eJournals lendemains 42/165

lendemains
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
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2017
42165

Selbst- und Weltverstehen Jugendlicher in Unterrichtssequenzen aus Deutschland, Frankreich und Senegal

2017
Carla Schelle
ldm421650037
37 Dossier Carla Schelle Selbst- und Weltverstehen Jugendlicher in Unterrichtssequenzen aus Deutschland, Frankreich und Senegal Zum Vorschlag einer kultur-hermeneutischen Didaktik Erziehungswissenschaft und Didaktik, Fachdidaktik und Fachwissenschaft Während die deutsche Erziehungswissenschaft in der Tradition der Philosophie, insbesondere in der hermeneutischen Philosophie (Herbart, Schleiermacher, Dilthey) und der Theologie steht, basiert die Erziehungswissenschaft in Frankreich als eher junge Disziplin auf der Soziologie und der Psychologie (empirisch, positivistisch). „Il y a donc un contraste frappant entre une discipline ayant son origine dans la philosophie spéculative en Allemagne, et une discipline basée sur les sciences humaines empiriques et expérimentales en France“ (Hörner 2000: 164). Auch sind Didaktik und Fachdidaktik, wie sie in Deutschland unterschieden werden, und Didaktik als Fachdidaktik in Frankreich nicht kompatibel. In der deutschen Erziehungswissenschaft ist die allgemeine Didaktik zuständig für übergreifende Fragen/ Dimensionen zum Unterrichtsgeschehen. Die Fachdidaktiken sind an den Inhalten und Methoden der Fachdisziplinen (Schulfächer) und deren spezifischen Belangen ausgerichtet. Aus frankophoner Perspektive weist Schneuwly auf den engen Bezug zwischen Fachdidaktik und Fachwissenschaft als „Wortpaar“ hin, das im Deutschen - anders als im Französischen - „fast untrennbar“ sei, und nicht zufällig spiegele sich darin „eine soziale Realität“ (Schneuwly 2013: 26sq.). So habe es bis vor wenigen Jahren in Frankreich keine institutionalisierte didaktische Reflexion gegeben, und die Initiationsprüfungen für den Lehrberuf fanden nur in der Fachwissenschaft statt. Von Fachdidaktik sei „keine Rede“ gewesen (ibid.: 27). Die damit einhergehende „‚Exterritorialität‘ gegenüber den Bezugswissenschaften“ bringe, Schneuwly zufolge, wiederum den Vorteil mit sich, dass sich die Didaktiken (bzw. Fachdidaktiken) „als autonome wissenschaftliche Disziplinen“ (ibid.) verstünden und gleichzeitig „wie alle disziplinären Felder, die aus sekundärer Disziplinenbildung hervorgehen“ multidisziplinär konzipiert seien. Um jedoch den Spannungen zwischen den Fachdidaktiken und den Tendenzen der Zersplitterung zu begegnen, thematisiert Schneuwly eine allgemeine Didaktik und die Gründung eines fachdidaktischen Dachverbandes nach deutschem Vorbild (ibid.: 29). Gleichzeitig entwickelt und profiliert sich seit einigen Jahren in Frankreich eine „didactique comparée“ (Sensevy 2008), deren Anliegen vielleicht mit denen einer Allgemeinen Didaktik verglichen werden kann (Weiser 2007). Was es mit den beschriebenen Zusammenhängen im senegalesischen Diskurs auf sich hat, kann hier noch nicht eindeutig geklärt werden. Es ist davon auszugehen, dass sich die französische Tradition einer soziologisch und psychologisch basierten 38 Dossier Erziehungswissenschaft sowie die Konzeption der Didaktiken dort niedergeschlagen haben, jedoch ist auch von eigenen Entwicklungen auszugehen (Adick 2013). Für die Autorin und die Leser*innen des vorliegenden Beitrags bedeutet dies, den jeweiligen eigenen Standort stets mitzudenken und zu reflektieren. Fachbegriffe und Diskurse können nicht ohne weiteres von einer in eine andere Sprache übersetzt werden. Vielmehr ist zur Kenntnis zu nehmen, dass Pädagogik und Kultur nicht zu trennen sind, weder auf der begrifflichen und konzeptuellen Ebene noch auf der Mikroebene des Unterrichts (Alexander 2003, 2013). Gleichzeitig vollziehen sich Entwicklungen in verschiedenen Ländern aber auch nicht voneinander abgeschirmt (cf. die Ausführungen von Schneuwly). Länderübergreifend scheinen Unterrichtende vor ähnlichen Herausforderungen für das Unterrichten zu stehen, die beispielweise die Schülerperspektiven auf Lerngegenstände betreffen und sich im kritischen Diskurs, etwa um eine „forme scolaire“ (Delory 2012, Fall 2013, Hofstetter/ Schneuwly 2013), niederschlagen. Didaktische Interventionsformen und Schülersubjekt Mit der historisch begründeten philosophischen Tradition (Hörner 2000) lässt sich idealtypisch sagen, dass die didaktischen und fachdidaktischen Überlegungen in der deutschen Erziehungswissenschaft stärker um die Schülersubjekte und das Handeln der Akteure im Unterricht kreisen (z. B. Wallenhorst 2006). Offenbar spielen dabei auch Anschaulichkeit und die Bedeutung mündlicher Schülerbeiträge im Unterschied zu Beweisführung und Schriftlichkeit in der französischen Tradition eine große Rolle, wie erste qualitative Studien nahelegen (z. B. Knipping 2003, Schelle/ Straub 2016). Dies alles wäre aber empirisch noch stärker als bislang geschehen zu erforschen. Im Folgenden soll es nun um eine hermeneutische Didaktik gehen, die die Autorin basierend auf einer eigenen interpretativen Unterrichtsforschung im Bereich politisch-historischen Lernens zu begründen versucht hat. Der methodengeleitete forschende Zugang einer allgemeinen Didaktik, wie er fortan vertreten wird, braucht immer auch ein Thema, eine Sache, insofern kann hier die Grenze zu einer am konkreten Gegenstand orientierten Fachdidaktik nicht trennscharf gezogen werden. Im Fokus stehen, auch weil dem politisch-historischen Lernen eine allgemeinbildende Bedeutung zukommt, das Selbst- und Weltverstehen der Schülersubjekte/ Schuljugendlichen. Die hermeneutische Didaktik, eine „didactique herméneutique“ (Schelle 2016) wird damit als allgemeindidaktischer Zugang „comme une approche générale“ vorgeschlagen, der auch auf andere (Fach)didaktiken ausstrahlen mag. Die folgenden Überlegungen und empirischen Fallbeispiele sind einer internationalen Unterrichtsforschung zuzurechnen, verbunden mit dem Anliegen, den überregionalen didaktischen Diskurs anzuregen, insbesondere auch einen Anlass zum Austausch mit der sich etablierenden didactique comparée (Daunay/ Reuter 2011, Reuter 2014) zu bieten. Doch zuvor sollen einige Anmerkungen helfen, die hier vorgeschlagene hermeneutische Didaktik theoretisch einzuordnen. 39 Dossier Bildung, Unterricht, Selbst- und Weltverstehen Didaktische Überlegungen - sei es in der universitären oder außeruniversitären Lehrerausbildung, der Lehrerweiterbildung oder auch in fachlichen Diskursen - sind perspektivisch häufig auf das Handeln der Lehrpersonen, die Planungsebene von Unterricht ausgerichtet, die als besonders wichtig erachtet wird. Die Bedürfnisse und Erwartungen von Kindern und Jugendlichen als Schülersubjekte spielen dabei eher eine beigeordnete Rolle. Konzeptuell werden deren Belange im deutschsprachigen Raum am ehesten in bildungsgangdidaktischen Überlegungen aufgenommen, in denen die Schülerinnen und Schüler bzw. Lernenden mit ihren Deutungen von Welt fokussiert und gleichzeitig als Gestalter und Gestalterinnen ihrer Lernprozesse betrachtet werden (Meyer/ Reinartz 1998, Wegner 2011). Damit rekurriert diese didaktische Perspektive auch auf ein bestimmtes Verständnis von Bildung als Bildungsprozessen, die verstanden werden als Erwerb und Veränderung eines je eigenen Selbst- und Weltverhältnisses (Schelle 2003: 67; cf. auch Pollmanns 2010), das sich ständig transformiert (transformatorischer Bildungsbegriff, Koller 2012) und eine unabschließbare/ permanente Bearbeitung von Differenz darstellt (Peukert 1998). (Hieran knüpfen die anschließenden Ausführungen an.) Im Laufe der letzten Jahre hat sich im Bereich der Didaktik und der Fachdidaktiken ein Verständnis von Unterricht als ‚Sprachspiel‘ (Lüders 2003) und/ oder Unterricht als Interaktion durch (Rabenstein 2010, Schelle 2010 mit Bezug auf Luhmann 2002) etabliert (cf. auch Beiträge in Meseth/ Proske/ Radtke 2011). Unterricht wird also verstanden als komplexes Aushandlungs- und Interaktionsgeschehen, für das die Kommunikation konstitutiv ist. Lehrer- und Schüleräußerungen werden dabei als Deutungsangebote aufgefasst. Es stellt sich nun für eine hermeneutische Didaktik, wie sie hier entworfen wird, vor allem die Frage: Was stimuliert, was regt Deutungen der Schülerinnen und Schüler an, wo und inwiefern erleben sie sich im Denken und Deuten? Besondere Bedeutung bei der Beantwortung dieser Frage kann dem Zusammenspiel von Sinn, Erfahrung, Imagination und Phantasie im Unterricht zukommen, das einen Brückenschlag zwischen den fachlichen Konzepten auf der Lehrerseite und der Alltagswelt, den Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler herzustellen vermag (Combe/ Gebhardt 2012). Zwar kann der schulische Unterricht in einem engen Sinne nicht echtes Handeln, nicht Handeln mit Ernstcharakter anbieten. Es gibt aber eine verstehende Bewältigung von sozialen Situationen, wie sie etwa in Lernsituationen (im Bereich Politik, Geschichte, Geographie) deutlich wird. Insofern kann Verstehen auch als ein indirekter Transfer von Erfahrung betrachtet werden (Schelle 2003: 104; siehe Fallbeispiele unten), und dies dürfte auch für weitere Fachdisziplinen bedeutsam sein. Es soll hier also nicht bloß um die Verbesserung einer hermeneutischen Kompetenz von Lehrer*innen, Referendar*innen sowie Studierenden gehen, wie sie z. B. in den im deutschsprachigen Raum eingerichteten Fallarchiven vorgeschlagen wird. 1 Der Blick ist hier also nicht allein auf eine Veränderung des Lehrerhabitus, die hermeneutische Komponente im Lehrerhandeln gerichtet, die zweifellos wichtig ist. 40 Dossier Der Anknüpfungspunkt sind hier vielmehr die Schülerinnen und Schüler und die Frage, wie sie zum Verstehen zu animieren und zu befähigen sind (Schelle 2003). Dazu wäre, was die Schülersubjekte an hermeneutischer Alltagskompetenz mitbringen, aufzugreifen, auszubauen und weiterzuentwickeln. Erst dann - so die These hier - können Schülerinnen und Schüler (im Sinne eines Selbst- und Weltverstehens) in die Lage versetzt werden, Urteile über ihre Situation und ihr Verhältnis zur Welt zu treffen, als Anforderungen, die ständig an sie gestellt werden. Insbesondere Schuljugendliche sind dauernd zur Interpretation ihrer Lage und zu Interpretationen von symbolischen Ausdrucksformen von Zugehörigkeit und Nicht-Zugehörigkeit aufgefordert. Soziale Netzwerke, Klassenchats, die Möglichkeiten, sich selbst und andere im Internet einem unüberschaubaren anonymen Publikum zu präsentieren usf. verleihen existenziellen, entwicklungsbedeutsamen Fragen, wie ‚Wer bin ich? ‘, ‚Wer sind andere für mich? ‘ und ‚Wer möchte ich für andere sein? ‘ usf., zusätzlichen Nachdruck. Aber befragen wir zunächst einmal ‚Klassiker‘ der Kulturtheorie, die davon handeln, wie wir die Welt und uns selbst verstehen und begreifen und welchen Stellenwert das Subjekt in der sozialen Welt hat (cf. Schelle 2003). Kulturwissenschaftliche Zugänge zum Verstehen Zugrunde gelegt sind den folgenden Überlegungen sozialwissenschaftliche, strukturale und interpretative Kulturtheorien (Unterscheidung nach Reckwitz 2000), mit denen bereits an anderer Stelle (Schelle 2003) herausgearbeitet werden konnte, dass es verschiedene Deutungserfordernisse und Kompetenzdimensionen gibt, denen Rechnung getragen werden muss. Die Frage lautet also: Welche Zugänge zum Verstehen des Selbst und des Fremden halten die verschiedenen Ansätze bereit? 2 So sind etwa dem bourdieuschen Ansatz zufolge Stil- und Ausdrucksformen prägend und symbolisch wirksam hinsichtlich der Vorstellung vom Sozialen, von Selbst und Welt. Auseinandersetzungen mit Stil- und Ausdrucksformen sind Auseinandersetzungen mit lebensweltlich-kontextuellen Erfahrungen, mit Gesellschaft (Bourdieu/ Passeron 1971, Bourdieu 1987) und dienen der Positionierung im sozialen Raum und der Urteilsbildung. Mit diesem Entwurf, in dieser Sichtweise ließen sich somit kulturelle Habitusformen deuten lernen. Wie Verstehen als Transfer von Erfahrung möglich wäre, lassen weitere Vorschläge, die in den Vorstellungen bei Geertz und Giddens angelegt sind, erkennen. Diese helfen kulturelle Ausdrucksformen u. ä. über eine auf Distanz gebrachte Beobachtungshaltung im jeweiligen kulturellen Kontext (das Fremde im Lokalen - das Vertraute im Globalen) zu enträtseln und deuten zu lernen (Geertz 1996, 1999, Giddens 2001). Eine solche ethnografische Deutungskompetenz bedeutet (im Zeitalter von Entgrenzung und Globalisierung) dialogfähig zu bleiben, bedeutet Bedingungen des Zusammenlebens auszuhandeln, bedeutet an Formen der Mitsprache von unten festzuhalten, bedeutet im Sinne transformatorischer Lernprozesse (Peukert 1998): Das Eigene im Fremden und das Fremde im Eigenen (Waldenfels 1998) zu reflektieren. Kulturelle Kontexte deuten lernen (Geertz 1996, 1999) und einen 41 Dossier „Dialog von unten“ führen (Giddens 2001) wären somit die Zugänge, die hier bereitgehalten werden. Die Haltung eines offenen Weiterfragens, wie sie den methodisch gut begründeten Sequenzanalysen bei Oevermann/ Allert/ Konau/ Krambeck (1979) zugrunde gelegt ist, dient dazu, strukturelle, regelgeleitete Abläufe von Handlungen und Zwängen zu durchschauen bzw. die Welt hinter der Welt durchschauen zu lernen. Latente Sinnstrukturen zu deuten kann dazu beitragen, strukturelle, in sozialen Situationen verkapselte Konfliktpotenziale (stellvertretend) herauszuarbeiten. Dieser Ansatz ermöglicht Bedeutungen und Abläufen nachzugehen, Strukturen durchschauen zu lernen und stellvertretend für andere zu deuten (Oevermann 1993, 1996). Hinzu kommen sinnlich-symbolische Interaktionsformen, die immer auch auf innere Bilder und authentische Artikulationsbedürfnisse verweisen. Szenisches Verstehen und einen inneren Dialog mit sich führen können - dies kann bedeuten, ein Mehr an innerer Freiheit zu gewinnen und zu nutzen (Lehmkuhl 2002). Hier geht es darum, Emotionen lesen zu lernen (Lorenzer 1986, 1992) und innere Dialogfähigkeit (Honneth 2000) zu gewinnen. Die Frage, die sich nach dieser kursorischen theoretischen Annäherung stellt, lautet: An welchen Stellen entwickeln Schülerinnen und Schüler von sich aus solche Verstehenshaltungen? Auf der Suche nach einem handhabbaren Zugang zum Verstehen ist das Offenhalten von Unterrichtssituationen für den Umgang mit unterschiedlichen individuellen Bedeutungswelten und konkurrierenden Interpretationen nahegelegt. Wie, an welchen Stellen des Unterrichts sich diese Verstehensbemühungen, Suchbewegungen (als unabschließbare Differenzbearbeitung, s. o.) der Schülerinnen und Schüler zeigen und inwiefern ein produktiver Umgang damit angebahnt werden kann, soll exemplarisch anhand von Fallbeispielen, zusätzlich aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten, veranschaulicht werden. Auch wenn wir davon ausgehen, dass Unterricht in erster Linie das Bemühen darstellt, zu verstehen und verstanden zu werden, ist es dennoch nicht einfach, die Verstehensbemühungen der Schülerinnen und Schüler ‚aufzufinden‘, denn diese treten keineswegs immer offensichtlich zu Tage, sie sind vielmehr eingelagert in komplexe und für Außenstehende nicht einfach zu durchschauende Subjektivationsprozesse (cf. Dizerbo 2015). Schülerzugänge zum Verstehen - Drei Unterrichtsequenzen zur Veranschaulichung Die nachfolgenden Sequenzen als Fallbeispiele sind aus Forschungsprojekten der Autorin entnommen, d. h. sie sind hervorgegangen aus eigenen aufgezeichneten Unterrichtsbeobachtungen, die anschließend transkribiert wurden. Eine ausführliche Interpretation des ersten Fallbeispiels ist in Anlehnung an das rekonstruktive Auswertungsverfahren der objektiven Hermeneutik (Oevermann 2002, Wernet 2000, 42 Dossier Gerber 2007) entstanden (Schelle 2003). Bei diesem sequenziellen Interpretationsverfahren geht es darum, möglichst extensiv Lesarten zu bilden, die sich an der Wörtlichkeit eines Textes orientieren. Damit werden vielschichtige Aspekte und Sinnstrukturen aufgefächert, die es ermöglichen, das Handeln der Beteiligten aus Blickwinkeln zu reflektieren, die wir ansonsten nicht einnehmen. Es geht also vor allem um die Rekonstruktion einer Strukturlogik, der das Handeln der Akteure (quasi hinter deren Rücken) regelgeleitet folgt, und eine sogenannte Fallstrukturthese herauszuarbeiten. Nach den etwas detaillierteren Ausführungen zu dem ersten Fallbeispiel folgen zu den Sequenzen aus Frankreich und Senegal weniger ausführliche Kommentare zu den sich anbahnenden strukturellen Implikationen. Eingehende Analysen dazu stehen noch aus. I. „Der niedere Adel trägt Kniebundhosen“ - Verstehen und Stil- und Ausdrucksform Die folgende Szene stammt aus dem Unterricht Geschichte/ Politik einer 8. Realschulklasse aus dem Jahre 1997 (Schelle 2003: 174sqq.). Zuvor hatte eine Schülerarbeitsgruppe ihr Ergebnis zu einer 1. Aufgabenstellung (siehe unten) zu einem Ausschnitt der Kaiserkrönung Napoleons präsentiert. Der Lehrer kommentiert den Beitrag nicht, und er soll offenbar auch nicht von den anderen Schülerinnen und Schülern kommentiert oder gar bewertet werden. Möglicherweise hält der Lehrer das vorgetragene Arbeitsergebnis für so gut, dass dem unausgesprochen nichts zu entgegnen ist, dass es bloß noch darum gehen kann, weitere Aspekte, Sichtweisen usf. hinzuzufügen. Betrachtet das Bild und beschreibt, was es über die Herrschaft Napoleons aussagt. (…) (aus Berger/ Müller/ Oomen 1988: 155) 43 Dossier Lehrer: wer möchte was ergänzen? Alisa Alisa: ja ? ? ? Kleider Lehrer: ja Alisa: (eh die) Napoleons Frau hat ein weißes Kleid, Königsfarbe, und einen roten Schleier, Rot ist die Farbe der Stadt Paris, alle Leute im Saal tragen rot weiße Kleider, und zeigen, dass sie (im) höheren Stand sind, der niedere Adel trägt Kniebundhosen, das zeigt, dass sie nicht so viel Geld haben, um sich neue teure Kleider zu kaufen Interpretation und Kommentar Der Lehrer ruft Alisa auf, die, sich zunächst vergewissernd, nicht einfach loslegt. Der Lehrer befürwortet ihr Ansinnen und sie beschreibt das Kleid, das „Napoleons Frau“ trägt. Die weiße Farbe wird - im Sprachfluss knapp eingeschoben - als „Königsfarbe“ bezeichnet, als Farbe, die für eine hohe gesellschaftliche Stellung (Prestige) steht. Bei der roten Farbe des als „Schleier“ identifizierten Kleidungsstückes handelt es sich der Schülerin zufolge um „die Farbe der Stadt Paris“, also um eine Farbe, die regional bedeutungsvoll ist. Was das anbelangt, argumentiert Alisa bzw. ihre Arbeitsgruppe sicher. Den verschiedenen signifikanten Farben werden besondere Signalwirkungen und symbolische Bedeutungen zugeschrieben, so als seien sie nicht zufällig auf der Abbildung zu sehen (Repräsentationsfunktion). Anschließend verallgemeinert Alisa, dass „alle Leute im Saal“ in den Farben rot und weiß gekleidet seien und damit „zeigen“, dass sie dem „höheren Stand“ zugehören. Die Farben der Bekleidung werden als Erkennungszeichen von Angehörigen einer gesellschaftlichen Gruppe identifiziert (Vorkenntnisse). So als wollten diese damit ausdrücken, dass sie der künftigen Kaiserin kleidermäßig und standesmäßig verbunden sind. Festgehalten werden kann, dass der Arbeitsgruppe eine (prototypische) Farbgebung aufgefallen ist, und sie deuten diese im Hinblick auf gesellschaftliche Positionen und Zugehörigkeiten. In den Augen Alisas und ihrer Arbeitsgruppe signalisiert die Farbe der Kleidung, wer wohin und zu wem gehört, insofern lässt sich hier von einer Typenbildung reden. Eine andere Beobachtung besteht darin, dass der „niedere Adel“ - nun werden innerhalb der bereits genannten Statusgruppe soziale Ränge unterschieden - „Kniebundhosen“ trage, das zeige, „dass sie nicht soviel Geld haben“, also nicht genügend Geld, „um sich neue teure Kleider zu kaufen“. Damit wird gleichsam ein sozialer Zusammenhang begründet. Also offenbar hat die Arbeitsgruppe mit den „Kniebundhosen“ ein äußeres Merkmal entdeckt, das auf eine niedrigere soziale Stufung schließen lässt im Vergleich bzw. im Unterschied zu den rot-weiß Gekleideten. Alisa bzw. ihre Arbeitsgruppe unterscheiden also Kleider und Kniebundhosen 3 und deuten diese als Statusmerkmale (Prestigeobjekte), als äußere Merkmale und Zeichen für mehr oder weniger Reichtum. Einerseits hangelt sich das Ergebnis dieser Arbeitsgruppe (vermutlich ein Teilabschnitt daraus), im Präsens beschrieben, am optischen Bestand der Abbildung entlang, zum anderen gewinnt man den Eindruck, als urteile die Schülergruppe aus dem Blickwinkel der dokumentierten Akteure. Umständliche Vermutungen gibt es 44 Dossier nicht, vielmehr werden Versatzstücke (z. B. Fachausdrücke wie Königsfarbe, höherer Stand, niederer Adel) vermeintlich sicheren Wissens dargelegt. Neben der besonderen Symbolkraft der Farbgebung geht es Alisa und ihrer Gruppe offenbar darum, eine relative soziale Ungleichheit festzuhalten. Womöglich ist es ihr Anspruch, darauf aufmerksam zu machen, dass neben den prunkvoll ausgestatteten Hauptakteuren und deren Anordnung im Raum (etwas, das die Schülergruppe vorher beschrieben hatte) auch weniger Wohlhabende anwesend sind. Die so thematisierte gesellschaftliche Ungleichheit impliziert auch ein Bild, eine Vorstellung von Herrschaft, um die es ja gehen soll (Problembewusstsein). Hier allerdings werden Vorstellungen von gesellschaftlicher Ordnung weniger über räumliche Positionierungen als vielmehr über Farbgebung und Kleidungsstil (Prototypen, Typisierung) entwickelt, insofern liegen neue ergänzende Aspekte (zu dem Schülerbeitrag von zuvor) vor. Man kann sagen, dass in der Sichtweise, die Alisa vorträgt, auch der Versuch unternommen wird, sich mit der Situation derjenigen näher zu befassen, denen der Prunk vorbehalten bleibt. Handelt es sich dabei um eine Form der Projektion, der Anteilnahme, des Sich-Hineinversetzens? Lässt sich hier nicht von einer vonseiten der Schülerin selbst ergriffenen Möglichkeit des subjektiven Bedeutungsaufbaus sprechen, dem auch die kategoriale Vorgabe der Aufgabenstellung nichts anhaben kann? Diese Vorstellung „Da gibt es welche, die nicht (genauso wie ich und meinesgleichen) zum Prunk gehören (also nicht diese aufwändigen Kleider tragen)“, dies kennzeichnet doch den Versuch, sich einen Zugang zum Verstehen zu dieser fremden Welt zu verschaffen, in dieser abgebildeten fremden Welt Eigenes zu suchen, zu entdecken, zu beurteilen (Fremdverstehen, Transformation). So betrachtet lässt sich fragen, ob es sich hier nicht auch um die Bearbeitung eines Bourdieu-Themas par excellence handelt? Hier stehen die Sinnprovinzen, die Milieus auf dem Spiel, und die Frage „Wer gehört wohin? “ wird aufgeworfen. Hier wird soziale, milieubedingte Ungleichheit anhand von äußeren habitualisierten Merkmalen (typisierend) festgeschrieben. Wie sonst kann man diese Fremden als seinesgleichen identifizieren, wenn es da nicht eine, wenn auch entfernte, „Wahlverwandtschaft“ (Bourdieu 1987: 374) gibt? Es ist das Spiel zwischen Identität/ Identifikation und Differenz, das sich hier, selbstinitiiert von der Schülerin bzw. ihrer Arbeitsgruppe, allmählich abzeichnet - also indem die Schülerinnen und Schüler von sich aus überlegen, was die Menschen, die auf der Abbildung zu sehen sind, eint und was sie unterscheidet. Das Verstehensbedürfnis, das die Schülerinnen und Schüler hier haben, lässt sich in Fragen fassen: Was haben die einen, was die anderen nicht haben? Inwiefern lässt sich dies mit dem Hintergrund, den ich habe, mit dem Repertoire an Zeichen, Symbolen usf., die ich kenne, deuten? Damit rücken gleichsam Aspekte und Facetten des eigenen Lebensstils, der eigenen Lebensführung in das Zentrum. Möglicherweise sind diese überhaupt die Anknüpfungspunkte für die Thematisierung von sozialen Positionen aus Schülersicht. Man kann sagen, dass die Schülerinnen hier eine 45 Dossier Ungleichheitsdebatte über Stil- und Ausdrucksformen führen und dabei Fragen von Verteilungsgerechtigkeit tangieren. Man kann auch sagen, dass die Abbildung selber die bourdieuschen Themen ‚Klassengesellschaft‘, ‚Wahlverwandtschaften‘, ‚gesellschaftlicher Aufstieg‘ (re)präsentiert. Und wie geht es weiter? Der Lehrer kommentiert den Redebeitrag der Schülerin. Er hinterfragt die Beobachtung und regt damit einen längeren Klärungsprozess an, an dem sich auch andere Schüler lebhaft beteiligen. Alisa erläutert an einer späteren Stelle: […] Alisa: ja (Roman: ? ? ? (Tablett)) das sieht man so ein bisschen glaub ich, weil ehm, die Sansculotten, die hatten ja die langen Hosen, und man sich das ja vielleicht denken, dass sie (kurze) Kniebundhosen anhatten SCHw: ja aber ich find, die sieht lang aus, die Hose Lehrer: selbst wenn du jetzt mal, also ich denke, das können wir nicht hundertprozentig entscheiden, ob das nun Kniebundhosen sind oder nicht, aber Alisa hat die Aussage gemacht, das muss ein niederer Adeliger sein, der nicht viel Geld hat, weil er Kniebundhosen trägt Alisa: ja weil die andern, die bisschen reicher sind, also (in) höheren Stand (stehn), die ham ja diese Kleider und (diesen) Schleier eh, ja (erklär) SCHm: die Adeligen haben ja immer Kniebundhosen, und die Armen diese eh normalen Hosen ((Roman): die Sansculotten) ja die Sansculotten Lehrer: ja und, was hat das jetzt mit der Aussage von Alisa zu tun? bist du der Meinung, das stützt sie, oder das stützt (eben) nicht SCHm: dass das keine Armen sind, Adelige sind ? ? ? Alex G.: ja das kann aber trotzdem ein Diener sein, und dann zu diesem Anlass hat er ehm Kniebundhosen gekriegt, damit er (da) bisschen eh gut aussieht Lehrer: nee, ich glaub das Thema Diener hatten wir vorhin schon abgehakt, damit dass man keinen niedrigen Diener damit beauftragen würde, die Krone der Kaiserin dem Kaiser zu reichen, […] Allmählich wird deutlich, welchen Vorstellungen, welcher Logik die Schülerin bzw. ihre Gruppe bei der Bearbeitung der Frage gefolgt ist. Sie haben eine kurze Hose auf der Abbildung erkannt und die Kürze der Hose mit den aufwändigen Kleidern sozial höher Gestellter in Relation gesetzt (wer sich keine langen Gewänder leisten kann, hat „nicht so viel Geld“) und damit gleichsam eine ‚eigene‘ und neue Auseinandersetzung in dieser Unterrichtsstunde angezettelt. Es folgen zwei weitere exemplarische Sequenzen zur Veranschaulichung von Schülerzugängen zum Verstehen, auf die die Autorin im Laufe der Jahre bei Unterrichtsbeobachtungen in Frankreich und Senegal gestoßen ist und die jeweils kurz kommentiert werden. 46 Dossier II. „Mais c’est pas juste“ - Verstehenwollen und Widerstreit Die nachfolgende Sequenz dokumentiert Unterricht im Fach Geschichte (histoiregéographie) einer 6ième (12 Schülerinnen, 12 Schüler) an einem collège in Frankreich. Im Laufe des Unterrichts, der 2006 aufgezeichnet wurde, wird ein kurzer Schulbuchtext vorgelesen, der von der militärischen Disziplin römischer Soldaten handelt: 1. Die Lektüre des Textes aus einem Schulbuch erfolgt durch zwei Schülerinnen: „Les soldats romains s’échappèrent en désordre à travers des monceaux de cadavres et d’armes. Ils finirent par se reformer après leur course et le consul, qui les suivait en s’efforçant vainement de les arrêter, établit son camp en lieu sûr. Puis, faisant sonner le rassemblement, il s’en prit aux troupes pour avoir trahi la discipline et abandonné les drapeaux. Il demanda: ‚Où est ton drapeau? ‘ ‚Où sont tes armes? ‘ Les hommes sans armes et les porte-drapeaux sans drapeau, les officiers coupables d’abandon de poste furent bastonnés et décapités; quant aux simples soldats, il en fit exécuter un sur dix tirés au sort.“ (D’après Tite-Live; Histoire romaine, 1 er siècle avant J.-C.) 2. 0.30.51 S(m): mais c’est pas juste 3. 0.30.53 L: qu’est-ce que vous dites + ouaih 4. 0.30.56 S(m): c’est pas juste 5. 0.30.57 L: hmm ++ c’est pas très juste t’as raison c’est pas très juste je suis bien d’accord avec toi alors dans le texte est-ce qu’il y a des mots que vous ne comprenez pas + oui Lisa quoi 6. 0.31.05 S(w): stolpert über das Wort les monceaux 7. 0.31.08 L: les monceaux oui les monceaux on parle de monceaux de cadavres je crois c’est ça l’expression alors des monceaux de cadavres ça veut dire quoi est-ce que quelqu’un peut nous expliquer 8. 0.31.17 S(m): des monceaux de cadavres [c’est là où] les cadavres s’empilent 9. 0.31.20 L: oui c’est un empilement un tas un monceau c’est un empilement un tas 10. 0.31.24 S(? ): mais pourquoi [ils les tuent] 11. 0.31.25 L: le mot attends (…) on termine d’abord le vocabulaire et ensuite je te donne la parole [sehr schnell gesprochen] euh vainement + [Kreide zerbricht] vainement ça veut dire quoi vainement ++ le consul jcrois [liest schnell und laut den Satz aus dem Text] oui? 47 Dossier Kommentar Auf die Lektüre des inhaltlich dramatischen Textes aus dem Schulbuch folgt eine offenbar spontane Schülerreaktion: c’est pas juste. Die im Text geschilderte drastische Bestrafung (Hinrichtung) lässt den Schüler offenbar nicht kalt, wobei sich nicht genau sagen lässt, worauf sich sein Einwand genau bezieht (auf die zur Exekution bestimmten Entwaffneten und Fahnenlosen und/ oder auf die [Zufalls]auswahl eines einfachen Soldaten aus einer Gruppe von zehn …). Wie auch immer, der Schulbuchtext erscheint in der Sichtweise des Schülers als interpretations- und diskussionswürdig hinsichtlich der Frage von Angemessenheit oder gar Gerechtigkeit. Die Unmittelbarkeit seiner Reaktion (er wartet nicht ab, bis die Lehrerin etwas sagt, er meldet sich nicht) verweist auch auf eine Art Dringlichkeit, ein Artikulationsbedürfnis, das keinen längeren Aufschub duldet. Der Schüler bzw. der von ihm geführte innere Dialog als eine Art Widerstreit zwischen dem Geschilderten und den eigenen Vorstellungen dazu, kehrt sich hier pointiert und leicht empört nach außen (siehe oben zu Lorenzer 1992, 1995 und Honneth 2000) und kann als indirekter Ausdruck des Bemühens um Verstehen gedeutet werden. Zu einer Klärung kommt es vorerst nicht. Die Lehrerin stimmt dem Schüler zu (relativierend „pas très juste“), sie gibt ihm Recht, ist mit ihm einverstanden, dennoch hält sie zunächst an der Klärung unbekannter Begriffe fest. Vielleicht hadert auch sie mit den geschilderten disziplinarischen Maßnahmen? III. „Monsieur est-ce qu’il y a un pays où tous ces indicateurs … sont positifs“ - Selbst- und Weltverstehen in globaler Perspektive Das folgende Transkript zeigt den Ausschnitt aus einer Geographiestunde an einer öffentlichen franko-arabischen Schule im Senegal, in der Sekundarstufe (troisième) zum Thema PIB (produit intérieur brut), PNB (produit national brut) anhand der Länder Deutschland, Senegal, Tunesien und Nigeria. 4 01: 19: 12 L: Egalement vous pouvez vous pouvez faire quatrièmement à partir donc du PIB classer les pays selon donc le reve le revenu vous pouvez répondre à cette question. Vous pouvez également tracer donc le diagramme à part le diagramme à part par exemple les taux… ici calculer et repérer et le représenter, représenter les résultats, les résultats à travers un diagramme à part je peux vous demander ça [Pause] Ouais. 01: 19: 48 Schüler: Monsieur est-ce qu’il y a un pays où tous ces indicateurs… sont positifs 01: 19: 53 L: Il y en a. Vous prenez par exemple le pays comme la Suède, hein vous prenez un pays comme les États-Unis [? ] par exemple ces indicateurs 01: 20: 03 Schüler: L’Allemagne? 01: 20: 04 L: L’Allemagne a un don a un don par exemple son taux de croissement nat aujourd’hui son taux de croissement naturel est sur comblé par l’immigration. Pourquoi les Syriens, les immigrants syriens, afghans tous veulent aller en Allemagne. Pourquoi? En Allemagne ils ont dit 48 Dossier que ils ont un niveau de vie élevé, niveau de vie élevé. Mais aujourd’hui avec la dénatalité avec la baisse donc de la natalité il se pose un problème de renouvellement. (…). 01: 20: 27 Schüler: Oui, oui Kommentar Das Verstehen-Wollen des Schülers setzt hier ebenfalls unmittelbar an einer Lehreräußerung an. Anders als in dem Beispiel zuvor, formuliert der Schüler eine Art Wissens- oder Informationsfrage. Dabei wird zugleich deutlich, dass er dem Unterrichtgeschehen aufmerksam gefolgt ist. Die Frage oder Fragehaltung impliziert die Suche nach einem Land als eine Art Idealfall, einem Land unter idealen Bedingungen. Gleichzeitig ist es auch eine Transferfrage, mit der ein kritisches Hinterfragen einhergeht (Gegenaufmerksamkeit). Thema und Inhalt der Stunde ( PIB , PNB unter anderem anhand der Länder Senegal und Deutschland) tangieren Fragen von Ökonomie, Verteilung und Status, tangieren das Sich-in-Verhältnis-setzen-zuanderen (arme Länder, reiche Länder) und mithin das Selbst- und Weltverstehen. So betrachtet lässt sich die Unterrichtssequenz - zugespitzt in der Schülerfrage - als eine zum Ausdruck gebrachte Beobachtungshaltung, als eine Frage nach der Klärung von Bedingungen des globalen Zusammenlebens (siehe oben zu Geertz 1996, 1999) und schließlich als eine Frage nach der Verteilung von sozialen, ökonomischen Positionierungen (Bourdieu 1987) interpretieren, möglicherweise zusätzlich inspiriert durch die anwesenden Forscher*innen. Zusammengefasst Deutlich wurde, dass sich die Anfragen und Verstehensbemühungen der Schülerinnen und Schüler in allen drei Beispielen methoden- und theoriegeleitet interpretieren lassen. Mit der Interpretation der Schülerbeiträge wird deutlich, welches Potenzial diese zu entfalten vermögen und was komplexe und voraussetzungsreiche theoretische Konstrukte (zu Stil und Ausdruck, innerer Dialogführung, strukturellen Implikationen, ethnographischer Neugier) heruntergebrochen auf das jeweilige Unterrichtsgeschehen bedeuten können. Die Schülerinnen und Schüler erweisen sich in dieser Hinsicht als Hermeneuten ihres Selbst, als Konstrukteure ihres eigenen Selbst- und Weltverstehens. Mit den dargestellten Fallstudien kann aber nur ein Anspruch auf exemplarische Repräsentativität gewährleistet werden. Die Fallbeispiele stehen sozusagen für sich, und ob sie wiederum repräsentativ für diese Stunde, diese Schulklasse oder für den jeweiligen kulturellen Kontext sind, kann hier nicht gesagt werden. Deutlich wird, dass drei Schuljugendliche in einer Stunde aus Deutschland, aus Frankreich und aus Senegal jeweils eigene Anfragen und Logiken im Umgang mit historisch und politisch(-ökonomisch) bedeutsamen Gegenständen haben und diese auch artikulieren: im einen Fall aufgefordert und in den beiden anderen Fällen offenbar als mehr und weniger spontane Reaktion. 49 Dossier Schlusswort, Ausblick, Perspektive Mit diesem Blick einer hermeneutischen Didaktik geraten Schülerfragen, die in unterschiedlichen kulturellen Kontexten mehr oder weniger direkt und/ oder implizit gestellt sind, in den Fokus. Dabei verweisen die Suchbewegungen und Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler auch auf Zugänge zum Verstehen, die in kulturwissenschaftlichen Zugängen angelegt sind. In den Beiträgen der Schülerinnen und Schüler kommen die Auseinandersetzung mit lebensweltlich-kontextuellen Erfahrungen, die Durchschaubarkeit gesellschaftlicher Strukturen, der produktive Umgang mit Differenz - auch als Wechselspiel zwischen Subjekt und Sache/ Gegenstand des Unterrichts - zum Vorschein. Die Auseinandersetzung mit solchen Unterrichtssituationen/ Fällen können Gesprächsanlässe für Unterrichtsforscher, für Didaktiker*innen und Erziehungswissenschaftler*innen (national und international) sein, um zu klären, was die Mikrostrukturen/ -prozesse in Unterrichtsstunden im jeweiligen kulturellen Kontext insbesondere ausmacht, in welche didaktischen, pädagogischen und institutionellen Bedingungen und Entscheidungen sie gestellt sind und wie diese jeweils betrachtet und beurteilt werden können. Dazu könnten gekreuzte Blicke bzw. Settings, in denen deutsche, französische und senegalesische Unterrichtsforscher*innen, Pädagog*innen und Didaktiker*innen gemeinsam dokumentierte Unterrichtssituationen interpretieren, wichtige Beiträge leisten. Das hier zugrunde gelegte methodische rekonstruktive Paradigma scheint dabei besonders geeignet, fremdkulturelle Phänomene zu beforschen (Cappai 2010). Die besondere Sensibilität für Differenz und Selbstreflexivität allein reicht aber nicht aus. Es ist auch nötig, die Rahmenbedingungen, in denen die Sequenzen stehen, näher zu betrachten: Das jeweilige Bildungssystem, die Curricula, die Rollen, die Lehrpersonen zugeschrieben werden bzw. das Professionsverständnis, tradierte Lernkulturen und anderes. Im Sinne einer systematisch vergleichenden Forschung wären diese Rahmungen bei der Analyse des jeweiligen Falls und bei der Kontrastierung der Fälle zueinander (länderintern und länderübergreifend) zu berücksichtigen. 5 Hier wird sozusagen ein erster Aufschlag gemacht, um den Verstehensbedürfnissen der Schülerinnen und Schüler im Unterricht in Deutschland, in Frankreich und im Senegal auf die Spur zu kommen, um einen didaktischen Zugang zu fundieren, der kultursensibel die jeweiligen Rahmungen in den Blick nehmen kann, der vielleicht eine Perspektive für eine allgemeine Didaktik und/ oder eine didactique comparée sein kann. Mit der Präsentation dieser drei Fälle sollte das Augenmerk auf die Möglichkeiten geworfen werden, die die Schüleranfragen auch für das weitere Unterrichtsgeschehen in sich bergen. Sie stärker zur Kenntnis zu nehmen, als es Beobachtungen zufolge häufig geschieht, bedeutet, die Schülersubjekte mit ihren entwicklungsbedeutsamen Anfragen und Vorstellungen (Subjektivationsprozessen) ernst zu nehmen. In allen drei Beispielen lassen sich die Lehrpersonen mehr oder weniger auf die Ansinnen und Fragen der Schüler und der Schülerinnen ein. Eine Sensibilität für 50 Dossier das Interaktionsgeschehen und für die Anfragen der Schülersubjekte scheint aber notwendig, damit diese nicht unerkannt ‚auf der Strecke‘ bleiben oder beginnen, im Unterricht abgedrängt und abgeschoben ein Eigenleben zu führen. Deutlich werden sollte, inwiefern die in kulturwissenschaftlichen Theorien enthaltenen Verstehensfragen in den Praxen der Schule impliziert sind bzw. durch diese erzeugt werden. Damit sollte auch deutlich werden, dass Theorie, Empirie und Praxis im Verständnis einer hermeneutischen Didaktik sich nicht widersprechen, sondern, wechselseitig aufeinander bezogen, neue Erkenntnisse zum Unterrichtsgeschehen hervorzubringen vermögen. In der Gesamtschau werden hier die Phänomenologie/ Phänomene des Unterrichts (die Konstruktion des Gegenstandes, der Sache) mit den Sinnzuschreibungen durch die Subjekte (Als was erscheint ihnen der Gegenstand / die Sache, das Objekt? ) in Zusammenhang gebracht. Es lässt sich hier - in den Auseinandersetzungen und Aushandlungen der Schülerinnen und Schüler - von einer Lebensführungshermeneutik, einer „Hermeneutik des Selbst“ sprechen, um eine Formel Ricœurs zu bemühen (Ricœur 1966). Diese interdisziplinäre Verschränkung von Philosophie und Didaktik ist vielleicht gar nicht so selbstverständlich, wie es auf einen ersten Blick scheinen mag. Mit anderen Worten lässt sich fragen: Ist ein rekonstruktiver und kulturwissenschaftlich begründeter Zugang, wie er vorgestellt wurde, nicht insbesondere geeignet, um verschiedene sozialwissenschaftliche Disziplinen und auch verschiedene erkenntnistheoretische Ansätze in ein bibzw. trinationales Gespräch zu bringen? Adick, Christel, „Bildung in Subsahara-Afrika“, in: id. (ed.), Bildungsentwicklungen und Schulsysteme in Afrika, Asien, Lateinamerika und der Karibik, Münster, Waxmann, 2013, 125-146. Alexander, Robin, „Pédagogie, culture et comparaison: visions et versions de l’école élémentaire“, in: Revue francaise de pédagogie, 142, 2003, 5-9. Alexander, Robin, „Eine ‚weltklasse‘ Erziehung. Suprematie, Interdependenz und der Nutzen und Missbrauch von internationalen Vergleichen“, in: Merle Hummrich / Sandra Rademacher (ed.), Kulturvergleich in der qualitativen Forschung. Erziehungswissenschaftliche Perspektiven und Analysen, Wiesbaden, Springer, 2013, 279-297. 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Die Sansculotten, das waren die Handwerker, die Ladenbesitzer und die Arbeiter in Paris“ (Berger/ Müller/ Oomen 1988: 147); mehr dazu unten. 4 Die Stunde wurde 2016 aufgezeichnet, anwesend waren die Autorin, zwei weitere Forscherinnen aus Deutschland und zwei Forscher aus dem Senegal. 5 Zu den Möglichkeiten, Grenzen und Implikationen von Kulturvergleichen in der Erziehungswissenschaft cf. Schriewer 2013 und Caruso 2013.