eJournals lendemains 39/154-155

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Narr Verlag Tübingen
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2014
39154-155

„Ihr seid besiegt noch vor der Niederlage“

2014
Jörn Leonhard
ldm39154-1550153
153 Dossier Jörn Leonhard „Ihr seid besiegt noch vor der Niederlage“ Der Erste Weltkrieg als Konflikt intellektueller Selbst- und Fremdbestimmungen 1. Einleitung: Der Erste Weltkrieg und die Logik des Rückblicks Von Mund zu Mund wurde es geflüstert. Mit Windeseile flog die Sorge über die Riesenstadt und hinterließ eine bleierne Ruhe. Die Büros wurden geschlossen, die Fabriken machten Feierabend, der Kaufmann ließ die Jalousien vor dem Ladenfenster herunter, die Restaurants waren leer. Blasse Männer eilten nach Hause. Die Bahnen in die Vororte wurden bestürmt. Von Jubel war nirgendwo etwas zu bemerken, aber auch nicht von Angst. Ein entschlossener Ernst sprach aus allen Gesichtern. Um vier Uhr war Berlin wie ausgestorben. Gegen fünf Uhr strömte es von den Vororten wieder nach Berlin herein. Heute Abend musste die endgültige Entscheidung fallen [ ] In geschlossenen Gruppen zog die Menge durch die Straßen. Viel gesprochen wurde nicht. Auch für die Polizisten gab es keine Arbeit. Ein Bann lag über allem [ ] Da kam Leben in die Menge. Ein Strom floss die Linden herunter. Plötzlich leuchteten die elektrischen Lichtreklamen, die bisher erloschen waren, auf. Ihre Flammenzeichen schrien hinaus: Krieg, mobil! Und die Menge schrie mit: ‚Krieg, Krieg‘. 1 Ein Jahr vor den Schüssen von Sarajewo am 28. Juni 1914 war in Berlin bereits in fünfter Auflage ein Roman erschienen. Er schilderte in der damals populären Form einer Zukunftsfiktion den möglichen Ablauf eines Kriegsausbruchs und einer allgemeinen Mobilmachung in Deutschland. Ausgangspunkt des Zukunftsromans Krieg-mobil! war die Situation in der deutschen Metropole nach dem Eingang eines russisch-französischen Ultimatums. Schon in dieser Fiktion von 1913 ging die antizipierte Stimmung bei einem möglichen Kriegsausbruch nicht in einer befreienden Euphorie, einer Welle von Patriotismus und bejahender Kriegsbegeisterung auf. Stattdessen überwog auch in der Fiktion eine besondere Mischung aus Anspannung und Stille, Konzentration und Angst. Diese Überlagerung von ganz widersprüchlichen Emotionen zeigte sich dann auch in der Wirklichkeit des August 1914. Franz Kafkas berühmt gewordene, unbeabsichtigt lakonische Tagebucheintragung vom 2. August 1914 - „Deutschland hat Rußland den Krieg erklärt. - Nachmittag Schwimmschule“ - kam in ihrem eigentümlich unverbundenen Nebeneinander von Epochenwende und Alltag der unmittelbaren Wahrnehmung der Zeitgenossen wohl näher als die nachträglichen Versuche, den August 1914 zum historischen Wendepunkt zu stilisieren und ihm aus der Retrospektive einen universellen Sinn zuzuweisen, der sich erst aus den Folgen des Krieges ergeben konnte. 2 Von Anfang an nahmen die bürgerlichen Eliten und zumal die deutschen Intellektuellen Anteil an diesem Krieg, betonten demonstrativ ihre Verbundenheit mit 154 DDossier der eigenen Nation im Krieg. Diesem Kulturkrieg, der besonderen Verarbeitung von Kriegserfahrungen durch Intellektuelle, durch Schriftsteller und Wissenschaftler, sind die folgenden Überlegungen gewidmet. 3 2. In Erwartung des kurzen Krieges: Umbruch der Lebenswelten, Selbstversicherung und intellektuelle Ermächtigung Seit 1912 lebte der deutsche Schriftsteller Hermann Hesse in der Schweiz. Im September 1914 schrieb er einen Artikel, der am 3. November 1914 in der Neuen Zürcher Zeitung erschien. Unter dem Titel „O Freunde, nicht diese Töne! “, der sich bewusst auf den humanistischen Universalismus von Schillers Ode „An die Freude“ bezog, registrierte er, dass sich unter den intellektuellen und künstlerischen Eliten der kriegführenden Staaten seit dem Ausbruch des Krieges der Internationalismus von Kunst, Literatur und Wissenschaft in einen umso schärferen Antagonismus verwandelt hatte: Da sind uns in letzter Zeit betrübende Zeichen einer unheilvollen Verwirrung des Denkens aufgefallen. Wir hören von Aufhebung der deutschen Patente in Russland, von einem Boykott deutscher Musik in Frankreich, von einem ebensolchen Boykott gegen geistige Werke feindlicher Völker in Deutschland. Es sollen in sehr vielen deutschen Blättern künftig Werke von Engländern, Franzosen, Russen, Japanern nicht mehr übersetzt, nicht mehr anerkannt, nicht mehr kritisiert werden. Der Artikel spiegelte die ambivalente Situation des Schriftstellers wider: Noch zu Kriegsbeginn hatte sich Hesse bei der deutschen Botschaft als Kriegsfreiwilliger gemeldet, war aber wegen seiner Kurzsichtigkeit als untauglich eingestuft und zur Kriegsgefangenenfürsorge in Bern abgestellt worden. Für deutsche Kriegsgefangene organisierte er fortan Büchersammlungen, gab 1916/ 17 die Deutsche Interniertenzeitung und seit 1916 auch den Sonntagsboten für die deutschen Kriegsgefangenen mit heraus. Aber in dem Artikel kritisierte er auch deutsche Schriftsteller und Wissenschaftler - die deutschen Reaktionen auf den Brief waren entsprechend aggressiv, viele Kollegen wandten sich von ihm ab und stigmatisierten ihn als ‚Vaterlandsverräter‘. Hesse sah sich in eine schwere politische Auseinandersetzung verwickelt und durchlebte eine persönliche Krise, die er noch Jahre später als entscheidende Wende seines Lebens bezeichnen sollte. 4 Hesse identifizierte einen Konflikt, in dem jene Intellektuellen eine entscheidende Rolle spielten, die in den Jahrzehnten vor 1914 vielfach von der Internationalisierung der Universitäten, des Kunst- und Literaturbetriebs profitiert hatten, nun aber die Loyalität zu ihrer Nation über dieses transnationale Selbstverständnis stellten. In dem sich seit August 1914 entfaltenden Wettbewerb intellektueller Kriegsdeutungen ging es darum, sich national selbst zu vergewissern, den Krieg durch die Suggestion von Selbst- und Feindbildern zu rechtfertigen und zugleich den Ort der Intellektuellen in den Kriegsgesellschaften zu bestimmen. Gerade weil es für den Krieg zunächst keine politischen Rechtfertigungen gab und eine ernst- 155 DDossier hafte Diskussion um konkrete Kriegsziele sich erst ab Herbst 1914 abzeichnete, füllten diese intellektuellen Positionsdebatten ein gewisses Deutungsvakuum. Wissenschaftler, Publizisten, Journalisten, Künstler - sie alle schienen ihren Beitrag zum Krieg leisten zu wollen. Die Reaktionen der Intellektuellen zu Kriegsbeginn waren vielschichtig. Es machte einen großen Unterschied, ob es sich um öffentliche Äußerungen oder private Aufzeichnungen handelte. Während Hugo von Hofmannsthal in der Neuen Freien Presse in Wien das euphorische Kriegsgedicht Österreichs Antwort publizierte, vermerkte Arthur Schnitzler unter dem 5. August in seinem Tagebuch: „Im Hotel Nachr. von der Kriegserklärung Englands an Deutschland! - Der Weltkrieg. Der Weltruin. Ungeheuere und ungeheuerliche Nachrichten [ ] Wir erleben einen ungeheuern Moment der Weltgeschichte. In wenig [sic! ] Tagen hat sich das Bild der Welt völlig verändert. Man glaubt zu träumen! Alle Menschen sind rathlos.“ 5 Es gab andere Reaktionen. Mit seinem Roman Bebuquin von 1912 gehörte Carl Einstein zu den wichtigsten Autoren des deutschen Expressionismus - aber im August 1914 war er einer der von den Ereignissen Euphorisierten, die innerhalb kurzer Zeit ihr altes Leben und auch ihre Überzeugungen hinter sich ließen. Innerhalb von wenigen Tagen wurde aus dem kritischen Schriftsteller ein Soldat. Seine ersten Eindrücke als Freiwilliger in der Kaserne berichtete er seinem Schriftstellerkollegen Robert Musil - ein Zeugnis der Unordnung, des aufgeregten Chaos, ja einer Regellosigkeit, die einherging mit einem völlig veränderten Lebensrhythmus: Einstein erzählt: in den Kasernen Unordnung, Entfesselung. Mit Ausnahme des Dienstes. Zentimeterhoher Schmutz, Notlager, Trinken. Es wird wie verrückt gestohlen. Koffer erbrochen. Liegen lassen darf man überhaupt nichts. Er sagt, er weiß nicht, was es ist, es sitzt auch in ihm, er braucht keine Bürste, aber er stiehlt zwei, sieht eine dritte und stürzt auf den Mann los: Du hast meine Bürste, nimmt sie mit Gewalt. Ganzen Abteilungen werden die Gewehrverschlüsse entwendet, sinnlos versteckt, verstreut [ ] Richter und Rechtsanwälte sagen einander, als wäre es nichts, hast du nicht meine Koppel geklaut? Man hat das Gefühl, passt man nicht sehr auf, fallen alle übereinander her. 6 Der expressionistische Dichter kannte nur noch einen Lebensinhalt: „Einstein ist begeistert; alles andere ausgelöscht. Schläft er bei seiner Frau, hat er nur Interesse für sein Knopfputzmittel. Sein Arbeitszimmer betritt er überhaupt nicht.“ 7 Und doch mischte sich in diesen Kulturkrieg schon im Sommer 1914 ein eigentümliches Bewusstsein vom Umbruch der Zeit, der alle Werte und Erfahrungen in Frage zu stellen schien. Am 2. August 1914 hielt Ernst Troeltsch, Professor der Theologie an der Universität Heidelberg, eine bemerkenswerte Rede. Sie ging nicht auf im situativen Patriotismus der Stunde, in den ‚Ideen von 1914‘, die man gegen die französischen Ideen von 1789 und später gegen den Händlergeist der Engländer ausspielte, sondern blickte über den Moment hinaus. Troeltsch führte aus, dass dieser Krieg nicht mehr mit den poetischen Waffen und im Zeichen ritterlicher Kampfethiken des frühen 19. Jahrhunderts ausgetragen werde. Im Zeichen von neuen Maschinenwaffen war ein klassischer Heldenkampf nicht mehr 156 DDossier vorstellbar, und Troeltsch ahnte bereits die Dimensionen eines unabsehbar langen Krieges: Es sind die technischen, mühseligen Waffen des modernen Krieges mit unendlicher Vorbereitung und Berechnung, mit der Unsichtbarkeit des Gegners und der Bedrohtheit aus unbekannten Richtungen, mit der verwickelten Fürsorge für ungeheure Massen und einem gewaltigen Sicherungs- und Deckungsdienst. Es sind Waffen der Berechnung, der Besonnenheit, der Ausdauer, und nur an einzelnen Höhepunkten gibt es das dramatische Heldentum, nach dem die Seele der Jugend lechzt. 8 Vor allem aber war sich der Heidelberger Theologe sicher, dass der Krieg alle überkommenen Sicherheitsversprechen, die auf Rationalität beruhenden sozialen und staatlichen Ordnungsstrukturen aus dem 19. Jahrhundert und damit auch die Basis bürgerlicher Kultur radikal in Frage stellen werde: So zerbrechen auch uns heute alle rationellen Berechnungen. Alle Kurszettel und Kalkulationen, die Versicherungen und Zinsberechnungen, die Sicherstellungen gegen Unfälle und Überraschungen, der ganze kunstreiche Bau unserer Gesellschaft hat aufgehört, und über uns allen liegt das Ungeheure, das Unberechenbare, die Fülle des Möglichen. 9 Auch der international einflussreiche klassische Philologe und Wissenschaftsorganisator Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, geboren 1848, seit 1894 an der Berliner Universität und seit 1902 Präsident der Preußischen Akademie der Wissenschaften, nahm in zahlreichen Reden und Aufsätzen Stellung zum Krieg. Zum ideologisch wichtigsten Gegner wurde für ihn Großbritannien, indem sich hier die Leitmotive des Neides auf Deutschlands wirtschaftliche und wissenschaftliche Erfolge, seine Freiheit mit der Vorstellung verbanden, dass der britische Krieg ein unehrlich ausgetragener Kampf einer von bloßem Materialismus geprägten Gesellschaft sei. Großbritannien schicke nicht wie Frankreich „alle seine Söhne, sondern es schickt angeworbene Mannschaft“. Deshalb sei dort auch „der eigentlich treibende böse Geist“ zu finden, der diesen Krieg emporgerufen hat aus der Hölle, der Geist des Neides und der Geist der Heuchelei. Was gönnen sie uns nicht? Unsere Freiheit, unsere Selbständigkeit wollen sie untergraben, jenen Bau der Ordnung, der Gesittung und der freilich selbstbewussten Freiheit [ ] Wenn der englische Marineoffizier jetzt durch ein feines, schönes Glas hinausschaut, umschaut nach deutschen Kreuzern, so ärgert ihn [ ], dass das Glas in Jena geschliffen sein wird, und die Kabel, die durch die Meere ziehen, sind zum größten Teil in Charlottenburg am Nonnendamm verfertigt. Die Güte der deutschen Arbeit wurmt ihn. 10 Wilamowitz war Unterzeichner des Aufrufs „An die Kulturwelt“, einer der Initiatoren der „Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches“ und damit einer der wichtigsten intellektuellen Akteure in diesem ‚Krieg der Geister‘, wie Hermann Kellermann einen Sammelband mit zeitgenössischen Texten von 1915 betitelte. Den Anlass für diese Entwicklung bot die Zerstörung der Bibliothek von Löwen. Der französische Schriftsteller Romain Rolland, Bewunderer deutscher Kultur und wegen seiner pazifistischen Position in die Schweiz emigriert, schrieb unter dem 157 DDossier Eindruck dieser Nachrichten an Gerhart Hauptmann als führenden Repräsentanten der deutschen Literatur und konfrontierte die Kulturtradition Goethes mit der Kriegspraxis der Deutschen, die an Attila und die Hunnenkriege erinnere. 11 Ähnliche Aufrufe folgten von zahlreichen englischen Universitäten, Akademien und gelehrten Gesellschaften. Die deutschen Reaktionen, von Hauptmanns Antwort, in der er die Zerstörungen bedauerte, sie aber gegen die zerrissene Brust eines deutschen Soldaten gering aufrechnete, bis zur Antwort von 93 deutschen Intellektuellen im „Aufruf an die Kulturwelt“ vom 11. Oktober 1914, entfachten einen Überbietungswettbewerb von Kriegsdeutungen. Die Eskalation militärischer Gewalt mündete in eine Welle intellektueller Kriegsbegründungen und einen regelrechten Kulturkrieg. 12 Der Aufruf, den 93 namhafte Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler am 4. Oktober 1914 in allen großen Tageszeitungen publizierten und der innerhalb kurzer Zeit in zehn Sprachen übersetzt wurde, verwahrte sich gegen internationale Kritik am preußisch-deutschen Militarismus und Vorwürfe im Zusammenhang mit deutschen Kriegsgräueln in Belgien. Dabei wiederholte das Dokument, dass deutsche Soldaten heimtückisch „aus dem Hinterhalt“ angegriffen worden seien und die deutsche Militärführung „keine zuchtlose Grausamkeit“ kenne, die Alliierten aber im Westen mit Dumdumgeschossen operierten, während im Osten „das Blut der von russischen Horden hingeschlachteten Frauen und Kinder die Erde“ tränke. Vor allem aber identifizierten sich die Unterzeichner als Vertreter der deutschen Kultur programmatisch mit dem Begriff des Militarismus und begegneten so einer verbreiteten Tendenz, zwischen dem preußischen Militarismus und der deutschen Kultur zu unterscheiden: Es ist nicht wahr, dass der Kampf gegen unseren sogenannten Militarismus kein Kampf gegen unsere Kultur ist, wie unsere Feinde heuchlerisch vorgeben. Ohne den deutschen Militarismus wäre die deutsche Kultur längst vom Erdboden getilgt. Zu ihrem Schutze ist er aus ihr hervorgegangen in einem Lande, das jahrhundertelang von Raubzügen heimgesucht wurde, wie kein zweites. Deutsches Heer und deutsches Volk sind eins. 13 Das Verhalten vieler Intellektueller, die vor 1914 zum Teil sehr international orientiert gewesen waren und sich dabei auch kritisch mit dem deutschen Staat und der Rolle des Militärs befasst hatten, unterstrich, wie groß der Druck war, sich selbst zu rechtfertigen und die Loyalität zur eigenen Nation unter Beweis zu stellen. Es verwies auf ein weit verbreitetes Gefühl zumal im deutschen Bildungsbürgertum, dass die Kriegsgegner Deutschland, seinen Errungenschaften und seiner Leistungskraft mit Neid und Missgunst begegneten. Trotzdem überraschte die Naivität, mit der die Intellektuellen die internationalen Folgen des Aufrufs und den Eindruck kultureller Arroganz als Kehrseite der unbestrittenen Erfolge der deutschen Wissenschaft und des deutschen Universitätssystems im Ausland ausblendeten. Vor allem in Frankreich drängte man als Reaktion darauf, die Beziehungen zu deutschen Wissenschaftlern und wissenschaftlichen Einrichtungen abzubrechen und löste entsprechende Verbindungen wie im Falle von Wilamowitz. Tatsächlich 158 DDossier dauerte die Isolierung der deutschen Wissenschaften in einigen Bereichen weit über 1918 hinaus. Verdichtet fanden diese deutschen Selbstbeschreibungen ihren Ausdruck im Leitmotiv der sogenannten ‚Ideen von 1914‘. Dahinter stand der Versuch, den Krieg als Auseinandersetzung zwischen übergreifenden nationalen Prinzipien und Wertideen zu interpretieren. Der Münsteraner Soziologe und Ökonom Johann Plenge hielt noch 1914 eine Vortragsreihe „Der Krieg und die Volkswirtschaft“, die 1915 publiziert wurde. Darin leitete er die ‚Ideen von 1914‘ aus einer weltgeschichtlichen Auseinandersetzung mit dem historischen Geltungsanspruch des revolutionären Frankreich in der Tradition von 1789 ab. Hatten die französischen ‚Ideen von 1789‘ in einer universalgeschichtlichen Stufenfolge die bürgerliche und kapitalistische Ordnung hervorgebracht, so sei es nunmehr an Deutschland, mit den ‚Ideen von 1914‘ ein ganz neues politisches und soziales Ordnungsmodell zu etablieren, das auf der ‚Volksgenossenschaft des nationalen Sozialismus‘ gründe. Darin bestand für ihn der epochale Umbruch der Gegenwart: Seit 1789 hat es in der Welt keine solche Revolution gegeben wie die deutsche Revolution von 1914. Die Revolution des Aufbaus und des Zusammenschlusses aller staatlichen Kräfte im 20. Jahrhundert gegenüber der zerstörenden Befreiung im 19. Jahrhundert [ ] Zum zweiten Mal zieht ein Kaiser durch die Welt als der Führer eines Volkes mit dem ungeheuer weltbestimmenden Kraftgefühl der allerhöchsten Einheit. Und man darf behaupten, dass die ‚Ideen von 1914‘, die Ideen der deutschen Organisation zu einem so nachhaltigen Siegeszug über die Welt bestimmt sind, wie die ‚Ideen von 1789‘. 14 Dies schloss an Troeltschs Idee eines besonderen deutschen Freiheitsverständnisses an, das sich von französischer und englischer Demokratie unterscheide, indem die ‚deutsche Freiheit‘ auf das überindividuelle Bekenntnis zur Gemeinschaft, auf eine aufgeklärte Bürokratie, parlamentarische Kontrolle, vor allem auf die Effizienz der Organisation als Gegensatz zur überkommenen Klassengesellschaft hinzielte. 15 Während sich Troeltsch aber bereits während des Krieges von diesen Positionen zu distanzieren begann, hielt kaum ein deutscher Schriftsteller so vehement an diesem deutschen Sonderbewusstsein und der ideologisch-kulturellen Gegnerschaft zum Westen fest wie Thomas Mann. Gleich zu Beginn des Krieges mit 39 Jahren ausgemustert, war er 1914 auf der Suche nach der Rolle des Schriftstellers und einer nationalen Aufgabe für sich selbst in diesem Krieg. Seine Position, die er von den Gedanken im Kriege vom Herbst 1914 bis zu den Betrachtungen eines Unpolitischen von 1918 entwickelte, waren auch der Versuch, sich selbst als Nationalschriftsteller im Krieg zu stilisieren. 16 Die noch im Spätjahr 1914 für Samuel Fischers Neue Rundschau geschriebenen Gedanken im Kriege waren mehr als eine schriftstellerische Stellungnahme, eine patriotische Gelegenheitsschrift, denn hier deutete sich der Konflikt zwischen den Brüdern Thomas und Heinrich Mann an, der mit Heinrich Manns Zola-Essay von 1915 dann offen ausbrach. Heinrich, der sich in Romanen wie Der Untertan besonders kritisch mit dem 159 DDossier Wilhelminismus auseinandergesetzt und aus seiner Parteinahme für den von ihm vielfach idealisierten französischen Republikanismus keinen Hehl gemacht hatte, sah sich zu Beginn des Krieges mit der Tatsache konfrontiert, dass kein Verleger seine Schriften mehr für publizierbar hielt. Kühl erklärte er seinem Bruder Thomas, der im Pathos der Kriegsbegeisterung am 7. August seine „tiefste Sympathie für dieses verhasste, schicksals- und rätselvolle Deutschland“ betonte, dass dieses Deutschland den Krieg verlieren werde. 17 In den Gedanken im Kriege spitzte Thomas Mann den Gegensatz zwischen Kultur und Zivilisation als Markstein für eine deutsche Sonderstellung in der Welt zu. Identifizierte er ‚Kultur‘ mit „Geschlossenheit, Stil, Form, Haltung, Geschmack“, stehe sie für eine „geistige Organisation“, so verweise ‚Zivilisation‘ auf „Vernunft, Aufklärung, Sänftigung, Sittlichung, Skeptisierung, Auflösung - Geist“. Noch stärker ideologisierbar wurde dieser Kontrast in den Begriffen westlicher ‚Politik‘ und deutscher ‚Moral‘, weil Mann sich damit vom Modell westeuropäischer Politik überhaupt distanzierte: „Denn Politik ist eine Sache der Vernunft, der Demokratie und der Zivilisation; Moral aber eine solche der Kultur und der Seele.“ Die Deutschen aber hätten als Moralisten, als „sittliche Wesen [ ] die Heimsuchung kommen sehen, mehr noch: auf irgendeine Weise ersehnt.“ 18 Auch Manns eigenes Grundproblem, die Kluft zwischen Künstler und Bürger, zwischen Geist und Leben, die noch in seiner Novelle Tod in Venedig so stark dominiert hatte, schien in diesem Krieg aufgehoben. 19 Gegen die englischen Vorwürfe, die früheren Kulturleistungen des Landes würden jetzt von der Barbarei der Kriegsführung überschattet, entgegnete er, dass eben alles - die Krankenhäuser und Volksschulen, die wissenschaftlichen Einrichtungen und Eisenbahnen genauso wie die modernen Waffen - Ausdruck der kulturellen Leistungen Deutschlands seien, dass es einen Gegensatz von Kultur und Militär nicht geben könne. Mann beharrte auf der besonderen Modernität Deutschlands, das mit seinen Sozialversicherungen „ja in Wahrheit ein viel modernerer Staat ist als etwa die unsauber plutokratische Bourgeois-Republik“ Frankreichs. Auch „unser soziales Kaisertum“ stelle ein überzeugenderes Fortschrittsmodell dar als „irgendein Advokaten-Parlamentarismus, der, wenn er in Feierstimmung gerät, noch immer das Stroh von 1789 drischt“. Das war nicht nur gegen Frankreich, sondern auch gegen den Bruder und seine frankophile Idealisierung gewandt, und es grundierte den Gegensatz zwischen den deutschen Werten von 1914 und den französischen ‚idées de 1789‘. 20 Die politische Aufladung dieses Gegensatzes lief auf ein elementar anderes Fortschrittsverständnis Deutschlands hinaus, das sich von Frankreich wie England unterschied: „Eines ist wahr: Die Deutschen sind bei weitem nicht so verliebt in das Wort ‚Zivilisation‘, wie die westlichen Nachbarnationen; sie pflegen weder französisch-renommistisch damit herumzufuchteln, noch sich seiner auf englischbigotte Art zu bedienen. Sie haben ‚Kultur‘ als Wort und Begriff immer vorgezogen - warum doch? Weil dieses Wort mehr menschlichen Inhalts ist, während wir beim andern einen politischen Einschlag und Anklang spüren.“ Weil Deutschland ein „Volk der Metaphysik, der Pädagogik und der Musik“, ein „moralisch orientiertes 160 DDossier Volk“ sei, habe es sich auch „im politischen Fortschritt zur Demokratie, zur parlamentarischen Regierungsform oder gar zum Republikanismus zögernder und uninteressierter gezeigt als andere“. Der besondere Moralismus aber könne vom „Soldatentum“ gar nicht getrennt werden, und während andere Nationen „völlig die Gestalt der zivilen Gesittung“ annähmen, sei der „deutsche Militarismus in Wahrheit Form und Erscheinung der deutschen Moralität“. 21 3. Vom Kosmopolitismus der Intellektuellen zum Kulturkrieg: Europäische Dimensionen Die kulturelle Mobilisierung in den ersten Monaten des Krieges an sich war keine deutsche Besonderheit, wohl aber die bei deutschen Intellektuellen so programmatische, ja fast panische und im Tonfall hysterische Absetzung von den westeuropäischen Modellen und das Beharren auf einer besonderen Fortschrittsentwicklung, die sich angeblich nicht mit der Frankreichs oder Großbritanniens vergleichen ließ. 22 Auch in Frankreich beteiligten sich seit Beginn des Krieges viele Künstler, Publizisten und Wissenschaftler an der nationalen Selbstvergewisserung - die in den ersten Wochen des Krieges zuweilen groteske Formen annahm. Um die Musik von Richard Wagner entwickelte sich zum Beispiel ein regelrechter deutsch-französischer Kulturkrieg: Hatten dessen Werke die Pariser Musikszene um 1900 dominiert und zu einer regelrechten Wagnerbesessenheit geführt, so wurden ab Sommer 1914 zunächst alle Stücke verbannt. Dann entbrannten erbitterte Diskussionen um die erneute Zulassung seiner Musik nach dem Krieg. Sollte er als eminent nationaler Komponist Deutschlands verboten bleiben oder konnte er als Ausdruck eines musikalischen Universalismus gelten, der sich allen nationalen Feindbildkategorien entzog? 23 Französische Intellektuelle orientierten sich anders als in Deutschland an 1789 und den historischen Errungenschaften der aus der Revolution hervorgegangenen Nation. In der Armee erblickte der Schriftsteller Romain Rolland gleich zu Beginn des Krieges die Brücke zwischen der Nation und ihrer Geschichte. Im „élan de la Marseillaise“ erkannte er eine heroische und religiöse Haltung aller Franzosen, die den August 1914 in den historischen Bedeutungszusammenhang mit dem September 1792 und damit der revolutionären Nation stellte, die bereit war, alle Errungenschaften seit 1789 im Krieg zu verteidigen. 24 Der Kampf gegen den äußeren Feind diente zugleich der nationalen Regeneration, der Erneuerung im Angesicht der eigenen Geschichte. Aufschlussreich war diese Selbstbestimmung deshalb, weil Rolland in die Union sacrée auch das katholische und konservative Lager mit einschloss und damit alle ideologischen Strömungen auf das Erbe der Revolution verpflichtete. Gegenüber der universalen Mission, den deutschen Militarismus zu bekämpfen, traten die historischen Spannungsmomente zwischen laizistischem Republikanismus, Konservatismus und Katholizismus zurück. Aber die Strömungen verschwanden nicht, wie die Kontroverse um die Frage zeigte, ob die Philoso- 161 DDossier phie des Königsberger Philosophen Immanuel Kant verantwortlich für den Ausbruch des Krieges sei. Entschiedene Republikaner identifizierten mit Kant Rationalismus und den Respekt vor der moralischen Autonomie des Individuums, während Antirepublikaner mit Kant nicht allein den deutschen Philosophen, sondern auch das Erbe der Französischen Revolution und die Dritte Republik verurteilten. In dieser Debatte ging es darum, das Erbe des Republikanismus zu bewerten - und hier wurden die gegensätzlichen Positionen und Lager aus der Phase der Dreyfus- Affäre erneut sichtbar. 25 So produzierte die Union sacrée keinesfalls ein homogenes und widerspruchsfreies Selbstbild der französischen Nation. Das Ergebnis war ein eigenartiges Amalgam nationalhistorischer Erinnerungsorte, keinesfalls ohne Spannungen und Widersprüche, aber vereint im Bewusstsein der universellen historischen Mission: „Wir haben ein neues Weltzeitalter eingeläutet [ ] Frankreich ist noch nicht am Ende. Wir erblicken seine Auferstehung. Stets dasselbe: Bouvines, Kreuzzüge, Kathedralen, Revolution, immer die Ritter der Welt, die Paladine Gottes.“ 26 Die Tatsache, dass sich gegen die Union sacrée zunächst tatsächlich kaum eine wirkungsvolle Opposition bildete, weder bei den Katholiken, die sich am laizistischen Bekenntnis zur sakralisierten Republik stören mochten, noch bei den Syndikalisten oder Sozialisten noch bei den Konservativen, unterstrich die unifizierende Wirkung des Gefühls, eine angegriffene Nation, das Opfer eines aggressiven Militarismus zu sein. Vor diesem Hintergrund traten die ideologischen Konflikte zurück, ohne aber aufgehoben zu sein. Zudem zeigte sich, dass die Spannungen innerhalb der französischen Gesellschaft jedenfalls nicht mehr so groß waren, dass man mit Beginn des Krieges die Existenz der Dritten Republik in Frage stellte. Die für 1870/ 71 so charakteristische Verknüpfung aus Krieg und Bürgerkrieg spielte im August 1914 keinerlei Rolle mehr. Diese Merkmale charakterisierten auch die Reaktionen anderer führender Intellektueller wie Henri Bergson, Émile Durkheim, Ernest Lavisse oder Joseph Bédier, während die Vertreter der katholischen Kirche in der Betonung ihrer Loyalität die Chance erkannten, den Ausgleich mit dem republikanischen Staat zu befördern. In London verglich der Bischof von London die britischen Soldaten mit Jesus Christus. Sie führten einen heiligen Krieg für Freiheit, Ehre und Ritterlichkeit. 27 Viele Intellektuelle erkannten in dem Krieg einen Kampf zwischen Gut und Böse. Man führe Krieg gegen den preußischen Militarismus, aber man unterschied zugleich zwischen dem autokratischen Regime und dem deutschen Volk. Der führende britische Historiker A. L. Smith hob hervor, dass erst der Krieg eine nationale Einheit als emotionale Kohärenz schaffe, er offenbare die eigentlichen Grundlagen der modernen Nation, nämlich die Gemeinschaft von Lebenden, Toten und Ungeborenen - ein signifikanter Versuch, der Nation eine historische Legitimation und überzeitliche Dimension als Erfahrungs-, Erinnerungs- und Zukunftsgemeinschaft zu verleihen. 28 Wiederum spielten wie in Deutschland Universitätsprofessoren eine entscheidende Rolle. Führende Historiker der Universität Oxford, von der Kaiser Wilhelm II. noch 1907 einen Ehrendoktor erhalten hatte, publizier- 162 DDossier ten mit ihrem Essay We Are at War. Great Britain’s Case bereits 1914 eine Replik auf die Erklärungen der deutschen Hochschullehrer. 29 Sie hoben vor allem auf die deutsche Staatsphilosophie in der Tradition Hegels ab, in der sie eine gefährliche Staatsvergottung erkannten, die sich in der Geschichte des Deutschen Reichs seit 1871 schließlich mit dem Militarismus preußischer Prägung verbunden habe. Die Abkehr von den deutschen philosophischen Traditionen bot den Oxforder Historikern zugleich eine Grundlage, um das Selbstbild der politisch-parlamentarischen Freiheit Großbritanniens und vor allem der eigenen Rechtsordnung, der ‚rule of law‘, zu formulieren. 30 Dass genau diese Freiheitstradition mit den beschlossenen Sondergesetzen gerade suspendiert wurde, war in den ersten Kriegswochen kein Thema - aber die Krise des liberalen Ordnungsmodells sollte 1916/ 17 auch in Großbritannien offenbar werden. 4. Den langen Krieg begründen: Feindbilder, innere Spannungen und Modernitätskontroversen nach 1914 Mit der militärischen Stagnation an der Westfront am Ende des Jahres 1914 wurde die Dauer des Krieges unabsehbar, während die Zahl der Opfer an den Fronten unaufhörlich stieg. Aber wie sollten alle diese Anstrengungen begründet werden? 31 Der in seinen Positionsbestimmungen zuweilen schrille Kulturkrieg der Intellektuellen setzte sich auch im zweiten Kriegsjahr fort. Während ein Oxforder Theologe betonte, das „Zeitalter der deutschen Fußnoten“ sei zu Ende, 32 skizzierte der französische Historiker Jacques Bainville in seiner Geschichte zweier Völker von 1915 eine lange historische Konfliktgeschichte zwischen Deutschland und Frankreich, die im Weltkrieg kulminiert sei. Auch hier ging es um die programmatische Abgrenzung von einem „Krieg nach germanischer Art, einem barbarischen Krieg bewaffneter Nationen“, der schon jetzt zu den schlimmsten Erinnerungen der Menschheit gehöre. 33 Daraus sprach im Umkehrschluss auch das französische Selbstbild einer humanen Republik, die im Krieg für die ganze Menschheit kämpfe. Ähnlich diagnostizierte der französische Soziologe Émile Durkheim in seiner Auseinandersetzung mit Heinrich von Treitschkes Politik-Vorlesungen eine besondere deutsche Orientierung an rücksichtsloser Machtpolitik, am vermeintlichen Recht eines aufsteigenden Nationalstaates, der bereit war, mit allen völkerrechtlichen Prinzipien zu brechen. 34 Die deutsch-französische Auseinandersetzung auf der Ebene der intellektuellen Kriegsdeuter spiegelte eine vielfach verflochtene Konfliktgeschichte wider, in der geschichtspolitische Argumente eine entscheidende Rolle spielten. Die deutschen ‚Ideen von 1914‘ gegen die französischen ‚idées de 1789‘ in Stellung zu bringen, lud Selbst- und Feindbilder historisch auf. Das bildete einen wichtigen Kristallisationspunkt für zeitgenössische Selbstpositionierungen in Deutschland: So äußerte sich der Bruderzwist zwischen Heinrich und Thomas Mann als Konflikt zwischen westeuropäisch-transatlantischen Demokratievorstellungen und einem vermeintlich antipolitischen Rückzug auf Kultur und Mittellage Deutschlands. Ohne die Aus- 163 DDossier einandersetzung mit Frankreich war diese Opposition unvorstellbar. 1915 wurde der Streit durch die Publikation von zwei programmatischen Essays exemplarisch sichtbar. Mit seinem Aufsatz „Friedrich und die große Koalition“ griff Thomas Mann auf Friedrich den Großen in der Situation Preußens am Beginn des Siebenjährigen Krieges zurück, um die deutsche Politik im Weltkrieg zu rechtfertigen. Ausführlich ging er auf die Einkreisung Preußens durch seine Gegner Österreich, Russland und Frankreich vor 1756 ein, weil sich damit eine historische Situation ergab, die auf das Problem Deutschlands im August 1914 zu passen schien. 35 Der preußische Angriff auf das neutrale Sachsen entsprach für ihn der Besetzung Belgiens durch deutsche Truppen im August 1914: „Tat Friedrich dem Buchstaben nach unrecht, brach er eine Neutralität, die auf dem Papiere stand und deren Verrat nicht auf dem Papiere stand, so handelte er in bitterster Notwehr.“ Mann begründete dies mit dem Recht eines aufstrebenden Staates, das nicht von seiner historischen Mission zu trennen war. Auch hier lieferte das Beispiel Preußens eine Folie für die deutsche Politik im Sommer 1914: „Er war nicht im Recht, sofern Recht eine Konvention, das Urteil der Majorität, die Stimme der ‚Menschheit‘ ist. Sein Recht war das Recht der aufsteigenden Macht, ein problematisches, noch illegitimes, noch unerhärtetes Recht, das erst zu erkämpfen, zu schaffen war [ ] Nur wenn sich durch den Erfolg herausstellte, dass er der Beauftragte des Schicksals war, nur dann war er im Recht und war immer im Recht gewesen.“ Ein „Angriffskrieg“ sei es 1756 gewesen, „denn die junge, die aufsteigende Macht ist psychologisch genommen immer im Angriff“ und Friedrich habe ihn „zuvorkommend vom Zaune“ gebrochen, doch zugleich ein „Verteidigungskrieg: denn Preußen war ja ‚eingekreist‘ und sollte baldtunlichst vernichtet werden“. Im Falle Preußens habe die „schwerste und verzweifeltste Verteidigung sich notwendig in die Form des Angriffs“ gerettet. Das alles zitierte das 18. Jahrhundert, um Deutschland im Weltkrieg das bessere Recht eines historisch aufsteigenden Machtstaates zuzuweisen. 36 Mochte Thomas Mann einstweilen an solchen Selbstinterpretationen festhalten - für seinen Bruder waren sie längst brüchig geworden. Schon in seinen Romanen Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen und Der Untertan hatte Heinrich Mann sich als scharfer Kritiker der wilhelminischen Gesellschaft vor 1914 gezeigt. In seiner von Idealisierungen keinesfalls freien Sicht auf Frankreich und sein republikanisches Erbe der Revolution geißelte er die Bereitschaft des deutschen Bürgertums, sich einem autoritären Staat mit seinen vielfach feudalen Überbleibseln unterzuordnen. Hinter dem vermeintlich modernen Charakter der deutschen Gesellschaft des Kaiserreichs erblickte er eine Mischung aus aggressivem Nationalismus und materieller Fortschrittsfixierung, auf die sich nicht zuletzt auch die SPD und die Gewerkschaften seiner Ansicht nach zu einseitig eingelassen hatten. 1915 veröffentlichte Heinrich Mann in der Monatszeitschrift Die Weißen Blätter einen längeren Essay über Émile Zola, den naturalistischen Schriftsteller Frankreichs, der in seinem Einsatz für den zu Unrecht verurteilten jüdischen Hauptmann Dreyfus zum Helden der Demokraten und entschiedenen 164 DDossier Republikaner geworden war. In seinem Essay ging es Mann vordergründig um den Kampf Zolas gegen das Regime Napoleons III. vor 1870, die politischen und sozialen Zustände Frankreichs in den 1850er und 1860er Jahren und den Wechsel zur demokratischen Republik, der in der Folge der militärischen Niederlage gegen Preußen-Deutschland 1870/ 71 erfolgt war. Doch jedem deutschen Leser war 1915 bewusst, dass Mann das autoritäre Regime Napoleons III. zitierte, um die deutsche Situation ein Jahr nach Kriegsausbruch zu kommentieren. Aus diesem Oszillieren zwischen dem historischen Frankreich und dem gegenwärtigen Deutschland, aber auch aus der indirekten Auseinandersetzung mit den Positionen seines Bruders, schöpfte der Text seine Wirkung. Die Niederlage des Kaiserreichs 1870 interpretierte Heinrich Mann als demokratisch-republikanischen Neuanfang: „Demokratie aber ist hier ein Geschenk der Niederlage. Das Mehr an allgemeinem Glück, die Zunahme der menschlichen Würde, Ernst und Kraft, die wiederkehren, und eine Geistigkeit, bereit zur Tat: Geschenke der Niederlage.“ Sieg und Niederlage wurden für Mann zu Chiffren für den inneren Zustand der Gesellschaft: „Wer die Wahrheit hat, erwirbt den Sieg. Niederlage ist eine Bestätigung, dass ihr in Lüge lebtet. Was entscheidet in ‚La Débâcle‘? Dass dem Heer der Glaube fehlt. Niemand im Grunde glaubt noch an das Kaiserreich, für das man doch siegen soll. Man glaubt zuerst noch an seine Macht, man hält es fast für unüberwindlich.“ Macht müsse, davon war Heinrich Mann überzeugt, auf dem Recht gründen. Sei dies nicht der Fall, werde der Begriff des Vaterlandes entwertet: „jetzt sind die Unterdrücker wirklich, was zu sein sie so lange frech behaupteten: das Vaterland! Nicht nur mit kämpfen müsst ihr für sie, die das Vaterland sind, ihr müsst mit fälschen, mit Unrecht tun, müsst euch mit beschmutzen. Ihr werdet verächtlich wie sie. Was unterscheidet euch noch von ihnen? Ihr seid besiegt noch vor der Niederlage.“ 37 Spielte in der Auseinandersetzung zwischen den Brüdern Mann Frankreich eine entscheidende Rolle, so geriet 1915 vor allem Großbritannien in den Fokus der deutschen Intellektuellen. Dadurch schwächte sich in der deutschen Publizistik das antirussische Feindbild ab, das noch im Sommer 1914 so entscheidend für die Integration der SPD in die Burgfriedenskonstellation gewesen war. Die ideologische Auseinandersetzung mit Großbritannien reichte dabei weit über die Grußformel ‚Gott strafe England! ‘ hinaus, obwohl gerade sie die populäre Verbreitung der antienglischen Selbstvergewisserung widerspiegelte. Dieses Feindbild reichte über die antifranzösischen und antirussischen Vorstellungen hinaus. Im Kontrast zu neuen Integrationsbegriffen wie Gemeinwirtschaft oder Kriegssozialismus verkörperte die britische Kriegführung einen unehrlichen Kapitalismus, in dem die eigenen Kriegsopfer umgangen wurden - dem entsprach in der Wahrnehmung deutscher Autoren das angekaufte Söldnerheer im Gegensatz zur Nation in Waffen. In seinem Buch Händler und Helden. Patriotische Besinnungen von 1915 operierte Sombart geschickt mit den Stereotypen kleinlich-geiziger ‚shopkeeper‘ in England und heroischer deutscher Individuen, die den Kampf als Testfall der histo- 165 DDossier rischen Auslese begriffen. Für Sombart bedeutete der Krieg eine Auseinandersetzung zwischen grundlegenden Prinzipien: Englischer Materialismus und Komfort standen gegen die Fähigkeit der Deutschen, in einer Situation über sich hinauszuwachsen. Ausdruck dieses Gegensatzes sei die englische Auffassung des Krieges nicht als existenzielle Prüfung, sondern als ein Sport. Als der deutsche Kreuzer Emden versenkt worden sei, habe man sich in der englischen Presse vor allem auf den Kapitän des Schiffes konzentriert: [D]er heldenhafte Kapitän von Müller wurde in alle Himmel gehoben. Wenn er nach London käme [ [ würde er der gefeiertste Mann sein. Warum? Weil er Heldentaten vollführt hatte in treuer Pflichterfüllung gegen Kaiser und Reich? Ach nein! Sondern weil er so hervorragende - sportliche Leistungen vollbracht hatte! [ ] Nirgends vielleicht tritt die völlige Kommerzialisierung auch des Krieges so deutlich in die Erscheinung als in dieser unbewussten Verwechslung von Krieg und Sport. Denn aus der innersten Seele des Händlers, der den Krieg nimmermehr begreifen kann, ist der Sport geboren. 38 Der Krieg offenbarte die deutschen Soldaten als Verkörperungen von Goethes Klassizität und Nietzsches heroischem Menschen gegen die angekauften Söldner als Symbole der englischen Krankheit, und das hieß der völligen Kommerzialisierung und moralischen Degeneration aller Werte. In dieser Perspektive war der Militarismus für Sombart nichts anderes als „der zum kriegerischen Geist hinaufgesteigerte heldische Geist. Er ist Potsdam und Weimar in höchster Vereinigung. Er ist ‚Faust‘ und ‚Zarathustra‘ und Beethoven-Partitur in den Schützengräben. Denn auch die Eroica und die Egmont-Ouvertüre sind doch wohl echter Militarismus.“ 39 Was zeigte diese anhaltende Flut von Selbstvergewisserungen und ideologischen Abgrenzungen? Wenn sich 1915 ein Leitmotiv abzeichnete, dann in der besonderen Auseinandersetzung mit den von Deutschland verkörperten Fortschrittsvorstellungen. Das machte die Kriegsbegründungen zugleich zu Debatten um Modernitätsansprüche, und es legte im Blick auf das Kaiserreich eine Ungleichzeitigkeit von historischen Entwicklungsprozessen offen. Ob in der Selbstdefinition deutscher Autoren, die vor dem Hintergrund von Kriegskorporatismus, Gemeinwirtschaft und Kriegssozialismus die Abkehr vom britischen Kapitalismus vollzogen, in der Kritik französischer und britischer Autoren am deutschen Machtstaatsideal oder in der wahrgenommenen Ambivalenz von kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen und einem Militarismus, der im Krieg die Enthemmung jeglicher Gewalt bedeutete: Das Janusgesicht dieses deutschen Nationalstaats als Kulturträger und als effiziente Kriegsmaschine, das Nebeneinander von Modernität und Fortschritt sowie Barbarei und Rechtsbruch bildete einen entscheidenden Referenzpunkt zahlloser Kriegsschriften, egal ob Deutschland darin verteidigt oder verurteilt wurde. 166 DDossier 5. Entwertung, Desillusionierung und Suche nach neuen Werten: Die konkrete Kriegserfahrung der Schriftsteller Jeder Krieg sei ironisch, weil jeder Krieg schlimmer als zuvor erwartet sei. Dieses berühmte Diktum von Paul Fussell gilt in exemplarischer Weise für das, was sich im August 1914 vollzog. 40 Kriegserwartungen und Kriegserfahrungen sollten bereits innerhalb der ersten Tage, Wochen und Monate so weitgehend auseinanderfallen wie in keinem anderen Krieg zuvor. Das machte einen entscheidenden Teil des brutalen Wirklichkeitsumbruchs aus, der sich bereits im August 1914 zeigte - nun aber nicht mehr allein in Kasernen und auf städtischen Plätzen, in Wohnzimmern und auf Bauernhöfen, sondern auf den glühendheißen Feldern Belgiens und Nordfrankreichs, in den Wäldern Galiziens und Ostpreußens. Jetzt wurden die ganz unterschiedlichen Erwartungen mit einer Explosion von Gewalterfahrungen konfrontiert, die alle Erwartungen binnen kurzer Frist entwerteten - und gerade Schriftsteller, die dies als Soldaten unmittelbar erlebten, fanden zu Deutungen dieser radikal veränderten Wirklichkeit, die sich fundamental von den intellektuellen Schreibtischdebatten unterschieden. Nirgendwo wurde die Entwertung aller Vorkriegserwartungen so deutlich wie hier. 41 Die Macht des Zufalls, die darüber entschied, ob man den Krieg überlebte oder nicht, wurde zu einem Leitmotiv der soldatischen Fronterfahrung. 42 Robert Musil erlebte im September 1915 den Einschlag eines italienischen Fliegerpfeils unmittelbar neben sich. Fliegerpfeile waren zehn bis 15 Zentimeter lange Stahlpfeile, die Kampfpiloten aus ihren Flugzeugen abwarfen. Für Musil nahm dieses Erlebnis den Stellenwert einer eigenen Initiation an, in dem sich das Nichtwissen um den Einschlag mit dem Wissen um die Präsenz und unmittelbare Nähe des Todes verband: Das Schrapnellstück oder der Fliegerpfeil auf Tenna: Man hört es schon lange. Ein windhaft pfeifendes oder windhaft rauschendes Geräusch. Immer stärker werdend. Die Zeit erscheint einem sehr lange. Plötzlich fuhr es unmittelbar neben mir in die Erde. Als würde das Geräusch verschluckt. Von einer Luftwelle nichts erinnerlich. Muß aber so gewesen sein, denn instinktiv riß ich meinen Oberleib zur Seite und machte bei feststehenden Füßen eine ziemlich tiefe Verbeugung. Dabei von Erschrecken keine Spur, auch nicht von dem rein nervösen wie Herzklopfen, das sonst bei plötzlichem Choc auch ohne Angst eintritt. - Nachher sehr angenehmes Gefühl. Befriedigung, es erlebt zu haben. Beinahe Stolz; aufgenommen in eine Gemeinschaft, Taufe. 43 Dieses Gefühl, dem Tod jederzeit ausgesetzt zu sein, blieb aber nicht auf die unmittelbare Schlacht allein beschränkt. Der französische Schriftseller Gabriel Chevallier verarbeitete in seinem Roman Heldenangst in seinem alter ego, dem französischen Rekruten Jean Dartemont, seine eigenen Kriegserfahrungen. Dartemont beschrieb eine völlig veränderte Wahrnehmung von Himmel und Sonnenaufgang als Chiffren von Natur und Zeit, die in der Vorkriegsgesellschaft Zeichen des Friedens gewesen waren, jetzt aber zu bedrohlichen Fallen wurden, wenn die Aufmerksamkeit der Soldaten nachließ: 167 DDossier Das rosa Morgenlicht, die stille Dämmerung, der warme Mittag sind Fallen. Die Freude wird für uns ausgelegt wie ein Köder. Von körperlichem Behagen erfüllt, streckt ein Mann seinen Kopf aus dem Schützengraben und wird getötet. Einem mehrstündigen Beschuss fallen nur wenige Männer zum Opfer, und eine einzige, aus Langeweile abgeschossene Granate fällt mitten in einen Zug und vernichtet ihn. Ein Soldat ist nach alptraumhaften Tagen von Verdun zurückgekehrt, und beim Exerzieren explodiert ihm eine Handgranate in der Hand, sie reißt ihm den Arm ab und zerfetzt ihm die Brust.“ 44 Akribisch beschrieb Chevallier, dass und wie sich Soldaten nicht als Täter, sondern eher als Opfer von technologisch anspruchsvollen Waffen, Geschossen und einem Gewaltsystem verstanden, das allenfalls in kurzen Momenten durch die gegnerischen Soldaten, durch konkrete Personen also, sichtbar wurde. Ansonsten handelte es sich um eine weitgehend entindividualisierte Erfahrung, die aber auf die Psyche der betroffenen Soldaten umso stärker einwirkte. Genau daraus resultierte auch die Neigung, den Gegner nicht im Licht jener nationalen Feindbilder zu sehen, die zu Kriegsbeginn dominiert hatten und in den Heimatgesellschaften und an vielen Schreibtischen von Intellektuellen an der Heimatfront präsent blieben oder sich sogar noch vertieften. Ganz anders die Reaktion Chevalliers: Er hob auf die gemeinsame Erfahrung aller Soldaten ab, die aus prinzipiell gleichen Gefahren und Lebensbedingungen auf beiden Seiten der Front resultierte: Der Gegner blieb Gegner, aber er war situativ auch immer wieder Kamerad. Gerade der Abstand zu den Kommandeuren der Etappe, die Differenz zwischen horizontaler und vertikaler Erfahrung, zwischen relativer Gleichheit der soldatischen Lebenswelt und der kritischen Sicht der militärischen Hierarchie bildete für diese Deutung einen entscheidender Ansatzpunkt, wie auch Jean Dartemont resümierte: Daher ist der Schrei, der manchmal aus den deutschen Schützengräben erschallt, ‚Kamerad Franzose‘, wahrscheinlich ernst gemeint. Der ‚Fritz‘ ist dem ‚Poilu‘ näher als seinem eigenen Feldmarschall. Und der ‚Poilu‘ ist dem ‚Fritz‘ aufgrund des gemeinsamen Elends näher als den Leuten in Compiègne. Unsere Uniformen sind unterschiedlich, doch wir sind alle Proletarier der Pflicht und der Ehre, Bergarbeiter, die in konkurrierenden Grubenunternehmen arbeiten, doch vor allem gleich entlohnte Bergarbeiter, die gleichermaßen von schlagenden Wettern bedroht werden. 45 Aus der Erfahrung der Todeszonen zogen Schriftsteller im Krieg auch radikale Schlüsse. Henri Barbusse, der Autor des schonungslosen Kriegsbuches Le feu, betonte 1918: „Menschheit statt Nation. 1789 riefen die Revolutionäre: ‚Alle Franzosen sind gleich.‘ Wir sagen: ‚Alle Menschen! ‘ Die Gleichheit erfordert gemeinsame Regeln für alle Menschen der Erde.“ 46 Dieser Satz, diese Hoffnung, der Weltkrieg sei mit seinen entsetzlichen Opfern nicht umsonst gewesen, weil er eine neue Weltinnenordnung geschaffen habe, hat im Prinzip seinen normativen Anspruch bis heute nicht verloren, auch wenn niemand behaupten kann, die Menschheit sei bei aller Verdichtung zum wirklichen Handlungssubjekt geworden - auch die Desillusionierung der globalen Hoffnungen auf ‚a war to end all wars‘ sollte eine Grunderfahrung des 20. Jahrhunderts werden. 47 168 DDossier Langfristig geriet durch den Krieg nicht nur das liberale Politikmodell unter Druck, sondern auch das Bild pluraler Gesellschaften, die am Ende des Krieges vielen Zeitgenossen als atomistisch galten. In seinen Betrachtungen eines Unpolitischen gab Thomas Mann 1918 seiner Verachtung für das westeuropäische Politik-Verständnis Ausdruck, das er mit dem modernen Gesellschaftsbegriff identifizierte: „Die Politik macht roh, pöbelhaft und stupid. Neid, Frechheit, Begehrlichkeit ist alles, was sie lehrt [ ] Ich will nicht die Parlaments- und Parteiwirtschaft, welche die Verpestung des gesamten nationalen Lebens mit Politik bewirkt [ ] Ich will nicht Politik. Ich will Sachlichkeit, Ordnung und Anstand“. 48 Aber es gab auch andere Wirkungen und Ansätze für eine Reformulierung des liberalen Paradigmas. So schufen Kriegsende und Revolution für Ernst Troeltsch eine neue Situation. Die Distanzierung von seinen Positionen zu Kriegsbeginn setzte bereits in den Spectator-Briefen mit der Hoffnung an, der Ausgang des Weltkrieges werde auch das „Ende des Militarismus“ bedeuten. 49 In den Vordergrund rückte nun die Stabilisierung der neuen demokratischen Republik und die entscheidende Frage, wie vor dem Hintergrund der Traumatisierung des deutschen Bildungsbürgertums, das sich als der eigentliche Träger und Garant des 1871 begründeten Nationalstaates empfunden hatte und 1918 vor den Trümmern des Kaiserreichs und in gewisser Weise seiner eigenen Geschichte stand, eine Aussöhnung mit der demokratischen Republik gelingen konnte. Troeltschs Antwort auf die neue Situation, die er gemäß einer von Max Weber beeinflussten rationalen Wahrnehmungsstrategie als ‚Sachlage‘ charakterisierte, auf ihre Notwendigkeiten, aber auch auf die durch sie vergrößerten Handlungsspielräume, setzte auf eine geistige Regeneration, auf die Mobilisierung sozialmoralischer Werte, wo auf andere zunächst nicht zu hoffen war. Zu Beginn der Verfassungsberatungen der Nationalversammlung betonte er: „Das Werk Bismarcks muss erneuert und ersetzt werden, ohne den Hintergrund einer starken, realen Macht, ganz wesentlich mit Hilfe rein ideeller Kraftquellen“. 50 Deutschland sei von einer neuen „Fülle der Gegensätze“ bedroht, die an die Situation nach 1648 erinnere, und die nur im Zeichen einer Anknüpfung an die positiven Ideale von 1848 und deren konsequenter Weiterentwicklung überwunden werden könne. „Über Nacht“ sei Deutschland „zur radikalsten Demokratie Europas“ geworden, so Troeltsch in einem Vortrag vor dem Demokratischen Studentenbund am 16. Dezember 1918. 51 Auch in einer weiteren Hinsicht kam es bei Troeltsch zu einer bemerkenswerten Neupositionierung. Wo es im Krieg noch um die Distanzierung von der westeuropäischen Aufklärung und die Abqualifizierung englischen Materialismus und französischer Zivilisation gegangen war, die erst zur Einkreisung und zum Kulturkrieg gegen Deutschland geführt hätten, stand jetzt der Versuch der Synthese überstaatlicher und transnationaler Ideenmuster und die Suche nach den Berührungen zwischen deutscher und europäischer Kulturgeschichte im Vordergrund. Der kontrastierende Vergleich, der den Ideen von 1914 zugrundegelegen hatte, wurde ersetzt durch den Blick auf Transfers und Verflechtungen. Dem galt vor allem 169 DDossier Troeltschs programmatische Grundschrift über Naturrecht und Humanität in der Weltpolitik von 1922. 52 Das musste auch der Verfasser der Betrachtungen eines Unpolitischen anerkennen, der um 1922 selbst auf der Suche nach einer Brücke zur demokratischen Republik war. Thomas Mann anerkannte Troeltschs Einsatz für eine „Wiederannäherung des deutschen Gedankens an den mit bestimmten religiösen und ideologischen Elementen unseres Kulturkreises unlöslich verbundenen westeuropäischen“. Mit einem Anflug selbstkritischer Ironie fügte Mann hinzu: „Was [ ] hier von einem gelehrten Denker mit stärkender Bestimmtheit ausgesprochen wurde, das war, gefühlsweise, als dunkle Gewissensregung, seit Jahr und Tag in manchem Deutschen lebendig gewesen - in solchen vielleicht sogar, die im Zauberberge des romantischen Ästhetizismus recht lange und gründlich geweilt“. 53 6. Ausblick: Der Erste Weltkrieg und die neue Tektonik von Erwartungen und Erfahrungen im 20. Jahrhundert Was folgt aus alldem? 54 Der Erste Weltkrieg war viel mehr als die Vorgeschichte zu einer noch schlimmeren Katastrophe. Er offenbarte, was im Namen von Nation und Nationalstaat möglich war, und das Mögliche zeigte sich in zahllosen Tabubrüchen und Enthemmungen. Darin bestand die Krise einer besonderen Form einer europäischen Vergesellschaftung, die sich seit dem Ausgang des 17. Jahrhunderts und vor dem Hintergrund der konfessionellen Bürgerkriege entwickelt hatte. Sie hatte auf der Möglichkeit gegründet, Kriege durch Regeln einzuhegen, sie als Konflikte zwischen prinzipiell souveränen Staaten nicht eskalieren zu lassen, Gewalt zu kanalisieren und sie damit berechenbar zu machen. Das war nach den Erfahrungen der in der Folge der Französischen Revolution und Napoleons entstandenen Kriege im Prinzip auch zwischen 1815 und 1914 noch einmal gelungen - und lange Zeit hatte sich die internationale Staatenordnung angesichts der Entstehung neuer Nationalstaaten und ihrer imperialen Ausgriffe als flexibel erwiesen. Diese Epoche letztlich begrenzter Kriege kam mit dem Ersten Weltkrieg zu Ende: Die europäischen Kriegsgesellschaften verloren zwischen August 1914 und November 1918 ihre Fähigkeit, aus eigenen Kräften äußeren und inneren Frieden zu schließen und einer solchen Friedensordnung langfristig zu vertrauen. Das markierte einen entscheidenden Einschnitt für die Wahrnehmung Europas und der Glaubwürdigkeit der von seinen Staaten repräsentierten Ordnungsmodelle in der Welt. Der Sieger des Weltkrieges war keine Nation, kein Staat, kein Empire, und sein Ergebnis war keine Welt ohne Krieg. Der eigentliche Sieger war der Krieg selbst, das Prinzip des Krieges, der totalisierbaren Gewalt als Möglichkeit. Das wog langfristig umso schwerer, weil es im fundamentalen Gegensatz zu jenem Leitmotiv stand, das sich während des Krieges entwickelt hatte und das für viele ein entscheidender Grund gewesen war, den Krieg mit allen Mitteln fortzusetzen. Die 170 DDossier Hoffnung, ein letzter grausamer Krieg müsse am Ende gegen das Prinzip des Krieges überhaupt geführt werden, das Vertrauen darauf, dass der Weltkrieg ein allerletzter Krieg, ein ‚war that will end war‘ sei, sollte bitter enttäuscht werden. Denn bereits mit dem ganz ungleichzeitigen Ende des Weltkrieges, vor allem in den Zonen der zusammengebrochenen Großreiche Russlands, der Habsburgermonarchie und des Osmanischen Reiches, aber auch außerhalb Europas, war weit über 1918 hinaus allen rhetorischen Bekräftigungen einer neuen internationalen Ordnung zum Trotz das Prinzip des Krieges, der gewaltsamen Veränderung durch Mobilisierung aller zur Verfügung stehenden Ressourcen, verstärkt worden. Was sich durch den Krieg elementar veränderte, war der Blick auf die Möglichkeiten der Gewalt vor dem Hintergrund einer neuartigen Unübersichtlichkeit, eines Zeitalters der Frakturen, die zu neuen Kategorienbildungen zwang. Es war nach 1918 kein neuer stabiler Ordnungsrahmen - weder gesellschaftlich, noch politisch, noch international - erkennbar. Aber die neuen Modelle des Bolschewismus wie des Faschismus wandten sich unverkennbar gegen das liberale Erbe des 19. Jahrhunderts, nicht zuletzt in der ausgesprochenen Gewaltbereitschaft und dem entgrenzten Terror nach innen und außen. Das hatte mit vielfältigen Weltkriegserfahrungen zu tun, den Übergängen vom Staatenkrieg in die Revolution und den Bürgerkrieg genauso wie mit den enttäuschten Erwartungen in vielen Gesellschaften nach 1918. Um 1930 schien das Modell des liberalen Verfassungsstaates und der Parlamentarismus jedenfalls seine Zukunft hinter sich zu haben. Hinter dieser tiefgreifenden Erschütterung wurde etwas anderes sichtbar. Stärker als in jedem Krieg zuvor und danach traten im Ersten Weltkrieg Erwartungen und Erfahrungen auseinander. Walter Benjamin schrieb 1933 im Rückblick Nein, soviel ist klar: die Erfahrung ist im Kurse gefallen und das in einer Generation, die 1914-1918 eine der ungeheuersten Erfahrungen in der Weltgeschichte gemacht hat [ ] Denn nie sind Erfahrungen gründlicher Lügen gestraft worden, als die strategischen durch den Stellungskrieg, die wirtschaftlichen durch die Inflation, die körperlichen durch den Hunger, die sittlichen durch die Machthaber. Eine Generation, die noch mit der Pferdebahn zur Schule gefahren war, stand unter freiem Himmel in einer Landschaft, in der nichts unverändert geblieben war als die Wolken, und in der Mitte, in einem Kraftfeld zerstörender Ströme und Explosionen, der winzige, gebrechliche Menschenkörper. 55 Was aber war die Konsequenz dieser radikalen Entwertung von Erwartungen durch eine Explosion von Gewalterfahrungen in kurzer Frist seit dem Sommer 1914? Bis in die frühe Neuzeit waren Erwartungshorizonte und Erfahrungsräume in einem zyklischen Zeitverständnis aufeinander bezogen geblieben. Zwischen 1770 und 1850 brach diese Zeitvorstellung auseinander, weil die Erwartungen der Menschen im Zeitalter der Französischen Revolution weit über ihre Erfahrungen hinausschossen. 56 Das, was im August 1914 begann und im November 1918 nicht endete, kehrte diese Tektonik radikal um: Nun entlarvte der Krieg die Fortschrittserwartungen, jenes Erbe des 19. Jahrhunderts, als harmlose Szenarien, die der Dynamik der Erfahrungen in diesem Krieg nicht mehr standhielten. Das Ergebnis war eine Glaubwürdigkeitskrise in nahezu allen Lebensbereichen: eine Krise der 171 DDossier Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, der ideologischen Entwürfe zur Rechtfertigung von Staaten und Reichen, von Nationen, Ethnien und Klassen. Darin, in dieser elementaren Verunsicherung, in verkürzten Geltungsfristen und Halbwertzeiten großer Ordnungsideen, liegt ein Erbe des Krieges bis in die Gegenwart. 1 Krieg-mobil! , zit. nach: Bernd Ulrich / Jakob Vogel / Benjamin Ziemann (ed.), Untertan in Uniform. Militär und Militarismus im Kaiserreich 1871-1914. Quellen und Dokumente, Frankfurt / M., Fischer, 2001, 215sq. 2 Franz Kafka, Tagebücher, Textband, ed. Hans-Gerd Koch / Michael Müller / Malcolm Pasey, in: id., Schriften, Tagebücher, Briefe. Kritische Ausgabe, Frankfurt / M., Fischer, 1990, 543. 3 Cf. im folgenden Jörn Leonhard, Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs, 5. Aufl., München, Beck, 2014, 236-250 und 415-424. 4 Hermann Hesse, „O Freunde, nicht diese Töne! “, in: Neue Zürcher Zeitung, 3. November 1914; Heimo Schwilk, Hermann Hesse. Das Leben des Glasperlenspielers, München / Zürich, Piper, 2012, 169-195. 5 Hugo von Hoffmannsthal, „Österreichs Antwort“, in: Neue Freie Presse, 24. September 1914, Morgenblatt, 1; Arthur Schnitzler, Tagebuch, 5. August 1914, in: id., Tagebuch, Bd. 5: 1913-1916, Wien, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1983, 128-129; Edmund de Waal, Der Hase mit den Bernsteinaugen (engl.: 2010), Wien, Zsolnay, 2011, 188. 6 Robert Musil, Tagebücher, ed. Adolf Frisé, Reinbek, Rowohlt, 1983, 299; Karl Corino, Robert Musil. Leben und Werk in Bildern und Texten, Reinbek, Rowohlt, 1989, 221. 7 Ibid. 8 Ernst Troeltsch, „Nach der Erklärung der Mobilmachung, 2. August 1914“, in: Peter Wende (ed.), Politische Reden, Bd. 3: 1914-1945, Frankfurt / M., Deutscher Klassiker- Verlag, 1994, 9-19, hier: 10sqq. und 15sq. 9 Ibid., 17-18. 10 Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, „Krieges Anfang, 27. August 1914“, in: Peter Wende (ed.), Politische Reden, Bd. 3 (wie Anm. 8), 20-29, hier: 21-22 und 23-24. 11 Michael Klepsch, Romain Rolland im Ersten Weltkrieg. Ein Intellektueller auf verlorenem Posten, Stuttgart / Berlin / Köln, Kohlhammer, 2000, 53-64. 12 Brief Rollands an Hauptmann und seine Antwort, zit. nach: Wolfgang Schivelbusch, Die Bibliothek von Löwen. Eine Episode aus der Zeit der Weltkriege, München, Hanser, 1988, 27sq.; Rüdiger vom Bruch, „Aufruf der 93“, in: Gerhard Hirschfeld / Gerd Krumeich / Irina Renz (ed.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg, 2. Aufl., Paderborn, Schöningh, 2004, 356sq. 13 Jürgen von Ungern-Sternberg / Wolfgang von Ungern-Sternberg, Der Aufruf „An die Kulturwelt“. Das Manifest der 93 und die Anfänge der Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg, Stuttgart, Steiner, 1996, 144sq. 14 Johann Plenge, 1789 und 1914. Die symbolischen Jahre in der Geschichte des politischen Geistes, Berlin, Springer, 1916, 111sqq.; Jörn Leonhard, „Vom Nationalkrieg zum Kriegsnationalismus - Projektion und Grenze nationaler Integrationsvorstellungen in Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten im Ersten Weltkrieg“, in: Ulrike von Hirschhausen / Jörn Leonhard (ed.), Nationalismen in Europa. West- und Osteuropa im Vergleich, Göttingen, Wallstein, 2001, 204-240. 172 DDossier 15 Steffen Bruendel, Volksgemeinschaft oder Volksstaat. Die „Ideen von 1914“ und die Neuordnung Deutschlands im Ersten Weltkrieg, Berlin, Akademie-Verlag, 2003, 16sqq, 20-28 und 110-116; Jeffrey Verhey, „Ideen von 1914“, in: Hirschfeld / Krumeich / Renz (ed.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg (wie Anm. 12), 568sqq. 16 Hermann Kurzke, Thomas Mann. Das Leben als Kunstwerk, München, Beck, 1999, 238. 17 Zit. nach: ibid., 241. 18 Thomas Mann, „Gedanken im Kriege“, in: id., Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Bd. 15/ 1: Essays II 1914-1926, ed. Hermann Kurzke, Frankfurt / M., Fischer, 2002, 27-46, hier: 27, 31. 19 Kurzke, Thomas Mann (wie Anm. 16), 239sq. 20 Mann, „Gedanken im Kriege“ (wie Anm. 18), 37. 21 Ibid., 37sq.; Rolf Peter Sieferle, „Der deutsch-englische Gegensatz und die ‚Ideen von 1914‘“, in: Gottfried Niedhart (ed.), Das kontinentale Europa und die britischen Inseln. Wahrnehmungsmuster und Wechselwirkungen seit der Antike, Mannheim, Palatium- Verlag im J-&-J-Verlag, 1993, 139-160; Peter de Mendelssohn, Der Zauberer. Das Leben des Schriftstellers Thomas Mann, Bd. 2: 1905 bis 1918, Neuausgabe Frankfurt / M., Fischer, 1996, 1616sq. 22 Cf. im folgenden Leonhard, Büchse der Pandora (wie Anm. 3), 246-249. 23 Hermann Grampp, „Besatzungsmacht Wagner. Der französische Kriegsbann von 1914“, in: Sven Oliver Müller / Sarah Zalfen (ed.), Besatzungsmacht Musik. Zur Musik- und Emotionsgeschichte im Zeitalter der Weltkriege (1914-1949), Bielefeld, transcript, 2012, 233-254. 24 Robert Gildea, Children of the Revolution. The French, 1799-1914, London, Allen Lane, 2008, 437-443. 25 Martha Hanna, The Mobilization of Intellect. French Scholars and Writers During the Great War, Cambridge / Mass., Harvard Univ. Press, 1996, 106-141. 26 Romain Rolland, „Au-dessus de la mêlée, Lettre ouverte du 15 Septembre 1914“, Paris 1914, zit. nach: Philippe Contamine, „Mourir pour la patrie X e -XX e siècle“, in: Pierre Nora (ed.), Les lieux de mémoire, 3 Bde., Paris, Gallimard, 1997, hier: Bd. 2, 1673-1698, hier: 1694. 27 Franz-Josef Brüggemeier, Geschichte Großbritanniens im 20. Jahrhundert, München, Beck, 2010, 108. 28 Stuart Wallace, War and the Image of Germany. British Academics 1914-1918, Edinburgh, Donald, 1988, 77. 29 Hartmut Pogge von Strandmann, „Germany and the Coming of War“, in: Robert John Weston Evans / Hartmut Pogge von Strandmann (ed.), The Coming of the First World War, Oxford, Clarendon Press, 1988, 87-124, hier: 87sqq. 30 Why We Are at War. Great Britain’s Case. By Members of the Faculty of Modern History, 3. Aufl., Oxford, Clarendon, 1914, 108-117; Peter Hoeres, Krieg der Philosophen. Die deutsche und die britische Philosophie im Ersten Weltkrieg, Paderborn, Schöningh, 2004. 31 Cf. im folgenden Leonhard, Büchse der Pandora (wie Anm. 3), 415-421. 32 Leonard T Hobhouse, The Metaphysical Theory of the State, London, Allen & Unwin, 1921, 6; Wallace, War and the Image of Germany (wie Anm. 28), 36sq.; Peter Pulzer, „Vorbild, Rivale und Unmensch. Das sich wandelnde Deutschlandbild in England 1815- 1945“, in: Hans Süssmuth (ed.), Deutschlandbilder in Dänemark und England, in Frankreich und den Niederlanden, Dokumentation der Tagung „Deutschlandbilder in Dänemark und England, in Frankreich und den Niederlanden“ 15.-18. Dezember 1993, Baden- Baden, Nomos, 1996, 235-250, hier: 241. 173 DDossier 33 Jacques Bainville, Histoire de deux peuples. La France et l’Empire Allemand, Paris, Nouvelle Libraire Nationale, 1915, 307. 34 Heinrich August Winkler, Geschichte des Westens, Bd. 2: Die Zeit der Weltkriege, 1914- 1945, München, Beck 2011, 29-31. 35 Thomas Mann, „Friedrich und die große Koalition. Ein Abriss für den Tag und für die Stunde“, in: id., Große kommentierte Frankfurter Ausgabe (wie Anm. 18), Bd. 15/ 1, 55- 122, hier: 78. 36 Ibid., 107, 115. 37 Heinrich Mann, „Zola“, in: id., Essays und Publizistik, Bd. 2: Oktober 1904 bis Oktober 1918, ed. Manfred Hahn, Bielefeld, Aisthesis, 2012, 147-208, hier: 179sq. 38 Werner Sombart, Händler und Helden. Patriotische Besinnungen, München / Leipzig, Duncker und Humblot 1915, 47sq. 39 Ibid., 84sq. 40 Paul Fussell, The Great War and Modern Memory (1975). With a New Introduction by Jay Winter, Oxford, Oxford Univ. Press, 2013, 7; James J. Sheehan, Kontinent der Gewalt. Europas langer Weg zum Frieden (engl.: 2008), München, Beck, 2008, 97. 41 Cf. im folgenden Leonhard, Büchse der Pandora (wie Anm. 3), 325-330. 42 Henning Ritter, Notizhefte, 4. Aufl., Berlin, Berlin-Verlag, 2010, 369. 43 Musil, Tagebücher, 22. September 1915 (wie Anm. 7), 312; Corino, Robert Musil (wie Anm. 7), 238. 44 Gabriel Chevallier, Heldenangst (franz.: La Peur, 1930), München, Nagel & Kimche, 2010, 342sq. 45 Ibid., 344. 46 Henri Barbusse, Der Schimmer im Abgrund. Ein Manifest an alle Denkenden, dt. Ausgabe von Iwan Goll, Basel, o.J., 60. 47 Reinhart Koselleck, „Patriotismus. Gründe und Grenzen eines neuzeitlichen Begriffs“, in: id., Begriffsgeschichten, Frankfurt / M., Suhrkamp, 2006, 218-239, hier: 238sq. 48 Thomas Mann, „Betrachtungen eines Unpolitischen“, in: id., Große Kommentierte Frankfurter Ausgabe (wie Anm. 18), Bd. 12/ 1, 251sqq. 49 Ernst Troeltsch, Spektator-Briefe. Aufsätze über die deutsche Revolution und die Weltpolitik 1918/ 1924, Tübingen, Mohr, 1924, 1; Jörn Leonhard, „‚Über Nacht sind wir zur radikalsten Demokratie Europas geworden‘ - Ernst Troeltsch und die geschichtspolitische Überwindung der Ideen von 1914“, in: Friedrich Wilhelm Graf (ed.), „Geschichte durch Geschichte überwinden“. Ernst Troeltsch in Berlin, Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus, 2006, 205-230. 50 Ernst Troeltsch, „Nationalgefühl (Februar 1919)“, in: id., Schriften zur Politik und Kulturphilosophie (1918-1923), ed. Gangolf Hübinger, Kritische Gesamtausgabe, Bd. 15, Berlin, de Gruyter, 2002, 55-59, hier: 56, 59. 51 Ernst Troeltsch, „Demokratie (August 1919)“, in: ibid., 207-224, hier: 211. 52 Ernst Troeltsch, „Naturrecht und Humanität in der Weltpolitik (April 1923)“, in: ibid., 477- 512. 53 Thomas Mann, „Naturrecht und Humanität in der Weltpolitik“, in: Frankfurter Zeitung, 25. Dezember 1923, zit. nach: id., Gesammelte Werke in dreizehn Bänden, hier: Bd. 12, Frankfurt / M., Fischer, 1974, 627-629; Jörn Leonhard, „Das Dilemma von Erwartungen und Erfahrungen. Liberale im Ersten Weltkrieg“, in: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung 26 (2014), 193-215. 54 Cf. im folgenden Leonhard, Büchse der Pandora (wie Anm. 3), 998-1012. 174 DDossier 55 Walter Benjamin, „Erfahrung und Armut (Dezember 1933)“, in: id., Gesammelte Schriften, Bd. 2/ 1, Frankfurt / M., Suhrkamp, 1977, 213-219, hier: 214. 56 Reinhart Koselleck, „‚Erfahrungsraum‘ und ‚Erwartungshorizont‘ - zwei historische Kategorien“, in: id., Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt / M., Suhrkamp, 1989, 349-375