eJournals lendemains 38/149

lendemains
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
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2013
38149

Zum Gedenken an Rita Schober

2013
Wolfgang Asholt
ldm381490096
96 IIn memoriam Zum Gedenken an Rita Schober Wolfgang Asholt Einleitung Am Zweiten Weihnachtstag des vergangenen Jahres starb Rita Schober in ihrem Haus im Fritz-Erpenbeck-Ring in Pankow. Damit ging nicht nur ein Leben zu Ende, das mit der Geburt in Böhmen zur Zeit der Österreichischen Monarchie begann und in dessen Verlauf sie die Tschechische Republik, den ‚Anschluss‘ des Sudetenlandes an NS-Deutschland, den Krieg und die Sowjetische Besatzungszone, die DDR und die Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 erlebte, sondern auch ein Wirken, das die Romanistik und die Philologie in der DDR, in besonderem Maße an ‚ihrer‘ Humboldt-Universität, geprägt hat. Als Schülerin und Assistentin Victor Klemperers habilitierte sie sich 1954 und übernahm 1957 einen Lehrstuhl für Romanistik an der HU, ab 1959 als Nachfolgerin ihres Lehrers. Von 1969 bis 1975 war sie Dekanin der Geisteswissenschaftlichen Fakultät, 1969 wurde sie ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin und 1974 Mitglied des Exekutivrates der UNESCO. 1975 übernahm sie den Vorsitz des Nationalkomitees für Literaturwissenschaft, zugleich wurde sie Mitglied des Präsidiums des PEN-Zentrums der DDR und nicht zuletzt war sie Angehörige des Professorenkollegiums der gleichnamigen Fernsehsendung. Vor allem aber erreichte Rita Schober, dass es trotz der Hochschulreformen der DDR, die dies eigentlich ausschlossen, an der HU als einziger Universität weiter eine Romanistik gab. Bis 1979 repräsentierte die oft so genannte „rote Rita“ als Institutsdirektorin und bis 1989 als weiterhin Lehrende die universitäre DDR-Romanistik und bis kurz vor ihrem Tode war sie wissenschaftlich tätig; besonders interessierte sie sich in ihren letzten Jahren für die französische Gegenwartsliteratur, vor allem Houellebecq, den die große Zola-Forscherin als Vertreter eines provozierenden Neo-Naturalismus schätzte. Die außergewöhnliche Persönlichkeit der Verstorbenen würdigen die beiden Nachrufe von Horst Heintze und Friedrich Wolfzettel, denen dafür herzlich gedankt sei. Rita Schobers Bedeutung für die vier Jahrzehnte der DDR-Romanistik ist aber auch der Grund dafür, dass lendemains ihre Erinnerungen an zwei Moskau-Besuche abdruckt, die sie mir mit der Bemerkung überlassen hat, sie veröffentlichen zu dürfen, falls sie ihre Memoiren nicht abschließen könne; dafür gilt ihr der herzliche Dank der Zeitschrift, die sie von Beginn an mit Sympathie begleitet hat. Die Moskau- Besuche der Jahre 1964 und 1970 gestatten zwar auch Einblicke in die Situation der DDR-Romanistik, vor allem aber lassen sie erahnen, wie die Romanistiken der sozialistischen Länder arbeiteten und kooperierten. Insofern stellen sie auch ein historisches Zeugnis dafür dar, wie schwer es die DDR-Romanistik hatte und welche Verdienste Rita Schober sich für ihr Leben und Überleben erworben hat.