eJournals lendemains 42/165

lendemains
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2017
42165

Hans-Jürgen Lüsebrink / Jérôme Vaillant: Civilisation Allemande / Landes- Kulturwissenschaft Frankreichs. Bilan et perspectives dans l’enseignement et la recherche / Bilanz und Perspektiven in Lehre und Forschung

2017
Sonja Malzner
ldm421650133
133 Comptes rendus HANS-JÜRGEN LÜSEBRINK / JÉRÔME VAILLANT: CIVILISATION ALLEMANDE / LANDES-KULTURWISSENSCHAFT FRANKREICHS. BILAN ET PERSPECTIVES DANS L’ENSEIGNEMENT ET LA RECHERCHE / BILANZ UND PERSPEKTIVEN IN LEHRE UND FORSCHUNG, VILLENEUVE D’ASQ, PRESSES UNIVERSITAIRES DU SEPTENTRION, 2013, 345 S. Der bei Septentrion erschienene Sammelband umfasst Beiträge, die im Rahmen der von Jérôme Vaillant und Hans-Jürgen Lüsebrink organisierten Tagung zum Thema „Landeskunde“ von 23.-25. April 2010 in Berlin entstanden. Die Fragestellung schließt an eine von Jérôme Vaillant initiierte Tagung an, die 1988 auf Einladung des DAAD und des CIRAC in Versailles stattgefunden hatte und auf der die Perspektiven der französischen Germanisten und der deutschen Romanisten auf die Begriffe der ‚civilisation allemande‘ in Frankreich und der ‚Französischen Landeskunde‘ in Deutschland zusammengeführt werden sollten. Auf der Folgetagung in Berlin bzw. im vorliegenden Sammelband soll nun 20 Jahre später ein Rückblick auf die Entwicklungen, die die beiden Disziplinen in Frankreich und Deutschland seither durchgemacht haben, geworfen werden, der Ist-Zustand der ‚civilisation allemande‘ in Frankreich und der ‚Landeskunde Frankreichs‘ bzw. der ‚Kulturwissenschaft Frankreichs‘ erhoben sowie künftige Perspektiven ausgelotet werden. Die zahlreichen Beiträge, teils auf Französisch, teils auf Deutsch, gruppieren sich um drei thematische Achsen. In einem ersten Teil wird eine Bilanz der letzten 20 Jahre gezogen, sowohl den Unterricht (Schul- und Hochschulunterricht) als auch die Forschung betreffend. Die Debatte dreht sich dabei zuerst um mögliche Bestimmungen der Termini ‚civilisation‘, ‚Landeskunde‘ und ‚Kulturwissenschaften‘. Unterrichtspläne und Forschungsthemen werden durchforstet, wobei durch die Erweiterung der Perspektiven aus deutscher Sicht um einen kulturwissenschaftlichen Ansatz nun auch Themen ins Zentrum der Reflexion rücken, die frankophone Gesellschaften in ihrer Gesamtheit erforschen, auf politischer, wirtschaftlicher, sozialer, mentaler, kultureller und demographischer Ebene. Der zweite Teil des Bandes beschäftigt sich mit der Verankerung der betroffenen Fächer im interdisziplinären und institutionellen Kontext. Der dritte Teil schließlich widmet sich möglichen Perspektiven und rückt dementsprechend die Beziehungen zwischen ‚Landeskunde/ Civilisation‘ und ‚Études culturelles et des médias / Kultur- und Medienwissenschaften‘ wie auch mögliche Verbindungen zwischen ‚histoire des idées‘, ‚histoire culturelle‘, ‚histoire‘ und ‚civilisation‘ innerhalb der französischen Germanistik in den Fokus. Daraus resultierende methodologische Probleme werden anhand konkreter Erfahrungsberichte anschaulich erörtert. Dem Beitrag, den die Landeskunde/ Kulturwissenschaft zur Erforschung der Medien der Zielkultur leisten kann, wird entsprechend dem zunehmenden Interesse dabei ein besonderer Platz eingeräumt. Aus Platzgründen können allerdings einige andere Aufsätze hier nicht einzeln behandelt werden. Fritz Nies betreibt im ersten Beitrag des Bandes (17-26) Ursachenforschung für das Nicht-Erreichen der Ziele, die man sich vor über 20 Jahren gesteckt hatte. So 134 Comptes rendus wurde eine dauerhafte Kooperation zwischen der AGES (Association des Germanistes de l’Enseignement Supérieur) und den Frankoromanisten nicht erreicht. Gründe für das Scheitern sieht er sowohl im häufigen Wechsel von Ansprechpartnern als auch im Fehlen eines festen Treffpunkts und vor allem im fehlenden Interesse der Philologien für die kulturwissenschaftliche Forschung im Nachbarland. Die Gründung eines Kulturwissenschaftlichen Forums für Frankreichstudien in Paris als dauerhafter Begegnungsort scheint ihm daher wünschenswert. Aus deutscher Perspektive unternimmt Nies dann eine Gegenüberstellung von negativen wie positiven Rahmenbedingungen und schließt hoffnungsvoll mit möglichen Perspektiven für das Fach der ‚Kulturwissenschaften‘ bzw. der ‚Frankreichstudien‘, die er an bestimmte Bedingungen knüpft. So müsse der Kulturbegriff geschärft werden, um Kernkompetenzen des Fachs definieren zu können, sowie auch die Frage nach der Zielgruppe des Fachs geklärt werden. Ins Zentrum der Frankreichstudien müsste laut Nies das Fragen nach übergreifendem, vernetztem Denken rücken sowie eine Bewusstmachung deutsch-französischer Gemeinsamkeiten. Nies plädiert weiter für die Erhaltung der beiden Sprachen in internationalen bzw. bi-nationalen Studiengängen und ein Übersetzungstraining anhand kulturwissenschaftlicher Texte, das man als Denkschule nicht hoch genug einschätzen könne. Ähnlich selbstkritisch geht Wolfgang Asholt in seinem Beitrag (27-38) vor, wenn er fragt, inwieweit die sehr deutsche Debatte um Kulturwissenschaften die Situation innerhalb der Romanistik „verändert, kompliziert und für die ‚Landeskunde Frankreichs‘ noch schwerer gemacht hat“. Fortschritte und Rückschläge im Hinblick auf eine Etablierung der ‚Landeskunde‘ zeigt er folgend anhand einer Analyse von romanistischen Zeitschriften auf, indem er untersucht, inwieweit diese die Debatte wahrgenommen und befördert haben und in welchem Maße sie landeskundliche Themen behandeln. Die Ergebnisse sind laut Asholt eher ernüchternd: so interessierten sich romanistische Zeitschriften weder für Konzeption oder Methodik der Landeskunde noch für landeskundliche Themen. Und auch mit der Zeitschrift lendemains geht er ob ihrer Versäumnisse hinsichtlich einer deutlichen Positionierung für die Landeskunde hart ins Gericht. Aus französischer Perspektive erinnert Stephan Martens daran (39-50), wie jung die ‚civilisation‘ als Disziplin ist, obwohl es die französische Germanistik war, die auf dem Gebiet des Unterrichts der ‚civilisation‘ Pionierarbeit geleistet hat. Inhalt des Faches stellen laut Martens in Frankreich Analyse und Erklärung der Realität eines Sprachraums dar, unter Rückgriff auf pluridisziplinäre Methoden, vor allem der Human- und Sozialwissenschaften. Gerade die Pluridisziplinarität und die Logik der Transversalität zeichneten einen französischen civilisationniste aus, der aufgrund seiner Sprachkenntnisse große Vorteile gegenüber seiner Kollegen aus den Human- und Sozialwissenschaften habe. In der Folge bietet der Beitrag einen Überblick über die in Frankreich angebotenen Studiengänge im Fach Deutsch, insbesondere LCE (Langues et cultures étrangères), LEA (Langues étrangères appliquées) und Europäische Studien, die er als künftige Chance für den Unterricht und die Forschung in der ‚civilisation allemande‘ betrachtet, genauso wie die Einführung pluridisziplinärer 135 Comptes rendus Masterstudiengänge. Der Beitrag endet mit einem Schlussplädoyer für ein Umdenken unter französischen Germanisten, für die Kenntnisnahme der kontinuierlich rückläufigen Studierendenzahlen im klassischen Fach LCE und eine dadurch anstehende unumgängliche Modernisierung und Erweiterung des Studienangebots. Jean-Paul Cahn geht in seinem Beitrag (95-102) genauer auf strukturelle Unterschiede in den beiden Ländern ein, die seines Erachtens grundlegend sind für die unterschiedliche Entwicklung der beiden Fächer ‚civilisation allemande‘ und ‚Landeskunde Frankreichs‘, wobei er sich vor allem auf die Besonderheiten des französischen Systems hinsichtlich des Deutschunterrichts in den Schulen und die Einstellungsverfahren für Unterrichtende, das heißt die concours, konzentriert. In einem zweiten Teil befasst er sich mit der Rolle der Historiker und insbesondere mit Raymond Poidevin und Josef Becker, die mit der Gründung des Comité franco-allemand de recherches sur l’histoire de la France et de l’Allemagne au XIX e et XX e siècles 1988 den Grundstein für eine äußerst fruchtbare Zusammenarbeit legten. In seinem ausführlichen Aufsatz (103-126) schließt Ulrich Pfeil an die historische Perspektive auf das Fach der ‚civilisation allemande‘ an. Sein Hauptaugenmerk gilt allerdings der Deutschen Zeitgeschichte, deren Schnittmengen mit der ‚civilisation allemande‘ er genauer unter die Lupe nimmt. Ein ausführlicher Rückblick auf die Entwicklungen der deutschen Zeitgeschichtsforschung sowie der ‚civilisation allemande‘ in Frankreich, die in ihrem jeweiligen Kontext beide mit Identitäts- und Legitimationsproblemen zu kämpfen hatten, erlaubt es ihm, Abgrenzungen zu anderen Fächern und mögliche Schnittmengen zwischen den beiden Disziplinen zu definieren. Als Gemeinsamkeit der Zeitgeschichte und der ‚civilisation allemande‘ betont er die Tendenz zu interdisziplinären Ansätzen und Kooperationen über die traditionellen Fächergrenzen hinweg. In einem zweiten Teil geht Pfeil auf die institutionelle Verankerung der beiden Fächer im jeweiligen Partnerland ein, wobei er als wichtigste Akteure und Mittler den DAAD , das Institut d’allemand d’Asnières der Universität Paris III, Lektoren, sowie die beiden Zeitschriften Allemagne d’aujourd’hui und Revue d’Allemagne präsentiert. Zusammenfassend stellt er fest, dass die ‚civilisation allemande‘ sehr wohl ihren Mittleraufgaben als Relaisstation für die deutsche Zeitgeschichte nachkommt. Umgekehrt ist das Ergebnis sehr viel enttäuschender, denn im Vergleich zu ihren englischsprachigen Kollegen würden französischsprachige Autoren der ‚civilisation allemande‘ in Deutschland deutlich weniger wahrgenommen. Dank zahlreicher Institutionen und Akteure verfügten die civilisationnistes und die deutschen Zeithistoriker jedoch über sehr gute Kooperationsmöglichkeiten. Die folgenden Beiträge behandeln Aspekte der institutionellen Verankerung der landeskundlichen Fächer in der Lehre. Matthias Middell steuert einen Erfahrungsbericht aus dem Bereich der Kulturstudien in den neuen Bundesländern bei (141- 156), in dem er zuerst die historische Entwicklung der Franko-Romanistik in der DDR nachzeichnet und danach genauer auf die Gründung (1993) und die Entwicklung des Frankreichzentrums in Leipzig eingeht. Mit der Umstellung aller Studiengänge auf Bologna wurde in Leipzig der Frankreich-Studiengang aufgehoben und in zwei 136 Comptes rendus Master-Studiengänge European Studies und Global Studies überführt, wodurch nicht nur die Konzentration auf Frankreich, sondern auch der Gebrauch der französischen Sprache im Unterricht unterbunden wurde. Die Zahl der Einschreibungen bestätige diesen Trend weg von bi-nationalen Studien hin zu Studien über Frankreich, die sich in einen globalen Kontext einschreiben. Im Hinblick auf die Kanonbildung der Studienangebote hieße das, dass Frankreich oder die Frankophonie keinen befriedigenden Kontext mehr bieten für das Wissen, das künftige Frankreich- Experten haben sollten, da die Globalisierung zu einem Prozess der De- und Reterritorialisierung führt. In diesem Sinne stehe bereits eine neue Diskussion um mögliche neue Fachkoalitionen im Raum, die über die deutsch-französischen Beziehungen weit hinausgehe. Serge L. Gouazé fragt aus französischer Perspektive (181-192), welche ‚civilisation allemande‘ für welche Studenten unterrichtet werden soll. Dabei behandelt er vor allem den Studiengang LEA (Langues étrangères appliquées), der der dem klassischen Studium der deutschen Philologie immer mehr Konkurrenz macht. Die Zahl der LEA -Studierenden stieg und steigt immer noch kontinuierlich und vor allem die zwei dazugekommenen Master-Spezialisierungen ‚Traduction spécialisée‘ und ‚Affaires et commerce‘ erfreuen sich besonderer Beliebtheit. Die Zahl der Einschreibungen in LCE (Langues et cultures étrangères) ist im Gegensatz dazu dramatisch niedrig. Von dieser unaufhaltsamen Tendenz ausgehend diskutiert Gouazé noch einmal die Legitimationsfrage der civilisationnistes in Frankreich, die immer häufiger in LEA unterrichten (müssen), in dessen Landeskundeunterricht allerdings nicht historische Themen im Vordergrund stehen, sondern politische Systeme, Institutionen, Gewerkschaften, Demographie, Wirtschaft, Medien sowie die europäische Integration und die Globalisierung. Die civilisationnistes befinden sich also in einer unangenehmen Situation, da sie sich immer mehr auf zeitgeschichtliche Themen bzw. ‚L’Allemagne contemporaine‘ konzentrieren müssen. Um die französische Germanistik zu retten, sei es deshalb unumgänglich, sich anderen Disziplinen zu öffnen und Berührungsängste abzulegen, wolle man nicht als Fremdsprachen- Lehranstalt enden. Einen anderen Rettungsanker für die Germanistik sieht er in Doppelstudiengängen, wie zum Beispiel Deutsch-Jura oder Deutsch-Information und Kommunikation. Dabei entstehe etwas Neues, was man „un enseignement de civilisation appliquée“ nennen könnte, das soziodemographische, wirtschaftliche, institutionelle und kulturelle Perspektiven des Marktes behandelt. In diesem Sinn endet Gouazé mit einem Plädoyer für eine Hinwendung zu einer solchen ‚civilisation appliquée‘, die sich an den Bedürfnissen der Studenten orientiert, auch wenn diese rein professioneller Natur sind. Gouazé ist davon überzeugt, dass dieser Schritt notwendig ist, da von dieser Klientel die Zukunft vieler französischen Germanistik- Departements abhängt. Die nächsten Beiträge schwenken wieder um auf die deutsche Perspektive, indem sie Vorteile und Grenzen des kulturwissenschaftlichen Ansatzes in der Lehre diskutieren. Es geht um konkrete Unterrichtsentwürfe und mögliche didaktische Umsetzungen kulturwissenschaftlicher Fragestellungen. Den Beginn macht Fernand 137 Comptes rendus Hörner, der die interdisziplinären und komparatistischen Landeskundekurse am Frankreichzentrum in Freiburg (193-198) präsentiert, die gemeinsam von französischen und deutschen Professoren gehalten werden und ein breites Spektrum an Themenfeldern abdecken. Darauf folgt ein Beitrag von Dorothee Röseberg (199- 210), die über drei Projekte mit Studierenden berichtet, mit denen verschiedene Methoden zur Untersuchung von kulturellen Mustern erprobt und analysiert werden. Werner Müller-Pelzer schließlich liefert einen ausführlichen Beitrag zur deutschfranzösischen Kulturwissenschaft im Rahmen des Interkulturellen Managements (211-228), bei der die „interkulturelle Situationskompetenz“ im Fokus stehen muss. Mit Chancen und Problemen interdisziplinärer Forschungsansätze aus französischer Sicht beschäftigen sich die Beiträge von Françoise Knopper (241-252) und Elise Lanoë (253-264), wobei Knopper grundsätzliche Überlegungen zu passerelles zwischen den traditionellen Disziplinen ‚histoire des idées‘, ‚histoire‘ und ‚civilisation‘ sucht - und findet - und Lanoë von ihren ganz konkreten methodologischen Problemen berichtet, mit denen sie es als interdisziplinär arbeitende Doktorandin zu tun hat. Ausgehend von einer Definition und einem historischen Rückblick auf die Entwicklung der drei genannten Orientierungen der französischen Germanistik öffnet Knopper die Schubladen und zeigt, wie fruchtbar interdisziplinäre Ansätze sein können und dass bestimmte Themen (etwa Politische Romantik, Deutsche Jugendbewegungen, Norbert Elias) nach einer Verschränkung zweier oder mehrerer der traditionellen Disziplinen verlangen, um in ihrer Komplexität erfasst werden zu können. Am Beispiel mehrerer rezenter Dissertationen belegt sie, dass es eine eindeutige Tendenz zu fächerübergreifenden Arbeiten gibt, die sich an den Schnittstellen zwischen ‚histoire des idées‘, ‚histoire culturelle‘, ‚histoire‘ und ‚civilisation‘ ansiedeln und dass die ‚civilisation‘ eine Disziplin darstellt, die durchlässig und umfassend zugleich ist. Die letzten vier Beiträge sind dem Thema Medien gewidmet - aus Perspektive der Lehrenden und der (Nachwuchs-)Forscher. Dominique Herbet zum Beispiel situiert die Presse- und Medienanalyse im französischen Landeskundeunterricht (265- 277). Er räumt ihr einen zentralen Platz ein, da vor allem die Medien dazu fähig seien, über die Gesamtheit der sozialen, religiösen, ethischen, ästhetischen, wissenschaftlichen und technischen Phänomene der Zielkultur Auskunft zu geben. Er geht auch auf den concours des neuen CAPES ein, bei dem Zeitungsartikel, ikonografische Dokumente und Videos im interkulturellen und pluridisziplinären Kontext eine immer zentralere Rolle spielen und deshalb die Medienanalyse auch vermehrt Eingang in den Landeskundeunterricht in LCE und den Masterkursen finden sollte. Zwei Beiträge von Saarbrücker Nachwuchsforschern schließen den Kreis, indem sie ihre originellen Dissertationen präsentieren. Aliénor Didier beschäftigt sich mit der Darstellung des Nationalen in Film und Fernsehen, indem sie sich eingehend mit Adaptionen ausländischer Filme und Fernsehformate für ein nationales Publikum auseinandersetzt. Thomas Schmidtgalls Beitrag thematisiert „Transnationale Medienereignisse“ am Beispiel des 11. September 2001 (313-325). Schmidtgall greift dabei noch einmal die Diskussion um Interdisziplinarität auf, wenn er betont, dass 138 Comptes rendus die Analyse komplexer transnationaler Medienereignisse, d. h. „singuläre Geschehnisse außerhalb des gewöhnlichen Medienalltags“ (314), nach einer interdisziplinären Herangehensweise verlangt, da sie nicht nur mediale, sondern auch nationale und kulturelle Grenzen überschreite. Hinsichtlich des Fachs der romanistischen Landeskunde ist er überzeugt, dass eine systematische Beschäftigung mit transnationalen Medienereignissen eine produktive Erweiterung darstellt und schlägt damit den Bogen zurück zur Debatte um mögliche neue, über die Romanistik hinausgehende Fachkoalitionen, die Matthias Middell anstoßen möchte. Festzuhalten ist, dass hier ein informativer, reflektiver, praktischer, kontroverser und bisweilen provokativer Sammelband vorliegt, der au fond des choses geht. Die Zusammenführung der zahlreichen Beiträge französischer und deutscher KollegInnen erlaubt erstmals eine facettenreiche Zusammenschau auf das gemeinsame Fach. Es ist ein praktisches Buch, ein durch und durch ‚landeskundliches‘, für Franzosen und Deutsche, weil es Einblicke gibt in die jeweiligen universitären Strukturen, über Lehrgänge, über Lehrinhalte, über Einstellungsverfahren. Forscher und Unterrichtende beider Länder können sich ein Bild machen von den Problemen, der historischen Entwicklung und der institutionellen Verankerung des ‚Bruderfachs‘ im Nachbarland. Insofern ist der Sammelband auch für Studierende, (angehende) Lehrer und Lektoren sehr zu empfehlen. Nicht zuletzt weil sämtliche wichtige Institutionen und Mittler der deutsch-französischen Kooperation präsentiert werden. Hinzu kommen konkrete Erfahrungsberichte aus der Lehre, die der Diskussion Körper geben, sowie Beispiele und Erfahrungsberichte aus dem Forschungsalltag, die Präsentation neuer und innovativer Forschungsdesigns, vor allem auch von Doktoranden und Nachwuchsforschern, was ich als besonders positiv hervorheben möchte. Und schließlich geht es um nichts weniger als den ambitionierten Versuch einer Verortung und einer Begriffsbestimmung der ‚civilisation‘, der ‚Landeskunde‘, der ‚Landeswissenschaft‘, der ‚Kulturwissenschaft‘ sowie deren Platz in der deutschen Romanistik und der französischen Germanistik. Dass am Ende des Bandes ein Transkript der Diskussion der abschließenden table ronde fungiert, erscheint mir in dieser Hinsicht als äußerst fruchtbar, denn es nimmt die in den Eingangsartikeln angestoßene Diskussion wieder auf, erhellt Argumente, bringt die Zielsetzung des Projekts noch einmal auf den Punkt und eröffnet durch das Abdrucken diverser und kontroverser Stellungnahmen, vor allem was die Institutionalisierung der ‚Landeskunde‘ und der ‚Kulturwissenschaften‘ in der deutschen Romanistik betrifft, den Raum für weitere Diskussionen. Das Ziel des Tagungsbandes, einen point de repère zu schaffen, scheint mir auf jeden Fall geglückt, da er einen wichtigen Schritt macht hin zur Klärung von „Grundpositionen in der ‚civilisation allemande‘ in Relation zu dem immer noch heterogen erscheinenden dritten Strang (Landeskunde, Landeswissenschaft/ Kulturwissenschaft)“ und gleichzeitig beiträgt zur „Bewusstmachung der jeweiligen unterschiedlichen wissenschaftshistorischen Kontexte und Begründungszusammenhänge“ (344, Röseberg). Und in diesem Sinne kann man nur hoffen, dass diese Diskussion eine Fortsetzung findet und der Ort für einen ständigen Dialog, z. B. ein 139 Comptes rendus kulturwissenschaftliches Forum für Frankreichstudien in Paris, das sich die Teilnehmer wünschen, Realität wird. Sonja Malzner (Rouen) ------------------ STEPHANIE BUNG: SPIELE UND ZIELE: FRANZÖSISCHE SALONKULTUREN DES 17. JAHRHUNDERTS ZWISCHEN ELITENDISTINKTION UND ‚BELLES LETTRES‘, TÜBINGEN, NARR FRANCKE ATTEMPTO, 2013, 419 S. Avec sa thèse d’habilitation, qui a par ailleurs reçu le prix Kurt Ringer de l’association des Francoromanistes allemands, destiné aux jeunes chercheurs, Stephanie Bung se propose de contribuer à la vaste discussion autour d’un sujet difficilement saisissable, à savoir la culture des salons dans la France du XVII e siècle. Ainsi, elle soulève la question du manque de sources valables, la recherche s’étant souvent limitée à prendre en considération les récits anecdotiques tels que les Historiettes de Tallemant des Réaux. Par contre, les productions littéraires de circonstance parues dans des ouvrages collectifs de la main des membres des cercles considérés comme ‚salons‘ n’ont jusqu’ici pas fait l’objet d’analyses systématiques. Pour Bung, il se pose alors la question de savoir comment traiter un corpus de matériel/ matériaux extrêmement hétérogène qui permet ensuite d’analyser les relations entre les espaces sociaux et littéraires afin d’arriver à la construction de l’espace spécifique qu’on appelle communément ‚salon‘. L’ouvrage de Bung est divisé en quatre grandes parties. Dans la première partie, qui fait l’état des lieux de la recherche, Bung soulève, à juste titre, le fait que le concept de ‚salon‘ est une construction historiographique plutôt qu’une réalité sociale. L’historiographie des ‚salons‘ naît donc vers le milieu du XIX e siècle et prend à la fois une posture idéologique et scientifique et sert de rétrospective nostalgique de l’Ancien Régime (31). Cette tendance peut d’ailleurs déjà être observée au début du siècle, avec les propos de Germaine de Staël dans son essai De la littérature dans lequel l’auteure souligne le lien étroit entre la sociabilité au Grand Siècle et un art de la conversation principalement sous l’influence des femmes (30). Ainsi, Sainte- Beuve reprend ce topos dans ses Causeries du lundi (1851-1862) et dans sa Galerie de femmes célèbres (1859) afin de créer une image du ‚salon‘ comme lieu de mémoire de l’Ancien Régime. Le salon devient ainsi le paradigme d’une société polie dont la Chambre Bleue de la Marquise de Rambouillet semble être le prototype (Louis Roederer, Mémoires pour servir à l’histoire de la société polie, 1835) (43). L’auteure souligne également l’amalgame que cette historiographie a faite entre les ‚salons‘ et la querelle de la préciosité qui s’est essentiellement inspirée de sources telles que les Historiettes de Tallemant des Réaux (1834-36) et le Grand Dictionnaire des prétieuses (1660) d’Antoine Baudeau de Somaize (58). La recherche plus récente, par contre, ne conçoit le ‚salon‘ non pas comme un espace concret, mais comme un espace d’interaction entre pratiques de sociabilité