eJournals lendemains 34/136

lendemains
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2009
34136

Ex Oriente lux, oder Erinnerungen an eine große Frau

2009
Michael Nerlich
Evelyne Sinnassamy
ldm341360089
89 Hommages Michael Nerlich - Evelyne Sinnassamy Ex Oriente lux, oder Erinnerungen an eine große Frau Charroux, den 8. April 2008 Liebe Rita, am 8. September 1977 schriebst Du mir, um ein „mea culpa“ zu bekennen: Du hattest für Lendemains einen Beitrag über Aragon versprochen, konntest aber das Versprechen aus Termingründen nicht einhalten. Natürlich wusstest Du, dass ich Dir das nachsehen würde, und ich bin sicher, auch Du verzeihst mir, wenn auch ich nun, einunddreißig Jahre danach, an meine Brust schlagen muss: ich schaffe es nicht, für die Festschrift, die Dir die Humboldt-Universität zu Deinem Jubiläums- Tag vorlegen will, den wissenschaftlichen Aufsatz zu verfassen, den man bei solchen Gelegenheiten aus dem Ärmel zu ziehen pflegt. Nicht, dass in dem meinen gar nichts mehr steckte, ich bin jedoch so tief in unaufschiebbare Terminarbeit verstrickt, dass ich die Hände nicht freikriege, um etwas präsentierlich hervorzuziehen. Da aber die Kollegen, die mich liebenswürdigerweise zu einem Beitrag einluden, gestatten, auch mit Erinnerungen oder Gedichten an Deiner Festschrift mitzuwirken, erlaube ich mir, mich - unterstützt von Evelyne - mit Erinnerung und Poesie zu Wort zu melden, um die Zeit und die Umstände zu evozieren, in denen uns Freundschaft immer enger verband, obwohl die Welt gespalten war in Ost und West und die Spiele, die von den damaligen global players veranstaltet wurden, nicht dazu angetan waren, Freundschaften über die von ihnen gezogenen Grenzen hinaus zu schließen. Wer es trotzdem versuchte, war wohl ein Traumtänzer, und der Traum, den wir zu tanzen suchten, Ihr im Osten, wir im Westen, hatte etwas mit einem Frankreich zu tun, das dem wiedervereinten Deutschland aus dem Blick geraten zu sein scheint und deshalb vielleicht wert wäre, in Erinnerung gebracht zu werden. Natürlich ist möglich, dass es jenes Frankreichs und der Erinnerung an unseren gemeinsamen Traum gar nicht mehr bedarf. Aber dies zu akzeptieren, hieße, Dich und unsere Freundschaft zu verraten, und unseren Traum noch dazu, was wir besser anderen überlassen wollen. Es sei daher daran erinnert, dass unser Traum vom Glauben an die Ideale bestimmt war, die Frankreich in der Aufklärung formuliert und 1789 zur Grundlage der Gesetzgebung gemacht und zu Maximen politischen Handelns erhoben hatte, und dass dieser Glaube im freien Westdeutschland (wie zuvor im Deutschen Reich) nicht sonderlich hoch im Kurs stand. Das erklärt nicht nur, warum in jenen Zeiten von den Romanisten in Deutschland-West nicht allzu viel Aufklärungsforschung betrieben wurde, sondern auch, warum man nicht unbedingt zum Verkehr mit Romanisten in Deutschland-Ost anhielt, wo sehr viel Aufklärungsforschung betrieben wurde. Kurz: an die Ideale der Aufklärung und an 1789 zu glauben und mit einer Ossi wie Dir befreundet zu sein, liebe Rita, war 90 Hommages damals für Westler durchaus nicht Karriere fördernd, weswegen man fairerweise auch all jenen Wessis verzeihen sollte, die damals ihre freundschaftlichen Gefühle für Dich und andere Ossis verborgen hielten und bis zur Zweihundertjahresfeier der Französischen Revolution warteten, um sie offen zu zeigen. Denn damals herrschte „kalter Krieg“, und obschon unsere westliche Freiheit natürlich unbegrenzt war, musste man schon Hans Robert Jauss heißen und über sowas wie eine - wissenschaftlicher Reputation zu dankende - Enklave verfügen, um in dieser zum Beispiel einen Aufklärungsforscher wie den Ossi Werner Krauss empfangen und feiern zu dürfen. Als ich 1969 an die TU Berlin berufen wurde, war ich zum Beispiel noch zu jung und namenlos, um über eine solche Enklave zu verfügen, obwohl ich glaube, dass es in Berlin-West derartige Freiräume sowieso nicht gegeben hat. Das Risiko, vor Ort gefährliche Ossi-Bekanntschaften zu schließen, war daher auch relativ gering, denn hätte ich Euch Ostler - etwa zu Vorträgen über die französische Literatur - nach Berlin-West eingeladen, so wären mir unverzüglich die staatlichen Dienste zu Hilfe geeilt, die dankenswerterweise stets über die allgemeine und die persönliche Verfassung wachten. Das erklärt, warum ich weder Werner Krauss, noch Manfred Nauman oder Ulrich Ricken je an mein Institut eingeladen habe, und wenn ich dennoch Probleme bekommen sollte, so nicht, weil Ihr die nach Westberlin exportiert hättet, sondern weil ich sie mir selbst leichtsinnig ins Haus geholt habe. Das war umso närrischer, als ich im schwarzen Köln studiert hatte, wo ausgiebig vor Gefahren gewarnt worden war, die aus schlechter Lektüre resultierten, wie man am Beispiel der Ossis und speziell einer mir persönlich unbekannten Dame erkennen konnte, die man „die rote Rita“ nannte. Das Vertrackte freilich war, dass ich gar nichts gegen „die Roten“ hatte, was daran lag, dass „die Braunen“ - seit den Bomben, die mich als Kind so traumatisiert hatten wie die Ruinen von Lübeck, wo ich eingeschult worden war, aber auch seit meinem Studium in Salamanca Anfang der 60er Jahre, wo ich Tierno Galváns Vorlesungen nicht besuchen konnte, weil die Falangisten ihn mal wieder weggesperrt hatten - meine abgrundtiefe und bis heute unverminderte Abneigung so ausschließlich auf sich gezogen hatten, dass ich nicht recht wusste, was ich gegen „die Roten“ haben sollte, zumal diese in Frankreich, aber auch in Spanien und - soweit ihnen möglich - selbst in Deutschland versucht hatten, „den Braunen“ Einhalt zu gebieten. Aus diesem Grund erschienen mir die Sünden „der Roten“ - trotz allem - so lässlich, dass ich schon als Student Petitionen gegen das KPD-Verbot unterzeichnet hatte, denn ich fand unerträglich, dass mein Land im Gegensatz zu allen westeuropäischen Demokratien mit Franco-Spanien Kumpanei in Sachen Kommunistenverfolgung betrieb. Ja, ich glaubte naiverweise sogar, dass es den Roten, Rosanen, Gelben und Schwarzen auch in Deutschland - trotz West und Ost - möglich sein müsse, so zivilisiert miteinander umzugehen wie in Frankreich, wo ich Anfang der 50er Jahre alle jene Babs, Worms, Lazars und Jankélévitchs hatte kennenlernen dürfen, denen mein Vater bei der Flucht vor „den Braunen“ geholfen hatte, und von wo ich heute wahrnehmen muss, dass selbst im wiedervereinten Deutschland (mit Ausnahme Berlins) das Gespräch 91 Hommages unter Demokraten - trotz hinzugekommenen Grüns - noch immer ein Problem zu sein scheint. Aber die Gefahr, die nach Meinung der erwähnten Kölner damals von der „roten Rita“ ausging, schien umso größer zu sein, als Du - wie hinter vorgehaltener Hand berichtet wurde - auch noch beliebtest, bei internationalen Kongressen in extravaganten Kleidern und mit riesigen, wenn auch gewiss schicken Hüten in Erscheinung zu treten. Na klar, das war schon bedenklich. Das Problem war nur, dass ich von klein auf ungeheuer was für Frauen übrig hatte und derartige Kommentare für so blöd hielt, dass Du bei mir schon einen Bonus hattest, bevor wir uns kennenlernten. Und dieser Bonus wuchs an, als ich dann auch noch las, was Du - natürlich „dogmatisch“ - 1966 über den vermutlich krypto-kommunistischen Boileau publiziert hattest, denn über den hatte auch ich in meiner - ganz ähnlich „dogmatischen“ - Dissertation über die Dichtungstheorie im 18. Jahrhundert gearbeitet, und wer wie Du - gegen den seit Fichte währenden mainstream - Boileau genial fand, obwohl ihn doch „der große Curtius“ einen „beschränkten Banausen“ geschimpft hatte, dem galt - ganz unvermeidlich - meine uneingeschränkte Sympathie. 1966 war übrigens auch das Jahr, in dem mein zweites, zwischen Promotion und Habilitation verfasstes Buch erschien. Es war dem Einfluss des Hebräischen auf das Denken von Fray Luis de León gewidmet und schloss mit der Bewunderung seines „Mutes, in einer Zeit, da die Juden einmal mehr grausamste Verfolgungen leiden mussten, seine Liebe zur hebräischen Sprache offen zu bekennen, die sabiduría, die Weisheit als höchsten Wert zu preisen und seine Gegner Dummköpfe zu nennen [...] Seine Wahrheitsliebe, sein Kampf gegen Vorurteil und Torheit haben ihn, verdächtigt als judaizante, fünf Jahre Freiheit gekostet.“ Mich sollten diese Sätze nur den ersten Platz auf einer Berufungsliste kosten, denn - man mag es heute vielleicht nicht mehr für möglich halten - eminente westdeutsche Romanisten fanden diese Sätze in einer wissenschaftlichen Arbeit deplaziert, ja, man meinte sogar, ich müsse wohl selbst „Jude“ sein, um sowas zu schreiben, und ich hatte Glück, dass ich - unter anderem Dank der Gutachten von Jauss und Walter Höllerer - 1969 doch noch den Ruf an die TU Berlin erhielt, zumal ich es mir kurz danach mit noch mehr ehrenwerten Kollegen verdarb. Schuld daran war der Zufall, der mich in einem Antiquariat das schreckliche Machwerk Deutscher Geist in Gefahr entdecken ließ, in dem derselbe Curtius 1932 zur Abkehr von Frankreich, zur Bekämpfung des sub-marxistisch-jüdischen „Soziologismus“ und zur Zusammenarbeit mit Mussolinis faschistischem Italien aufgerufen hatte. Es veranlasste mich, den ersten westdeutschen Versuch einer Bilanzierung der romanistischen Nazi-Vergangenheit zu wagen, der mit dem Titel Romanistik und Anti-Kommunismus 1972 in Das Argument erschien. Das trug mir eine öffentliche Rüge durch den Vorsitzenden des Deutschen Romanisten-Verbands, Jürgen von Stackelberg (der später von seinen Positionen abrücken sollte) und ganz offene Feindschaft vieler Romanistik-Kollegen in Deutschland-West, aber auch die Bekanntschaft mit Werner Krauss in Deutschland-Ost ein. Denn obwohl Krauss 1967 meiner Dissertation einen „Ehrenplatz in der neueren deutschen Hispanistik“ eingeräumt hatte, hatte ich 92 Hommages nicht gewagt, ihn trotz meiner - unvorsichtigerweise öffentlich bekundeten - menschlichen Verehrung und weltanschaulichen Zustimmung in seiner berühmten Villa im ostberliner Hessenwinkel aufzusuchen. Nun machte er den ersten Schritt und ließ mir mitteilen, dass er sich über meinen Besuch freuen würde. Wann genau diese erste Begegnung stattfand, vermag ich nicht zu sagen, aber es dürfte kaum vor 1973 gewesen sein, was alle die enttäuschen dürfte, die bereits damals verbreiteten, der Nerlich hinge dauernd bei „seinen“ ostberliner Genossen rum. Das stimmte nicht ganz, denn zum einen war ich kein Genosse, und zum anderen kannte ich - außer zwei älteren Cousinen - niemanden in Berlin-Ost. Aber natürlich durfte sich jemand, der romanistische Nazi-PGs und andere Mitläufer anprangerte und ihnen einen Werner Krauss entgegenhielt, nicht wundern, wenn man ihn dahin tat, wo er doch einfach hingehören musste. Und zwar umso mehr, als meine noch heute verehrte Lebensgefährtin Evelyne Sinnassamy, damals 25, und ich, nicht viel älter, aber strafrechtlich belangbar, auch noch die Dreistigkeit begingen, uns gegen jenes Gesetz zu engagieren, das Willy Brandts Regierung - zur innenpolitischen Absicherung der „Ostpolitik“ - verabschiedet hatte und das die Entfernung kommunistischer Beamter (wie Krauss oder Dich oder Naumann) aus dem öffentlichen Dienst zum Ziel hatte. Wir erfuhren von der Verabschiedung dieses Gesetzes, das als der heute erfreulicherweise allseits verurteilte „Radikalen-Erlass“ in die Geschichte einging, Hunderte untadeliger Bürger - und unter ihnen ehemalige Mitglieder der Résistance - ins Unglück stürzte und das (der von mir noch heute verehrte) Willy Brandt später die größte Dummheit seines Lebens nennen sollte, in Paris, wo ich ein Forschungssemester verbrachte. Überzeugt davon, dass man diese politische Fehlleistung nicht hinnehmen konnte, begannen wir, die öffentliche Meinung in Frankreich zu mobilisieren, was außerordentlich schwierig war. Zum einen wollten viele einfach nicht glauben, was diese jugendlichen Intellektuellen erzählten, zum anderen hatten die SED und damit die DKP kein Interesse daran, dass Protest laut wurde, wollten sie doch die zwischen Bonn und Ostberlin im Windschatten des „Radikalen-Erlasses“ angebahnte Entspannungspolitik nicht gefährden und drangen darum beim PCF darauf, nicht zu reagieren. Aber es gelang uns doch, auch weil der moralische Druck innerhalb des PCF zu groß wurde, mit Hilfe von Kollegen wie André Gisselbrecht, François Hincker, Pierre Kaldor, Hélène Roussel und der Dozentin für französische Literaturwissenschaft an der Université François Rabelais zu Tours, France Vernier, Persönlichkeiten wie Louis Aragon, Roland Barthes, Escarpit, Etiemble und Robert Merle zu bewegen, die wahrscheinlich erste (internationale) Resolution gegen das Berufsverbot zu unterschreiben. Sie wurde in Le Monde veröffentlicht. Ich erinnere daran, liebe Rita, weil es zum einen erklärt, warum ich vermute, dass Evelyne und ich wahrscheinlich erst 1973 der Einladung von Werner Krauss nachkommen konnten, und zum anderen, weil dies alles auch mit Dir zusammenhängt. Um das zu erläutern, muss ich allerdings unerfreuliche Gerüchte ausräumen, die Dich und Werner Krauss betreffen und die damals allenthalben zirkulier- 93 Hommages ten. Wir jedenfalls, Evelyne und ich, haben nie ein böses Wort von Dir über Werner (oder welchen Kollegen auch immer) oder von Werner über Dich vernommen. Im Gegenteil: bereits bei unserer ersten Begegnung in Hessenwinkel sang Werner Krauss das Loblied auf die integre und tüchtige Rita Schober und legte uns ans Herz, unbedingt zu Dir Kontakt aufzunehmen, was dann auch im gleichen Jahr 1973 erfolgte. Ich kann es sogar auf den Tag genau datieren. Denn am 4., 5. und 6. Oktober 1973 tagte der Deutsche Romanisten Verband in Heidelberg, und der Verband - dies sei zu seiner Ehre und der seines Vorsitzenden Stackelberg betont - stimmte dem von mir und anderen Kollegen gestellten (und von französischen Kollegen wie Jacques Seebacher unterstützten) Antrag auf Verurteilung des „Radikalen-Erlasses“ und der Forderung nach seiner sofortigen Aufhebung zu. Dass es auch Protest gegen diesen Beschluss des Verbandes gegeben hat, sei hier nicht weiter ausgeführt, zumal ich nicht glaube, dass heute noch irgendwer stolz auf seine damalige Befürwortung des „Radikalen-Erlasses“ wäre. Nein, es war ein großer Tag in der Geschichte der deutschen Romanistik, ein Tag, an dem an das Schicksal der Auerbach, Dieckmann, Hatzfeld, Jordan, Klemperer, Krauss, Küchler, Leo, Lerch, Olschki, Selig, Spitzer und der Wiener Romanistin Elise Richter, die die Nazis im KZ ermordet hatten, öffentlich erinnert wurde... wahrscheinlich zum ersten Mal in der Geschichte des Romanistenverbandes. Wie auch immer: am 23. Oktober teilte ich Dir das Ergebnis mit. Glücklich. Und ich fügte hinzu: „ein schlechtes Gewissen“ zu haben, „da ich nun bereits seit vier Jahren in Westberlin sitze und es immer noch nicht geschafft habe, die Kollegen in der Hauptstadt der DDR, vor allem Sie, aufzusuchen (obwohl ich wünschte, Sie nicht nur im ‘ Professorenkollegium’ des DDR-Fernsehens, sondern auch persönlich kennenzulernen).“ Wie es dann weiterging, vermögen Evelyne und ich nicht mehr genau zu rekonstruieren. In meinem Aktenordner von 1974 finde ich nur eine Visitenkarte von Dir, die Du mir bei einer Begegnung in Ost-Berlin gegeben haben dürftest, und ein Telegramm vom 20. Februar desselben Jahres, in dem es heißt: „sehr herzlichen dank für die buecher. sind grosse hilfe [...] buch ihrer gattin besondere freude. alles liebe. rita schober.“ Evelynes Buch war ihr, von Armand Gatti herausgegebener Gedichtband Le ciel semé d’oiseaux. Die anderen Bücher dürften Texte gewesen sein, die bei Euch nicht erhältlich waren, und genauso wahrscheinlich ist, dass wir uns danach gelegentlich mit Dir und Deinem klugen und liebevollen Robert in Eurem Hause getroffen haben, wo wir nach und nach auch Horst Heintze, Johannes Klare, Gerd Schewe und Hans-Otto Dill kennenlernten. Oft freilich können wir bei Euch leider nicht gewesen sein, weil wir zum einen die wenige Zeit, die wir in Ost- Berlin verbringen konnten und die zudem durch die Ein- und Ausreisebedingungen limitiert war, die uns zwangen, vor Mitternacht nach West-Berlin zurückzukehren, auch mit Krauss und seinen brillanten Schülern und Freunden teilen mussten, die wir nach und nach kennenlernen durften und mit denen wir uns meistens bei Karlheinz und Simone Barck trafen: mit Manfred Naumann, Hans Kortum, Martin Fontius, Winfried und Brigitte Schröder, Brigitte Burmeister, Rolf Geissler, Brigitte Sän- 94 Hommages dig, den Schlenstedts, Vincent von Wroblewsky, Carlos und Gerda Rincón, aber auch Wolfgang und Rosemarie Heise und der tapferen Lisa Lemke vom Akademie- Verlag. Dazu kam, dass Evelyne und ich an der Gründung einer Zeitschrift für Frankreichforschung arbeiteten, die wir Lendemains nennen wollten, ein Name, der Gabriel Péris Abschiedsbrief in Erinnerung rufen sollte und - natürlich immer noch als Protest gegen KPD-Verbot und „Radikalen-Erlass“, aber darüber hinaus auch grundsätzlich - zur Ehre der Résistance gegen den Nazi-Terror und damit als Bekenntnis zu den Idealen der Republik und als Fanal für eine andere Frankreichforschung gewählt war. 1975 erschien - nach enormen Schwierigkeiten, die mit dem Zusammenbruch des Athenäum-Verlags zu tun hatten und fast zum Scheitern des Projekts geführt hätten - die erste Nummer, und natürlich ging auch Dir ein Exemplar zu, auf das Du am 24. Juli geantwortet hast: „Sehr herzlichen Dank für die Übersendung von lendemains. Es präsentiert sich gut, und ich freue mich, dass es Ihnen gelungen ist, die Zeitschrift auf die Beine zu stellen. Viel Erfolg für die Zukunft. Wir werden sie in der nächsten Nummer unserer eigenen Zeitschrift ankündigen. Im übrigen bedaure ich sehr, lange nichts von Ihnen gehört zu haben [...] Liebe herzliche Grüsse an Sie und Ihre Frau.“ Damals, liebe Rita, siezten wir uns noch, was ich rückwirkend umso schöner finde, als es alle jene (oben bereits erwähnten) Gerüchte widerlegt, welche von - natürlich absolut integren demokratischen - Figuren in die Welt gesetzt worden waren, die sich einfach nicht vorstellen konnten, dass es Menschen gibt, die aus moralischen Gründen und ohne interessierte Kumpanei mit Gleichgesinnten zusammenarbeiten. Und es waren derartige Figuren, die - organisiert in einem Hochschullehrer-Kampfbund, der sich (warum, hab ich nie begriffen) No[tgemeinschaft für eine] F[reie] U[niversität], kurz NoFu nannte und dem ein Romanistik- Kollege vorstand - meinem subversiven Treiben einfach nicht länger tatenlos zusehen konnten und mich deshalb Ende 1976 in einer Broschüre bei allen deutschen Landtags- und Bundestagsabgeordneten, Kulturinstitutionen und Massenmedien als kommunistisch-linksradikalen Verfassungsfeind denunzierten und meine Amtsenthebung forderten. Der damalige - sozialdemokratische - Senat von Berlin-West (also derselbe, dessen Nachfolger heute mit der PDS das wiedervereinte Berlin administriert), ließ sich nicht lange bitten, und sein Wissenschaftssenator Löffler, den ich für nicht wirklich genial hielt, leitete - zur Verzweiflung seines Amtsvorgängers Stein, der sich dafür bei mir entschuldigte - ein Disziplinarverfahren gegen mich ein, dessen Ziel meine Amtsenthebung war. Ich will darauf hier nicht weiter eingehen, liebe Rita, sondern nur feststellen, dass die solidarische Anteilnahme, die Ihr mir in Ost-Berlin entgegenbrachtet, eine große moralische Hilfe für Evelyne und mich gewesen ist. Denn knapp zwei Jahre lang haben wir in Existenz-Angst gelebt, und Eure Zusage, mir im Fall meiner Amtsenthebung Zuflucht an der Akademie der Wissenschaften oder an der Humboldt- Universität zu gewähren, nous a - certes - chauffé le cœur, aber - ich darf es heute vielleicht gestehen - auch sie hat uns Angst gemacht. Denn der Gedanke, nicht mehr, 95 Hommages wann immer man wollte, nach Frankreich zu Evelynes Eltern, zu unseren Freunden oder in jenes Dorf im Bourbonnais fahren zu dürfen, wo wir uns einen bescheidenen pied-à-terre gekauft hatten, den wir selbst - mauernd, tischlernd, anstreichend - zu restaurieren begonnen hatten, war nicht wirklich erfreulich. Wahrscheinlich habt Ihr das selbst gemerkt und zu diesem Zweck so erheiternde Dinge erfunden wie die Sitzung der Akademie, bei der überzeugend geklärt wurde, dass Goethe auf dem Sterbebett gar nicht „Mehr Licht“ gerufen hatte, wie irrtümlich kolportiert, sondern „Nerlich“. Winne Schröder schickte mir das Protokoll am 29. September 1977. Ich habe es aber im Westen nicht verbreitet, weil ich fürchtete, dass NoFu und Löffler den Scherz nicht verstehen würden. Kein Scherz war, dass wir in dieser Zeit unbeirrbar an Lendemains weiterarbeiteten und dabei voll auf Eure Mitarbeit, aber auch auf die französischer und mutiger westdeutscher Kollegen rechnen konnten, und dass Du in jener Zeit Deinen ersten Beitrag verfasstest, war genauso wenig Zufall wie (siehe oben) die Tatsache, dass dieser Beitrag, der 1977 in der Nummer 6 von Lendemains (in der guten Gesellschaft von Hélène Duccini, Robert Mandrou und - dem leider kurz zuvor verstorbenen - Werner Krauss) erschien, dem Thema Boileau und die „Dissertation sur Joconde“ gewidmet war: ich gestattete mir, ein Jahr danach in der Festschrift zu einem Deiner jugendlichen Geburtstage darauf mit La mythologie comme arme poétique dans la lutte pour la paix. Propos hérétiques sur Boileau, le poème épique et la ‘ doctrine classique’ zu antworten. Ich denke, dass diese unsere Aufsätze, in denen es um Rationalismus, Toleranz und Frieden ging und mit denen wir auch auf die Spiele der damaligen global player antworteten, so wie die anderen Beiträge der Freunde von Eurer Akademie der Wissenschaften, aber auch die Erklärung meiner Fakultät, die sich unter dem Dekanat Claus Zoege von Manteuffels geschlossen hinter mich gestellt hatte, von einem anderen Niveau waren, als die von der NoFu georderten und von Senator Loeffler exekutierten Verhöre zu meiner vermeintlichen „Verfassungsfeindlichkeit“. Die wurden denn auch auf Intervention der französischen Regierung unter Valéry Giscard d’Estaing eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt, liebe Rita, acht Jahre nach meiner Berufung an die TU Berlin, duzten wir uns endlich, auch wenn ich nicht mehr weiß, aus welchem Anlass Du - als die Ältere, wenn auch Ewig-Junge - dies angeboten hattest. Dein eingangs erwähntes „mea culpa“ von 1977, das Du nach Frankreich geschickt hattest, beginnt jedenfalls mit „Lieber Michael, vielen Dank für Deinen lieben Brief vom 30. Juli, 1 der mir in diesen Tagen zugegangen ist. Gleichzeitig vielen Dank für die Nummer 7/ 8 von lendemains, et mes félicitations! “ Und er schließt: „Ich freue mich, dass es Euch beiden gut geht, und halte den Daumen, dass mit dem Baby alles klappt. Und noch mehr freue ich mich darüber, Euch in Berlin wiederzusehen. Dir und Evelyne alles Liebe, bleibt gesund, genießt das schöne Frankreich. Auf bald.“ 1 Den ich in meinem Archiv nicht finden kann. Solltest Du ihn noch haben, wäre ich für eine Kopie sehr dankbar. 96 Hommages Es ging alles gut: unsere Tochter, benannt nach France Vernier und Gabrielle d’Estrées, kam am 19. Dezember 1977 gesund und munter zur Welt, und kurz danach führten wir sie auch Dir vor, womit sowohl ein neues, wunderbares Kapitel in unserer Freundschaft, als auch ein immer distanzierteres in unserem Verhältnis zur DDR begann, woran - wie mir scheint - jene Dummheit schuld war, an der das sogenannte „sozialistische Experiment“ im allgemeinen, die DDR im speziellen gescheitert sein dürfte. Wir hatten oft darüber diskutiert: mit Werner Krauss und den Freunden von der Akademie, mit Robert und Dir. Über Fragen wie: warum darf Biermann (den ich damals bewunderte, ein Gefühl, das sich heute leider verflüchtigt hat), seine Lieder bei Euch nicht singen? Warum dürfen die Ost-Berliner kein Westfernsehen empfangen? Warum braucht man amtliche Genehmigungen, um die Texte der nouveaux romanciers zu lesen? Und warum, vor allem, dürfen die Bürger der DDR nicht reisen, wohin sie wollen? Wir verstanden das nicht. Waren Eure staatlichen Instanzen sowenig von der Validität des Sozialismus überzeugt? Hatten sie sowenig Vertrauen zum Volk, dessen Willen sie vorgaben, zu exekutieren? Kurz: warum behandelten sie den Bürger der DDR nicht den eigenen ideologischen Prämissen gemäß als Souverän, sondern als Untertan? Na klar, das war die Frage, die Euch alle tagtäglich bewegte und die Euch, die Ihr davon träumtet, die französischen Menschheitsideale von 1789 in soziale Wirklichkeit umzusetzen, zur Verzweiflung brachte und in unausweichliche Konflikte mit dem „real existierenden Sozialismus“ trieb. Ich gebe zu, bei mir war es ganz banal die Tatsache, dass mich, der ich jenseits der Grenze lebte, nichts zwang, die „wohlintentionierten“ Schikanen der ostberliner Bürokraten über mich ergehen zu lassen, die alles weitere auslöste. Vor allem gegenüber den exzessiven Kontrollen an Euren Grenzen war ich allergisch geworden. Wie unser Freund Armand Gatti, immerhin Staatsgast der DDR, der sich sosehr über sie erregt hatte, dass er von offenbar erziehungsberechtigten Grenzern dazu verdonnert wurde, Bahnhof Friedrichstrasse zu fegen. Das verletzte den ehemaligen KZ-Häftling und Sohn des „éboueur Auguste G.“ so sehr, dass er Ost-Berlin, wo er an einem Film für das DDR- Fernsehen arbeitete - trotz offizieller Entschuldigung - umgehend verließ, um nie wieder zurückzukehren. Mir passierte es vor einem jener Treffen, auf die Du Dich gefreut hattest. Wir waren verabredet, denn Du wolltest mir liebenswürdigerweise einen Laden zeigen, in dem ich das Ostmark-Honorar für meine Kritik der Abenteuer-Ideologie, die - auch als Kritik Eurer Reise-Restriktionen verfasst - 1977 im Akademie-Verlag erschienen war, in akzeptable Ware umsetzen konnte. Evelyne war schon vorausgefahren, weil sie mit Irmtraud Morgner die Übersetzung der Trobadora Beatriz besprechen musste. Ich sollte mit France nachkommen. Der Grenzübergang Heinrich-Heine-Strasse war leer, und es war schrecklich kalt. Die Zöllner saßen in ihrem warmen Kabuff und sahen uns auf dem Quai zu. Es gab keine anderen Reisenden. Man wollte wohl einem Wessi zeigen, wo es lang geht. Ich jedenfalls musste mit dem Kind in meinen Armen eine geschlagene Stunde in der eisigen Kälte warten. Zurück nach West-Berlin durfte man nicht. Meine Frage, warum man uns nicht durchließ, wurde mit der Anordnung beantwortet, ich hätte 97 Hommages zu warten. Sie sahen das Kind. Sie sahen, wie ich es zu wärmen suchte. Sie lachten und schlugen sich auf die Schenkel dabei. Wir müssen schon sehr komisch ausgesehen haben, France und ich. Eine Zöllnerin schaute verlegen weg. Da wusste ich plötzlich, dass ich nie wieder diese erniedrigende Tortur über uns und unser Kind ergehen lassen wollte, und als ich - mit Riesenverspätung - am vereinbarten Treff, dem Club der Kulturschaffenden, mit France ankam, habt Ihr sofort begriffen, dass etwas passiert sein musste. Ich habe kein Blatt vor den Mund genommen, auch wenn es mir sofort leid tat. Denn es machte Dich so traurig, dass ich nun Dich trösten musste. Du konntest ja nichts dafür. Die Freunde der Akademie konnten nichts dafür. Die normalen Menschen auf der Strasse konnten nichts dafür. Es war ein blöder, bürokratischer Apparat, der solchen Mist zu verantworten hatte. Und es ist meine Überzeugung, dass die DDR an ihm gescheitert ist. Wie auch immer: da ich, seitdem wir uns kennen, nichts ohne Evelyne tue, also auch nicht etwa alleine „Herrenbesuche“ in Berlin-Ost veranstalten wollte, während ich ihr das Kind zur Betreuung im trauten westlichen Heim überlassen hätte, kamen für Evelyne und mich keine nicht unbedingt notwendigen Exkursionen nach Ost-Berlin mehr in Betracht. Von da an sahen uns die Freunde in Ost-Berlin immer seltener. Das war traurig, hatte mit ihnen überhaupt nichts zu tun und änderte auch nicht das Geringste an unserem eingangs erwähnten republikanischen Glauben an die Ideale der Aufklärung und der Französischen Revolution. Und es änderte auch nichts an unserer Freundschaft mit Dir. An jenem tristen Tag, an dem in Wahrheit nur ein Fass zum Überlaufen gekommen war, sind wir noch zusammen in das von Dir empfohlene Geschäft gegangen und haben - auf Deinen Rat hin - Wolldecken gekauft. Das war einer der besten Einkäufe unseres Lebens: sie sind heute, dreißig Jahre später, immer noch genauso schön, und da wir sie tagtäglich benutzen, denken wir ihretwegen auch ganz profan tagtäglich dankbar an Dich, die Du sie selbst, wenige Monate später, in ihrem neuen französischen Kontext in Augenschein nehmen konntest. Das war im Sommer 78. Du warst bei einem Colloquium in Aix-en-Provence und machtest mit der Bahn einen Abstecher zu uns nach Charroux. Wir holten Dich in Vichy ab, und es war schön, Dich bei uns zu haben, obwohl ich mir ein wenig abgemeldet vorkam, denn Du hast fast nur mit Evelyne gesprochen. Über deren Gedichte. Na ja, ich konnte mich mit France trösten und ihre Windeln wechseln. Das hatte ich davon, den Emanzipierten zu spielen! Doch im Ernst: es war eine wundervolle Begegnung, obwohl wir gerade mal Zeit hatten, den guten Saint-Pourçain in der Union des Vignerons zu verkosten und die Ausstellung des Petit Journal zu besuchen, die unser Freund Pierre Lerat in der von ihm geretteten Abbaye Saint-Gilbert organisiert hatte. Und, natürlich, Charroux zu durchwandern, wo Evelyne und ich gerade mit den Arbeiten für das stadtgeschichtliche Museum begonnen hatten, mit dessen Einrichtung uns unser Freund Jean Daubanay beauftragt hatte, der Bürgermeister von Charroux, dem Du auch begegnet bist. Dann, beim Mittagessen am dritten Tag, hast du mich aufgefordert, Dir - gegen meinen Protest - den Abwasch zu überlassen, und als Du damit fertig warst, hast 98 Hommages Du zu unserem Entsetzen erklärt, am nächsten Tag wieder abreisen zu wollen, denn - so erklärtest Du mit einem Spruch, der mir unbekannt war, an den Evelyne und ich aber seitdem oft zurückdenken - „Am dritten Tag stinken die Fische und die Gäste! “ Es half alles nichts. Du hast keinen Widerspruch zugelassen. Am vierten Tag musste ich Dich nach Vichy bringen, wo wir drei traurig dem Zug hinterher sahen, der Dich nach Paris brachte. Wir haben noch oft bedauert, dass Du nicht länger geblieben bist, und ich weiß, dass auch Du es später getan hast. Aber so warst Du nun mal, denn wenn Du einen Fehler hattest, liebe Rita, dann war es diese rigorose und überaus moralische Prinzipienfestigkeit, die natürlich irgendwo auch die meine war, Lübecker Kindheit und Protestantismus obligent. Wie auch immer: von Deinem Besuch in Charroux bleibt neben der Erinnerung nur ein Lichtbild. Es zeigt Dich, die junge Poetin Evelyne Sinnassamy, und vor Euch beiden in einem kleinen Kabriolett die zukünftige Dozentin für Kunstgeschichte an der Université François Rabelais zu Tours France Nerlich, in einem der Stadttore von Charroux, ville franche seit 1245: der Porte d’Orient. Ich denke, symbolischer geht es nicht. Denn wenn auch das Experiment eines neuen Deutschland, das sich DDR nannte, gescheitert ist, sollten wir doch alles 99 Hommages Licht im Gedächtnis behalten, das trotz des Scheiterns aus dem Osten zu uns drang. Zum Beispiel das der Emanzipation der Frau in einem Staat, der genug Krippen- und Kindergartenplätze eingerichtet hatte, damit junge Mütter berufstätig bleiben oder studieren konnten, in dem 50% aller Bürgermeister Frauen waren, in dem schreibende Frauen von Anna Seghers über Irmtraud Morgner bis Christa Wolf soviel geleistet haben wie ihre männlichen Kollegen und in dem eine hübsche junge Frau Professorin werden konnte, als man im Westen noch an ihren Hüten Anstoß nahm. Dass eine Pastoren-Tochter aus Deutschland-Ost heute Kanzlerin des wiedervereinten Deutschland ist und ihre erzkatholische Familienministerin Ursula von der Leyen aus Deutschland-West versucht, das nach der Wiedervereinigung zerstörte Krippen- und Kindergartensystem der DDR - nun aber für die BRD insgesamt - zu rekonstruieren, werden kommende Generationen auch auf diesem Hintergrund sehen, und das ist auch gut so. Wenn ich hier abbreche, liebe Rita, dann nicht, weil unsere Freundschaft damals zu Ende ging: sie währt bis heute und wird auch morgen überdauern. Aber nach 89 hat sich in Deutschland soviel geändert, dass es auch Auswirkungen auf die privaten Beziehungen haben musste. Auch auf die unseren, die deshalb einer neuen Bilanzierung bedürften, für die es zu früh wäre. Lassen wir es also bei unserem telephonischen - und bisweilen eher ironischen - Austausch über die Errungenschaften des neuen neuen Deutschland, das uns nur geographisch voneinander entfernte. Du hast aus institutioneller Distanz und intellektueller Freiheit noch einmal bewiesen, wozu junge Frauen fähig sind, indem Du auch dem ungläubigsten Thomas zeigtest, was ein Houellebecq ist. Und statt es mir auf dem nun wieder reinen west-östlichen Divan bequem zu machen, zog ich es vor, in das Land meiner mütterlichen Vorfahren zurückzukehren, von dem Hellsichtige schon 1966 wussten, dass ich dort besser aufgehoben wäre. Doch ich ging erst, als klar war, dass Wolfgang Asholt bereit war, die schwierige Aufgabe zu übernehmen, die Flamme weiter in Richtung jener Lendemains zu tragen, die heute manchem (oder doch eher immer denselben) nicht mehr aktuell zu sein scheinen, von denen wir aber geträumt hatten und immer noch träumen, was ihre Aktualität ausmacht: Werner Krauss, seine Schüler, Du, Deine Schüler, ich, und Evelyne Sinnassamy, die mit mir dies alles Jahr für Jahr, Tag für Tag, Stunde für Stunde durchlebt hat und der ich jetzt - ich denke: auch in Deinem Sinne - das eingangs versprochene poetische Wort überlasse: 100 Hommages Instantanés Quelques images de Rita entre 1976 et 2008 C’est une excursion Après le colloque de Halle Où j’admirais de loin Ton élégance Ton éloquence Il y a de la neige Du vent et du soleil Tu fermes ton grand manteau Des enfants crient et rient En se lançant des boules de neige Et nous nous regardons Silencieuses et glacées Toutes proches Soudain Au camp de Buchenwald *** La chaleur est étouffante Tu reviens d’un autre colloque Aix-en-Provence Et un détour par le Bourbonnais Pour nous voir Le train a du retard L’air est chargé du sable du désert Mais le soir Après le dîner Où nous avons longtemps parlé Tu te lèves de table Fraîche comme une rose Et t’empares d’autorité De la brosse à vaisselle *** Un petit mot signé Rita Et nous nous retrouvons A Schöneberg Autour de la table ronde Pour boire un thé Avant de partir Toutes les deux 101 Hommages Complices Chercher un pot de cold-cream Au Ka De We *** Dans le jardin Fritz-Erpenbeck-Strasse Toi et Robert Comme deux arbres mêlant leurs branches Lui le chêne noueux Et toi Le peuplier *** Journée d’hiver Journée de deuil Mais autour de toi Tant d’amis Votre fils Et la beauté de vos petites-filles *** Droite et tout de blanc vêtue L’esprit vif et l’œil ardent Tu es bien plus jeune Que nombre de ceux qui viennent Deux ans avant l’an deux mille T’offrir leurs vœux Pour tes quatre-vingts ans *** Tant d’images De toi à Paris, Berlin ou ailleurs Qui me reviennent Mais il y a aussi ta voix au téléphone Ta curiosité infinie Pour l’avenir Ton infatigable discipline Et ton courage contre l’adversité Tout ce qui ne se résume pas en un poème Ni en plusieurs Mais que notre amitié connaît Par cœur