Golgotha’s [sic], 1906) ein Modell sowohl für den Roman Moravagine wie auch seinen gleichnamigen Protagonisten. Dabei begreift Le Quellec Cottier die von Cendrars’ besorgte Übersetzung der Philosophie Golgotha’s [sic] als „activité de re-création, de création bricolée“, als Genette’schen Hypotext für Cendrars Moravagine. Wie die beiden zuvor besprochenen Artikel konzentriert sich auch Oxana Klophinas Beitrag auf reale Vorbilder, in diesem Fall auf Boris Savinkov alias Ropchine. So scheint es fraglos, dass Cendrars sich an „notre ami, l’assassin“ (Apollinaire) inspiriert bzw. als Projektionsfläche hat, ob er den Autor des 294 Cheval blême tatsächlich persönlich kannte, bleibt nach wie vor unbewiesen. Leider beschäftigt sich die Autorin in der Parallelisierung Savinkov-Ropchine mit Cendrars- Moravagine stellenweise zu intensiv mit dem russischen Terroristen bzw. dessen zweifellos beeindruckender Biographie, die narrativen oder strukturellen Implikationen der aufgezeigten Analogien bleiben dabei zuweilen auf der Strecke. Ähnliches gilt auch für Anouck Capes Darstellung des „fou criminel“ anhand ihrer exemplarischen Darstellung des Falles Joseph Vachers. Auf der Basis der beiden Modelle entwickelt Cape zwei Varianten des neuen „fou criminel“ auf: „Assassin, vagabond, anarchiste, fou, Vacher est l’incarnation même des peurs de son époque. Assasin, vagabond, anarchiste, fou, Moravagine est l’incarnation même de la modernité“ (146) Unter dem Titel A PPROCHE ET MESURES entwirft Michèle Touret ein beeindruckendes Panorama narrativer, motivischer und gattungstheoretischer Verflechtungen Moravagines mit der Populärliteratur, so z. B. mit dem Modell des Helden aus dem historischen Roman: „Si la marque du héros du roman historique est de s’inscrire non seulement dans l’ordre de l’événement historique mais encore dans le mémoire de la postériorité, Moravagine, le héros, en porte les traits inversés alors que la trame de Moravagine, le roman, est bâtie sur le modèle de cette forme.“ (166) Ähnliche Umbzw. Verarbeitungen finden sich auch mit dem Abenteuerroman, dem Feuilletonroman, der Figur des Forschungsreisenden, dem verrückten Wissenschaftler oder dem Phänomen gespalteter Persönlichkeiten wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde, Jean Valjean und Javert oder Faust und Mephistopheles. Gleichwohl ist dieser Beitrag keine Studie über verschiedene Einflüsse oder Quellen, vielmehr geht es um die „notion de modèle comme forme commune et reconnaissable“. (173) So erscheint die Folie der Populärliteratur als Ausgangspunkt für eine „spectaculaire conversion de toutes les valeurs“, die - im Angesicht der Krise des Romans in den 20er Jahren - die Ankunft einer neuen Literatur oder zumindest das „désir d’un roman“ ankündigt, „qui ose s’aventurer dans l’inconnu, dont l’histoire n’est pas démonstration mais ouverture au hasard, leur est commun.“ (177) Ebenso spannend auch die Idee des hinter Moravagine stehenden Erzählers Raymond La Science: Robert Louis Stevenson ... Eine interessante, von der Forschung bislang kaum beachtete Parallele zwischen den Romanen Moravagine und Voyage au bout de la nuit Célines untersucht Régis Tettamanzi. In einem Brief aus dem Jahr 1933 spricht Cendrars die Nähe der beiden Romane selbst an, Céline selbst geht kaum darauf ein. Die Analyse der Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten (Definition der Verrücktheit, der Krieg, die Sanatorien, das Motiv des Doppelgängers etc.) aber bleibt vornehmlich auf motivischer Ebene, die wohl kaum vergleichbare spezifische écriture beider französischer Ausnahmeautoren im wesentlichen unhinterfragt. Einen fast poetischen Abschluss des Bandes schafft Claude Leroys Lektüre der Cendrars’schen Biobibliographie als individuelle Mythographie, die sich aus einer beeindruckenden Verquickung Orions mit Moravagine bzw. mit Cendrars’ ergibt. Dabei bietet Orion Exil für die verlorene rechte Hand und die Gewalt, „dont cette main fut l’instrument et en raison de laquelle elle fut coupée“. (205) Die Dissoziation verweist auf unterschiedliche Funktionalisierungen beider Elemente: „[S]i le chasseur géant assume la frénésie meurtrière de l’autre prédateur, son confrère, c’est pour la porter su un plan mythologique plus général où elle se transfigure.“ (208) 295 Den Band beschließt ein höchst informativer Anhang mit einem von Michèle Touret zusammengestellten Pressedossier zu Moravagine sowie fünf bislang unveröffentlichter Fragmente des gleichen Romans. Die vorliegenden, im ‘Zeichen Moravagines’ stehenden Untersuchungen erwiesen sich als interessant und lehrreich zugleich, wobei die im Rahmen von Sammelbänden nicht immer erzielte relative Ausgeglichenheit der drei thematischen Teilbereiche positiv zu werten ist. Für Cendrarsspezialisten ein must, vermag der Band auch jedem anderen Leser erkenntnisreiche und grundlegende Darstellungen zu Cendrars’ nach wie vor enigmaschem Hybridroman Moravagine zu liefern. Und so versichern die Herausgeber zu Recht: „Quatre-vingts ans après sa parution, lire Moravagine reste une aventure dont - heureusement - aucun lecteur n’est assuré de sortir indemne.“ (11) Beate Ochsner (Konstanz) CLAIRE DAUDIN: DIEU A-T-IL BESOIN DE L’ECRIVAIN? PEGUY, BERNANOS, MAURIAC, PARIS, EDITIONS DU CERF, 2006. 225 S. Den Titel des Buches bildet die Frage (die übrigens von Mauriac formuliert wurde) nach der Notwendigkeit des Schriftstellers für Gott. Hans Jonas stellt in Das Prinzip Verantwortung die Frage anders herum, d.h. nicht vom Transzendentalen, sondern vom Realen ausgehend: „Es ist die Frage, ob wir ohne die Wiederherstellung der Kategorie des Heiligen [...] eine Ethik haben können, die die extremen Kräfte zügeln kann, die wir heute besitzen [...]“.1 Offenkundig haben diese beiden Fragen etwas miteinander zu tun. Die Notwendigkeit einer ethischen Verfassung und Ausrichtung unseres Lebens wird von den wachen Geistern allenthalben verspürt, doch die Orientierungspunkte dafür sind zunehmend abhanden gekommen - den vorerst letzten starken Schub bildete in diesem Verlust-Verlauf die Postmoderne. Wenngleich die drei genannten Autoren im wesentlichen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelebt und geschrieben haben, so war das Problem des Sinnverlusts in der Moderne doch schon ganz und gar das ihre. Sie alle drei haben die „Kategorie des Heiligen“ aus freiem Entschluss, auf der Höhe intellektueller Erfassung der Lage, als Orientierungslinie angenommen. So ist ihnen gemeinsam, dass sie Gott nötig hatten - und dass sie damit wiederum auch das Sinnhafte ihrer intellektuellen und schriftstellerischen Arbeit erkennen und unter Beweis stellen konnten. Claire Daudin, Verfn. der vorliegenden Studie, die bereits bemerkenswerte Arbeiten zu Péguy und Bernanos vorgelegt hat,2 schließt Péguy, Bernanos und Mauriac also zu Recht als Autoren christlichen Bekenntnisses - und daraus folgender Übereinstim- 1 Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt, Suhrkamp, 1984, 57. 2 S. Claire Daudin: De la situation faite à l’écrivain dans le monde moderne. Charles Péguy, Georges Bernanos, Thèse, Université de Paris X, Nanterre, 1995; dies.: Georges Bernanos: Une parole libre, Paris, Desclée de Brouwer, 1998.