eJournals lendemains 37/146-147

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Narr Verlag Tübingen
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2012
37146-147

Die französischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2012. Machtwechsel und Systemwandel

2012
Roland Höhne
ldm37146-1470229
229 Actuelles Roland Höhne Die französischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2012. Machtwechsel und Systemwandel * Präsidentschaftswahlen Kandidaturen Französische Präsidentschaftswahlen sind rechtlich Persönlichkeitswahlen. An ihnen kann jeder französische Staatsbürger teilnehmen, der das passive Wahlrecht besitzt. Für seine Kandidatur benötigt er lediglich die Patronage von 500 öffentlichen Amtsträgern - Parlamentariern, Bürgermeistern -, die seine Bewerbung mit ihrer Unterschrift kautionieren. Dadurch soll die Zahl der Bewerber auf politisch relevante Persönlichkeiten beschränkt werden. In der Praxis führt dies dazu, dass die Präsidentschaftswahl bereits im Vorfeld der Wahlen de facto eine Parteienwahl ist. Die erforderlichen Unterschriften bekommen in der Regel nur Politiker, die von einer Partei oder einer Bewegung präsentiert werden, die auch an der Basis des politischen Systems durch Gewählte verankert ist, den republikanischen Konsens teilt und/ oder über eine wohlgefüllte Wahlkasse verfügt, mit der sich durch „Spenden“ Unterschriften kaufen lassen. Das „Spenden“ allein aber nur begrenzt helfen, bekam die Vorsitzende des Front national, Marine Le Pen zu spüren. Ihre Partei ist zwar die drittstärkste politische Kraft auf der nationalen Ebene, aber nur schwach in der Lokalpolitik verankert. Sie ist daher auf die Patenschaften von Bürgermeistern anderer politischer Richtungen angewiesen. Viele von diesen weigerten sich jedoch, die Bewerbung von M. Le Pen zu patronieren, da sie den Unmut ihrer Wähler bzw. ihrer Parteizentralen fürchteten. M. Le Pen bekam daher nur mit Müh und Not die erforderlichen Patenschaften. Wieviel „Spendengelder“ dabei geflossen sind bzw. noch fließen werden, ist allerdings nicht bekannt. Viele „Kandidaten für die Kandidatur“ scheitern aber auch an mangelndem Rückhalt in der eigenen Partei. So erging es diesmal den ehemaligen Ministern Sarkozys, dem Liberalen (Radical) Jean-Louis Borloo, und dem rechten Zentristen (Nouveau Centre) Hervé Morin, sowie dem letzte Premierminister Chiracs und Gegner Sarkozys, Dominique de Villepin. Ursachen für das Scheitern parteiinterner Bewerbungen können aber auch externe Pressionen sein. So können z.B. Großparteien, die Stimmenverluste ihrer Kandidaten durch Kandidaturen affiner Kleinparteien befürchten, diesen dro- * Grundlage des Artikels bilden Informationen aus Presse, Fernsehen und Internet der Wahlperiode. Einzelnachweise erfolgen für Personen, Zahlenangaben, Wahlergebnisse und wissenschaftliche Arbeiten. 230 Actuelles hen, sie nicht bei den anschließenden Parlamentswahlen zu unterstützten, falls sie auf ihrem Vorhaben beharren. In diesem Fall überlegen sich die betroffenen Parteieliten dreimal, ob sie an ihrem Vorhaben festhalten wollen. Eine andere Methode, unliebsame Kandidaturen zu verhindern, besteht in Absprachen. So kann z.B. eine Großpartei potentielle Kandidaten von Kleinparteien bewegen, auf ihre Kandidatur zu verzichten, indem sie diesen Ministerposten im Falle eines Wahlsieges versprechen. 1 Trotz dieser Mechanismen kandidieren immer wieder Repräsentanten von Klein- und Splitterparteien, um die Möglichkeiten einer Präsidentschaftswahl für die Propagierung ihrer Ideen bzw. für die Förderung ihrer Karriere zu nutzen. So war es auch diesmal. Neben den Repräsentanten der beiden Großparteien UMP und PS, die allein realistische Wahlchancen besaßen, kandidierten auch Vertreter von 4 Kleinparteien sowie von 4 Splitterparteien. Damit belief sich die Anzahl der Kandidaten auf 10. Unter ihnen befanden sich die Repräsentanten der wichtigsten französischen Parteien: Nicolas Sarkozy (UMP), François Hollande (PS), François Bayrou (Modem), Marine Le Pen (FN), Jean-Luc Mélenchon (Front de Gauche), Eva Joly (Les Verts). 2 Der Konservative Nicolas Sarkozy war als amtierender Präsident der „natürliche“ Kandidat der UMP. Der Sozialist François Hollande musste dagegen um seine Kandidatur kämpfen. Obwohl er 11 Jahre lang, von 1997 bis 2008, Vorsitzende der PS war, galt seine Nominierung keineswegs als ausgemacht, hatte er sich doch nicht nur Freunde gemacht. Ihm haftete außerdem der Geruch des Bürokraten und des ewigen Verlierers an. 2007 musste er hinter der Kandidatur seiner Lebensgefährtin Ségolène Royal zurückstecken. 2012 war Dominique Strauss- Kahn haushoher Favorit. Erst dessen Diskreditierung durch eine Sexaffäre in New York gab Hollande eine Chance. In den offenen Vorwahlen seiner Partei konnte er sich gegen zahlreiche Mitbewerber, unter ihnen Martine Aubry, die Tochter des langjährigen EU-Präsidenten Jacques Delors und seine Nachfolgerin an der Parteispitze seit 2008, durchsetzen. Der Zentrist François Bayrou war wie Sarkozy und Hollande ein alter Fahrensmann der französischen Politik. Bereits 2002 kandidierte er bei der Präsidentschaftswahl und erhielt im 1. Wahlgang 6,84%. Sein Ziel war damals, auf dem rechten Zentrum eine Kraft zu schaffen, die den Gaullisten als gleichberechtigter Partner gegenüber treten konnte. Die Gründung der liberal-konservativen Sammelpartei Union pour un Mouvement populaire (UMP) durch Chirac während der Wahlen von 2002, entzog dieser Strategie den Boden. Nun ging Bayrou immer mehr auf Distanz zu den Gaullisten und strebte die Erneuerung der Mitte als eigenständige Kraft zwischen den beiden Großparteien an. Er kandidierte erneut bei der Präsidentschaftswahl 2007 und wurde mit 18,57% Dritter. Das von ihm gegründete Mouvement démocrate (MoDem) erhielt bei den folgenden Parlamentswahlen aber nur 7,61% der Stimmen und verlor anschließend immer mehr an Boden. Trotzdem kandidierte Bayrou erneut bei der Präsidentschaftswahl 2012 mit dem gleichen Ziel wie 2007: die Erneuerung der Mitte als eigenständige Kraft des französischen Parteiensystems. 3 231 Actuelles Die Nationalpopulistin Marine Le Pen, seit Januar 2011 Nachfolgerin ihres Vaters Jean-Marie Le Pen an der Spitze des FN, war wie Sarkozy die „natürliche“ Kandidatin ihrer Partei. Sie hatte sich durch eine Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes des FN erfolgreich um dessen „Entdämonisierung“ bemüht und durch einen offenen Kommunikationsstil ihre Basis in der Partei verbreitert sowie ihr Ansehen in der Öffentlichkeit verbessert. 4 Sie verfolgte jedoch weiterhin die Antisystemstrategie ihres Vaters und hat dessen Fernziel nicht aufgegeben, mittels Wahlen legal an die Macht zu gelangen. 5 Um die Isolation des FN im Parteiensystem zu überwinden, strebte sie jedoch mittelfristig ein Bündnis mit der gemäßigten Rechten an. Als Basis dafür plante sie die Gründung einer breiten nationalen Bewegung, die sich in das Parteiensystem integrieren sollte, ohne auf die nationalistische Kernsubstanz des FN zu verzichten. Vorbild für dieses Konzept bildete die italienische Alleanza Nazionale, die 1994/ 95 aus dem neofaschistischen Movimento sociale italiano (MSI) hervorgegangen war und 2009 mit der Forza Italia und anderen rechten Gruppierungen zum Popolo della libertà fusionierte. 6 Voraussetzung für das Gelingen dieses Planes bildet der Zerfall der UMP. Dieser war jedoch nur nach dem Machtverlust der gemäßigten Rechten zu erwarten. Der lange Weg von Jean-Luc Mélenchon zur Kandidatur begann 2008, als er den PS aus Protest gegen dessen Rechtskurs verließ. Anlass seines Austritts war eine Probeabstimmung um das Parteipräsidium, bei der Ségolène Royal den ersten Platz erreichte. Nach dem Vorbild der deutschen Die Linke gründete er gemeinsam mit anderen sozialistischen Dissidenten, mit Bürgerrechts- und Umweltaktivisten sowie mit Kommunisten im Februar 2009 den Parti de Gauche, dessen Vorsitzender er wurde. 7 Am 8. März 2009 bildete er gemeinsam mit dem PCF, der kleineren Gauche Unitaire und Dissidenten des trotzkistischen Nouveau Parti Anticapitaliste ein Wahlkartell für die Europawahlen 2009 unter dem Namen Front de Gauche. Dieser erhielt 6,05% der Stimmen. 8 Im Januar 2011 erkläre Mélenchon seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2012, die nach einigem Zögern und harten Verhandlungen vom PCF und kleineren linken Gruppierungen sowie linken Persönlichkeiten unterstützt wurde. 9 Die Hoffnungsträgerin der Grünen, die in Norwegen geborene Juristin Eva Joly, konnte ihre Präsidentschaftskandidatur ähnlich wie Hollande im PS bei einem basisdemokratischen Nominierungsverfahren durchsetzen. In der Stichwahl im Juli 2011 schlug sie ihren wichtigsten Konkurrenten, Nicolas Hulot mit 58,5% zu 41,5%. Ihre offizielle Investitur durch Europe Ecologie Les Verts (EELV) erfolgte am 12. Juli 2011. Bekannt geworden war die Richterin durch ihre schonungslose Verfolgung von Korruptionsaffären. Unterstützt wurde ihre Kandidatur auch von dem Mouvement écologiste indépendant (Antoine Waechter) und der Fédération régions et peuple solidaires. 10 232 Actuelles Wahlkampf Angesichts der brennenden wirtschaftlichen Probleme wurde der Wahlkampf von sozioökonomischen Themen beherrscht. Diese wurden von den einzelnen Kandidaten je nach politisch-ideologischer Ausrichtung mit spezifischen Themen verbunden: M. Le Pen mit nationalistischen, N. Sarkozy mit nationalen, F. Hollande mit sozialen, F. Bayrou mit europäischen, E. Joly mit ökologischen etc. Infolge der europäischen Schuldenkrise waren die sozioökonomischen Themen eng mit europäischen Themen verbunden. Andere Themen wie Atomkraft, Umwelt, Einwanderung, Außen- und Sicherheitspolitik spielten dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Sarkozy verteidigte die Bilanz seiner Präsidentschaft, insbesondere seine Sparpolitik und die enge Zusammenarbeit mit Deutschland in der Euroschuldenkrise. Nur eine Sanierung der Staatsfinanzen durch drastische Kürzungen der Staatsausgaben schaffe die Voraussetzungen für Wachstum, wie die Entwicklung in Deutschland zeige. Um eine Abwanderung national orientierter Wähler der Unter- und Mittelschichten, die 2007 für ihn gestimmt hatten, zur FN-Kandidatin Marine Le Pen zu verhindern, forderte er aber auch Maßnahmen gegen die Delokalisierung, die Kontrolle der Einwanderung, die Wertschätzung der Arbeit und die Garantie der öffentlichen Sicherheit. Er appellierte dabei an die nationalen Gefühle und Ängste der Wähler François Hollande kritisierte dagegen heftig die Sparpolitik Sarkozys. Die Wettbewerbsfähigkeit sei gesunken, die Arbeitslosigkeit sei gestiegen, die Staatsverschuldung habe sich erhöht. Als Alternative propagierte er ein Wachstums- und Beschäftigungsprogramm durch vermehrte Staatsausgaben, Verstärkung des Justiz- und Bildungspersonals und Fördermaßnahmen für die mittelständische Wirtschaft. So wollte er 150 000 staatlich finanzierte Stellen für Berufseinsteiger schaffen, 60 000 Lehrern, Psychologen und Krankenschwestern im Bildungswesen und 5000 zusätzliche Beamte in der Justiz, der Polizei und der Gendarmerie einstellen und eine öffentliche Investitionsbank für die mittelständische Wirtschaft gründen. Das Renteneintrittsalter sollte teilweise wieder auf 60 Jahre gesenkt, ein Generationenvertrag zwischen jungen und älteren Arbeitnehmern geschlossen werden. Zur Finanzierung seines Programms wollte er u.a. die Einkommenssteuer für Spitzenverdiener erhöhen, eine Vermögenssteuer für Reiche einführen und den europäischen Fiskalpakt neu verhandeln. Zur Stabilisierung des europäischen Währungssystems forderte er Eurobonds sowie eine direkte Kreditvergabe der Europäischen Zentralbank nicht nur an Banken, sondern auch an Staaten. Grundlegende Strukturreformen waren in seinem Programm dagegen nicht vorgesehen. Er wollte aber gleichzeitig auch durch Einsparungen langfristig den Haushalt sanieren. Die Aufnahme einer „Schuldenbremse“ in die Verfassung wie in Deutschland lehnte er dagegen ab. Der Staat dürfe sich in der Haushaltspolitik nicht selbst die Hände binden. In der Nuklearpolitik hielt er sich dagegen zurück. Er befürwortete zwar langfristig eine Reduzierung der Zahl der Atomreaktoren, war aber gegen einen Ausstieg aus der Atomenergie nach deutschem Vorbild. So wollte er zwar das 233 Actuelles überalterte Kernkraftwerk Fessenheim im Elsass schließen, den Bau des ERP- Reaktors der dritten Generation in Flamanville aber zu Ende führen. Von dem von seiner Nachfolgerin an der Parteispitze des PS, Martine Aubry, ausgehandelten Wahlpakt mit den Grünen distanzierte er sich so in diesem Punkt deutlich. Die FN-Kandidatin M. Le Pen verband die traditionellen Themen des FN - Einwanderung, Sicherheit, Identität, Souveränität - mit antieuropäischen, antikapitalistischen und antimondialistischen Argumenten. So kritisierte sie die Finanzmärkte, die Großbanken, die Globalisierung, die europäische Integration und den Euro und forderte einen Austritt aus der europäischen Währungsunion, die Wiedereinführung der Zollaußengrenzen und der Grenzkontrollen, eine Reindustrialisierung Frankreichs und einen Schutz der einheimischen Arbeitskräfte (nationale Präferenz). Wie der Rückzug auf den Nationalstaat in einer globalisierten Welt funktionieren soll, verriet sie nicht. F. Bayrou präsentierte sich als Alternative sowohl zu Sarkozy als auch zu Hollande und betonte vor allem soziale und europäische Themen. In der Euroschuldenkrise setzte er sich wie die deutsche Kanzlerin für massive Staatshilfen ein, forderte aber gleichzeitig ihre europäische Vergemeinschaftung. Eva Joly insistierte vor allem auf dem Kernenergiethema und wollte den Franzosen mit protestantischem Glaubenseifer skandinavische Lebens- und Politikweisen nahebringen. Als Ausdruck ihrer grünen Gesinnung trug sie bei ihren Wahlkampfauftritten als Alleinstellungsmerkmal eine grüne Brille, was nicht alle Wähler zu schätzten wussten. 1. Wahlgang Nach dem 1. Wahlgang lag F. Hollande mit 28,63% vorne, Sarkozy mit 27,18% nur auf Platz zwei. In der Geschichte der V. Republik war dies eine Premiere. Bis dahin konnten alle amtierenden Präsidenten den ersten Platz belegen. Giscard d’Estaing unterlag zwar 1981 in der anschließenden Stichwahl seinem Herausforderer François Mitterrand, besaß nach dem 1. Wahlgang aber immerhin noch einen Vorsprung von 3,47%.11 Sarkozy konnte sich aber als zweiter wie erwartet für die Stichwahl qualifizieren. Den dritten Platz belegte M. Le Pen mit fast 18%. Ihre populistische Wahlstrategie hatte sich ausgezahlt. Ihr gelang es, ihr Wählerspektrum zu erweitern und vor allem junge Wähler anzusprechen. Sie erreichte zwar nicht den Einzug in das Finale wie 2002 ihr Vater, aber ihr Stimmenanteil lag um einen Prozentpunkt über dessen Ergebnis. So konnte sie ihre Position sowohl in ihrer Partei als auch im Parteiensystem festigen. Jean-Luc Mélenchon erzielte mit gut 11% einen Achtungserfolg, 9,17% mehr als die kommunistische Kandidatin von 2007, Marie-George Buffet (1,97%) und belegte damit den vierten Platz. Diesen verdankte er vor allem seinem rhetorischen Talent und seiner sozialistischen Programmatik. In seinen Wahlkampfreden berief er sich auf das revolutionäre Erbe der Jakobiner und der Pariser Kommune, um 234 Actuelles seine sozialistischen Forderungen zu legitimieren. Damit stieß er auf ein positives Echo bei Globalisierungsopfern, die noch immer ihre Hoffnungen auf ein besseres Leben auf eine sozialistische Alternative setzten. Ohne die intakte Organisationsstruktur des PCF hätte er diese jedoch kaum erreicht. Sein Erfolg war damit auch ein Erfolg des PCF, den viele schon abgeschrieben hatten. Der Zentrist François Bayrou konnte diesmal nur etwas über 9% der Stimmen gewinnen, gut die Hälfte weniger als 2007 (18,57%). Die Hoffnungen vieler Wähler auf eine liberal-demokratische Alternative zur konservativen Rechten war verflogen. Wer Sarkozy nicht mehr wollte, stimmte gleich für die linken Kandidaten. Bayrous Misserfolg zerstörte seine Hoffnung, die Mitte um sich sammeln zu können, falls nach den Wahlen die UMP zerfallen sollte.12 Die Hoffnungskandidatin der Grünen, Eva Joly, landete mit 2,31% weit abgeschlagen auf dem sechsten Platz. Die Dominanz sozioökonomischer Probleme und die Radikalität ihrer Forderungen in der Energiepolitik wurden ihr zum Verhängnis. Gerade in der Krise setzt die Mehrheit der Franzosen auf Atomstrom. Ihr säkularisierter protestantischer Glaubenseifer tat sein übriges. Für diesen zeigten sich die französischen Wähler wenig empfänglich. Da half auch die grüne Brille wenig, die sie demonstrativ bei ihren Wahlkampfauftritten trug. Mit einem anderen Kandidaten, Hulot, Mamère oder Cohn-Bendit, hätten die Grünen sicherlich mehr Erfolg gehabt. Hulot aber konnte sich in den Vorwahlen nicht durchsetzen, Mamère hielt sich zurück und Cohn-Bendit stand als deutscher Staatsbürger nicht zur Verfügung. Ergebnis des 1. Wahlgang: 22. April 2012 Wahlberechtigte: 46 028 542 (100%) Wahlbeteiligung: 36 584 399 (79,48%) Gültige Stimmen: 35 883 209 (77,96%) Quelle: Französisches Innenministerium http: / / www.interieur.gouv.fr/ sections/ a_votre_service/ resultats-elections/ PR2012/ FE.html 25.04.2012 Kandidaten Parteien/ Bewegungen Stimmen Prozente François Hollande Parti Socialiste (PS) 10 272 705 28,63 Nicolas Sarkozy Union pour un Mouvement populaire (UMP) 9 753 629 27,18 Marine Le Pen Front national (FN) 8 421 426 17,90 Jean-Luc Mélenchon Front de gauche 3 984 822 11,10 François Bayrou Mouvement démocratique 3 275 122 9,13 Eva Joly Europe-Ecologie-Les Verts 828 345 2,31 Nicolas Dupont-Aignan Debout La République 643 907 1,79 Philippe Poutou Nouveau Parti anticapitaliste (NPA) 411 160 1,15 Nathalie Arthaud Lutte Ouvrière (LO) 202 548 0,56 Jacques Cheminade Solidarité et Progrès 89 545 0,25 235 Actuelles Die Wahlbeteiligung lag mit 79,47% sehr hoch. Dies zeigt erneut, dass die französischen Wähler die Präsidentschaftswahl für die wichtigste nationale Wahl halten, obwohl dies theoretisch die Legislativwahlen sind, da ein Präsident ohne parlamentarische Mehrheit nicht regieren kann. 13 Nach dem ersten Wahlgang standen die französischen Wähler vor einer für das französische Parteiensystem typischen Richtungsentscheidung zwischen rechts und links, d.h. zwischen zwei nach wie vor gegensätzlichen Wirtschafts- und Gesellschaftskonzeptionen. 14 Dies spiegelte sich in den Wahlkampfdiskursen wider. F. Hollande erklärte, er wolle Europa neu ausrichten und zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen. Sarkozy verteidigte dagegen seine Sparpolitik und warnte vor den Plänen seines Gegners. Ihre Verwirklichung würde die französische Wirtschaft ruinieren, die deutsch-französischen Beziehungen schwer belasten und die Stellung Frankreichs in der Welt schwächen. Der Linkssozialist Mélanchon und die Grüne Joly forderten ihre Wähler auf, in der Stichwahl ihre Stimme Hollande zu geben, der Zentrist Bayrou erklärte nach einigem Zögern, er werde persönlich für Hollande stimmen. Die Vorsitzende des FN, Marine Le Pen, gab dagegen keine Wahlempfehlung ab. Auf der traditionellen Jeanne d’Arc-Gedächtnisveranstaltung des FN am 1. Mai in Paris wiederholte sie ihre These, Hollande und Sarkozy repräsentierten beide das System, das es zu stürzen gelte. Eine Unterstützung von einem der beiden Kandidaten komme daher nicht in Frage. Durch diese Erklärung wollte sie die Eigenständigkeit ihrer Partei demonstrieren und gleichzeitig eine Wiederwahl Sarkozys verhindern in der Hoffnung, dessen Niederlage werde die von ihr angestrebte Reorganisation der Rechten begünstigen. Ihr Kalkül ist teilweise aufgegangen. Nach ersten Untersuchungen stimmten etwa nur ein Drittel der sechseinhalb Millionen Le-Pen-Wähler für Sarkozy, 18% für Hollande und 45% enthielten sich der Stimme. Dies dürfte erheblich zur Niederlage Sarkozys beigetragen haben. 2. Wahlgang In der Stichwahl des 2. Wahlgangs vom 6. Mai 2012 konnte sich F. Hollande gegen Nicolas Sarkozy mit 51,64% klar durchsetzen. Damit hat er geschafft, was bis dahin nur François Mitterrand 1981 und 1988 gelungen war, die Wahl eines Sozialisten zum Staatspräsidenten. Sarkozy ist dagegen nach Valéry Giscard d’Estaing 1981 der zweite amtierende Präsident der V. Republik, der bei seinem Versuch der Wiederwahl scheiterte. 236 Actuelles Ergebnis des 2. Wahlgangs vom 6. Mai 2012 Wahlberechtigte: 46 066 307 (80,35%) Wahlbeteiligung: 37 016 309 (80,39%) Ungültige Stimmen: 2 154 956 (4,68%) Quelle: Französisches Innenministerium http: / / www.interieur.gouv.fr/ sections/ a_votre_service/ resultats-elections/ PR2012/ FE.html Ursachen des Wahlausgangs Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Sarkozy versucht, seine politische Basis durch die Einbindung von Linken zu erweitern. Er machte einige Ex-PS-Mitgliedern zu Ministern, Staatssekretären bzw. Hochkommissaren (Bernard Kouchner, Eric Besson, Jean-Pierre Joyet, Martin Hirsch) oder betraute sie mit der Leitung von Kommissionen, überließ einem Sozialisten die Leitung des Finanzausschusses der Nationalversammlung, berief einen Sozialisten in den Verfassungsrat, übertrug einem Sozialisten die Leitung des Rechnungshofes und engagierte sich für die Wahl eines Sozialisten an die Spitze des Weltwährungsfonds. Die Masse der PS-Wähler und - Sympathisanten ließ sich dadurch jedoch nicht gewinnen. Seine Einbindungspolitik scheiterte daher. Seine neo-liberale Wende vertiefte den Graben. Davon betroffen waren vor allem die Arbeitnehmer und die Mittelschichten. Entsprechend groß war die Unzufriedenheit unter ihnen. Der sozioökonomische Rechts-Linksgegensatz gewann wieder an Schärfe. Verstärkt wurde er durch einen kulturellen Gegensatz. Um der wachsenden Konkurrenz des Front national zu begegnen, rückte Sarkozy nach rechts und besetzte einige Themen der Rechten, so etwa in der Einwanderungspolitik. Seinen sinnfälligen Ausdruck fand diese Rechtswendung in den Diskursen und Symbolen. Sarkozy beschwor die nationale Geschichte und nationalen Traditionen, die Größe und die „Botschaft“ (früher Mission) Frankreichs, forderte ein Mitspracherecht bei der Regelung aller internationalen Probleme und schmückte seine Wahlveranstaltungen ausgiebig mit der Trikolore. Die weltanschaulichen und programmatischen Gegensätze zu den Nationalisten blieben, wurden aber politisch unscharf. Während M. Le Pen einen Stop der nichteuropäischen Masseneinwanderung forderte, verlangte Sarkozy ihre Kanalisierung und Kontrolle. M. Le Pen erklärte den Islam für unvereinbar mit der französischen Kultur, Sarkozy wollte ihn fest in die französische Gesellschaft integrieren. Aus einem „islam en France“ sollte ein „islam de France“ werden. Statt Islamophobie Gallikanismus. Um die islamischen Gemeinden von ausländischen Geldgebern unabhängig zu machen, befürwortete Sarkozy staatliche Finanzhilfen für den Mo- Kandidaten Stimmen Prozente François Hollande 18 000 668 51,64 Nicolas Sarkozy 16 860 685 48,36 237 Actuelles scheebau. M. Le Pen aber beschwor den Laizismus, um dies zu verhindern. „Nous sommes les vrais Républicains“, verkündete die Nationalistin, „Vous êtes la France éternelle“ rief der Konservative seinen Anhängern zu. Nicolas Sarkozy hatte im Wahlkampf 2007 versprochen, Frankreich grundlegend zu reformieren. Er wollte den Arbeitsmarkt liberalisieren, die Steuern senken, die Bürokratie verschlanken. Nach seiner Wahl nahm er viele Dinge in Angriff, vollendete aber nur wenige. Er erhöhte das Renteneintrittsalter von 60 auf 62 Jahre, strich über 100 000 Stellen im öffentlichen Dienst, reformierte das Justizwesen, die Lehrerausbildung, die Universitätslandschaft, schloss die IUFM-Institute und führte die französischen Streitkräfte in die integrierten NATO-Strukturen zurück. Trotz aller Reformaktivitäten gelang es ihm jedoch nicht, den während der Präsidentschaft Chiracs (1995-2007) entstandenen Reformstau zu überwinden. Die gesellschaftlichen Widerstände waren größer als seine politische Durchsetzungsfähigkeit. Frankreich wurde daher durch die weltweite Finanz- und Bankenkrise sowie die europäische Schuldenkrise weit stärker getroffen als Deutschland. Sarkozy konnte zwar einen Zusammenbruch des französischen Bankensystems durch massive Staatshilfen verhindern, vermehrte damit aber gefährlich die bereits hohen Staatsschulden. Die lahmende Wirtschaft versuchte er zunächst mit Hilfe staatlicher Konjunkturprogramme zu beleben, belastete damit aber lediglich die Staatsfinanzen. Schließlich schwenkte er wie die deutsche Bundesregierung auf einen Sparkurs ein und wollte auch eine „Schuldenbremse“ nach deutschem Vorbild in der Verfassung verankern, scheiterte aber am Widerstand des Senats, in dem inzwischen die Linke die Mehrheit hatte. Die wirtschaftliche und soziale Bilanz seiner Amtszeit war daher insgesamt negativ. Die öffentliche Finanzlage verschlechterte sich, die Staatsschulden wuchsen, die internationale Kreditwürdigkeit nahm ab, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit ließ nach, die Arbeitslosigkeit, insbesondere unter Jugendlichen, nahm zu, die Präkarität der Arbeitsverhältnisse verstärkte sich, die Inflation stieg und mit ihr die Lebenshaltungskosten. Wer mehr arbeitete, verdiente zwar mehr, hatte aber am Ende weniger. Gerade Arbeitnehmer, die ihn gewählt hatten, waren enttäuscht. Verstärkt wurde sein Popularitätsverlust durch seinen sprunghaften Regierungsstil und sein skandalträchtiges Privatleben. Er spielte Hans Dampf in allen Gassen, war überall und nirgends, stellte alles Bestehende in Frage, veränderte aber wenig, verletzte alle Konventionen, verlangte für sich aber Respekt. Seine Privataffären - erst Cecilia, dann Carla und kein Ende - füllten die Klatschspalten der Massenpresse, sein Nepotismus erregte die Öffentlichkeit. Selbst seinen treusten Anhängern fiel es am Ende schwer, ihn noch ernst zu nehmen. Seine außenpolitischen Prestigeerfolge halfen ihm da wenig, zumal er sie mit einem hohen Preis bezahlte. Erst ließ er für den libyschen Diktator Ghaddafi im Elyséepalast den roten Teppich ausrollen, dann betrieb er aktiv seinen Sturz. Der syrischen Alleinherrscher Assad durfte bei der traditionellen Militärparade des 14. Juli neben ihm auf der Ehrentribüne sitzen und fiel erst in Acht und Bann, als auch er seine Gegner zusammenschießen ließ. Die feierlich in Paris aus der Taufe geho- 238 Actuelles bene „Union für das Mittelmeer“ wurde zum Flop, da ihr jegliche Substanz fehlte. Die Umwälzungen in der arabischen Welt, insbesondere in Nordafrika, hatte er nicht kommen sehen und deshalb zu lange die dortigen Machthaber unterstützt. Als er seinen Fehler bemerkte, wechselte er schnell die Pferde und machte sich zum Vorkämpfer der arabischen Freiheit. Für Tunesien kam die Kehrtwende zu spät, denn dort hatte die Bevölkerung bereits Ben Ali davongejagt. In Ägypten aber war er rechtzeitig zur Stelle, als sein Freund Mubarak die Macht verlor. Allerdings bedurfte auch dort niemand seiner Hilfe. Die einst von de Gaulle aus der Taufe gehobene „arabische Politik“ erwies sich erneut als Phantomgebilde. Wahre Erfolge konnte er lediglich in der Europapolitik erzielen. Bereits zu Beginn seiner Amtszeit gelang es ihm, Frankreich aus der europapolitischen Isolierung herauszuführen, in die es durch den negativen Ausgang des europäischen Verfassungsreferendums geraten war, indem er den Lissabonner Vertrag parlamentarisch ratifizieren ließ. Als europäischer Ratspräsident trieb er die europäische Zusammenarbeit im Rahmen des Lissabonner Vertrages voran und vermittelte im russisch-georgischen Krieg 2008 erfolgreich zwischen den Konfliktparteien. Während der Eurokrise betrieb er gemeinsam mit der deutschen Bundeskanzlerin ein aktives Krisenmanagement und setzte durch, dass die Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Eurozone zu einer dauerhaften Einrichtung wurden. Allerdings teilte er den deutschen Irrtum, dass sich die Eurokrise allein monetär durch eine rigorose Sparpolitik überwinden ließe. Entscheidend für seine Niederlage war aber neben seinem starken Popularitätsverlust seine Isolation im Parteiensystem. Alle seine Mitbewerber führten ihren Wahlkampf gegen ihn. Keiner sprach sich nach dem ersten Wahlgang für ihn aus, auch nicht der Zentrist Bayrou. Sarkozy war daher auf sich selbst angewiesen. Die von ihm repräsentierte nationale und liberalkonservative Rechte ist aber allein nicht mehrheitsfähig. In der Vergangenheit war sie daher im 2. Wahlgang der Präsidentschaftswahlen und bei der parlamentarischen Mehrheitsbildung stets auf die Unterstützung des Zentrums angewiesen. Diese aber hat sie seit der zweiten Amtszeit Chiracs 2002-2007 weitgehend verloren. 15 Neue Verbündete hat sie nicht gefunden. Eine Zusammenarbeit mit dem Front national aber ist nicht möglich. Beide Hauptströmungen der Rechten trennt nach wie vor ein tiefer Graben. Sein Herausforderer, François Hollande, machte dagegen einen seriösen, kompetenten Eindruck. Sein Wahlkampf war ganz auf die Bedürfnisse und Erwartungen der abhängig Beschäftigten in Wirtschaft und Staatsdienst ausgerichtet. Da er nie an der Macht war, musste er auch keine Regierungsbilanz verteidigen, sondern konnte sich ganz auf Kritik und Versprechungen konzentrieren. Dies überzeugte die Wähler mehr als Sarkozys weitere Reformankündigungen. Ob er allerdings seine Versprechungen halten kann, ist eine andere Frage. 239 Actuelles Folgen Mit dem Wahlsieg Hollandes steht nun nach Mitterrand (1981-1995) abermals ein Sozialist an der Spitze des französischen Staates. Beide unterscheiden sich aber durch Sozialisation und Lebensweg erheblich. Mitterrand kam aus einem nationalkatholischen Milieu, diente während der Besatzungszeit zunächst dem Regime von Vichy, ehe er sich der Widerstandsbewegung anschloss und allmählich nach links wanderte, bis er sich bei den Sozialisten engagierte. Hollande, 1955 in Rouen geboren, wuchs in einem bürgerlichen Milieu auf und besuchte das dortige Gymnasium. Sein Vater war Arzt und rechts, seine Mutter Sozialarbeiterin und links. Entscheidend für seine politische Prägung dürfte jedoch sein Studium an den Pariser Elitehochschulen Sciences Politiques, HEC und ENA gewesen sein. Er begeisterte sich für den Sozialismus wie viele junge Intellektuelle seiner Generation und wurde Mitglied der Sozialistischen Partei PS. Dort war er ein Gefolgsmann Mitterrands. Nach dessen Wahlsieg 1981 arbeitete er innerhalb des Regierungsapparats auf mehreren Posten und lernte so dessen Funktionsweise von innen kennen. Ab 1988 begann er auch eine parlamentarische Karriere als Abgeordneter eines Wahlkreises im Département Corrèze, den er mit Ausnahme der Jahre 1993-1997 bis 2012 vertrat. Im Gegensatz zu seiner Lebensgefährtin Ségolène Royal drang er jedoch nicht in das Zentrum der Macht vor und sammelte so keine selbständigen exekutiven Erfahrungen. Statt dessen übernahm er 1997 von Lionel Jospin die Führung der Sozialistischen Partei. Elf Jahre lang gelang es ihm mit viel Geduld und Geschick, die Partei zusammenzuhalten. Dies war nur durch Kompromisse möglich. Der Preis dafür war der Verzicht auf grundlegende programmatische Neuerungen. Während Tony Blair mit „New Labour“ und Gerhard Schröder mit der „Agenda 2010“ neue Wege ausprobierten, verharrten die französischen Sozialisten in der Gedankenwelt der Mitterrand-Jahre. Als er 2008 den Parteivorsitz abgab, wirkte die Partei erstarrt. 16 Auch die Situationen von 1981 und 2012 unterscheiden sich grundlegend. Heute geht es nicht um „den Bruch mit dem Kapitalismus“, sondern um die Bewältigung der europäischen Schulden- und Bankenkrise. Angesichts der internationalen Machtverhältnisse auf den Finanzmärkten wird dies nur durch eine Anpassung an die Bedingungen der Globalisierung gelingen. Das wird ohne einschneidende Reformen nicht gehen. Hoffen wir, dass es Hollande gelingt, diese sozialverträglich zu gestalten und die Lasten einigermaßen gerecht zu verteilen. Dank des Erfolges der Sozialisten und ihrer Verbündeten bei den Legislativwahlen verfügt er dafür über eine breite parlamentarische Mehrheit. Legislativwahlen Infolge der Neuordnung des Wahlkalenders 2000/ 01 17 finden seit 2002 die Legislativwahlen im Anschluss an die Präsidentschaftswahl statt, um so möglichst 240 Actuelles gleichgerichtete Mehrheiten bei beiden Wahlen zu erzielen und damit eine erneute Kohabitation zu vermeiden. Da der zeitliche Abstand zwischen beiden Wahlen lediglich fünf bzw. sechs Wochen beträgt, verändert sich der Wählertrend nicht wesentlich. Seit 2002 entsprechen daher die Ergebnisse von Legislativwahlen weitgehend denen der ihnen vorausgehenden Präsidentschaftswahl. Da sich jedoch Gegenstand, Angebot und Modi beider Wahltypen erheblich unterscheiden, verfolgen die Parteien auch unterschiedliche Wahl- und Bündnisstrategien, denen sie ihre Wahlkampfdiskurse anpassen. Die Sozialisten wollten eine sichere Mehrheit für ihren neugewählten Präsidenten. Sie hatten bereits vor den Wahlen Wahlbündnisse mit den Linksliberalen (Radicaux de Gauche), den Linksrepublikanern (Mouvement républicain et citoyen), den Grünen (Europe Ecologie les Verts) und einigen unabhängigen linken Kandidaten geschlossen. Diese wurden nun durch Wahlabsprachen konkretisiert. Keine Wahlhilfe gab es für die Linksfront (Front de gauche) und die Zentristen (Centre pour la France). In ihrem Wahlkampf betonten sie vor allem soziale und wirtschaftliche Themen: Beschäftigung, soziale Gerechtigkeit, Wachstum. Europapolitisch kritisierten sie die deutsche Haltung in der Eurokrise und forderten eine Neuverhandlung des europäischen Fiskalpakts. Die Wahlstrategie der UMP zielte darauf ab, den erwarteten Stimmen- und Mandatsverlust in Grenzen zu halten und eine absolute Mehrheit der Sozialisten zu verhindern. Sie bekräftigte deshalb die Wahlabsprachen, die sie bereits im Januar des Jahres mit den rechten Zentristen des Nouveau Centre 18 getroffen hatte. Ferner verzichtete sie auf die Aufstellung von Kandidaten in den Wahlkreisen, in denen mit ihrer Zustimmung die Abgeordneten der République solidaire, 19 des Parti chrétien-démocrate 20 sowie des Parti radical kandidierten. 21 Wahlabsprachen oder gar ein Wahlbündnis mit dem Front national lehnte sie weiterhin strikt ab. In ihren Wahlkampfdiskursen verteidigten die Konservativen die Bilanz ihrer Regierungszeit und kritisierten vor allem die wirtschaftliche Programmatik der Sozialisten sowie ihre Haltung in der Euroschuldenkrise. Ein sozialistischer Wahlsieg werde zu drastischen Steuererhöhungen für die Mittelschichten, zu einem Ruin der französischen Wirtschaft und zu einer nachhaltigen deutsch-französischen Entfremdung führen. 22 Nach ihrem Höhenflug bei den Präsidentschaftswahlen wollte die FN-Chefin Marine Le Pen einen starken Stimmeneinbruch wie bei den Legislativwahlen 2002 und 2007 vermeiden. Sie führte daher einen aggressiven Wahlkampf und verfolgte eine rechte Sammlungsstrategie. Sie gründete in bewusster sprachlicher Anlehnung an das gaullistische „Rassemblement du Peuple français“ der IV. Republik das „Rassemblement bleu marine“, um vor allem national orientierte UMP-Wähler zu gewinnen. Dessen Anziehungskraft war jedoch gering. Von seinen 572 Kandidaten waren lediglich 8% keine FN-Mitglieder. 23 Ihre Wahlkampfdiskurse richteten sich sowohl gegen die Konservativen (UMP) als auch gegen die Sozialisten (PS). Beide seien Träger des „Systems“ und unterschieden sich in ihrer Programmatik nicht wesentlich. In Einzelfällen war sie jedoch bereit, „patriotische UMP-Kandida- 241 Actuelles ten“ zu unterstützten, um das nationale Lager zu stärken und die Erfolgsaussichten der Sozialisten zu schwächen. 24 Ihr persönlicher Hauptgegner aber bildete wie bereits bei der Präsidentschaftswahl J.-L. Mélanchon, der in „ihrem“ Wahlkreis kandidierte und zur Bildung einer republikanischen Einheitsfront gegen den FN aufgerufen hatte. Dadurch erhielt der Kampf gegen das „System“ eine persönliche Note. Als Alternative zu den Programmen der „Regierungsparteien“ 25 propagierte sie wieder eine etatistische Wirtschafts- und Sozialpolitik, einen Rückzug aus der europäischen Währungsunion, eine Wiedereinführung nationaler Grenzkontrollen, die Eindämmung der nichteuropäischen Einwanderung und des Islam sowie die Verteidigung der christlich-abendländischen Identität Frankreichs. Im Gegensatz zu ihrem Vater war sie um Seriosität bemüht und gab sich staatstragend. Die zahlreichen FN-Kandidaten eiferten ihr nach. Die Zeiten des extremistischen Rowdytums in Springerstiefeln sind vorbei. 26 Im Schatten der beiden Großparteien führten Zentristen, Grüne und Linksfront ihren Wahlkampf mit den gleichen Themen wie ihre Kandidaten während der Präsidentschaftswahl. Während die Grünen aufgrund ihres Abkommens mit den Sozialisten auf deren Schützenhilfe rechnen konnten, mussten Zentristen und Linke allein antreten. Nach seinem Misserfolg bei der Präsidentschaftswahl gründete daher F. Bayrou am 10. Mai den „Centre pour la France“ als Sammelbecken der liberaldemokratischen Kräfte der Mitte. Dieser stellte 400 Kandidaten auf. Er unterstützte ebenfalls einige Kandidaten des Nouveau Centre, der Alliance centriste, des Parti radical, des Parti radical de gauche und sozialistische Dissidenten entsprechend dem jeweiligen lokalen Kontext, d.h. Gruppierungen und Einzelkandidaten der rechten und linken Mitte, die nicht (mehr) mit der Hilfe der Großparteien rechnen konnten. Ziel der Operation war es, sich als eigenständige Kraft zwischen der Rechten und der Linken zu behaupten und weiterhin parlamentarisch vertreten zu sein. Auch die Grünen bemühten sich um eine Ausweitung ihrer Wählerbasis. Sie trafen Wahlabsprachen mit dem Mouvement écologiste independant, 27 das ihre Präsidentschaftskandidatin, Eva Joly unterstützt hatte, obwohl es ihre individualistisch-universalistischen Positionen nicht teilte. Von seinen 80 Kandidaten wurden 20 von die Grünen unterstützt, 45 kandidierten in Wahlkreisen, in denen die Grünen keine Kandidaten aufgestellt hatten und 15 konkurrierten mangels lokaler Absprachen mit den Grünen. Sein Gründer und Spitzenkandidat, Antoine Waechter, hatte sich zwischen beiden Wahlgängen der Präsidentschaftswahl für die Wahl Hollandes ausgesprochen. Er wurde daher auch von den Sozialisten unterstützt und damit in die präsidentielle Mehrheit eingebunden. Aufgrund der schwachen Position der Sozialisten und als Ökologist in seinem Wahlkreis Mühlhausen (Haut Rhin, 3. Circonscription) war er jedoch chancenlos. 28 Die Linksfront stellte 547 Kandidaten auf und war damit in fast allen Wahlkreisen vertreten. Von diesen waren rund 70% Kommunisten, 20% Linkssozialisten und der Rest Kandidaten der Zivilgesellschaft oder unabhängige Linke. Unterstützt wurden die Kandidaten vom Parti communiste français, dem Parti de gauche, der Gauche unitaire und kleineren linken Gruppierungen. Ihre Wahlkampfstrategie 242 Actuelles richtete sich gegen die beiden „Regierungsparteien“ PS und UMP, insbesondere aber gegen den FN. Um dessen Erfolg zu verhindern, rief Jean-Luc Mélanchon zur Bildung einer „Front gegen die Front“ (Front contre le front) auf und kandidierte im 11. Wahlkreis des Pas-de-Calais gegen die FN-Chefin M. Le Pen. 29 1. Wahlgang Sieger des 1. Wahlgangs wurden die Sozialisten (PS) mit 29,35% der Stimmen. Gemeinsam mit den Linksliberalen, den Grünen und den Verschiedenen Linken kamen sie auf fast 40%. Verlierer waren dagegen die Konservativen (UMP) mit nur 27,12%. Zusammen mit dem Nouveau Centre, dem Parti radical, der Alliance centriste und den Kandidaten der Divers droite erhielten sie 34,67%. Die Stimmendifferenz zwischen der gemäßigten Linken und der gemäßigten Rechten betrug damit gut 5%. Die unabhängigen Zentristen (Centre pour la France) mussten sich mit 1,77% begnügen. Eine Überraschung bildete das gute Abschneiden des Front national. Er konnte diesmal den sonst üblichen Stimmeneinbruch nach Präsidentschaftswahlen vermeiden und mit fast 13,6% der Stimmen sein bisher bestes Ergebnis bei Parlamentswahlen erzielen. Hinter den Sozialisten und Konservativen belegte er damit den dritten Platz wie seine Kandidatin bei der Präsidentschaftswahl. In fünf Wahlkreisen lagen seine Kandidaten sogar an der Spitze, in mehreren Wahlkreisen schnitten sie besser ab als die Konservativen. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass sich seine Anhängerschaft verfestigt hat. Diese begreift sich mehr und mehr als ein eigenes Lager. Die „Entdämonisierungsstrategie“ der neuen Vorsitzenden hat sich ausgezahlt. Trotzdem konnten sich infolge der niedrigen Wahlbeteiligung nur 61 FN-Kandidaten für den 2. Wahlgang qualifizieren. 60 davon hielten ihre Kandidatur aufrecht. Dadurch schadeten sie vor allem konservativen Kandidaten, wie sich zeigen sollte. 30 Die Linksfront belegte nur den vierten Platz. Mit 6,91% der Stimmen erzielte sie jedoch ein wesentlich besseres Ergebnis als 2007 die Kommunisten mit 2,62% erzielt hatten. Von ihren 547 Kandidaten erreichten 22 die nächste Wahlrunde. Ihr Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon war jedoch nicht unter ihnen. Im 11. Wahlkreis des Département Pas-de-Calais gewann er zwar 21,48% der Stimmen und wurde damit hinter M. Le Pen (42,36%) und dem Sozialisten Philippe Kempel (23,5%) Dritter, musste aber infolge der hohen Qualifikationshürde ausscheiden.31 Die Grünen hatten dank ihres Wahlbündnisses mit den Sozialisten etwas mehr Glück. Mit 5,46% konnten sie ihren Stimmenanteil gegenüber der Präsidentschaftswahl (2,31%) verdoppeln. In den 63 Wahlkreisen, die ihnen die Sozialisten überlassen hatten, wurde bereits im 1. Wahlgang Noël Mamère mit 51,98% der Stimmen gewählt, 40 weitere Kandidaten konnten sich für den 2. Wahlgang qualifizieren, obwohl sie in 15 der ihnen überlassenen Wahlkreise mit einem sozialistischen Dissidenten konkurrieren mussten.32 Der Centre pour la France war dage- 243 Actuelles gen vom Glück verlassen. Er brachte es gerade einmal auf 1,77%, fünf Jahre vorher waren es noch 7,61% gewesen. Lediglich 6 seiner Kandidaten, unter ihnen Bayrou, kamen eine Runde weiter. 33 36 der 577 Mandate wurden bereits im 1. Wahlgang vergeben. 22 gingen an den PS, 9 an die UMP sowie je ein Mandat an die Radicaux de Gauche, die Divers gauche, die Grünen, den Nouveau Centre und die Divers droite. 1. Wahlgang: Ergebnisse Anzahl % Wahlberechtigte % Wähler Wahlberechtigte 46 082 104 Enthaltungen 19 712 978 42,78 Wahlbeteiligung 26 369 126 57,22 Ungültige Stimmen 416 267 0,90 1,58 Gültige Stimmen 25 952 859 56,32 98,42 Partei/ Koalition Stimmen Anzahl Stimmen% Mandate Extreme Linke 253 386 0,98 Front de gauche 1 793 192 6,92 Socialiste 7 618 326 29,35 22 Radical de Gauche 428 898 1,65 1 Divers gauche 881 555 3,40 1 Ecologie-Les Verts 1 418 264 5,46 1 Régionalistes 145 809 0,56 Ecologiste 249 068 0,96 Verschiedene 133 752 0,52 Centre pour la France 458 098 1,77 Alliance centriste 156 026 0,60 Parti radical 321 124 1,24 Nouveau Centre 569 897 2,20 1 Union pour un Mouvement Populaire 7 037 268 27,12 9 Divers droite 910 034 3,51 1 Front National 3 528 663 13,60 Alliance pour le Sud 49 499 0,19 Quelle: Französisches Innenministerium http: / / www.interieur.gouv.fr/ sections/ a_votre_service/ resultats-elections/ PR2012/ FE.html Infolge der niedrigen Wahlbeteiligung von nur 57,22% lag das Quorum für die Teilnahme am 2. Wahlgang de facto etwa bei 20% der eingeschriebenen Wähler. 34 Für diesen qualifizierten sich 516 Kandidaten des PS und seiner Verbündeten (PRG,EELV, DVG), 484 der UMP, 61 des FN, 22 der Linksfront, 9 Regionalisten, 6 des Modem, 6 der Alliance centriste und einer der Alliance du Sud.35 2. Wahlgang Wichtig für den Ausgang des 2. Wahlgangs waren außer der Wählermobilisation wie stets die Wahlabsprachen. Die Sozialisten trafen diese mit den Linksliberalen, 244 Actuelles den Linksrepublikanern (MRC), verschiedenen linken Gruppierungen und mit den Grünen, die Konservativen mit den rechten Liberalen (PR), dem rechten Zentristen (NC) und verschieden rechten Gruppierungen (DVD). Die linken Zentristen, die Nationalpopulisten und die Linken fanden dagegen keine relevanten Bündnispartner. Gegenüber den beiden Flügelformationen nahmen die beiden Großparteien PS und UMP unterschiedliche Positionen ein. Die Sozialisten bekämpften weiterhin den Front national, unterstützten aber gelegentlich den Front de gauche, um einen Erfolg der Rechten zu verhindern. Die Konservativen hielten dagegen eine Äquidistanz zu beiden Extremen. Sie trafen keine Wahlabsprachen mit dem FN, wo dies ihre Wahlchancen verbessert hätte, zogen ihre Kandidaten aber auch dort nicht zurück, wo dies die Erfolgsaussichten eines FN-Kandidaten erhöht hätte. Lediglich einige Dissidenten verstießen gegen diese Abgrenzungsstrategie. So verzichtete der drittplazierte UMP- Kandidat Roland Chassain im 16. Wahlkreis des Département Bouches-du-Rhône auf eine weitere Kandidatur zugunsten der zweitplazierten FN-Kandidatin Balérie Laupies, um den Erfolg eines Sozialisten zu verhindern. Die UMP verweigerten sich aber auch einer „republikanischen Front“ gegen chancenreiche FN-Kandidaten, wie sie von den Linken gefordert und beim 2. Wahlgang der Präsidentschaftswahlen 2002 von über 82% der Wählern zugunsten Chiracs praktiziert worden war. 36 Dank ihres Wählerpotentials und ihrer Wahlabsprachen konnte die gemäßigte Linke ihre Wahlchancen optimal nutzen. Von den 558 noch zu vergebenden Mandaten erhielten die Sozialisten 258, verschiedene Linkskandidaten 21, die Grünen 16 und die Linksliberalen 11. Mit 306 Mandaten war damit die gemäßigte Linke auch beim 2.Wahlgang eindeutig Sieger. Die Konservativen gewannen dagegen nur 185, verschiedene Rechtskandidaten 14, der Nouveau Centre 11 und die Alliance centriste 2 Mandate. Die gemäßigte Rechte kam damit auf 212 Mandate. Die Linksfront musste sich mit 10, das unabhängige Zentrum und der Front national mit je 2 Mandaten zufrieden geben. 2. Wahlgang: Ergebnisse Anzahl Wahlberechtigte% Wähler% Wahlberechtigte 43 233 648 100 Enthaltungen 19 281 162 44,60 Wähler 23 952 486 55,40 Ungültige Stimmen 923 178 2,14 3,85 Gültige Stimmen 23 029 308 53,27 96,15 Parteien/ Koalitionen Stimmen Anzahl Stimmen% Mandate Front de gauche 249 498 1.08 10 Socialiste 9 420 889 40,91 258 Radical de Gauche 538 331 2,34 11 Divers gauche 709 395 3,08 21 Ecologie -Les Verts 829 036 3,60 16 Régionalistes 135 312 0,59 2 Centre pour la France 113 196 0,49 2 Alliance centriste 123 132 0,53 2 Parti radical 311 199 1,35 6 245 Actuelles Nouveau Centre 568 319 2,47 11 Union pour un Mouvement Populaire 8 740 628 37,95 185 Divers droite 417 940 1,81 14 Front National 842 695 3,66 2 Alliance pour le Sud 29 738 0,13 1 Quelle: Französisches Innenministerium http: / / www.interieur.gouv.fr/ sections/ a_votre_service/ resultats-elections/ PR2012/ FE.html Aus den Legislativwahlen ging ein Parteiensystem hervor, das weiterhin bipolar strukturiert ist. In ihm dominieren eindeutig die beiden Großparteien PS und UMP. Im 1. Wahlgang konnten jedoch auf beiden Seiten des Parteienspektrums je eine Kleinpartei - FN und Linksfront - beachtliche Stimmengewinne erzielen. Die Stimmenanteile der übrigen Kleinparteien waren im Verhältnis dazu unbedeutend. Sichtbar wurde so ein Vierparteiensystem, im Vergleich zur „Quatrille bipolaire“ der 70er Jahre allerdings ein asymmetrisches. Das geltende Mehrheitswahlrecht veränderte jedoch im 2. Wahlgang diese Grundstruktur. Es dominieren zwar weiterhin die beiden Großparteien, aber unter den Kleinparteien verschob sich erheblich das Kräfteverhältnis. Im rechten Spektrum schrumpfte der FN mit zwei Mandaten auf die Größe einer Splitterpartei, die Verbündeten der UMP, der Nouveau Centre sowie der Parti radical, erhielten dagegen zusammen 17 Mandate. Im linken Spektrum wird die Linksfront lediglich durch 10 Abgeordnete in der Nationalversammlung repräsentiert, zwei Kleinparteien - die Grünen und die Linksliberalen - sowie formal unabhängige Abgeordnete, die Divers gauche sind aber dank der Unterstützung einer Großpartei, der PS, insgesamt mit 48 Abgeordneten vertreten. So bildete sich in den Institutionen ein bipolares, asymmetrisches Mehrparteiensystem mit zwei Großparteien und 12 Kleinparteien. Die Geschäftsordnung der Nationalversammlung erzwang dann die Bildung von 6 Gruppierungen (fünf Fraktionen und die Gruppe der fraktionslosen Abgeordneten). Das institutionelle Parteiensystem, wie es aus dem 2. Wahlgang der Präsidentschaftswahl sowie dem der Legislativwahlen hervorging, unterscheidet sich somit erheblich vom realen, wie es sich im 1. Wahlgang beider Wahlen zeigte. Das politische System gewinnt durch sein Wahlrecht an institutioneller Stabilität, verliert aber an Integrationskraft. In Krisenzeiten könnte dies negative Folgen haben. Sitzverteilung in der Nationalversammlung Nuances FG SOC RDG DVG VEC REG ECO CEN AC PRV NCE UMP DVD FN EXD Nombre de sièges 10 280 12 22 17 2 0 2 2 6 12 194 15 2 1 Quelle: Wikipedia: Elections législatives 2012 http: / / fr.wikipedia.org/ wiki 15.07.2012 246 Actuelles Fraktionsbildung in der Nationalversamlmung 2012 Groupe Membres Apparentés Total % Socialiste, républicain et citoyen (SRC) 279 16 295 51,1 Union pour un mouvement populaire (UMP) 185 11 196 34,0 Union des démocrates et indépendants (UDI) 29 0 29 5,0 Ecologiste 18 0 18 3,1 Gauche démocrate et républicaine (GDR) 15 0 15 2,6 Radical, républicain, démocrate et progressiste (RRDP) 15 0 15 2,6 Non inscrits 9 0 9 1,6 Quelle: Wikipedia: Elections législatives 2012 htto: / / fr.wikipedia.org/ wiki 15.07.2012 1 Das war u.a. bei der konservativen Katholikin Christine Boutin der Fall. Sie kandidierte 2002 für das Forum des républicains sociaux, das sich später in Parti chrétien-démocrate umbenannte und erhielt im 1. Wahlgang 1,19%. 2007 verzichtete sie auf eine erneute Kandidatur, wurde aber nach dem Wahlsieg Sarkozys Ministerin für Wohnungs- und Städtebau in der 1. Regierung Fillon. Cf. Christine Boutin. http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Christine_Boutin 1507.2012. 2 Cf. Tabelle: Präsidentschaftswahlen. Ergebnisse des 1. Wahlgangs. 3 Cf. François Bayrou. http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Fran%C3%A7ois_Bayrou. 22.07.2012 4 Cf. Marine Le Pen - Wikipedia. http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Marine_le_Pen. 22.07. 2012. Le Front National veut partir à la conquête de l’Europe/ Slate. http: / / www,slate.fr/ story/ 57697front-lepen-europe. 22.06.2012 5 Cf. Marine Le Pen. http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ marine_Le_Pen. 2205.2012, Patrie - Gloire - Allégorie, in: EUO-Journal pro Management. Interview mit Marine Le Pen, 1/ 2012, 12-14. 6 Cf. Popolo della Libertà. http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Popolo_della_Liberta%C3%AO. 22.07.2012 7 Cf. Parti de Gauche. http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Parti_de_Gauche. 22.07.2012 8 Front de Gauche. http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Front_de_gauche 22.07.2012 9 Cf. Jean-Luc Mélenchon. http: / / fr.wikipedia/ Jean-Luc_M%C3%A91enchon. 22.07.2012 10 Cf. http: / / www.france-politique.fr/ les-verts.htm 21.07.2012 11 Giscard: 28,31%. Mitterrand 25,84%. Site officiel du Conseil constitutionnel. Elections 1981. Premier tour. 12 Cf. http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Fran%C3%A70is_Bayrou. 15.06.2012 13 Cf. Rainer Grote: Das Regierungssystem der V. französischen Republik, Baden-Baden 1995. Winfried Steffani: Semi-Präsidentialismus: ein eigenständiger Systemtyp? Zur Unterscheidung von Legislative und Parlament, in: ZParl 4/ 1995, 621-641. 14 Eine Ausnahme bildete lediglich die Präsidentschaftswahl 2002, in der die Wähler im 2.Wahlgang zwischen einem Kandidaten der gemäßigten und der extremen Rechten standen - Jacques Chirac und Jean-Marie Le Pen. 15 Cf. Roland Höhne, Der Mai ‘81 der republikanischen Rechten, in: Lendemains,126/ 127, (32. Jg. 2007), 52-62. 16 Cf. http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Fran%C3%A7ois_Holland. 12.06.2012 247 Actuelles 17 2000 wurde die Amtszeit des Präsidenten per Referendum von sieben auf fünf Jahre verkürzt, der Termin für die Wahlen der Nationalversammlung durch Gesetz im Mai 2001 neu festgelegt. 18 Der Nouveau Centre wurde anlässlich der Legislativwahlen 2007 von Abgeordneten der UDF gegründet, die mit dem Eigenständigkeitsbestreben von François Bayrou nicht einverstanden waren. Er kooperierte eng mit der UMP, bewahrte jedoch seine organisatorische Eigenständigkeit. Er war in den Regierungen Fillon mit einem Minister (Hervé Mouré) sowie in der Nationalversammlung mit 23 Abgeordneten (plus 2 Hospitanten) vertreten. Bei der Präsidentschaftswahl 2012 unterstützte er bereits im 1. Wahlgang N. Sarkozy. Cf. Wikipedia, Nouveau Centre. http: / / fr.wikipedia.org/ wik/ Nouveau-Centre 19 République solidaire ist eine neo-gaullstische Splittergruppe, die am 18. Juni 2010 vom letzten Premierminister Chiracs, Dominique de Villepin, gegründet wurde. Ihr gehörten fünf Abgeordnete der Nationalversammlung an. Sie sollte ihm als Basis für die Vorbereitung seiner Präsidentschaftskandidatur dienen. Im September 2011 legte er überraschend den Vorsitz der RS nieder. Bei den Legislativwahlen 2012 kandidierten zwei seiner Abgeordneten: Jean-Pierre Grand und Guy Geoffroy. Cf. http: / / de.wikepedia.org/ wiki. Abgerufen 15.07.2011 20 Der Parti chrétien-démocrate (PCD) ist im Juni 2009 aus dem Forum des Républicains Sociaux hervorgegangen, das sich 2001 von der UDF abgespalten hatte. Es diente Christine Boutin zur Vorbereitung ihrer Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2002, bei der sie 1,19% erhielt. Seit 2005 ist es assoziiertes Mitglied der UMP. Cf. http: / / en.wikipedia.org/ wiki/ Christian_Democratic_Party_(France). Abgerufen 15.07.2012. Ch. Boutin war von 2007 bis 2009 Ministerin für Wohnungsbau im 1. Kabinett Fillon (2007-2010). Cf. http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Christine-Boutin. Abgerufen 15.07.2012 21 Cf. Elections législatives françaises de 2012. http: / / fr.wikipedia.org/ wiki Abgerufen 17.07.2012. 22 Cf. Elections législatives françaises de 2012. http: / / fr.wikipedia.org/ wiki Abgerufen 17.07.2012. 23 Die meisten der Kandidaten, die nicht FN-Mitglieder waren, kamen von der Bewegung Souveraineté, indépendance et liberté (Siel), einer Splitterpartei, die von dem ehemaligen Abgeordneten und Souveränisten Paul-Marie Coûteau gegründet worden war. Sie waren vor allem Gegner der europäischen Integration. Cf. Elections législatives françaises de 2012. http: / / fr.wikipedia.org/ wiki Abgerufen 17.07.2012. 24 Cf. Elections législatives françaises de 2012. http: / / fr.wikipedia.org/ wiki Abgerufen 17.07.2012. 25 Mit diesem Begriff werden die beiden Großparteien der gemäßigten Rechten und der gemäßigten Linken bezeichnet, die allein aufgrund ihrer elektoralen Stärke die Chance haben, die Regierung zu bilden. 26 Cf. Elections législatives françaises de 2012. http: / / fr.wikipedia.org/ wiki Abgerufen 17.07.2012. 27 Das MEI war 1994 von dem Fundamentalökologist Antoine Waechter gegründet worden, der die Ökologie als ein eigenständiges politisches Projekt betrachtete und daher ein Bündnis mit den Sozialisten wie Les Verts ablehnte. Die Folge war seine Marginalisierung im Parteiensystem. 28 Cf. Elections législatives françaises de 2012. http: / / fr.wikipedia.org/ wiki Abgerufen 17.07.2012. 29 Cf. Elections législatives françaises de 2012. http: / / fr.wikipedia.org/ wiki Abgerufen 17.07.2012. 248 Actuelles 30 Cf. Elections législatives françaises de 2012. http: / / fr.wikipedia.org/ wiki Abgerufen 17.07.2012. 31 Cf. Elections législatives françaises de 2012. http: / / fr.wikipedia.org/ wiki Abgerufen 17.07.2012. 32 Cf. Elections législatives françaises de 2012. http: / / fr.wikipedia.org/ wiki Abgerufen 17.07.2012. 33 Cf. Elections législatives françaises de 2012. http: / / fr.wikipedia.org/ wiki Abgerufen 17.07.2012. 34 Nach dem Wahlgesetz beträgt das Quorum 12,5% der eingetragenen Wähler. Je geringer die Wahlbeteiligung, um so höher das reale Quorum. 35 Elections législatives françaises de 2012. http: / / fr.wikipedia.org/ wiki Abgerufen 17.07.2012. 36 Cf. Elections législatives françaises de 2012. http: / / fr.wikipedia.org/ wiki Abgerufen 17.07.2012.